Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 11.06.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 A 10.14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 2 Abs 2 S 1 GG, Art 8 MRK, § 82 Abs 1 S 2 VwGO, § 88 VwGO, § 75 Abs 2 S 2 VwVfG, § 75 Abs 2 S 4 VwVfG, § 2 Abs 2 S 2 Nr 2 FluLärmG 2007, § 4 Abs 1 Nr 1 FluLärmG 2007, § 4 Abs 4 FluLärmG 2007, § 4 Abs 7 FluLärmG 2007, § 9 Abs 1 FluLärmG 2007, § 9 Abs 2 FluLärmG 2007, Art 3 FluLärmG 2007, § 2 FluLärmG 1971, § 9 Abs 1 S 1 FluLärmG 1971, § 7 FluLärmG BE 1975 |
1. Ein Anspruch auf Kostenerstattung für baulichen Schallschutz nach den Vorschriften des Fluglärmschutzgesetzes von 2007 setzt die Neufestsetzung eines Lärmschutzbereiches voraus. Eine Neufestsetzung findet nicht statt, wenn der Verkehrsflughafen - wie der Flughafen Berlin-Tegel - innerhalb von zehn Jahren geschlossen werden soll.
2. Die Vorschrift des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG ist als Anspruchsgrundlage für passiven Schallschutz nicht anwendbar, weil der Gesetzgeber mit dem Fluglärmschutzgesetz 2007 die verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Vorgaben für den passiven Schallschutz abschließend geregelt hat.
3. Ein Anspruch nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG auf aktiven Schallschutz setzt voraus, dass die Lärmbelastung durch das gesteigerte Luftverkehrsaufkommen einen mit den Anforderungen des Verfassungsrechts unvereinbaren Zustand hervorruft. Das ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die im Fluglärmschutzgesetz von 2007 für die Anspruchsentstehung festgesetzten Lärmwerte nicht überschritten werden.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte oder die Beigeladene jeweils zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin begehrt Lärmschutzmaßnahmen oder Entschädigung wegen des aus ihrer Sicht infolge der verschobenen Eröffnung des Flughafens Berlin Brandenburg am Flughafen Berlin-Tegel zunehmenden Fluglärms.
Die Klägerin bewohnt eine Doppelhaushälfte auf dem in ihrem Miteigentum stehenden Grundstück S...W...2... in 1... Berlin. Mit Schreiben vom 17. September 2012 beantragte sie bei dem Beklagten, die Beigeladene zu geeigneten Lärmschutzmaßnahmen oder bei Untunlichkeit von Lärmschutzmaßnahmen zu Entschädigungsleistungen in angemessener Höhe zu verpflichten.
Mit Bescheid vom 13. November 2012 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Das Wohngrundstück der Klägerin befinde sich außerhalb der Lärmschutzzone 2 des im Jahr 1976 für den Flughafen Berlin-Tegel festgesetzten Lärmschutzbereichs, jedoch in der sogenannten Planungszone, innerhalb derer seinerzeit Zuschüsse für den Einbau von Schallschutzfenstern gewährt worden seien. Zwar habe sich seit 1976 die Anzahl der Flugbewegungen erhöht, das heute eingesetzte Fluggerät verursache jedoch wesentlich geringere Geräuschpegel, so dass der Lärmschutzbereich bei heutiger Neuberechnung wahrscheinlich geringer ausfallen würde. Nach den für das Grundstück der Klägerin für die sechs verkehrsreichten Monate des Jahres 2011 vorgenommenen Lärmberechnungen der Beigeladenen habe der Dauerschallpegel am Tag 57,5 dB(A) und in der Nacht 46,6 dB(A) betragen. Für den Flughafen Berlin-Tegel sei nach dem neuen Fluglärmschutzgesetz von 2007 keine Neufestsetzung des Lärmschutzbereichs erforderlich, da der Flughafen innerhalb einer Frist von zehn Jahren geschlossen werde. Auch ein Anspruch auf Entschädigung sei nicht gegeben.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor:
Das Passagieraufkommen sei seit dem Jahr 1990 von 6,6 Millionen auf 17 Millionen im Jahr 2011 gestiegen. Durch die Umleitung der Flüge von dem Flughafen Berlin Brandenburg habe sich das Lärmaufkommen um ca. 5 % erhöht. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung sei medizinisch bereits ab einem Dauerschallpegel von über 60 dB(A) am Tag nachgewiesen. Ein erhöhter Dauerschallpegel verursache eine chronische Schädigung des Herz-Kreislauf-Systems. Nachtfluglärm führe häufig zu höheren Blutwerten und damit einem erhöhten Herzinfarktrisiko. Sie werde regelmäßig durch Fluglärm in ihrem Schlaf gestört und habe typische Anzeichen von Lärmstress. Der Dauerschallpegel betrage nach ihren eigenen Messungen zumindest nachts über 60 dB(A). Sie habe die Immobilie mit Blick auf die für 2011 angekündigte Schließung des Flughafens Berlin-Tegel erworben. Im Sommer sei eine Nutzung der Außenanlage fast ausgeschlossen. Gespräche seien bei einem direkten Überflug im Rauminnern nur eingeschränkt möglich und müssten bei geöffnetem Fenster unterbrochen werden.
Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Das erhöhte Flugaufkommen stelle eine im Zeitpunkt der (fingierten) Planfeststellung nicht vorhersehbare nachteilige Auswirkung dar, die auf die verspätete Eröffnung des Flughafens Berlin Brandenburg zurückzuführen sei. Über die Dimensionierung nachträglicher Lärmschutzmaßnahmen sei nach der derzeitigen Rechts- und Erkenntnislage zu entscheiden. Dabei seien die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse über Lärmstörungen des Schlafs zu berücksichtigen, wonach Gesundheitsbeeinträchtigungen bereits bei einem Dauerschallpegel von weniger als 53 dB(A) nachts zu erwarten seien. Sollte sich die Durchführung von Schallschutzmaßnahmen als untunlich darstellen, bestehe ein Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld. Der Fall eines vor der Schließung stehenden Flughafens, der einen gestiegenen Flugbetrieb aufweise, sei von dem Fluglärmgesetz nicht erfasst. Soweit das Fluglärmgesetz für zu schließende Flughäfen auf die Festlegung neuer Lärmschutzzonen verzichte, sei mit Blick auf die allgemeinen Entschädigungsregelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes eine gesonderte Regelung nicht für notwendig angesehen worden. Die Entschädigungsregelungen des Fluglärmschutzgesetzes wären jedenfalls analog anzuwenden. Ein Anspruch auf Entschädigung ergebe sich auch bei Einhaltung der Mindeststandards darstellenden Grenzwerte des Fluglärmschutzgesetzes aus Art. 2 Abs. 2 und Art. 14 GG sowie nach der Rechtsprechung des EGMR zu Fluglärmbelastungen aus Art. 8 EMRK. Auch Rechtsbeeinträchtigungen unterhalb der durch das Fluglärmschutzgesetz definierten Standards seien angemessen auszugleichen. Ihr Klageantrag sei hinreichend bestimmt, da sie nicht abschätzen könne, wo und wie der Beklagte Lärmschutzmaßnahmen vornehmen könne.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des entgegenstehenden Bescheides zu verpflichten, gegenüber der Beigeladenen geeignete Maßnahmen zum Schutz vor Fluglärm anzuordnen, oder, sowie sich dies als untunlich herausstellen sollte, der Beigeladenen eine angemessene Entschädigung der Klägerin in Geld aufzuerlegen.
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte und die Beigeladene halten die Klage bereits für unzulässig, da die Klageanträge nicht hinreichend bestimmt seien und die Klägerin nicht klagebefugt sei. Dessen ungeachtet habe die Klägerin keinen Anspruch auf geeignete Lärmschutzmaßnahmen oder Entschädigungsleistungen. Ein Anspruch nach § 9 FluglärmG 2007 auf Kostenerstattung für baulichen Schallschutz scheide aus, weil für Flughäfen, die - wie der Flughafen Berlin-Tegel - innerhalb von zehn Jahren geschlossen werden sollen, keine gesetzliche Verpflichtung zur Neufestsetzung eines Lärmschutzbereichs bestehe. Ansprüche nach dem für die bisherigen Lärmschutzbereiche fortgeltenden Fluglärmgesetz 1971 seien bereits in den 1980er Jahren abschließend erfüllt worden. Dabei seien Aufwendungen für Schallschutzmaßnahmen innerhalb der Schutzzone 2 sowie darüber hinaus Zuwendungen zur Modernisierung und Instandsetzung als Zuschüsse für den Einbau schalldämmender Fenster in der erweiterten Planungszone 3 gewährt worden. Die Anwendbarkeit des § 75 Abs. 2 Satz 2 und 4 VwVfG sei gesperrt, da das Fluglärmgesetz 2007 eine Spezialregelung für nicht voraussehbare Auswirkungen eines Vorhabens darstelle. Veränderungen der Lärmbelastung werde spezialgesetzlich dadurch Rechnung getragen, dass bei einer wesentlichen Änderung der Lärmschutzbereich neu festzusetzen sei. Der Beklagte sei weder berechtigt noch verpflichtet, weiter reichenden baulichen Schallschutz unterhalb der Auslösewerte des Fluglärmschutzgesetzes anzuordnen.
Im Übrigen seien nach dem 3. Oktober 1990 keine nicht voraussehbaren Wirkungen im Sinne von § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG aufgetreten. Zwar habe sich in den Monaten nach der Bekanntgabe der Verschiebung der Inbetriebnahme des Flughafens Berlin Brandenburg eine signifikante Zunahme der Flugbewegungen am Flughafen Berlin-Tegel ergeben, da eine große Zahl von planmäßigen Flügen nunmehr über Tegel abgewickelt worden sei. Ab der Flugplanperiode Winter 2012/2013 seien planmäßige Flüge nach 23:00 Uhr jedoch generell nicht mehr genehmigt worden. Seit dem 1. August 2012 könnten Ausnahmegenehmigungen für verspätete Abflüge nach 23:30 Uhr nur noch nach Zustimmung des Beklagten erteilt werden. Die Zahl der Ausnahmegenehmigungen für verspätete Flüge sei im Jahr 2013 reduziert worden. Die Zahl der Flugbewegungen habe sich in den letzten Jahren kaum erhöht. Die Nachtflugbewegungen hätten im Jahr 2013 gegenüber dem Jahr 2012 insgesamt abgenommen. Bis zur endgültigen Einstellung des Flugbetriebs sei eine spürbare Erhöhung der Flugbewegungszahlen nicht zu erwarten. Die Pegel hätten zwischen den Jahren 1990 und 2000 um 6 bis 8 dB(A) abgenommen, da die lauten Kapitel 2-Flugzeuge sukzessive nicht mehr zugelassen worden seien. In den Jahren 2011 bis 2013 sei keine wesentliche Veränderung der Immissionsbelastung eingetreten. Eine drohende Gesundheitsgefährdung sei unterhalb der Schwelle eines äquivalenten Dauerschallpegels von 70 dB(A) am Tag und 60 dB(A) in der Nacht auszuschließen. Die bei der Klägerin ermittelten Werte lägen darunter. Auf dem Grundstück der Klägerin habe der äquivalente Dauerschallpegel im Jahr 2012 am Tag 57,4 dB(A) und in der Nacht 48,9 dB(A) betragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
Die Klage hat keinen Erfolg.
I.
Die Klage ist bereits unzulässig.
Die Klägerin hat trotz richterlichen Hinweises (§ 86 Abs. 3 VwGO) keinen hinreichend bestimmten Klageantrag im Sinne von § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO gestellt. Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag lässt bewusst offen, welche Schutzziele durch die von der Klägerin begehrten Maßnahmen zum Schutz gegen Fluglärm am Tag und in der Nacht eingehalten werden sollen. Dies entspricht nicht den Anforderungen, die im vorliegenden Zusammenhang an einen hinreichend bestimmten Antrag zu stellen sind. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Bestimmung der Schutzziele nicht mit Blick auf das der Behörde zustehende Ermessen unbestimmt bleiben, weil der Senat ansonsten nicht in die Lage versetzt wird, eine vollstreckungsfähige Entscheidung zu treffen.
Das von der Klägerin angestrebte Schutzziel lässt sich auch nicht durch Auslegung des gestellten Klageantrags ermitteln (§ 88 VwGO). Insoweit trägt die Klägerin lediglich vor, dass sie die in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm (FluglärmG) vom 1. Juni 2007 (BGBl I 2007, 986) festgelegten Lärmwerte für Bestandsflughäfen nicht für ausreichend halte, lässt aber offen, welche Werte ihrer Auffassung nach bei der Bemessung des baulichen Schallschutzes für den Tag- und den Nachtschutz zugrunde zu legen sind. Auch bietet der Vortrag, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen bereits ab einem Dauerschallpegel von über 60 dB(A) am Tag medizinisch nachgewiesen seien, keinen hinreichenden Anknüpfungspunkt für eine Auslegung ihres Klageantrags, da dieser Wert bereits in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FluglärmG 2007 für die Tag-Schutzzone 2 bei Bestandsflughäfen festgelegt ist. Auf die weiteren von dem Beklagten erhobenen Zulässigkeitsrügen kommt es danach nicht mehr an.
II.
Die Klage ist überdies unbegründet.
Der ablehnende Bescheid vom 13. November 2012 ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Klägerin steht weder ein Anspruch auf geeignete Maßnahmen zum Schutz vor Fluglärm in Form von passivem Schallschutz (1) oder aktivem Schallschutz (2) noch auf angemessene Entschädigung in Geld (3) zu.
1. Die Klägerin hat weder aus spezialgesetzlichen Regelungen noch aus allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für baulichen Schallschutz.
a) Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf passive Schallschutzmaßnahmen ergibt sich nicht aus § 9 FluglärmG 2007. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift werden dem Eigentümer eines in der Tag-Schutzzone 1 gelegenen Grundstücks, auf dem bei Festsetzung des Lärmschutzbereichs Wohnungen errichtet sind, auf Antrag Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen erstattet (Satz 1). Nach Absatz 2 werden dem Eigentümer eines in der Nacht-Schutzzone gelegenen Grundstücks, auf dem bei Festsetzung des Lärmschutzbereichs Wohnungen errichtet sind, für Räume, die in nicht nur unwesentlichem Umfang zum Schlafen benutzt werden, Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen einschließlich des Einbaus von Belüftungseinrichtungen erstattet (Satz 1). Soweit für einen bestehenden zivilen Flugplatz der durch Fluglärm hervorgerufene äquivalente Dauerschallpegel L(tief)Aeq bei einem Grundstück den Wert von 70 dB(A) am Tag bzw. 60 dB(A) in der Nacht übersteigt, entsteht der Anspruch mit der Festsetzung des Lärmschutzbereichs, ansonsten mit Beginn des sechsten Jahres nach Festsetzung des Lärmschutzbereichs (Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2).
Der Anspruch nach § 9 Abs. 1 und 2 FluglärmG 2007 setzt demnach die Festsetzung eines neuen Lärmschutzbereichs voraus (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 - 4 C 8/09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 144). Die Verpflichtung zur Neufestsetzung des Lärmschutzbereichs für einen bestehenden Verkehrsflughäfen mit Fluglinien- oder Pauschalflugreiseverkehr folgt aus § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 FluglärmG 2007. Der Lärmschutzbereich ist auf der Grundlage der in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FluglärmG 2007 angegebenen Werte spätestens bis zum Ende des Jahres 2009 neu festzusetzen (§ 4 Abs. 4 Satz 1 FluglärmG 2007). Die Pflicht zur Neufestsetzung besteht nach § 4 Abs. 7 Satz 1 FluglärmG 2007 allerdings nicht, wenn der Flugplatz innerhalb einer Frist von zehn Jahren nach Vorliegen der Festsetzungsvoraussetzungen nach den Absätzen 4 und 5 geschlossen werden soll und für seine Schließung das Verwaltungsverfahren bereits begonnen hat. Nach der Schließung eines Flugplatzes ist ein bestehender Lärmschutzbereich aufzuheben (Satz 2). Dies gilt entsprechend für einen Verkehrsflugplatz, wenn dieser die dort genannten Merkmale in sonstiger Weise dauerhaft verliert (Satz 3).
Dies zugrunde gelegt geht der Beklagte zu Recht davon aus, dass er für den Flughafen Berlin-Tegel nicht zu einer Neufestsetzung des erstmalig im Jahr 1976 festgesetzten Lärmschutzbereichs (vgl. Verordnung über die Festsetzung des Lärmschutzbereichs für den Flughafen Berlin-Tegel vom 4. Juni 1976, GVBl. 1976, 1242) verpflichtet ist. Der Flughafen Berlin-Tegel soll innerhalb von zehn Jahren geschlossen werden. Die Schließung des Flughafens ist bereits durch bestandskräftigen Bescheid über den Widerruf der luftrechtlichen Genehmigung vom 29. Juli 2004 verfügt worden (vgl. dazu Urteil des 12. Senats vom 24. November 2005 - OVG 12 A 3.05 - juris). Dabei spielt es keine Rolle, dass der Zeitpunkt, an dem der Widerruf wirksam wird, davon abhängig gemacht worden ist, wann die beiden Start- und Landebahnen des Verkehrsflughafens Berlin Brandenburg in Betrieb genommen worden sind. Maßgeblich ist, dass die Schließung des Flughafens Berlin-Tegel nach den bisherigen Planungen noch innerhalb der Frist von zehn Jahren erfolgen soll. Dabei kann dahinstehen, ob die Frist von zehn Jahren bereits mit Inkrafttreten des Fluglärmschutzgesetzes am 7. Juni 2007 oder mit dem Ende des Jahres 2009 zu laufen begonnen hat (vgl. § 4 Abs. 4 Satz 1 FluglärmG 2007), da spätestens zu diesem Zeitpunkt die Verpflichtung zur Neufestsetzung des Lärmschutzbereichs umgesetzt gewesen sein sollte. Wird der spätere Zeitpunkt zugrunde gelegt, würde die Frist am 31. Dezember 2019 enden. Selbst wenn man für den Fristbeginn auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Fluglärmschutzgesetzes abstellte, weil das Schließungsverfahren zu diesem Zeitpunkt bereits bestandskräftig abgeschlossen war, wäre die Mitte 2017 endende Frist noch nicht abgelaufen. Da nur Flugplätze von dem Festsetzungserfordernis ausgenommen werden sollen, für die das Verwaltungsverfahren über die Schließung bereits begonnen hat, muss dies erst recht für Flugplätze gelten, bei denen - wie bei dem Flughafen Berlin-Tegel - das Schließungsverfahren bereits abgeschlossen, die Schließung aber noch nicht vollzogen ist. Im Übrigen folgt die Entbehrlichkeit der Neufestsetzung eines Lärmschutzbereichs jedenfalls daraus, dass der Flughafen Berlin-Tegel innerhalb der Frist von zehn Jahren seine Merkmale als Verkehrsflughafen in sonstiger Weise - hier durch Eintritt der im Widerrufsbescheid genannten Bedingung der Inbetriebnahme der Start- und Landebahnen des Flughafens Berlin Brandenburg - dauerhaft verlieren wird. Hinzu kommt, dass nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten durch Bescheid vom 2. Februar 2006 die fiktive Planfeststellung für den Flughafen Berlin-Tegel aufgehoben worden ist.
Da somit für den Flughafen Berlin-Tegel nach § 4 Abs. 7 FluglärmG 2007 ein neuer Lärmschutzbereich nicht festzusetzen ist, scheidet ein Anspruch nach § 9 Abs. 1 und 2 FluglärmG 2007 auf Kostenerstattung für baulichen Schallschutz aus.
b) Der geltend gemachte Anspruch kann auch nicht auf die Bestimmungen des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm vom 30. März 1971 (BGBl I 1971, 282) gestützt werden.
Die nach Art. 3 Satz 1 Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm von 2007 (BGBl I 2007, 986) bis zur Neufestsetzung der Lärmschutzbereiche für den bisherigen Lärmschutzbereich fortgeltenden Bestimmungen des Fluglärmschutzgesetzes 1971 sehen in § 9 Abs. 1 Satz 1 einen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahme für Eigentümer von in der Schutzzone 1 gelegenen Wohngrundstücken vor. Das Grundstück der Klägerin liegt jedoch bereits nicht in der im Jahr 1976 für den Flughafen Berlin-Tegel festgesetzten Schutzzone 1. Im Übrigen kann der Anspruch nur innerhalb einer Frist von fünf Jahren nach der Festsetzung des Lärmschutzbereichs geltend gemacht werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 FluglärmG 1971). Hinzu kommt, dass ein auf § 9 FluglärmG 1971 gestützter Anspruch mit Blick auf die in § 2 FluglärmG 1971 genannten Grenzwerte zur Festsetzung der Lärmschutzbereiche, wonach der äquivalente Dauerschallpegel in der Schutzzone 1 über 75 dB(A) und in der Schutzzone 2 über 67 dB(A) liegt, nicht dem Begehren der Klägerin nach einem Schallschutz entspricht, der über dem durch das Fluglärmschutzgesetz 2007 für Bestandsflughäfen festgelegten Schutzniveau liegt.
c) Der Klägerin stehen auch keine Ansprüche nach dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm in Berlin (FlLärmG Bln) vom 7. Februar 1975 (GVBl. 1975, 671) zu. Dieses Gesetz, das weitergehend als das Fluglärmschutzgesetz 1971 Schallschutz für die vorhandene Wohnbebauung im gesamten Lärmschutzbereich - in den Schutzzonen 1 und 2 - gewährt (vgl. § 7 FlLärmG Bln i.V.m. § 3 Verordnung über bauliche Schallschutzanforderungen nach dem Fluglärmschutzgesetz Berlin vom 9. November 1976, GVBl 1976, 2591), ist durch das 6. Überleitungsgesetz vom 25. September 1990 (BGBl. I 1990, 2106) außer Kraft gesetzt worden. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 9 des 6. Überleitungsgesetzes ist § 14 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm vom 30. März 1971, der das Land Berlin ermächtigte, durch Landesgesetz eine seinen besonderen Verhältnissen angepasste gesetzliche Regelung unter sinngemäßer Anwendung der in den §§ 1 bis 13 des Fluglärmgesetzes 1971 entwickelten Grundsätze zu treffen, außer Kraft getreten.
d) Der Anspruch kann auch nicht auf § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG gestützt werden. Die Vorschrift kommt als Anspruchsgrundlage für das Begehren auf passiven Schallschutz mangels Anwendbarkeit nicht in Betracht.
Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG kann ein Betroffener im Falle nicht voraussehbarer Wirkungen des Vorhabens auf das Recht eines anderen nach Unanfechtbarkeit des Plans Vorkehrungen verlangen, welche die nachteiligen Wirkungen ausschließen. Liegen die Voraussetzungen des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG vor, besteht ein Anspruch auf Planergänzung (BVerwG, Urteil vom 12. August 1999 - 4 C 3.98 -, NVwZ 2000, 675; Urteil vom 23. April 1997 - 11 A 17.96 -, NVwZ 1998, 846). § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG will das Risiko falscher prognostischer Entscheidungen für atypische Folgen ausräumen, also für spätere Wirkungen, mit denen man vernünftigerweise nicht rechnen konnte. Insofern gilt ein objektiver Maßstab und nicht die subjektive Erkenntnisfähigkeit des Betroffenen. Nichtvoraussehbarkeit im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG kann nicht nur in einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegen, sondern auch darin begründet sein, dass aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die zum maßgeblichen Zeitpunkt vorhandene und berücksichtigte Sachlage nunmehr grundlegend anders bewertet wird. Auch dies ist eine Entwicklung, die sich erst später zeigt und mit der die Beteiligten nach objektiven Maßstäben nicht rechnen konnten (BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1988 - 4 C 49.86 -, BVerwGE 80, 7, 10). Nichtvoraussehbarkeit nachteiliger Wirkungen eines Vorhabens auf Grund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse setzt aber voraus, dass die Erkenntnislage übereinstimmend als gesichert angesehen wird (OVG Berlin, Urteil vom 9. Mai 2003 - OVG 6 A 8.03 - OVGE 24, 206 <211>).
Die Vorschrift des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG ist vorliegend nicht anwendbar, weil der Gesetzgeber mit der Novellierung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm die verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Vorgaben für den passiven Schallschutz sowie Entschädigungsansprüche für Bauverbote und Baubeschränkungen abschließend geregelt hat (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 - 4 C 8/09 ua. - BVerwGE 142, 234 Rn. 173 ff.; BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2008 - 1 BvR 1502/08 - juris Rn. 23). Die Regelung ist umfassender als das Fluglärmschutzgesetz 1971, das nach Auffassung des Gesetzgebers weder in der Lage ist, die Siedlungsentwicklung im Umland der größeren Flugplätze unter Lärmschutzgesichtspunkten wirksam zu steuern, noch angemessene Ansprüche auf passiven Schallschutz für die von Fluglärm betroffenen Flugplatzanwohner zu vermitteln. Der Schutz der Anwohner wird mit der Neuregelung insbesondere durch die Modernisierung des Ermittlungsverfahrens für Fluglärm, durch die deutliche Absenkung der Grenzwerte, die zu einer relevanten Ausweitung der Schutzzonen führen wird, und durch die Einführung einer Nachtschutzzone verbessert (vgl. BT-Drs. 16/508 S. 13). Das Fluglärmschutzgesetz 2007 sieht Verpflichtungen zur Neufestsetzung der Lärmschutzbereiche bereits bei einer Zunahme des äquivalenten Dauerschallpegels um 2 dB(A) (§ 4 Abs. 5) und zur Überprüfung der Lärmbelastung spätestens alle zehn Jahre nach Festsetzung des Lärmschutzbereichs (§ 4 Abs. 6) vor. Weitergehend als das Fluglärmschutzgesetz 1971 trifft es nicht nur die dargestellten Regelungen für den Fall der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse durch zunehmende Lärmbelastungen, sondern umfasst auch den Fall, dass nachteilige Wirkungen eines Vorhabens aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse auftreten. Die Bundesregierung wird verpflichtet, spätestens im Jahre 2017 und spätestens nach Ablauf von jeweils weiteren zehn Jahren dem Bundestag Bericht über die Überprüfung der in § 2 Abs. 2 genannten Werte unter Berücksichtigung des Standes der Lärmwirkungsforschung und der Luftfahrttechnik zu erstatten (§ 2 Abs. 3). Damit regelt das Fluglärmschutzgesetzes 2007 in Bezug auf den passiven Lärmschutz die Fälle der nichtvoraussehbaren Wirkungen eines Vorhabens im Sinne vom § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG weitergehend als zuvor und schließt insoweit als lex specialis die Anwendbarkeit von § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG aus.
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG auf nachträgliche Schutzvorkehrungen in Form von aktiven Schallschutzmaßnahmen.
a) Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG für den geltend gemachten Anspruch auf aktiven Schallschutz anwendbar. Der Gesetzgeber hat das Fluglärmschutzgesetz 2007 auf die Regelung des passiven Lärmschutzes beschränkt und Regelungen über den aktiven Schallschutz bewusst nicht in das Gesetz aufgenommen (vgl. Gesetzesbegründung zu § 1 FluglärmG 2007 BT-Drs. 16/508 S. 17; vgl. auch Ablehnung eines auf die Einbeziehung von aktivem Schallschutz gerichteten Änderungsantrags BT-Drs. 16/3863; BT-PlPr. 16/17 S. 1202 ff.; BT-PlPr. 16/73 S. 7293 ff.). Der Gesetzgeber hat nicht den Anspruch erhoben, die Problematik des Lärmschutzes umfassend und abschließend zu regeln, sondern die Konzeption des seit 1971 bestehenden Fluglärmschutzgesetzes als Baubeschränkungs- und Entschädigungsgesetz im Grundsatz beibehalten. Insbesondere der aktive Schallschutz richtet sich nicht nach dem Fluglärmschutzgesetz 2007 (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2011 - 1 BvR 1502/08 - juris Rn. 23 und 41).
b) Zwar begründet nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG keinen Rechtsanspruch auf aktive Lärmschutzmaßnahmen in Form von Flugbetriebsregelungen (Bewegungs- und Lärmkontingente). Es liegt im planerischen Ermessen der Genehmigungsbehörde, ob sie zusätzliche nächtliche Betriebsbeschränkungen verfügt oder ob sie den Flughafenbetreiber zur Ausdehnung des passiven Lärmschutzes verpflichtet und die Lärmbetroffenen ergänzend auf einen Entschädigungsanspruch verweist, um einen den Flughafenbetrieb stärker belastenden Eingriff aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zu vermeiden (BVerwG, Urteil vom 20. April 2005 - BVerwG 4 C 18.03 - BVerwGE 123, 261 <274> zur Nachtflugregelung am Flughafen München). Tritt jedoch als Folge der gesteigerten Ausnutzung der Kapazität eines uneingeschränkt zugelassenen Flughafens ein mit den Anforderungen des Verfassungsrechts unvereinbarer Zustand ein, haben die Betroffenen einen Anspruch darauf, dass die Zulassungsentscheidung in Anwendung des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG um Lärmschutzauflagen ergänzt wird, die als letztes Mittel auch - auf einen (Teil-) Widerruf der Betriebsgenehmigung oder des Planfeststellungsbeschlusses hinauslaufende - Betriebseinschränkungen enthalten können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - 4 B 75/03 - juris Rn. 16 f.; ablehnend OVG NRW, Urteil vom 19. April 2012 - 20 D 121/08.AK - juris Rn. 78 ff).
c) Ob im vorliegenden Fall die Tatbestandsvoraussetzungen des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG vorliegen, braucht der Senat nicht zu entscheiden, da jedenfalls nicht ersichtlich ist, dass bei der Klägerin die von dem Flughafen Berlin-Tegel ausgehende Lärmbelastung die Grenze des mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich Zulässigen überschreitet. Die von der Beigeladenen für das Grundstück der Klägerin durchgeführten Lärmberechnungen sprechen gegen die Annahme, dass es derzeit bei der Klägerin zu einer Überschreitung der gesundheitlichen Gefahrenschwelle durch Fluglärm kommt. Die von der Beigeladenen für das Grundstück der Klägerin ermittelten Dauerschallpegel liegen unterhalb der durch das Fluglärmschutzgesetz 2007 festgelegten Grenzwerte für Bestandsflughäfen. Danach lag der Dauerschallpegel im Jahr 2012 bei 57,4 dB(A) am Tag und 48,9 in der Nacht und damit unter den in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FluglärmG 2007 für Bestandsflughäfen vorgeschrieben Werten von 65 dB(A) am Tag (Tagschutzzone 1) bzw. 60 dB(A) (Tagschutzzone 2) und 55 dB(A) in der Nacht. Die Behauptung der Klägerin, dass der Dauerschallpegel nachts bei über 60 dB(A) liege, ist in keiner Weise substantiiert worden. Auch hat die Klägerin nicht anzugeben vermocht, ob und in welchem Umfang für ihr in der sog. Planungszone 3 gelegenes Grundstück in der Vergangenheit Zuschüsse für den Einbau von Schallschutzfenstern gewährt worden sind.
Selbst wenn aber die Dauerschallpegel auf dem Grundstück der Klägerin über den Werten des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FluglärmG 2007 liegen sollten, würde dies noch nicht zu einer Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG führen. Dies wird daraus ersichtlich, dass der Gesetzgeber es für zumutbar gehalten hat, sofortigen Schallschutz ab dem Zeitpunkt der Neufestsetzung eines Lärmschutzbereiches nur dann zu gewähren, wenn der äquivalente Dauerschallpegel den Wert von 70 dB(A) am Tag bzw. 60 dB(A) in der Nacht übersteigt (§ 9 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 FluglärmG 2007). Der Gesetzgeber hat dies aus Kostengründen damit begründet, dass bei weniger gravierenden Lärmeinwirkungen das Entstehen von Erstattungsansprüchen für Schallschutzmaßnahmen auf einen Zeitraum von mehreren Jahren verteilt wird (vgl. BT-Drs. 16/508 S. 22). Das in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FluglärmG 2007 für den Nachtschutz eingeführte Pegelhäufigkeitskriterium von 6 mal 57 dB(A) hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Dringlichkeitsstufen nicht berücksichtigt. Es ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass das in dem Fluglärmschutzgesetz 2007 festgesetzte Schutzniveau gänzlich ungeeignet ist oder völlig unzureichend wäre und der Gesetzgeber daher seine grundrechtlichen Schutzpflichten verletzt haben könnte (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 1 BvR 1502/08 - juris Rn. 38; BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 2011 - BVerwG 4 A 4000.09 - juris Rn. 172). Eine Schutzpflichtverletzung kann nicht schon dann angenommen werden, wenn einzelne Studien ein höheres als das vom Gesetzgeber vorgesehene Schutzniveau empfehlen. Überdies sind auch die in § 2 FluglärmG 1971 zur Bestimmung des Umfangs der Lärmschutzbereiche festgelegten Grenzwerte, die dem fortgeltenden Lärmschutzbereich für den Flughafen Berlin-Tegel aus dem Jahr 1976 zugrunde liegen, nicht überschritten.
Ist somit die Grenze des Zumutbaren nicht überschritten, ab der unter den Voraussetzungen des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG Schutzvorkehrungen in Form von aktivem Schallschutz verlangt werden können, so scheiterte jedenfalls daran auch das Begehren auf passiven Schallschutz, wäre die Vorschrift nicht insoweit ohnehin durch das Fluglärmschutzgesetz 2007 verdrängt (s.o.).
3. Der Klägerin steht schließlich kein Anspruch auf Entschädigung in Geld zu.
a) Der geltend gemachte Anspruch folgt nicht aus § 75 Abs. 2 Satz 4 VwVfG. Danach richtet sich der Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld, wenn nachträgliche Schutzvorkehrungen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind. Die Norm ist - wie oben unter II.1.d) dargestellt - nicht anwendbar, soweit der geltend gemachte Entschädigungsanspruch an die Stelle des Begehrens auf passiven Schallschutz treten soll. Das für den passiven Schallschutz gegenüber der Vorschrift des § 75 Abs. 2 Satz 2 und 4 VwVfG speziellere Fluglärmschutzgesetz 2007 sieht Entschädigungsansprüche für den Fall, dass ein Flughafen geschlossen werden soll und daher kein neuer Lärmschutzbereich festzusetzen ist, nicht vor. Es regelt Entschädigungsansprüche ausschließlich für Beeinträchtigungen des Außenwohnbereichs (§ 9 Abs. 5) und Wertminderungen aufgrund von Bauverboten (§ 9 Abs. 5). Für darüber hinausgehende Entschädigungsansprüche - etwa durch die von der Klägerin angesprochene entsprechende Anwendung der in dem Fluglärmschutzgesetz 2007 enthaltenen Entschädigungsregelungen - ist daher kein Raum.
Da der Klägerin - wie oben unter II.2.c) ausgeführt - kein Anspruch auf nachträgliche Anordnung von Schutzvorkehrungen in Form des aktiven Schallschutzes zusteht, scheidet ein diesen ersetzender Anspruch nach § 75 Abs. 2 Satz 4 VwVfG auf angemessene Entschädigung in Geld aus. Entsprechendes gilt für eine Entschädigung anstelle eines Anspruchs auf passiven Schallschutz, wäre die Vorschrift nicht insoweit ohnehin durch das Fluglärmschutzgesetz 2007 verdrängt.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich ein Anspruch auf Entschädigung auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Art. 8 EMRK.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des EGMR Art. 8 EMRK verletzt sein, wenn eine Person direkt oder erheblich durch Lärm oder andere Immissionen beeinträchtigt wird (vgl. zur Klage von Anwohner des Flughafens Heathrow EGMR, Urteil vom 8. Juli 2003 - 36022/97 (Hatton u.a./Vereinigtes Königreich), NVwZ 2004, 1465 = EuGRZ 2005, 584). Der EGMR hat in der genannten Entscheidung jedoch keine Verletzung der Rechte der Anwohner aus Art. 8 EMRK gesehen, da die im Jahr 1993 von der Regierung eingeführte Nachtflugpolitik für den Flughafen Heathrow Nachtflugregelungen vorsah, die sich nach Auffassung des EGMR im Rahmen des der Behörde zustehenden Beurteilungsspielraums hielten. Einen gerechten Interessenausgleich zwischen den durch Art. 8 EMRK geschützten Interessen und den widerstreitenden Gemeinschaftsinteressen (insbesondere dem wirtschaftlichen Wert von Nachtflügen) sah der EGMR vor allem dadurch gewahrt, dass Maßnahmen eingeführt worden sind, um die Auswirkungen des Fluglärms im Allgemeinen, und zwar auch bei Nacht, zu mindern. Soweit die Klägerin vorträgt, der EGMR habe den Anwohnern in seiner Entscheidung vom 2. Oktober 2001 (Hatton u.a./Vereinigtes Königreich) wegen einer Verletzung von Art. 8 EMRK Schadensersatz zugesprochen, übersieht sie, dass die stattgebende Entscheidung der Kammer durch das Urteil der Großen Kammer vom 8. Juli 2003 geändert worden ist.
Hiervon ausgehend ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin in ihren Rechten aus Art. 8 EMRK verletzt sein könnte. Für den Flughafen Berlin-Tegel existieren die in der Flughafenbenutzungsordnung für den Flughafen Berlin-Tegel enthaltenen und im Luftfahrthandbuch Deutschland veröffentlichten Nachtflugbeschränkungen, die nach den Maßstäben des EGMR einen hinreichend gerechten Interessenausgleich darstellen. Im Übrigen bestehen für den Flughafen Berlin-Tegel die im Jahr 1976 festgesetzten Lärmschutzzonen, innerhalb derer und darüber hinaus in der Vergangenheit umfangreich baulicher Schallschutz finanziert worden ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen entspricht der Billigkeit, da diese einen Sachantrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO nicht vorliegen.