Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 25.07.2011 | |
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Aktenzeichen | 9 UF 80/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die als befristete Beschwerde auszulegende Beschwerde der Kindesmutter vom 9. März 2011 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 8. März 2011 – Az.: 35 F 204/08 - wird zurückgewiesen.
Das Ablehnungsgesuch der Kindesmutter vom 2. Mai 2011 wegen Befangenheit der Verfahrenspflegerin wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Kindesmutter auferlegt.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000 € festgesetzt.
Auf das Verfahren ist gemäß Art 111 Abs. 1 FGG-RG das bis zum 31.08.2009 geltende Verfahrens- und materielle Recht anzuwenden, da es vor dem 01.09.2009 eingeleitet worden ist.
Die gemäß §§ 621 e; 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO a.F.; §§ 517; 520 ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte befristete Beschwerde ist unbegründet. Die elterliche Sorge ist gemäß § 1671 BGB dem Kindesvater allein zu übertragen.
Nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB kann einem Elternteil die elterliche Sorge bzw. Teile der elterlichen Sorge allein übertragen werden, wenn die Kindeseltern nicht nur vorübergehend getrennt voneinander leben und wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Nach der gesetzlichen Konzeption besteht kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinne, dass eine Priorität zu Gunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge besteht und die Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen in Betracht käme (vgl. BGH, NJW 2000, 203 m.w.N.). Es ist vielmehr im Weg einer Prognoseentscheidung zu prüfen, in wie weit beide Eltern uneingeschränkt zur Pflege und Erziehung des Kindes geeignet sind, ob ein gemeinsamer Wille zur Kooperation besteht und ob keine sonstigen Gründe vorliegen, die es im Interesse des Kindeswohls gebieten, Teile des Sorgerechts nur einem Elternteil zu übertragen (BVerfG, FamRZ 1982, 1179).
Hier muss festgestellt werden, dass die Eltern von C… inzwischen getrennt leben und eine tragfähige Basis für die gemeinsame Ausübung des Sorgerechts nicht mehr besteht. Die gemeinsame elterliche Sorge war daher aufzulösen. Bei der Frage, welchem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen ist, ist derjenigen Sorgerechtsregelung der Vorzug zu geben, von der zu erwarten ist, dass sie im Sinne des Kindeswohls die bessere Lösung darstellt. Dabei sind insbesondere auch diejenigen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die darauf hinweisen, dass Gründe vorliegen, einem Elternteil die elterliche Sorge gemäß § 1666 BGB zu entziehen (vgl. § 1671 Abs. 3 BGB). Das Amtsgericht ist hier mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass dem Vater das Sorgerecht insgesamt zu übertragen ist.
Die Kindesmutter leidet an einer psychischen Erkrankung in Form einer schizoaffektiven Störung mit schizomanischem Syndrom. Diese Erkrankung führt zu einer fortbestehenden Kindeswohlgefährdung. Insoweit wird insgesamt auf die zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung sowie die umfangreichen erstinstanzlichen Ermittlungen, insbesondere den Inhalt des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. H… vom 3. August 2009 (Bl. 335 GA) Bezug genommen. Die Einschätzungen des Sachverständigen beruhen sowohl auf selbst erhobenen Befunden des Gutachters als auch auf der Einbeziehung von Informationen weiterer behandelnder Ärzte der Kindesmutter. Dass eine voreingenommene oder nur auf Beeinflussung Dritter beruhende Einschätzung abgegeben worden ist, wie die Beschwerdeführerin meint, trifft nach dem Inhalt des Gutachtens nicht zu.
Dass seit der Begutachtung einige Zeit verstrichen ist, wirkt sich nicht zu Gunsten der Beschwerdeführerin aus. Ebenso wenig liegt nur eine „Momentaufnahme“ vor. Der Sachverständige hat ausführlich ausgeführt, dass die psychische Erkrankung einer medikamentösen Behandlung bedarf, die geeignet wäre, die Symptome prinzipiell zu modifizieren. Auch unter einer adäquaten Behandlung müsse jedoch überprüft werden, ob eine vollständige oder weitgehende Remission erzielt werden könne. Die Beschwerdeführerin hat jedoch bereits nach kurzer Zeit der Behandlung die Medikation aus eigenem Entschluss abgesetzt und zeigt nach wie vor keinerlei Krankheitseinsicht. Der behandelnde Arzt Dr. Dr. M… hat gegenüber dem Sachverständigen ausgeführt, das Absetzen der Medikamente sei gegen seinen ausdrücklichen Rat erfolgt und er habe etwa sechs bis acht Wochen später wieder eine Zunahme der psychotischen Symptomatik feststellen müssen. Weiter hat er die fachärztliche Einschätzung geäußert, die Patientin sei in ihren Handlungen nicht berechenbar. Demgegenüber räumt die Beschwerdeführerin nur eine kurzzeitige gesundheitliche Einschränkung („psychischer Ausfall“) am 30.08.2008 ein.
