Gericht | VG Potsdam 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 22.10.2010 | |
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Aktenzeichen | VG 8 K 1380/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 6 VwVG |
1. Es wird festgestellt, dass die Vollstreckung des Abfallgebührenbescheides des Landrates des Landkreises Oberhavel vom 9. Juli 2007, dem Kläger zugestellt am 11. April 2008, rechtswidrig war.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens werden zu 8/9 dem Beklagten und zu 1/9 dem Kläger auferlegt.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheit in Höhe von 800,00 Euro, für den Beklagten gegen Sicherheit in Höhe von 100,00 Euro.
Der Kläger begehrt die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vollstreckung der beiden Abfallgebührenbescheide des Landrates des Landkreises Oberhavel vom 9. Juli 2007 und vom 26. Juni 2008.
Er ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks ... in ... . Mit Bescheid vom 9. Juli 2007 veranlagte der Landrat den Kläger zu endgültigen Abfallgebühren für das Jahr 2006 in Höhe von 324,54 Euro sowie zu Vorauszahlungen für das Jahr 2007 in Höhe von 307,75 Euro, insgesamt also zu Abfallgebühren in Höhe von 632,29 Euro. Bezüglich der Fälligkeit der Gesamtforderung enthielt dieser Bescheid die Regelung, dass ein Betrag in Höhe von 478,41 Euro einem Monat nach Bekanntgabe des Bescheides und der restliche Betrag in Höhe von 153,88 Euro zum 15. September 2007 fällig sein sollte. Anfang 2008 ermittelte der Landrat die Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück des Klägers; als Eigentümerin war im Grundbuch noch die am 27. Februar 1995 verstorbene Frau ... eingetragen. Nach dem Erbschein des Amtsgerichts Oranienburg war der Kläger ihr Vorerbe. Im Rahmen des vom Landrat Ende 2007/Anfang 2008 gegen den Kläger eingeleiteten Vollstreckungsverfahrens teilte dieser der Kreiskasse des Beklagten am 7. April 2008 telefonisch mit, dass er weder den Gebührenbescheid vom 9. Juli 2007 noch die Mahnung vom 25. Oktober 2007 und auch die Vollstreckungsankündigung nicht erhalten habe.
Daraufhin stellte der Landrat dem Kläger unter dem 8. April 2007 eine Kopie des Gebührenbescheides vom 9. Juli 2007 per Postzustellungsurkunde zu; die Zustellung erfolgte am 11. April 2008. Gegen seine Veranlagung legte der Kläger mit Schreiben (Fax) vom 4. April 2008, beim Landrat am 5. Mai 2008 eingegangen, Widerspruch ein mit der Begründung, laut Auskunft der Bewohner hätten in dem Wohnhaus ... in den Veranlagungsjahren 2006 und 2007 allenfalls 4 Personen gewohnt; er bitte um namentliche Benennung dieser Personen. Der Landrat ermittelte über das Einwohnermeldeamt der Stadt ... im Wege einer Hausauskunft die dort gemeldeten Personen und wies danach mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2008, dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 2. Juli 2008 zugestellt, den Widerspruch zurück. Zugleich stellte er dem Kläger den Gebührenbescheid vom 26. Juni 2008 zu, mit dem dieser zu endgültigen Abfallgebühren für das Jahr 2007 in Höhe von 208,51 Euro und zu Vorauszahlungen für das Jahr 2008 in Höhe von 179,00 Euro veranlagt wurde; auf Grund der Verrechnung mit den durch Bescheid vom 9. Juli 2007 festgesetzten Abfallgebühren ergab sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 79,76 Euro.
Ab August 2008 setzte der Landrat die Vollstreckung der Abfallgebührenbescheide fort. Nachdem der Kläger einer nochmaligen Durchsuchung seiner Wohnung am 12. März 2009 widersprochen hatte und zu dem vom Gerichtsvollzieher anberaumten Termin zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung am 1. April 2009 nicht gekommen war, beantragte der Landrat beim Amtsgericht München unter dem 29. April 2009 die Anordnung der Haft zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung. Das Amtsgericht München erließ den beantragten Haftbefehl unter dem 15. Mai 2009. Im Rahmen des Vollzuges des Haftbefehls zahlte der Kläger ausweislich des Verhaftungsprotokolls des Gerichtsvollziehers vom 10. Juli 2009 an diesen in bar den vom Landrat damals geforderten Betrag in Höhe von insgesamt 850,70 Euro, wovon ein Betrag in Höhe von 828,56 Euro an den Landrat ausgezahlt wurde.
Am 18. August 2009 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat zunächst beantragt, den Landrat zu verurteilen, ihm ordnungsgemäße Leistungsgebote zu übermitteln, aus denen sich die Vollstreckungsbeträge nach Grund und Höhe ergeben sollten. Er wies darauf hin, in der Vergangenheit mehrfach vergeblich darum gebeten zu haben, ihm die dem „Titel“ zu Grunde liegenden Beträge ordnungsgemäß mit entsprechender Rechtsmittelbelehrung bekannt zu geben; dies sei bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht erfolgt.
Im Rahmen des Klageverfahrens hat der Landrat mit Schriftsatz vom 6. November 2009 mitgeteilt, dass der Kläger am 15. Juli 2009 einen Betrag in Höhe von 828,56 Euro beglichen habe; dadurch sei eine Überzahlung in Höhe von 68,35 Euro eingetreten, die an den Kläger überwiesen werde. Jegliche weitere Vollstreckungsmaßnahmen seien inzwischen eingestellt worden. Diesem Schriftsatz des Landrates war eine Forderungsaufstellung für den Zeitraum ab 11. Mai 2008 bis Mitte Juli 2009 mit einer Gesamtforderung in Höhe von 760,21 Euro beigefügt.
Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger weiterhin geltend: Der Landrat sei nicht berechtigt gewesen, ohne Begründung und wirksame Bekanntgabe eines Leistungsgebotes auch die Nebenkosten einschließlich der Gerichtsvollzieherkosten geltend zu machen; aus diesem Grunde könne er irgendwelche Gebührenforderungen des Landrates auch nicht anerkennen.
Der Kläger beantragt nunmehr sinngemäß
festzustellen, dass die Vollstreckung der beiden Abfallgebührenbescheide des Landrates des Landkreises Oberhavel vom 9. Juli 2007 und vom 26. Juni 2008 rechtswidrig war.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die Vollstreckung sei nach der förmlichen Zustellung der beiden Abfallgebührenbescheide vom 9. Juli 2007 und vom 26. Juni 2008 rechtmäßig. Nach Überprüfung der abgabenrechtlichen Nebenleistungen würden diese nunmehr erst ab förmlicher Zustellung der Gebührenbescheide am 11. April 2008 und am 2. Juli 2008 geltend gemacht; daraus ergebe sich als Datum der ersten Fälligkeit der 11. Mai 2008. Eine Ermäßigung des Vollstreckungsbetrages sei nicht beabsichtigt.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Übertragung des Rechtsstreits auf den Vorsitzenden als Einzelrichter sowie einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Akteninhalt der Gerichtsakte sowie auf die vom Landrat vorgelegten Verwaltungsvorgänge.
Das Gericht entscheidet auf Grund des Übertragungsbeschlusses der Kammer vom 21. Oktober 2010 allein durch den Vorsitzenden als Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Mit Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage hat überwiegend Erfolg.
Die Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Zwischen den Beteiligten ist die Frage der Rechtmäßigkeit der Vollstreckung der beiden Abfallgebührenbescheide des Landrates vom 9. Juli 2007 und vom 26. Juni 2008 und damit ein konkretes Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift streitig. Der Kläger konnte seine Rechte gegenüber dem Beklagten bzw. dem Landrat auch nicht im Wege einer Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen (§ 43 Abs. 2 VwGO), da der Landrat ihm gegenüber keine anfechtbaren Maßnahmen getroffen hatte. Die Mahnungen bzw. Vollstreckungsankündigungen waren als solche nicht anfechtbar, da sie keine dem Kläger gegenüber verbindlichen Regelungen enthielten; sie kündigten jedes Mal lediglich Vollstreckungsmaßnahmen der zuständigen Vollstreckungsbehörde am Wohnsitz des Klägers in München an, gegen die sich dieser bis zum 10. Juli 2009 zur Wehr gesetzt hat. Im Hinblick auf den gesamten Ablauf des Vollstreckungsverfahrens richtet sich das Begehren des Klägers zulässigerweise auch gegen die Vollstreckung durch den Landrat insgesamt und nicht nur gegen einzelne Vollstreckungsmaßnahmen.
Die Feststellungsklage ist gegen die Körperschaft und nicht gegen die Behörde zu richten (§ 78 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 8 Abs. 2 des Brandenburgischen Verwaltungsgerichtsgesetzes); das Rubrum war daher von Amts wegen zu berichtigen.
Eine Klageänderung i. S. d. § 91 Abs. 1 VwGO gegenüber dem in der Klageschrift vom 15. August 2009 formulierten Klageantrag liegt nicht vor; denn bereits im Rahmen der Klagebegründung hatte der Kläger zu erkennen gegeben, dass er eine Vollstreckung der Abfallgebühren ohne ordnungsgemäße Leistungsgebote für rechtswidrig halte und eine Vollstreckung nur anerkennen könne, wenn ihm die zu vollstreckenden Beträge nach Grund und Höhe zuvor bekannt gegeben würden. Sein damaliger Klageantrag ist mit dem nunmehr sinngemäß gestellten Klageantrag im Wesentlichen inhaltsgleich. Unabhängig davon wäre eine Klageänderung gemäß § 91 Abs. 1 2. Alt. VwGO für sachdienlich zu halten.
Die Klage hat in der Sache insoweit überwiegend Erfolg, als es um die Vollstreckung des Abfallgebührenbescheides des Landrates vom 9. Juli 2007 geht; sie ist dagegen unbegründet hinsichtlich der Vollstreckung des Abfallgebührenbescheides des Landrates vom 26. Juni 2008.
Voraussetzungen für die Vollstreckung eines Abgabenbescheides sind gemäß § 6 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg (VwVGBbg) 1. der Leistungsbescheid, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist, 2. die Fälligkeit der Leistung sowie 3. der Ablauf einer Frist von einer Woche seit Bekanntgabe des Leistungsbescheides. Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich des Abfallgebührenbescheides vom 9. Juli 2007 nicht vor; denn dieser Bescheid ist wegen fehlender ordnungsgemäßer Fälligkeitsregelung nichtig.
Der ursprüngliche und nur mittels einfacher Post übermittelte Abfallgebührenbescheid vom 9. Juli 2007 kann zulässigerweise nicht Grundlage der Vollstreckung sein, da dieser Bescheid nicht wirksam geworden ist (§ 12 Abs. 1 Nr. 3.b des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg - KAG - i. V. m. § 124 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung - AO -). Seiner Wirksamkeit steht die fehlende Bekanntgabe an den Kläger entgegen (§ 122 Abs. 1 Satz 1 AO); denn der Kläger hat der Bekanntgabe des Bescheides im Rahmen des gegen ihn eingeleiteten Vollstreckungsverfahrens wirksam widersprochen (§ 122 Abs. 2 AO). Behauptet der Empfänger eines mit einfacher Post übermittelten Abgabenbescheides, dass er diesen Bescheid nicht erhalten habe, so bedarf es für dieses Bestreiten grundsätzlich keiner weiteren Substantiierung, um Zweifel am Zugang des Bescheides zu begründen und der Behörde gemäß § 122 Abs. 2 AO die materielle Beweislast für den Zugang des Bescheides aufzuerlegen; denn der Nichterhalt des Abgabenbescheides ist eine sog. negative Tatsache, die ihrerseits eines Beweises nicht zugänglich ist. Ob dieser Grundsatz uneingeschränkt zu gelten hat, mag dahingestellt bleiben;
vgl. zum Streitstand Kopp/Ramsauer, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 11. Aufl., 2010, § 41 Anm. 80 zu Rdnr. 43 m. w. N.; Brockmeyer in Klein, Kommentar zur Abgabenordnung, 10. Aufl., 2009, § 122 Rdnrn. 54 ff.
eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann allenfalls dann gemacht werden, wenn das Verhalten des Abgabenschuldners konkrete Anhaltspunkte dafür erkennen lässt, dass er den Abgabenbescheid doch erhalten hat. In einem solchen Fall kann das Gericht im Wege der freien Beweiswürdigung schlussfolgern, dass die Bekanntgabe wirksam erfolgt ist.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 1994 - 22 A 1063/91 -, NVwZ 1995, 1228; VG Potsdam, Gerichtsbescheid vom 16. September 2010 - 8 K 1117/07 - (rechtskräftig).
Derartige konkrete Anhaltspunkte sind vom Landrat weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Übrigen stellt der Landrat die Nichtbekanntgabe des ursprünglichen Abfallgebührenbescheides auch nicht in Abrede, wie dessen erneute und diesmal förmliche Zustellung im April 2008 belegt.
Der am 11. April 2008 dem Kläger durch Postzustellungsurkunde förmlich zugestellte Abfallgebührenbescheid kann ebenfalls nicht Grundlage der Vollstreckung sein; denn dieser ist – auf Bescheidebene – wegen unzureichender Fälligkeitsregelung nichtig und somit einer Vollstreckung nicht zugänglich. Der Landrat hat nämlich – wie auch die Aktennotiz mit zeitlicher Zusammenstellung des Erhebungs- und Vollstreckungsverfahrens vom 26. Juni 2008 zeigt – dem Kläger lediglich eine Kopie des ursprünglichen Abfallgebührenbescheides vom 9. Juli 2007 zugestellt, ohne im Hinblick auf den inzwischen erfolgten Zeitablauf eine Korrektur an den Fälligkeitsterminen der Abfallgebühren vorzunehmen, d. h. entsprechend dem ursprünglichen Abfallgebührenbescheid vom 9. Juli 2007 verblieb es also bei der Fälligkeit des Betrages von 478,41 Euro einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheides sowie von 153,88 Euro zum 15.9.2007. Aus dem Gesamtzusammenhang des (ursprünglichen) Gebührenbescheides - dies gilt im Hinblick auf die abstrakte Formulierung des ersten Fälligkeitstermins - lagen also beide Fälligkeitstermine im Jahre 2007 und somit zeitlich vor Bekanntgabe (Zustellung) des neuen Abfallgebührenbescheides vom 9. Juli 2007 im April 2008. Da beide Fälligkeitstermine zu diesem Zeitpunkt zeitlich überholt waren, war eine Befolgung des Abgabenbescheides tatsächlich nicht (mehr) möglich mit der Folge seiner Nichtigkeit insoweit (§ 125 Abs. 2 Nr. 2. AO). Die Nichtigkeitsfolge des Abgabenbescheides ist deshalb gerechtfertigt, weil an die genaue Festlegung des Fälligkeitstermins bzw. der Fälligkeitstermine die Entstehung der abgabenrechtlichen Nebenleistungen i. S. des § 3 Abs. 4 AO geknüpft ist, die hier neben den Abfallgebühren ebenfalls Gegenstand der Vollstreckung geworden sind und die - gerade was die Säumniszuschläge angeht - in ihrer Höhe der eigentlichen Abgabe manchmal gleichkommen können.
