Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Durchbrechung einer Rechtskraft eines sozialgerichtlichen Beschlusses

Durchbrechung einer Rechtskraft eines sozialgerichtlichen Beschlusses


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 01.02.2011
Aktenzeichen L 9 KR 362/10 B ER ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 86b Abs 1 S 1 SGG, § 86b Abs 2 SGG, § 141 Abs 1 Nr 1 SGG

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 9. November 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 9. November 2010 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht den Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihr Krankengeld seit dem 15. Februar 2010 zu gewähren, als unzulässig abgelehnt.

1.) Das Sozialgericht Berlin hat den o.g. Antrag der Antragstellerin bereits mit Beschluss vom 21. September 2010 u.a. mit der Begründung abgelehnt, dass es für eine stattgebende Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren an einem Anordnungsgrund fehle. Dies gelte für Leistungen, die für vergangene Zeiträume begehrt würden. Es gelte aber auch für gegenwärtige und zukünftige Zeiträume, weil die Antragstellerin seit dem 26. Februar 2010 Arbeitslosengeld II (ALG II) beziehe und einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I (ALG I) habe. Außerdem werde der Antragstellerin demnächst eine Abfindung für den Verlust ihres Arbeitsplatzes ausgezahlt. Sie habe schließlich nicht begründet, warum sie vom Verlust ihrer Wohnung bedroht sei. Gegen diesen Beschluss, der der Antragstellerin am 25. September 2010 zugestellt worden ist, hat sie keine Beschwerde eingelegt, so dass er rechtskräftig geworden ist. Denn auch rechtskräftige Beschlüsse, die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangen sind, nehmen an der Bindungswirkung nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG für die Beteiligten eines solchen Verfahrens teil (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. A., § 141 Rd. 5).

2.) Diese Bindungswirkung schließt eine von der vorangehenden Entscheidung abweichende Sachentscheidung grundsätzlich aus. Eine solche ist nur ausnahmsweise im Rahmen eines Abänderungsantrages in entsprechender Anwendung von § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG oder auf einen neuen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hin, den die Antragstellerin am 2. November 2010 beim Sozialgericht Berlin gestellt hat, möglich, wenn sich die für die vorangegangene gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Umstände geändert haben. Anderenfalls ist ein erneuter, im Wesentlichen inhaltsgleicher Antrag unzulässig. Das ist insbesondere der Fall, wenn der ursprüngliche Antrag wiederholt und der gesamte Streitstoff des vorangegangenen Verfahrens, wenn auch unter Vertiefung und Erweiterung, zur Überprüfung gestellt wird. Selbst wenn sich in einzelnen Punkten neue Erkenntnisse ergeben haben sollten, so führte ihre Einbettung in den bereits im vorangegangenen Verfahren behandelten Streitstoff nur dazu, dass erneut über denselben Streitgegenstand entschieden würde. Dies würde die Bindungswirkung

des Beschlusses des Sozialgerichts vom 21. September 2010 unter Verstoß gegen § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG durchbrechen (vgl. zum Vorstehenden LSG Berlin, 15. Senat, Beschlüsse vom 10. Juli 2002, - L 15 B 39/02 KR ER, und vom 26. Oktober 2004, L 15 B 88/04 KR ER, jeweils zitiert nach juris).

3.) Die Tatsachen, aus denen das Sozialgericht in seinem Beschluss vom 21. September 2010 auf das Fehlen eines Anordnungsgrundes geschlossen hat, haben sich weder bis zum Zeitpunkt der späteren Entscheidung des Sozialgerichts vom 9. November 2010 noch bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats geändert.

a) Der Bescheid des Jobcenters C vom 9. August 2010, nach dem die Antragstellerin für den Zeitraum vom 1. September 2010 bis zum 30. September 2010 ALG II in Höhe von 954,31 € monatlich und 737,00 € monatlich in der Zeit vom 1. Oktober 2010 bis zum 28. Februar 2011 erhielt bzw. erhält, lag dem Sozialgericht im Zeitpunkt seiner ersten Entscheidung vor; ihm war deshalb auch bekannt, dass das Jobcenter die Leistungen für den Zeitraum ab dem Oktober 2010 gekürzt hatte, weil es die Kosten der Unterkunft für unangemessen hielt und die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Hinblick auf die ungeklärten Einkommensverhältnisse der Antragstellerin bezüglich eines Anspruchs auf ALG I nur vorläufig bewilligt hatte. Der Entscheidung des Sozialgerichts lag deshalb schon im September 2010 die Sachlage zu Grunde, dass die Antragstellerin ihre Wohnung verlieren würde, sofern sie sich nicht um eine andere preiswerte Wohnung bemühen oder die Miete aus dem ALG I oder ihrer Abfindung würde decken können. Hieran hat sich nach dem Vorbringen der Antragstellerin bis heute nichts geändert.

b) Denn bis heute ist unklar geblieben, warum die Antragstellerin nach der rechtskräftigen Entscheidung des Sozialgerichts kein ALG I beziehen kann oder ihren Lebensunterhalt nicht (zumindest teilweise) aus der Abfindung decken konnte und kann, zumal sie deren Betrag schon in dem im Oktober 2010 rechtskräftig abgeschlossenen vorläufigen Rechtsschutzverfahren mit 29.631,60 € angegeben hat, ohne überschaubar und schlüssig darzulegen, welchen Verbindlichkeiten sie ausgesetzt war. Insofern haben sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse seit der ersten Entscheidung des Sozialgerichts nach ihrem eigenen Vortrag nicht erkennbar entscheidungserheblich verändert.

c) Dies schließt eine Durchbrechung der Rechtskraft des sozialgerichtlichen Beschlusses vom 21. September 2010 aus. Denn auf die Richtigkeit der Entscheidung des Sozialgerichts kommt es wegen der Bindungswirkung der Entscheidung nicht an. Selbst fehlerhafte und rechtswidrige, aber unanfechtbare Entscheidungen binden die Beteiligten, wenn sich - wie im vorliegenden Fall - die der Entscheidung zu Grunde liegenden Umstände nicht geändert haben. Schließlich kann auch der Verstoß gegen das rechtliche Gehör der Antragstellerin, der in einer Entscheidung des Gerichts über ihren vorläufigen Rechtsschutzantrag vor Ablauf der ihr gewährten Äußerungsfrist liegt, ihrem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen, weil der Gehörsverstoß durch die vorliegende Entscheidung geheilt wurde und eine andere Entscheidung nicht möglich war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).