Die durch den Sachverständigen dargelegten krankhaft bedingten Verhaltensweisen und die mangelnde Einsichtsfähigkeit der Kindesmutter offenbaren sich auch in ihrem wirren schriftsätzlichen Vorbringen, in dem sie die Väter ihrer Kinder, die beteiligten Richter und Jugendamtsmitarbeiter als krank oder gar als Folterer beschreibt. Daneben befasst sie sich ausführlich mit ihren Ansichten zu Reinkarnation, Religion, Psychologie, der Unterdrückung von Frauen/Müttern durch Männer im Allgemeinen usw. Soweit die Beschwerdeführerin darauf hinweist, niemand habe ihr nachweisen können, dass sie ihren Kindern etwas angetan habe, trifft das hinsichtlich des Kindes C… zu. Von ihr geht jedoch, anders als vom Kindesvater, aufgrund ihrer Erkrankung eine Gefahr für C… aus. Der Sachverständige hat dazu ausgeführt, zwar lägen keine Anzeichen für eine Gefährdung des Kindeswohls durch absichtsvolle Handlungen vor, jedoch müsse von einer Gefährdung durch impulsive aggressive Handlungen bei gestörter Affektregulation der Probandin ausgegangen werden. Außerdem bestünde die Gefahr der Beeinträchtigung des seelischen Kindeswohls aufgrund verbaler Äußerungen der Mutter (S. 26 f des Gutachtens). Von den geschilderten wahnhaften Überzeugungen hat sich die Beschwerdeführerin bis heute nicht distanziert. Die mangelnde Affektsteuerung kam in den Sitzungen des Amtsgerichts deutlich zum Ausdruck. Wenn die Beschwerdeführerin meint, die Tatsache, dass sie den Richter im Termin nicht getötet habe, zeige im Gegenteil, dass sie ihre Affekte steuern könne (Schriftsatz vom 09.03.2011, S. 4; Bl. 764 GA), spricht das für sich. Auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss wird im Übrigen Bezug genommen.
Es ist daher weiterhin von einer zumindest eingeschränkten Erziehungsfähigkeit der Mutter auszugehen.
Hinsichtlich des Kindesvaters musste kein Gutachten über seine Erziehungsfähigkeit eingeholt werden, weil keine objektiven Anzeichen dafür sprechen, dass insoweit maßgebliche Einschränkungen vorliegen könnten. C… befindet sich seit September 2008 in seiner Obhut; das Jugendamt und die Verfahrenspflegerin haben keine Bedenken gegen eine Übertragung des Sorgerechts auf den Vater geäußert.
Die Ablehnung der Verfahrenspflegerin als befangen (Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 03.05.2011) ist unzulässig. § 6 FGG a.F. gilt nur im Hinblick auf Richter. Die Vorschrift ist auch nicht entsprechend auf den Verfahrenspfleger anwendbar, der nicht die Stellung einer Hilfsperson des Gerichts (wie etwa ein Dolmetscher) hat, sondern selbständiger Interessenvertreter des Kindes ist, der den Eltern gegenüber nicht zur Neutralität verpflichtet ist (OLG Karlsruhe, FamRZ 2005, 1571; OLG Zweibrücken, FamRZ 2004, 1980; Keidel/Kuntze/ Engelhardt, FGG, 15. A., § 50 Rz. 12, 48). Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die Verfahrenspflegerin ihre Aufgabe nicht wie gesetzlich vorgesehen wahrgenommen hat. Aus ihren Stellungnahmen ergibt sich, dass sie im Interesse des Kindeswohls tätig geworden ist.
Von einer erneuten mündlichen Anhörung hat der Senat, der bereits mit Verfügung vom 5. April 2011 die Absicht einer schriftlichen Entscheidung angezeigt hat, abgesehen, da angesichts der erkennbar fortbestehenden schweren psychischen Erkrankung der Kindesmutter insoweit keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind. Zwar sind gemäß § 50a Abs. 1 S. 1; 50b Abs. 1, 2 FGG grundsätzlich das Kind und die Eltern im Beschwerdeverfahren persönlich anzuhören. Eine erneute persönliche Anhörung durch das Beschwerdegericht kann jedoch dann unterbleiben, wenn weder neue Tatsachen vorgetragen sind, noch sich rechtliche Gesichtspunkte geändert haben und die Anhörung durch das Amtsgericht noch nicht lange zurückliegt (Keidel, a.a.O., § 50a Rz. 17 ff; BayObLG, FamRZ 1997, 685). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Beteiligten hatten überdies ausreichend Gelegenheit, im Beschwerdeverfahren schriftsätzlich vorzutragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG, die Festsetzung des Beschwerdewerts auf § Abs. 2 KostO.