Dieser Mangel ist auch nicht durch den Widerspruchsbescheid des Landrates vom 26. Juni 2008 geheilt. Dieser ist zunächst seinerseits missverständlich und widersprüchlich und somit nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 119 Abs. 1 AO, als in ihm (S. 2 unten) angemerkt wird, „dass der Bescheid vom 09.07.2007 vollständig beglichen wurde“, andererseits (S. 3 oben) dem Kläger aufgegeben wird, die „im Gebührenbescheid 09.07.2007 festgesetzten Gebühren i. H. v. insgesamt 632,29 € … bis zum 18.07.2008 zu bezahlen“.
In letzterer Regelung ist auch - zu Gunsten des Beklagten - keine erneute Festsetzung der Fälligkeit der Abfallgebühren auf einen Zeitpunkt nach Erlass des Widerspruchsbescheides zu sehen. Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Widerspruchsbescheides und der Vollstreckungspraxis des Landrates. Die Aufforderung an den Kläger, die festgesetzten Gebühren nunmehr bis zu einem neuen Termin zu bezahlen, enthält ausdrücklich nicht den allein rechtswirksamen Begriff der Fälligkeit der Gebühren. Dieser Gesichtspunkt ist hier deshalb von rechtlicher Relevanz, weil der Landrat im nächsten Satz des Widerspruchsbescheides formuliert, dass die „Fälligkeiten des Bescheides vom 26.06.2008“ davon ungerührt (!) bleiben und somit in Zusammenhang mit diesem Bescheid der Begriff der Fälligkeit ausdrücklich gewählt wird. Mit dem neuen Zeitpunkt der Zahlung sollte dem Kläger also - im Rahmen des gesamten Vollstreckungsverfahrens - nur nochmals eine neue Vollstreckungspause eingeräumt werden. Unabhängig davon ist der Landrat bis zum Abschluss des Vollstreckungsverfahrens in seinen Forderungsaufstellungen immer von der Fälligkeit seiner Abfallgebühren ab August 2007 ausgegangen (vgl. z. B. Forderungsaufstellung im Rahmen des Amtshilfeersuchens an Obergerichtsvollzieher ... in München vom 12. Februar 2009). Die Korrektur der Vollstreckungspraxis erfolgte erst mit der Forderungsaufstellung vom 29.10.2009 als Anlage zum Schriftsatz des Landrates vom 6.11.2009. Im Ergebnis ist also eine neue Fälligkeit im Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2008 nicht festgesetzt worden mit der Folge, dass insoweit eine Heilung des (neuen) Abfallgebührenbescheides vom 9. Juli 2007 nicht eingetreten und die Voraussetzung für die Vollstreckung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 VwVGBbg nicht gegeben ist.
Anders - und zwar zu Lasten des Klägers - ist die Rechtslage hinsichtlich des Abfallgebührenbescheides des Landrates vom 26. Juni 2008, der dem Kläger - zusammen mit dem Widerspruchsbescheid gleichen Datums - durch Postzustellungsurkunde und auch im Übrigen wirksam am 2. Juli 2008 zugestellt worden ist. Entgegen der Auffassung des Klägers enthält dieser (formularmäßige) Gebührenbescheid auch eine Leistungsaufforderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1. VwVGBbg. Nach der Angabe des zu zahlenden Gesamtbetrages - hier in Höhe von 79,76 Euro - wird der Abgabenschuldner ausdrücklich aufgefordert, den aufgeführten Betrag „zu den angegebenen Fälligkeiten“ auf das Konto des Landkreises zu zahlen. Mit der Angabe des Fälligkeitszeitpunktes zum 15.9.2008 ist die Voraussetzung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 VwVGBbg für die Vollstreckung ebenfalls erfüllt; gleiches gilt auch für den Ablauf der Schonfrist von einer Woche gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3. VwVGBbg. Ob der Kläger bezüglich des in diesem Bescheid ausgewiesenen Zahlbetrages ausdrücklich gemahnt worden ist, kann offen bleiben; denn bei der in § 6 Abs. 3 VwVGBbg vorgeschriebenen Mahnung handelt es sich um eine „Soll-Vorschrift“ und somit nicht um eine zwingende Voraussetzung für die Vollstreckung.
Der Abfallgebührenbescheid des Landrates vom 26. Juni 2008 ist bestandskräftig geworden, da der Kläger innerhalb der Rechtsmittelfrist von einem Monat nach Zustellung des Bescheides am 2. Juli 2008 hiergegen weder Widerspruch noch Klage erhoben hat. Damit steht zugleich die Gebührenforderung des Landrates für die Vollstreckung in dieser Höhe unanfechtbar fest.
Gegen die Vollstreckung der Mahngebühren und der Säumniszuschläge - bezogen auf die Abfallgebühren in Höhe von 79,76 Euro - bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Gemäß § 11 Abs. 1 VwVGBbg sind die Kosten der Mahnung, die bereits mit der Mahnung entstehen, zusammen mit dem Anspruch beizutreiben; insofern bedarf es also keines vorherigen „Titels“. Gleiches gilt für die vom Landrat geltend gemachten Säumniszuschläge; denn diese entstehen gemäß § 240 Abs. 1 AO kraft Gesetzes sowie des fehlenden Aussetzungsverfahrens und können gemäß § 6 Abs. 4 b) VwVGBbg ausdrücklich ohne Einhaltung einer Schonfrist und ohne Mahnung beigetrieben werden. Die hierfür gebotene gesetzliche Voraussetzung, dass auf sie im Leistungsbescheid über die Hauptforderung dem Grunde nach hingewiesen worden ist, ist ebenfalls erfüllt. Die Gebührenbescheide des Landrats enthalten nach der Rechtsbehelfsbelehrung den ausdrücklichen Hinweis, dass im Falle verspäteter Zahlung vom Abgabenschuldner nach den gesetzlichen Vorschriften ein Säumniszuschlag erhoben wird und dass dieser außerdem die ggf. entstehenden Mahn- und Vollstreckungsgebühren zu tragen hat.
Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass die Vollstreckung der Gerichtsvollzieherkosten in Höhe von 40,45 Euro € ebenfalls rechtswidrig war; eine Aufteilung dieses Betrages entsprechend der Höhe der Abfallgebühren aus dem Bescheid vom 9. Juli 2007 einerseits und dem Bescheid vom 26. Juni 2008 andererseits kommt nicht in Betracht. Die Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher in München war in erster Linie veranlasst durch die Nichtzahlung der Abfallgebühren auf Grund des Bescheides vom 9. Juli 2007; das erste Vollstreckungsprotokoll des Gerichtsvollziehers vom 10. April 2008 hat sich auch nur auf die Gebühren aus diesem Bescheid bezogen. Unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit war die Einbeziehung der Abfallgebührenforderung in Höhe von 79,76 Euro € einschließlich der hierauf entfallenden Mahngebühren und Säumniszuschläge in das Vollstreckungsverfahren ab Februar/März 2009 bedenklich. Letztlich hat der Landrat in seiner Forderungsaufstellung vom 29. Oktober 2009 die Gerichtsvollzieherkosten auch nicht mehr aufgeführt.
Der Abfallgebührenbescheid des Landrates vom 23. Februar 2009 ist nicht Streitgegenstand dieses Klageverfahrens, da er zu keiner Zeit in das Vollstreckungsverfahren einbezogen war.
Im Ergebnis war daher die Vollstreckung aus dem Abfallgebührenbescheid des Landrates vom 26. Juni 2008 in Höhe von insgesamt 86,51 Euro (79,76 Euro Abfallgebühren + 6,75 Euro Mahngebühren, Säumniszuschläge und Auslagen) entsprechend der Forderungsaufstellung vom 29. Mai 2009 rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 709 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Beschluss
Der Streitwert wird unter Berücksichtigung des insoweit maßgeblichen Klageantrags des Klägers aus seiner Klageschrift vom 15. August 2009 sowie der dieser beigefügten Anlagen auf 910,- Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -).