Gericht | VG Frankfurt (Oder) 1. Kammer | Entscheidungsdatum | 19.08.2010 | |
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Aktenzeichen | VG 1 L 258/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
Das Rubrum wurde von Amts wegen dahingehend berichtigt, dass alleiniger Antragsgegner der Schulleiter der Gesamtschule "Wilhelm Conrad Röntgen" Zepernick ist.
Der sinngemäß gestellte Antrag nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO),
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin zum Schuljahresbeginn 2010/2011 in eine siebte Klasse der „Wilhelm-Conrad-Röntgen Gesamtschule“ in Schönerlinder Straße 83 - 90, 16341 Panketal aufzunehmen
ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Der Vater der Antragstellerin ist allein sorgeberechtigt und damit antragsbefugt gemäß § 42 II VwGO.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte; einstweilige Anordnungen sind ferner zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer solchen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn der Antragsteller Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund darlegt und glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 1 und 2, § 294 ZPO). Wird – wie hier – mit der einstweiligen Anordnung eine (zumindest teilweise) Vorwegnahme der Hauptsache begehrt, kann eine einstweilige Anordnung nur ergehen, wenn sie zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist und ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg im Hauptsacheverfahren spricht.
Gemessen daran hat die Antragstellerin das Bestehen eines Anordnungsanspruches nicht glaubhaft gemacht. Es ist vielmehr überwiegend wahrscheinlich, dass ihr der in der Hauptsache der geltend gemachte Anspruch auf Aufnahme an der „Wilhelm-Conrad-Röntgen Gesamtschule“ in Zepernick nicht zusteht.
Ob die Antragstellerin mit Erfolg einen Anspruch auf Aufnahme in die „Wilhelm-Conrad-Röntgen Gesamtschule“ in Zepernick geltend machen kann, richtet sich nach §§ 50 ff BbgSchulG sowie §§ 32, 49, 50 Sek I-V.
Nach § 53 Abs. 1 BbgSchulG ist für die Aufnahme in eine weiterführende allgemeinbildende Schule neben dem Wunsch der Eltern die Eignung der Schülerin oder des Schülers maßgebend. Unbeschadet der Eignung kann die Aufnahme in eine Schule nach § 50 Abs. 3 Nr. 1 BbgSchulG u. a. dann abgelehnt werden, wenn die Aufnahmekapazität der Schule erschöpft ist. Im vorliegenden Fall wurde gemäß § 53 Abs.3 BbgSchulG ein Aufnahmeverfahren durchgeführt, die Aufnahme richtet sich nach § 32 Sek I-V.
Danach werden an Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe bis zu einem Drittel der Plätze an Schüler vergeben, die den Bildungsgang zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife (AHR) gewählt haben, die Auswahl erfolgt gemäß § 43 Sek I-V nach dem Vorrang der Eignung. Die restlichen Plätze werden entsprechend der §§ 49, 50 Sek I-V an Schülerinnen und Schüler vergeben, die den Bildungsgang zum Erwerb der Fachoberschulreife (FOR) oder erweiterten Berufsbildungsreife (EBR) gewählt
haben. Für diese berücksichtigt der Schulleiter gemäß § 50 Sek I-V zunächst besondere Härtefälle gemäß § 53 Abs. 4 des Brandenburgischen Schulgesetzes. Die verbleibenden Plätze werden nach der Nähe der Wohnung zur Schule vergeben. Die Nähe der Wohnung zur Schule wird durch die Schulleiterin oder den Schulleiter unter dem Gesichtspunkt der Schulwegzeit oder der Entfernung bestimmt. Auf die Eignung kommt es insoweit hier nicht an.
Entscheidend für die Einordnung in die verschiedenen Auswahlverfahren ist dabei entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht die Bildungsempfehlung des Grundschulgutachtens, sondern gemäß § 32 Sek I-V, welcher Bildungsgang von den Schülern gewählt wurde. An der „Wilhelm-Conrad-Röntgen Gesamtschule“ werden zum Schuljahresbeginn 2010/2011 auch Schüler in den Bildungsgang AHR aufgenommen bzw. zugewiesen, die von der Grundschule nur eine Bildungsempfehlung für den Bildungsgang FOR hatten. Die Antragstellerin begehrt jedoch in Übereinstimmung mit dem Grundschulgutachten und ihrem Leistungs- und Entwicklungsstand eine Aufnahme in den Bildungsgang FOR. Sie trägt auch nicht vor, dass ein Wechsel in den Bildungsgang AHR zum jetzigen Zeitpunkt gewünscht ist. Auch aus der im Zweitwunsch angegebenen Schule, die über keine gymnasiale Oberstufe verfügt, lässt sich darauf schließen, dass es der Antragstellerin auf den Besuch einer solchen Schule nicht ankam. Für das Aufnahmeverfahren der Antragstellerin kommen daher die Regelungen der §§ 49, 50 Sek I-V und nicht § 43 Sek I-V zur Anwendung kommt. Darin liegt auch keine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Schülern mit der Wahl zum Bildungsgang AHR.
Zwar war das durchgeführte Auswahlverfahren möglicherweise fehlerhaft, dies würde nach der im Eilverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung jedoch nichts an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Antragstellerin ändern.
Der Antragsgegner ging unter Berücksichtigung der für Wiederholer vorzuhaltenden Plätze von einer Kapazität von 106 Plätzen aus. Davon vergab er gemäß § 32 Sek I-V nach dem Vorrang der Eignung 36 Plätze an Schüler, die den Bildungsgang AHR gewählt hatten. Von den verbleibenden 70 Plätzen wurden dann zunächst acht gemäß § 4 Abs. 4 Sek I-V an Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf durch Zuweisung durch das staatliche Schulamt vergeben, so dass lediglich 62 Plätze für das Aufnahmeverfahren gemäß § 50 Sek I-V zur Verfügung standen.
