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Entscheidung 10 Sa 1338/13


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 10. Kammer Entscheidungsdatum 06.12.2013
Aktenzeichen 10 Sa 1338/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

Beschäftigte des Landes Berlin, die im Rahmen der Ordnungungsdienstverordnung ohne besondere Beschränkungen tätig werden, erbringen bei ihrer Tätigkeit selbständige Leistungen

Tenor

I. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31. Mai 2013 - 60 Ca 12446/12 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten der Berufung trägt das beklagte Land.

III. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 12.600,-- EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob die Klägerin zutreffend in die Entgeltgruppe 6 oder in die Entgeltgruppe 9 eingruppiert ist und in dem Zusammenhang über die Frage, ob die Klägerin selbständige Leistungen im Tarifsinne auszuüben hat.

Die Klägerin ist 46 Jahre alt (… 1967). Sie ist infolge der Neuordnung der Zuständigkeiten für die straßenverkehrsbehördlichen Ordnungsaufgaben seit dem 1. September 2004 beim beklagten Land (Bezirksamt) als Verwaltungsangestellte und seit dem 20. Dezember 2005 im Allgemeinen Ordnungsdienst (AOD) im Außendienst, regelmäßig auch als Streifenführerin beschäftigt. Zuvor war sie seit dem 16. Mai 1994 als Polizeiangestellte im Verkehrs- und Überwachungsdienst beim Polizeipräsidenten von Berlin beschäftigt. Die Klägerin erhielt Vergütung nach Vergütungsgruppe VIb BAT/BAT-O. Zum 1. November 2010 wurde die Klägerin mit Inkrafttreten des Angleichungs-TV des Landes Berlin in die Entgeltgruppe 6 übergeleitet. Die Klägerin ist innerhalb der Entgeltgruppe 6 in die Stufe 6+ eingestuft. Mit Schreiben vom 26. April 2006 (Bl. 175 d.A.) teilte die Klägerin dem beklagten Land mit, dass sie für den Fall, dass die noch vorzunehmende Bewertung ihres neuen Aufgabengebietes höher liege als die bisherige Eingruppierung, die Ansprüche gemäß § 70 BAT/BAT-O geltend mache. Unter dem 28. Dezember 2010 erhob die Klägerin Klage auf Feststellung der Verpflichtung des beklagten Landes, der Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 1. September 2007 Vergütung nach Vergütungsgruppe Vc BAT/BAT-O (entsprechend Fallgruppe 1a), vom 2. September 2007 bis 31. Oktober 2010 nach Vergütungsgruppe Vb BAT/BAT-O (entsprechend Fallgruppe 1c) und seit dem 1. November 2010 Entgelt nach Entgeltgruppe E 9, jeweils nebst Zinsen zu zahlen.

Nach § 2 des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG) sind für die Gefahrenabwehr in Berlin die Ordnungsbehörden zuständig (Ordnungsaufgaben). Ordnungsbehörden sind entsprechend § 2 Abs. 2 ASOG die Senatsverwaltungen und die Bezirksämter. Die Zuständigkeit der Ordnungsbehörden ist im Einzelnen durch den als Anlage zum ASOG verbindlichen „Zuständigkeitskatalog Ordnungsaufgaben“ festgelegt. Nach § 2 Abs. 6 Satz 1 ASOG kann der Senat von Berlin durch Rechtsverordnung bestimmen, dass die den bezirklichen Ordnungsbehörden durch dieses Gesetz und andere Gesetze zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse für die Dienstkräfte im Außendienst einheitlich geregelt und beschränkt werden. Von dieser Ermächtigung hat der Senat durch die Verordnung zur Festlegung der Aufgaben und Befugnisse der Dienstkräfte der Außendienste der bezirklichen Ordnungsämter (Ordnungsdiensteverordnung) vom 1. September 2004 (GVBl. 2004, 364f.), zuletzt geändert durch Art. I ÄndVO vom 12. Januar 2010 (GVBl. 2010, 10), Gebrauch gemacht.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der Ordnungsdiensteverordnung überwachen die Dienstkräfte im Rahmen des AOD der bezirklichen Ordnungsämter insbesondere die Einhaltung der bei der Nutzung der Straßen und öffentlichen Einrichtungen des Landes Berlin geltenden rechtlichen Bestimmungen, soweit die Bezirksämter hierfür zuständig sind. Die konkreten Ordnungsaufgaben der Bezirksämter sind im zweiten Abschnitt des Zuständigkeitskatalogs Ordnungsaufgaben in den Nummern 15 bis 22c festgelegt. Ausgenommen ist die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG für den Bereich des ruhenden Verkehrs. Zusätzlich besteht eine Zuständigkeit in Bezug auf Haus- und Nachbarschaftslärm.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 der Ordnungsdiensteverordnung sind die Aufgaben der die Dienstkräfte des AOD der bezirklichen Ordnungsämter wie folgt bestimmt:

1.Sie stellen Verstöße gegen die entsprechenden Vorschriften fest,
2.sie verfolgen sich daraus ergebende Ordnungswidrigkeiten und
3.sie können diese durch Verwarnungen ahnden oder die Weiterbearbeitung durch die hierfür zuständige Stelle veranlassen und
4.sie ergreifen die gebotenen Gefahrenabwehrmaßnahmen.

Zur Erfüllung dieser Aufgaben dürfen die Dienstkräfte des AOD gemäß § 3 Abs. 2 Ordnungsdiensteverordnung folgende Befugnisse ausüben, soweit in besonderen ordnungsrechtlichen Vorschriften die Befugnisse nicht abschließend geregelt sind:

1. auf Grund des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes:

a) § 15, Unmittelbare Ausführung einer Maßnahme,

b) § 17, Allgemeine Befugnisse,

c) § 18, Ermittlungen, Befragungen, Datenerhebungen,

d) § 21, Identitätsfeststellung,

e) § 22, Prüfung von Berechtigungsscheinen,

f) § 29, Platzverweisung,

g) § 34, Durchsuchung von Personen,

h) § 35, Durchsuchung von Sachen,

i) § 36 Absatz 5, Betreten von Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen sowie anderen Räumen und Grundstücken, die öffentlich zugänglich sind,

j) § 38, Sicherstellung von Sachen,

k) § 42, Datenspeicherung, -veränderung und -nutzung,

l) § 44, Datenübermittlung innerhalb des öffentlichen Bereichs;

2. auf Grund des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes:

a) § 10, Ausübung der Ersatzvornahme,

b) § 12, Ausübung des unmittelbaren Zwanges gegen Personen durch körperliche Gewalt und gegen Sachen;

3. auf Grund des § 32 des Strafgesetzbuches und des § 227 des Bürgerlichen Gesetzbuches:

Gebrauch von Reizstoffen und Schlagstöcken zur Notwehr und Nothilfe;

4. auf Grund der Strafprozessordnung:

§ 127 Abs. 1 Satz 1, vorläufige Festnahme;

5. auf Grund des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten:

a) § 46 Abs. 1 in Verbindung mit § 163 Abs. 1 Satz 2 der Strafprozessordnung, Datenerhebungen,

b) § 46 Abs. 1 in Verbindung mit § 163b Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz und Satz 2 der Strafprozessordnung, Feststellung der Identität, Festhalten zur Identitätsfeststellung, soweit sie zur Erteilung von Verwarnungen nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten ermächtigt sind (§ 56),

c) § 49c in Verbindung mit § 483 Abs. 1 und § 485 der Strafprozessordnung, Datenspeicherung, -veränderung und -nutzung,

d) § 49c in Verbindung mit § 487 Abs. 1 der Strafprozessordnung, Datenübermittlung.

Diese Aufgaben und Befugnisse hat das Bezirksamt Mitte des beklagten Landes mit Ausnahme der Befugnisse zu 5 c und d unverändert in eine Geschäftsanweisung Ordnungsamt Nr. I/2005 in der Fassung vom 15. Juni 2010 (Bl. 102-110 d.A.) für den Außendienst übernommen.

Die Klägerin trägt vor, dass ihre auszuübende Tätigkeit die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben des allgemeinen Ordnungsdienstes des bezirklichen Ordnungsamtes sei. Sie werde im Rahmen von Aufträgen ebenso tätig wie bei Beschwerden, Hinweisen oder Anzeigen von Bürgern. Es gebe Amtshilfeaufträge und es würden im Rahmen des Streifengangs Eigenfeststellungen getroffen.

Dabei nehme sie zahlreiche Überwachungsaufgaben wahr. Diese seien im Grünanlagengesetz, im Hundegesetz, im Straßenreinigungsgesetz, im Kreislaufwirtschafts-Abfallgesetz, im Landes-Immissionsschutzgesetz, im Ladenschlussgesetz, im Berliner Straßengesetz und im Jugendschutzgesetz definiert. Weiter habe sie Fahrradkontrollen nach der StVO durchzuführen bzw. - wie auch andere Verstöße gegen die StVO und die StVZO - festzustellen und neben allgemeinen Aufgaben und Kontrollen verschiedene Tätigkeiten aus dem ASOG Berlin wahrzunehmen. Sie habe Maßnahmen zur Gefahrenabwehr einzuleiten sowie Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen und zu ahnden.

Die Senatsverwaltung für Inneres habe in einem Schreiben an das Ordnungsamt des Bezirksamtes Neukölln vom 18. Juli 2006 (Bl. 122 d.A.) festgelegt, dass die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung den Ordnungsbehörden und damit den Bezirksämtern so übertragen sei, dass sie ihre Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen treffen könnten. Das bedeute, dass die betreffende Ordnungsamtskraft abwägen müsse, ob und wenn ja wie zu handeln sei. So müsse beispielsweise entschieden werden, ob lediglich eine Verwarnung oder eine Verwarnung mit Verwarnungsgeld ausgesprochen werde. Nach einer Musterbeschreibung des Aufgabenkreises (Muster-BAK) des beklagten Landes (Bl. 203-211 d.A.) gehöre zu den Aufgaben der Klägerin auch das Erheben von Verwarnungsgeldern, das Fertigen von Anzeigen, das Umsetzen von Fahrzeugen zur Gefahrenabwehr, die Aufforderung zur unverzüglichen Beseitigung von Störungen und das Aussprechen von Platzverweisen. Dabei handele es sich jeweils um Handlungen, denen Ermessensentscheidungen vorausgingen. Wie in einer E-Mail des Fachbereichsleiters Außendienst vom 16. Januar 2012 (Bl. 200 d.A.) festgelegt, sollten die Teams einer Streife vor Ort zunächst intensiv eine gemeinsame Lösung suchen. Letztlich entscheide jedoch die Streifenführerin über das weitere Vorgehen.

Die Klägerin benötige tiefgreifende fundierte Rechtskenntnisse und Anwendungssicherheit in einer Vielzahl von Rechtsgebieten, um damit Sachverhalte richtig einordnen und die richtigen Folgemaßnahmen entscheiden zu können. Dabei seien teilweise sofort andere Behörden einzubeziehen, Anzeigen und Berichte zu fertigen und beweissichernde Maßnahmen durchzuführen. Die nach § 47 OWiG zu treffenden Maßnahmen könnten sich bei Verstößen gegen dieselbe Norm bei unterschiedlichen Betroffenen unterscheiden. Dabei gehe es nach §§ 11 und 12 ASOG nicht nur um das Auswahlermessen, sondern auch um das Entschließungsermessen. Für den Winterdienst sei im November 2012 ausdrücklich bestimmt worden, dass der Außendienst uneingeschränkter Anordnungsträger sei (Bl. 154-155 d.A.). Soweit es grundsätzlich anderweitige Zuständigkeiten gebe, sei die Klägerin im Rahmen des OWiG und des ASOG dennoch erste Anlaufstelle, wenn Gefahr im Verzug sei. Auch bei Einsatz der vom beklagten Land erstellten Checkliste zum Vorgehen bei Lärm durch Straßenmusik (Bl. 145 d.A.) könnten Sicherstellungen und Platzverweise jederzeit als Maßnahmen der Gefahrenabwehr anfallen. Entgegen der Ansicht des beklagten Landes müsse die Klägerin auch vorgebrachte Rechtfertigungsgründe berücksichtigen, da ihr Handeln ansonsten rechtswidrig weil unverhältnismäßig wäre.

Das beklagte Land meint, dass sich die auszuübende Tätigkeit der Klägerin in zwei Arbeitsvorgänge unterteilen lasse. Einer umfasse mit 95% der Gesamtarbeitszeit den Allgemeinen Ordnungsdienst (AOD) und der andere mit 5% die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften des Nichtraucherschutzes, des Jugendschutzes und der gewerberechtlichen Vorschriften. Selbständige Leistungen im Tarifsinne erbringe die Klägerin nicht. Auch der Einsatz als Streifenführerin beinhalte keine Vorgesetztenposition. Sie stelle Verstöße ohne komplizierte Subsumtionen fest. Die Klägerin müsse letztlich nur die Einhaltung von Vorschriften sicherstellen, die jedem normalen Durchschnittsbürger auch bekannt seien. Dabei sei die Tätigkeit der Klägerin auf ein Einschreiten vor Ort beschränkt. Weitere Verfolgungsmaßnahmen wie der Erlass von Bußgeldbescheiden, bei denen ein Ermessensspielraum gegeben sein könne, würden nicht zu den auszuübenden Tätigkeiten der Klägerin gehören. Bei komplexeren und schwierigeren Aufgabenstellungen sei die Klägerin gehalten, die Polizei hinzuzuziehen.

Die Mitarbeiter des AOD würden ausschließlich nach einschlägigen Vorgaben handeln. Die reine Abwägung, ob bei bestimmten Sachverhalten eingeschritten werde, begründe keine selbständigen Leistungen im Tarifsinne. Diese lägen nur vor, wenn eine Gedankenarbeit erbracht werde, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges, insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses, eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordere. Das Entschließungsermessen werde aber nicht im Rahmen der erforderlichen Fachkenntnisse ausgeübt, sondern nur im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Gefährdung für die eigene Person anzunehmen sei. Ob ein Sachverhalt geahndet werde, stehe nicht im Ermessen der Klägerin. Die Pflicht zum Einschreiten sei in der Verordnung zur Festlegung der Befugnisse der Dienstkräfte im Außendienst der bezirklichen Ordnungsämter zwingend vorgegeben. Das Schreiben der Senatsverwaltung für Inneres an das Bezirksamt Neukölln sei dort von einem anderen Bereich und nicht im Rahmen einer tariflichen Bewertung verfasst worden und habe lediglich die potentielle Gefährdung und das Haftungsrecht in einem Einzelfall betroffen. In schwierigen Fällen, die über das Jedermannsrecht und die grundsätzlichen Bürgerpflichten hinausgingen, solle sich die Klägerin zurückziehen und den Auftrag an die Polizei abgeben. Bei Problemen solle jeweils Rücksprache mit den Vorgesetzten, in der Regel mit den Koordinatoren, gehalten werden. Ansonsten gebe es beispielsweise eine Checkliste bei Lärm durch Straßenmusik, die lediglich abzuarbeiten sei. Lediglich in Ausnahmefällen entscheide der Streifenführer vor Ort über das weitere Vorgehen. Ersatzvornahmen habe die Klägerin nur in seltenen Ausnahmefällen zu veranlassen, wenn die Zentrale Anlauf- und Beratungsstelle des Ordnungsamtes (ZAB) oder die Koordination nicht besetzt seien.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 31. Mai 2013 für die Zeit ab dem 1. Juli 2010 stattgegeben. Für die Zeit davor wurde die Klage mangels hinreichender Geltendmachung abgewiesen. Die Klägerin erfülle nach dreijähriger Bewährung in der Tätigkeit nach Vergütungsgruppe Vc BAT die Tarifmerkmale der Fallgruppe 1c der Vergütungsgruppe Vb BAT, die nach § 17 Abs. 1 TVÜ-Berlin in Verbindung mit § 22 BAT und der dazu ergangenen Vergütungsordnung fortgelten würden. Damit hätte sie zum 1. November 2010 in die Entgeltgruppe E 9 des neuen Tarifrechts überführt werden müssen.

Die Ausübung des bezirklichen Ordnungsdienstes durch Streifengang sei entsprechend dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21. März 2012 – 4 AZR 266/10 als einheitlicher Arbeitsvorgang anzusehen. Dieser umfasse mindestens 80% der Gesamtarbeitszeit der Klägerin. Zur Bestimmung der auszuübenden Tätigkeit der Klägerin könne auf die Geschäftsanweisung Nr. 1/2005 für den Außendienst Bezug genommen werden. Eine einschränkende Zuweisung von Tätigkeiten oder eine anderslautende Stellen- oder Aufgabenbeschreibung behaupte auch das beklagte Land nicht. Die von der Beklagten eingebrachte Muster-BAK beinhalte nur eine weitere Auflistung von Aufgaben, die sich in die Aufgabenbeschreibung unter § 3 der Geschäftsanweisung einfüge, ohne ihr zu widersprechen. Zwar handele es sich jeweils nur um eine allgemeine Beschreibung von Aufgaben unter Nennung entsprechender Normen, doch folge aus der Stellungnahme der Senatsverwaltung für Inneres vom 18. Juli 2006, dass die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nicht nur bezogen auf die Frage, ob wegen einer eingetretenen Störung einzuschreiten sei (Entschließungsermessen), sondern auch, welche Maßnahmen anzuwenden seien (Auswahlermessen) ausgeübt werden müsse.

Soweit die Eingruppierung das Vorliegen gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse für die auszuübende Tätigkeit voraussetze, genüge eine pauschale Überprüfung, da auch das beklagte Land von deren Vorliegen ausgehe. Die gründlichen Fachkenntnisse seien bereits anzunehmen, weil die Klägerin sämtliche Maßnahmen mit dem ruhenden Verkehr „Halte- und Parkverstöße aller Art“ und die daraus resultierenden gefahrenabwehrenden Maßnahmen und auf der Grundlage der StVO die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten vorzunehmen habe. Sie habe Mängelberichte bei technischen Mängeln an Kraftfahrzeugen zu fertigen, die Umsetzung von falsch abgestellten Fahrzeugen zu veranlassen und Verwarnungsgelder zu erheben. Die dabei erforderlichen Kenntnisse des ASOG, des VwVfG, VwVG, der VwGO und der StPO seien als gründliche Fachkenntnisse anzusehen. Die Menge der anzuwendenden Vorschriften und Bestimmungen würden auch vielseitige Fachkenntnisse ergeben. Denn neben den genannten Vorschriften seien Kenntnisse des StGB, des Hundegesetzes, des OWiG und des UzWG erforderlich. Und die in der Muster-BAK genannten allgemeinen und speziellen Rechtsfelder und deren rechtliche Grundlagen würden jedenfalls die Annahme von vielseitigen Fachkenntnissen rechtfertigen.

Der Arbeitsvorgang „Streifendienst im allgemeinen Ordnungsdienst“ erfülle das Tatbestandsmerkmal der selbständigen Leistungen. Eine selbständige Leistung setze voraus, dass eine Gedankenarbeit erbracht werde, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe erforderlichen Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges, insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses, eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordere. Es komme auf einen wie auch immer gearteten Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Erarbeitung des Arbeitsergebnisses in Form von Abwägungsprozessen an, in deren Rahmen Anforderungen an das Überlegungsvermögen gestellt würden, dass für eine Entscheidungen unterschiedliche Informationen verknüpft und untereinander abgewogen würden. Dieses sei insbesondere bei der Sicherstellung von Instrumenten von Straßenmusikern, bei der Aussprache von Platzverweisen, bei der Aufrechterhaltung oder Aufhebung von Gehwegsperrungen und vor allem bei den der Klägerin aufgrund des ASOG zugewiesenen Aufgaben, welche das Ergreifen von Maßnahmen wie Identitätsfeststellungen und das Durchsuchen von Personen und Sachen sowie die Sicherstellung von Sachen zum Inhalt haben könnten und unter Ausübung eines pflichtgemäßen Ermessens im Sinne des § 12 ASOG vorgenommen werden müssten, der Fall. Das Ob des Einschreitens verlange zwar nicht immer selbständige Leistungen im Tarifsinne, aber bei dem Wie habe vielfach eine Abwägung der teilweise grundrechtlich geschützten Rechtsgüter, also eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zu erfolgen.

Der Hinweis des beklagten Landes, dass schwierige Fälle an die Polizei abzugeben seien, sei nicht hinreichend konkret. Denn es sei nicht vorgetragen, welche entsprechende Weisung es dazu konkret gebe. Aber auch die Entscheidung, ob ein schwieriger Fall vorliege, stelle eine selbständige Leistung im Tarifsinne dar. Weiter habe das beklagte Land nicht hinreichend bestritten, dass die Klägerin bei akuten Gefährdungen Dritter über Gehwegsperrungen oder Teilsperrungen entscheide. Der Beklagtenvortrag sei auch an dieser Stelle undeutlich geblieben. Die Verantwortung des Streifenteams und der Streifenführerin für Ersatzvornahmen beim Winterdienst sei jedenfalls für den Winter 2012/13 in der Einsatzdokumentation eindeutig belegt.

Auch wenn ein konkreter zeitlicher Anteil der selbständigen Leistungen von der Klägerin nicht angegeben sei, sei ein Anfall selbständiger Leistungen in einem rechtlich erheblichen Umfang ausreichend. Diese Schwelle sei überschritten, wenn ohne die selbständige Leistung ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt werden könne, wie es hier der Fall sei.

Gegen dieses dem beklagten Land am 2. Juli 2013 zugestellte Urteil legte dieses am 29. Juli 2013 Berufung ein und begründete diese nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist am 2. Oktober 2013.

Zur Begründung führt das beklagte Land aus, dass die Klägerin das Vorliegen selbständiger Leistungen im Tarifsinne nicht dargelegt habe und das Arbeitsgericht fehlerhaft davon ausgegangen sei, dass selbständige Leistungen in einem rechtserheblichem Ausmaß vorliegen würden. Dieses verlange eine quantitative Betrachtung. Die leichtfertige Annahme der Rechtserheblichkeit der von der Klägerin ausgeübten selbständigen Leistungen führe zu einer erheblichen Störung des Bewertungsgefüges der zugrundeliegenden Vergütungsregelung. Die Klägerin habe nur einfachste Entscheidungen (Ja/Nein) zu treffen oder sich nach vorgegebenen Regeln (Checkliste) zu verhalten. Der Regelfall sei der ereignislose Streifendienst mit der Präventivwirkung durch Präsenz.

Die der Klägerin zugeschriebenen Abwägungsprozesse würden von der Koordinierungsstelle im Innendienst durchgeführt. Die Klägerin könne nur zwischen Entweder und Oder entscheiden. Sofern die Situation nicht mit den vorgegebenen Anweisungen zu lösen sei, sei der Vorgesetzte im Innendienst über Funk zu kontaktieren. Dieser würden dann entscheiden, ob, wie und wer tätig werde. Erforderlich sei, dass dem Ermessensentscheidungsträger eine Vielzahl von Optionen verbleibe.

Die Klägerin habe nach dem Schema der jeweiligen Einschreitlisten zu verfahren. Die Checkliste zum Lärm durch Straßenmusik mache deutlich, dass der Klägerin ein genau vorgegebener Maßnahmen- und Entschließungskatalog bei erheblichen Störungen vorgegeben sei, soweit komplexere Sachverhalte zu beurteilen seien, um nicht auf eine Entscheidung des Innendienstes warten zu müssen. Die Klägerin müsse keine eigene geistige Initiative hinsichtlich des einzuschlagenden Weges ergreifen. Auch die Frage, ob und wann ein Fall an die Polizei abzugeben sei, stelle keine selbständige Leistung im Tarifsinne dar. Die Klägerin habe bei Erreichen der Grenzen der ihr zugewiesenen Kompetenzen, beispielsweise bei der Gefahrenabwehr, die Polizei hinzuzuziehen. Die Grenze für die Hinzuziehung der Polizei bei Verstößen sei das Festnahmerecht des § 127 Abs. 1 StPO. Das werde auch so angewiesen. Weitergehende Entschließungen treffe die Koordinierungsstelle im Innendienst. Die Klägerin habe hinsichtlich des Lärms nur Haus- und Nachbarschaftslärm zu kontrollieren. Gehwegsperrungen würden von der Klägerin nicht veranlasst. Bei Erkennen einer Gefahr informiere sie lediglich Polizei oder Feuerwehr, die ihrerseits den Sachverhalt entscheidend prüfen würden. Beim Winterdienst würden Ersatzvornahmen von der Zentralen Anlauf- und Beratungsstelle veranlasst. Der Streifenführer sei nur formal für die Umsetzung von deren Entscheidung verantwortlich.

Soweit das Arbeitsgericht die durch das ASOG zugewiesenen Aufgaben der Identitätsfeststellung, des Durchsuchens von Personen und Sachen sowie die Sicherstellung von Sachen als selbständige Leistung qualifiziert habe, fehle die Arbeitsaufgabe, bei der das anzuwenden sei. Die Situation der Straßenmusiker sei durch die Checkliste konkretisiert und falle nicht mehr darunter. Das Schreiben der Senatsverwaltung für Inneres vom 18. Juli 2006 an das Bezirksamt Neukölln habe sich nicht mit der tariflichen Bewertung des Aufgabengebietes beschäftigt.

Selbst wenn die Klägerin vereinzelt wesentlichen Entscheidungsspielraum haben sollte, komme es innerhalb des 95%igen Arbeitsvorgangs auf einen erheblichen zeitlichen Anteil an. Es sei vom BAG nicht beabsichtigt gewesen, mit der jederzeitigen Abrufbarkeit der selbständigen Leistungen für ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis einen anderen Maßstab der Beurteilung selbständiger Leistungen einzuführen. Maßgeblich sei der geäußerte oder der zu vermutende Wille der Tarifvertragsparteien. Die Klägerin habe keinen zeitlichen Anteil ihrer selbständigen Leistungen dargelegt. Tatsächlich umfasse er nur einen sehr geringen Teil der Arbeitszeit der Klägerin. Die Tarifvertragsparteien hätten die mit einer Aufwertung der Mitarbeiter im Außendienst einhergehende Abwertung der Tätigkeiten im Innendienst nicht gewollt. Es sei um eine Bewertungspyramide gegangen.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31. Mai 2013 - 60 Ca 12446/12 teilweise abzuändern und die Klage über den bereits abgewiesenen Teil hinaus in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die Klägerin habe Entscheidungen zu treffen, was jeweils eine selbständige Leistung darstelle. Die Checkliste zum Lärm bei Straßenmusik sei zwar eine Grundlage für Ermessensentscheidungen, treffe diese selbst aber nicht. Soweit das beklagte Land meine, dass nur wenige Platzverweise ausgesprochen worden seien, seien die nicht ausgesprochenen Platzverweise gar nicht dokumentiert. Die Klägerin sei kein ferngesteuerter Roboter des Innendienstes. Die Aufgabe der Klägerin sei es, in allen ihr übertragenen Bereichen permanent die Augen offen zu halten, Gefahrenlagen zu erkennen, über das Einschreiten zu entscheiden, ggf. einzuschreiten oder bei schwerwiegenderen Problemen, die ihre rechtlichen Kompetenzen überschreiten würden, Hilfe in Form von Anforderungen der rechtlich dafür zuständigen Stellen herbeizurufen. Allein dieses sei eine ausreichende Ermessensentscheidung, die eine selbständige Leistung im Tarifsinne darstelle. Wenn die Klägerin eine Störung feststelle, habe sie die Intensität der Störung zu beurteilen und die ggf. zu ergreifenden Maßnahmen zu entscheiden. Das reiche von Gesprächen mit den Betroffenen über ein sofortiges Abstellen der Störung, ein Eingreifen bei Nichtbeachtung der Hinweise sowie weitere Entscheidungen über die dann zu treffenden Maßnahmen einschließlich ggf. der Hinzuziehung der Polizei.

Falsch sei, dass die Klägerin in bestimmten Situationen einen Vorgesetzten im Innendienst kontaktieren solle, der dann die Entscheidung treffe. Das sei allenfalls bei ganz schwerwiegenden Entscheidungen der Fall. Die Annahme eines mutmaßlichen Willens der Tarifvertragsparteien finde im Tarifvertrag selbst keinen Niederschlag. Die Vorbildung der Klägerin spiele keine Rolle. Jedenfalls sei das Tarifmerkmal nicht daran ausgerichtet.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung des beklagten Landes vom 2. Oktober 2013 sowie deren Schriftsatz vom 26. November 2013 und auf die Berufungsbeantwortung der Klägerin vom 29. Oktober 2013 sowie das Sitzungsprotokoll vom 6. Dezember 2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des beklagten Landes ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden.

II.

Die zulässige Berufung ist allerdings unbegründet. Im Ergebnis und auch in der Begründung ist keine andere Beurteilung als in erster Instanz gerechtfertigt. Das Landesarbeitsgericht folgt dem Arbeitsgericht Berlin hinsichtlich der Begründung und sieht insoweit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer nur wiederholenden Begründung ab. Die Angriffe der Berufung sind nicht geeignet, die Rechtslage anders zu beurteilen.

1.

Die gesamte Tätigkeit der Klägerin auf ihren Streifengängen der nach Ansicht der Parteien mindestens 80% (bis 95%) der Arbeitszeit der Klägerin ausmacht, dient einem einheitlichen Arbeitsergebnis, nämlich der Durchsetzung ordnungsrechtlicher Vorschriften und damit einhergehend der Ahndung von Verstößen gegen die unterschiedlichsten Gebote und Verbote sowie der Gefahrenabwehr. Der Streifengang, so wie er in der Geschäftsanweisung Ordnungsamt Nr. I/2005 in der Fassung vom 15. Juni 2010 bestimmt und insoweit von den Parteien übereinstimmend geschildert worden ist, erlaubt keine sinnvolle Aufteilung der einzelnen Maßnahmen nach tariflichen Wertigkeiten (vgl. auch BAG, Urteil vom 21. März 2012 – 4 AZR 266/10; Urteil vom 7. Juli 2004 – 4 AZR 507/03; Urteil vom 16. Oktober 1985 – 4 AZR 149/84). Da sich erst während des Streifengangs herausstellt, ob und ggf. für welche Sachverhalte welche denkbaren Entscheidungsalternativen bestehen, ist es unmöglich, zu Beginn des Streifengangs die einzelnen Eingriffe nach ihrer tariflichen Wertigkeit unterscheiden zu können. Erforderlich ist jedoch, dass bereits zu Beginn einer Tätigkeit deren tarifliche Wertigkeit feststeht (BAG, Urteil vom 7. Juli 2004 – 4 AZR 507/03; Urteil vom 18. Mai 1994 – 4 AZR 461/93).

2.

Innerhalb des Arbeitsvorgangs Streifendienst hat die Klägerin auch selbständige Tätigkeiten im Tarifsinne auszuüben.

2.1

Nach dem Klammerzusatz zur Vergütungsgruppe Vc des Teils I der Anlage 1 zum BAT/BAT-O bzw. der insoweit wortgleichen Protokollerklärung Nr. 5 zum Teil 1 der Anlage A zum TV-L erfordern selbständige Leistungen ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative. Kennzeichnend für selbständige Leistungen in diesem Tarifsinne ist ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung eines Arbeitsergebnisses, ohne Bindung an verwaltungsrechtliche Fachbegriffe (so ständige Rechtsprechung des BAG seit dem Urteil vom 14. August 1985 – 4 AZR 21/84). Damit werden von den Beschäftigten Abwägungsprozesse verlangt, es werden Anforderungen an das Überlegungsvermögen gestellt. Die Beschäftigte muss unterschiedliche Informationen verknüpfen, untereinander abwägen und zu einer Entscheidung kommen. Auch wenn dieser Prozess geistiger Arbeit bei entsprechender Routine blitzschnell ablaufen kann, bleibt das Faktum der geistigen Arbeit bestehen. Geistige Arbeit wird also immer dann erbracht, wenn die Beschäftigte sich bei der Arbeit fragen muss, wie s nun weitergeht, worauf es nun ankommt bzw. was als nächstes geschehen muss (vgl. Krasemann, Das Eingruppierungsrecht des BAT/BAT-O, 7. Auflage, Kapitel 9, Rdn. 93).

2.2

Danach gehören selbständige Leistungen auch schon nach dem Verständnis des beklagten Landes zu den auszuübenden Tätigkeiten der Klägerin. Denn das beklagte Land geht davon aus, dass die Klägerin nach Feststellung eines relevanten Sachverhaltes je nach Situation entweder selbst einschreitet oder sich zurückzieht oder den Innendienst um Entscheidung bittet oder die Polizei hinzuzieht. Konkrete Festlegungen, in welcher konkreten Situation die Klägerin sich wie zu verhalten hat, hat das beklagte Land nicht vorgetragen und wären auch lebensfremd. Soweit das beklagte Land auf die Schulungsinhalte zu Beginn der Tätigkeit der Klägerin verwiesen hat, kann es sich nur um ein typisches Verhalten in typischen Situationen gehandelt haben. Damit wurde der Klägerin allenfalls das Rüstzeug vermittelt, wie sie unterschiedliche Informationen sinnvoll verknüpfen, untereinander abwägen und damit zu einer Entscheidung kommen kann.

2.3

Die auszuübenden selbständigen Tätigkeiten der Klägerin sind jedoch noch viel weitreichender. Auch wenn das beklagte Land in der Berufungsverhandlung erklärt hat, dass Geschäftsanweisung Ordnungsamt Nr. I/2005 in der Fassung vom 15.6.2010 zwar Aufgaben und Befugnisse beinhalte, die jedoch weitgehend dem Innendienst zugewiesen seien, ergab sich diese Zuweisung aus der Geschäftsanweisung selbst nicht. Die in der Berufungsverhandlung vom beklagten Land behauptete Anweisung in den Schulungen zu Beginn der Tätigkeit der Klägerin im Jahre 2004/2005 vermochte die zuletzt im Jahre 2010 erlassene Geschäftsanweisung nicht außer Kraft zu setzen. Auch sieht die nach § 2 Abs. 6 Satz 1 ASOG erlassene Ordnungsdiensteverordnung lediglich eine Einschränkung durch besondere ordnungsrechtliche Vorschriften vor. Diese konnte das beklagte Land trotz ausdrücklicher Nachfrage in der Berufungsverhandlung nicht benennen.

Auch der vom beklagten Land behauptete Einsatz von Checklisten führt zu keinem anderen Ergebnis, zumal das beklagte Land trotz ausdrücklicher Nachfrage in der Berufungsverhandlung über die Checkliste bei Lärm durch Straßenmusik hinaus keine weiteren benennen oder gar vorlegen konnte. Selbst diese Checkliste sieht zwar eine vierstufige Eskalation des Eingreifens vor, jedoch ist auch dabei von der Klägerin wieder verschiedentlich Ermessen auszuüben.

Bereits im Vorfeld des Einschreitens muss nach der Checkliste eine „erhebliche“ Störung festgestellt werden. Wenn die Entscheidung über die Erheblichkeit der Störung getroffen ist, ist in Ziffer 1 der Checkliste aufgeführt, dass der Verursacher auf die Störung anzusprechen sei. Weiter heißt es dann aber, dass eine mündliche Verwarnung ausgesprochen werden „kann“. Nach Ziffer 3 „kann“ bei fortgesetzter Störung ein Platzverweis ausgesprochen werden. Nach Ziffer 4 „kann“ eine Sicherstellung des Musikinstrumentes durchgeführt werden. All diese Punkte sind nicht zwingend vorgegeben, sondern lassen der Klägerin den Spielraum, den vom Gesetzgeber festgelegten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 11 ASOG) und das pflichtgemäße Ermessen (§ 12 ASOG) walten zu lassen.

3.

Soweit das beklagte Land meint, dass mit einer Bewertung der auszuübenden Tätigkeit der Klägerin das Bewertungsgefüge zwischen dem Außendienst und dem Innendienst im Ordnungsamt durcheinandergebracht werde, ist dieses für die tarifliche Bewertung der Tätigkeit der Klägerin irrelevant. Mit seiner Auffassung verkennt das beklagte Land die grundlegende Struktur des Eingruppierungsrechts im Öffentlichen Dienst. Maßgeblich ist die der Klägerin vom beklagten Land selbst zugewiesene Arbeitsaufgabe. Wenn das beklagte Land der Klägerin eine Tätigkeit mit so weitreichenden Entscheidungsspielräumen überträgt, ist es Folge der sogenannten Tarifautomatik des § 22 Abs. 2 BAT bzw. § 12 Abs. 1 Satz 3 TV-L, dass die Tätigkeit der Klägerin nach Vergütungsgruppe Vb BAT/BAT-O bzw. Entgeltgruppe E 9 TV-L zu bewerten ist. Nicht die Entscheidung des Gerichts bringt das – nach Ansicht des beklagten Landes bestehende – Bewertungsgefüge zwischen dem Innen- und dem Außendienst durcheinander, sondern das beklagte Land selbst durch die entsprechende Aufgabenübertragung auf die Klägerin.

4.

Soweit das beklagte Land meint, dass die Klägerin nicht dargelegt habe, dass innerhalb des Arbeitsvorgangs Streifendienst in rechtserheblichem Umfang selbständige Leistungen im Tarifsinne anfallen würden, berücksichtigt dieses die Struktur und die Entwicklung des Eingruppierungsrechts im Öffentlichen Dienst nicht, trifft aber auch bei Annahme der Auffassung des beklagten Landes im Falle der Klägerin nicht zu.

4.1

Erstmals in seinem Urteil vom 18. Juli 1990 – 4 AZR 25/90 forderte das BAG ausdrücklich in Bezug auf das Tätigkeitsmerkmal „selbständige Leistungen“, das Tätigkeitsmerkmal müsse innerhalb des Arbeitsvorgangs „in rechtlichem erheblichem Maße“ vorliegen. Das BAG setzte diese Rechtsprechung in den Urteilen vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 45/93 und vom 18. Mai 1994 – 4 AZR 461/93 fort. Erstmals in dem Beschluss vom 22. März 1995 – 4 AZN 1105/94 erläuterte das BAG, was es unter diesem Begriff verstanden wissen will:

„Die Arbeitsvorgänge müssen in rechtserheblichem Ausmaß das Erfordernis selbständiger Leistungen erfüllen. Das Erfordernis des rechtserheblichen Ausmaßes ist zum Begriff des Arbeitsvorgangs in Bezug zu setzen. Der Begriff des rechtserheblichen Ausmaßes ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei seiner Anwendung steht dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zu. Deshalb ist dem Senat eine Bestimmung eines Prozentsatzes der Arbeitszeit, bei dessen Vorliegen das Merkmal selbständige Leistungen in erheblichem Ausmaß gegeben ist, nicht möglich; auch andere tatsächliche Gesichtspunkte vermögen zu dessen Ausfüllung zu führen.“

Im Urteil vom 18. Mai 1994 – 4 AZR 461/93 hatte das BAG bei einem Arbeitsvorgang, der einen zeitlichen Anteil von 35% an der Gesamtarbeitszeit ausmachte und in dem zu 7% selbständige Leistungen zu erbringen waren, die Erfüllung dieses Tätigkeitsmerkmals bejaht. Im Beschluss vom 22. März 1995 - 4 AZN 1105/94 fielen in einem Arbeitsvorgang, dessen prozentualer Anteil an der gesamten Tätigkeit 51% ausmachte, zu 13% selbständige Leistungen an. Auch hier sah das BAG das Tätigkeitsmerkmal als erfüllt an.

Die so auch vom beklagten Land im Rahmen seiner Hilfsbegründung verstandene Rechtsprechung des BAG zum „rechtserheblichen Ausmaß“ ist abzulehnen. Sie hat keinerlei rechtliche Grundlage im § 22 BAT/BAT-O oder § 12 TV-L. Sie steht im Widerspruch zum Satz 2 der seit dem 1. Januar 1975 von den Tarifvertragsparteien formulierten Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 Abs. 2 BAT sowie Satz 2 der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 12 Abs. 1 TV-L. Dort wird lediglich gefordert, dass jeder Arbeitsvorgang einzeln zu bewerten ist und dass bei der Feststellung, ob der Arbeitsvorgang ein Tätigkeitsmerkmal erfüllt, eine zeitliche Aufspaltung nicht vorzunehmen ist. Von der Forderung, dass bei der Bewertung eine tarifliche Anforderung nur bejaht werden darf, wenn diese im rechtserheblichen Ausmaß erfüllt ist, ist dort nicht die Rede, sondern gerade das Aufspaltungsverbot ausdrücklich bestimmt.

Ein solcher Bewertungsgrundsatz kann auch weder aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang, noch aus der Tarifgeschichte entnommen werden. Im Gegenteil war gerade die Frage, in welchem zeitlichen Umfang ein Tätigkeitsmerkmal innerhalb der im alten Bewertungsrecht geltenden Bewertungseinheiten vorliegen musste, heftig umstritten. Die damalige Rechtsprechung wurde in der Kommentarliteratur auf breiter Ebene kritisiert und entschieden abgelehnt. Vor diesem Hintergrund und in Kenntnis dieses Grundsatzstreites hatten die Tarifvertragsparteien im Satz 2 der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 Abs. 2 BAT (Aufspaltungsverbot) ausdrücklich geregelt, dass der zeitliche Umfang der Erfüllung eines Tätigkeitsmerkmals nicht innerhalb der Bewertungseinheit zu messen ist. Ferner wurde dort kein zeitliches Mindestmaß für die Erfüllung eines Tätigkeitsmerkmals vereinbart. Bei diesem Sachverhalt ist von einer Überschreitung der Interpretationskompetenz bzw. der Befugnis des BAG zur Rechtsfortbildung auszugehen, wenn es hier entgegen einer klar erkennbaren Entscheidung der Tarifvertragsparteien verlangt, dass ein Tätigkeitsmerkmal „im rechtlich erheblichem Ausmaß“ vorliegen muss (vgl. dazu auch Krasemann, a.a.O. Kapitel 12, Rdn. 242f.).

Die Tarifvertragsparteien haben trotz der seit 1990 bestehenden Rechtsprechung zum „rechtserheblichen Ausmaß“ keinen Grund gesehen, den klaren Wortlaut der Protokollnotiz abzuändern, auch nicht bei der Formulierung des TV-L. Wenn die Tarifvertragsparteien mehr als 20 Jahre von einer solchen Regelung Abstand nehmen, erscheint es angebracht, dass dieses „beredte Schweigen“, wonach die Tarifvertragsparteien eine Einschränkung ihres eindeutig formulierten Willens nicht für notwendig erachten, von den Gerichten respektiert wird. Selbst wenn man eine wortsinnunterschreitende Nichtanwendung einer Tarifregelung durch Reduktion für zulässig erachten sollte, bedürfte sie jedenfalls immer einer besonderen Begründung, die hier nicht ersichtlich ist.

4.2

Soweit das beklagte Land ausgeführt hat, dass jedenfalls der zu vermutende Wille der Tarifvertragsparteien das Ergebnis dieses Rechtsstreites nicht rechtfertige, war dem nicht zu folgen. Bis zum 1. Januar 1975 hatte der § 22 BAT einen anderen Wortlaut. Im Urteil vom 17. Januar 1973 – 4 AZR 85/72 hatte das BAG ausgeführt:

Aufgaben, die in so unbedeutendem Umfange zu erfüllen sind, dass sie innerhalb der zu bewertenden Tätigkeit nicht ins Gewicht fallen, müssen dabei zwangsläufig außer Betracht bleiben. In diesem Sinne sind deshalb die Fallgruppen der Anlage 1 a zum BAT auszulegen. Im allgemeinen wird man davon ausgehen müssen, dass Aufgaben, die weniger als 5 % der zu bewertenden Tätigkeit ausmachen, für die Eingruppierung unbeachtlich sein sollen.

Andererseits wurden Zusammenhangsarbeiten bei Mischtätigkeiten nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. etwa Urteil vom 16. August 1966 – 1 AZR 366/65) der jeweils höherwertigen Tätigkeit zugerechnet.

Aufgrund der in der damaligen Rechtsprechung deutlich gewordenen Bewertungsprobleme wurde über mehrere Jahre in den Tarifverhandlungen zum BAT über ein neues Bewertungsverfahren verhandelt. Durch den 37. Änderungstarifvertrag vom 17. März 1975 wurde rückwirkend zum 1. Januar 1975 auf die gesamte nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit abgestellt, der Begriff des Arbeitsvorgangs eingeführt und in der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 BAT das Aufspaltungsverbot definiert. Dieses wurde unverändert als Protokollerklärung Nr. 1 zu § 12 TV-L übernommen.

Damit ist nach Ansicht der erkennenden Kammer der vermutete Wille und der ausdrücklich formulierte Wille der Tarifvertragsparteien identisch. Auf den Anfall eines qualifizierenden Tarifmerkmals „im rechtlich erheblichem Ausmaß“ kommt es innerhalb eines Arbeitsvorgangs nicht an.

4.3

Letztlich kommt es darauf aber auch nicht an, da die rechtliche Erheblichkeit bei der auszuübenden Tätigkeit der Klägerin gegeben ist. Denn dieser unbestimmte Rechtsbegriff beinhaltet nicht zwingend ein quantitatives Element. Ohne situativ angemessenes Eingreifen oder Nichteingreifen, ohne die Entscheidung, die nach der Geschäftsanweisung der Klägerin zugewiesenen Befugnisse situativ einzusetzen, und damit jeweils selbständige Leistungen ausübend, würde der Streifengang erheblich lückenhaft und kein brauchbares Arbeitsergebnis darstellen (vgl. dazu auch BAG, Urteil vom 21. März 2012 - 4 AZR 266/10 und vom 20. Oktober 1993 - 4 AZR 45/93).

Da nach der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 BAT und der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 12 TV-L schon bei der Bestimmung der Arbeitsvorgänge maßgeblich darauf geachtet werden muss, wie bei „natürlicher Betrachtung ein abgrenzbares Arbeitsergebnis“, also ein brauchbares Arbeitsergebnis gefunden werden kann, spielt es dann eine zentrale Rolle, ob man zwischen Arbeitsergebnissen mit selbständigen Leistungen und solchen ohne selbständige Leistungen unterscheiden kann. Dazu hatte das Bundesarbeitsgericht aber bereits in den Entscheidungen vom 21. März 2012 - 4 AZR 266/10, vom 7. Juli 2004 – 4 AZR 507/03 und vom 18. Mai 1994 – 4 AZR 461/93 ausgeführt, nicht erforderlich ist, dass sie anfallen, sondern es genügt, dass sie vorgehalten werden müssen. Insofern erfordern die von der Klägerin innerhalb der im Arbeitsvorgang Streifengang anfallenden Aufgaben jedenfalls in einem qualitativ erheblichen Umfang selbständige Leistungen.

Deshalb war die Berufung zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO. Die Kosten der Berufung sind vom beklagten Land als unterlegene Partei zu tragen.

Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs.2 ArbGG kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.