Dies begegnet Bedenken. Gemäß § 4 Abs. 4 Sek I-V erfolgt die Zuweisung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf gemäß § 50 Abs. 2 BbgSchulG außerhalb des Auswahlverfahrens und geht den Aufnahmen gemäß § 50 Abs. 1 vor. Von den vorhandenen 106 Plätzen hätten daher zunächst die acht Zuweisungen abgezogen werden müssen, so dass für das Aufnahmeverfahren lediglich 98 Plätze zur Verfügung gestanden hätten. Gemäß § 32 Sek I-V hätten davon nur bis zu einem Drittel, also maximal 32 Schüler in den Bildungsgang AHR aufgenommen werden dürfen.
Jedoch hätte die Antragstellerin auch bei einer Aufnahme von 66 statt wie hier 62 Schülern in die Bildungsgänge FOR / EBR nicht berücksichtigt werden können.
Da vorliegend keine Plätze vorrangig für besondere Härtefälle oder besondere Gründe vergeben wurden (vgl. § 53 Abs. 4 BbgSchulG) erfolgte die Vergabe ausschließlich nach Wohnortnähe. Die Zugrundelegung der Entfernung der Schule vom Wohnort in einem Radius von 2,46 km ist dabei nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin wohnt in einer Entfernung von 10,2 km zur Schule und erreichte damit nur Platz 59 auf der Nachrückliste. Bei Aufnahme von vier weiteren Schülern aus ihrem Bildungsgang wäre sie mit Platz 55 ebenfalls nicht berücksichtigt worden. Es ist auch nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass in der Zwischenzeit die nicht unerhebliche Anzahl der vorrangig zu berücksichtigenden Schüler soweit abgenommen hat, dass ihre Aufnahme nun erfolgen müsste.
Die Antragstellerin hat in ihrer Anmeldung auch keinen besonderen Härtefall oder Grund angegeben, so dass bei ihr ein anderes Kriterium als das der Wohnortnähe nicht anzuwenden war. Ein besonderer Härtefall nach § 53 Abs. 4 BbgSchulG liegt auch tatsächlich nicht vor.
Die Antragstellerin trägt selbst vor, dass es eine andere Schule gibt, die nicht nur unter unzumutbaren Schwierigkeiten erreichbar ist, so dass allenfalls ein Fall von § 53 Abs.4 Nr. 2 BbgSchulG in Betracht kommt. Dafür müssten besondere familiäre oder soziale Belastungen entstehen, die das üblicherweise Vorkommende bei weitem überschreiten. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Soweit die Antragstellerin vorträgt, allein der Besuch der „Wilhelm-Conrad-Röntgen Gesamtschule“ in Zepernick würde Ihrer physischen und psychischen Situation gerecht, ist dies nicht ausreichend. Die Antragstellerin hat sich bewusst gegen den im Bildungsgang AHR vorherrschenden höheren Leistungsdruck durch eine vertiefte allgemeine Bildung entschieden. Den von ihr angestrebten Bildungsgang kann sie ebensogut auf der nun zu besuchenden Oberschule erreichen, sie kann bei entsprechenden Leistungen auch noch nach Abschluss der Klasse 10 in die Sekundarstufe II wechseln. Auch die Oberschule vermittelt entsprechend den Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe eine grundlegende oder erweiterte allgemeine Bildung.
Die zu erwartende Änderung des sozialen Umfelds stellt keinen sozialen Grund dar, der das üblicherweise Vorkommende bei weitem überschreitet, denn es handelt sich bei dem Wechsel auf eine weiterführende Schule ebenso wie bei der Einschulung um eine Zäsur, die typischerweise diese Folge nach sich zieht. In jeder Schule kommt es zu Beginn zu einer Neuordnung der Klasse und einer Veränderung der sozialen Strukturen.
Die Zuweisung von weiteren neun Schülern in den Bildungsgang AHR durch das Schulamt kann schließlich nicht zu einer andern Beurteilung führen. Die Zuweisung erfolgte gemäß § 7 Sek I-V ebenfalls außerhalb des Aufnahmeverfahrens und unterliegt damit nicht der Drittelregelung des § 32 Sek I-V. Durch die Zuweisung wurden auch keine Schüler verdrängt, sondern es wurde lediglich die Schülerzahl aufgestockt.
Zum Beginn des Schuljahrs werden, nach korrigierten An- und Abmeldungen, 109 Schüler an der Schule des Antraggegners aufgenommen. Auch eine Verpflichtung des Antragsgegners, die Integrationsklassen auf die maximal mögliche Anzahl von 30 Schülern aufzustocken, um so bei Vierzügigkeit eine Kapazität von 120 Schülern zu erreichen, würde an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Antragstellerin nichts ändern. Selbst nach Berichtigung des Aufnahmeverfahrens befände sich die Antragstellerin nach Lage der Akten lediglich auf Platz 54 (derzeit geführt als 58). Die Aufnahme weiterer 11 Schüler, selbst wenn sie ausschließlich in den Bildungsgang FOR erfolgte, würde nicht zu einem Anspruch der Antragstellerin auf Aufnahme führen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 Gerichtskostengesetz, wobei die Kammer den in der Hauptsache anzusetzenden Auffangstreitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert.