Gericht | OLG Brandenburg 7. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 10.11.2010 | |
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Aktenzeichen | 7 U 44/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage unter Abänderung des am 5.2.2010 verkündeten Urteils des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Oder abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung eines als „Wärmeversorgungsvertrag“ mit der Vertragsnummer 1230/11 bezeichneten Vertrages der Parteien durch die Beklagte in Anspruch.
Die Rechtsvorgänger der Parteien schlossen am 6./18.5.1998 einen als Wärmeversorgungsvertrag bezeichneten Vertrag, mit der sich die Klägerin zur Herstellung einer neuen Wärme- und Verbrauchwarmwasser-Erzeugungsanlage und zur nachfolgenden Versorgung des Klinikums B… mit Warm- und Verbrauchswarmwasser verpflichtete.
Die Laufzeit des Vertrages wurde gemäß Ziffer 8.3 des Vertrages auf 15 Jahre festgesetzt und sollte mit der Inbetriebnahme der Anlage beginnen. Die Inbetriebnahme erfolgte ausweislich des entsprechenden Protokolls am 25.11.1999.
Die Beklagte erklärte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 26.8.2008 die Kündigung des vorgenannten Vertrages zum 31.12.2009. Die Klägerin hat der Kündigung widersprochen und in der Folge die vorliegende Feststellungsklage erhoben.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass die Kündigung des Wärmelieferungsvertrages 1230/11 durch Erklärung der Beklagten vom 26.8.2008 unwirksam ist und die Vertragslaufzeit dieses Vertrages bis zum 24.11.2014 nicht verkürzt hat.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 5.2.2010 stattgegeben.
Das Feststellungsbegehren der Klägerin sei begründet. Die Kündigung sei nicht wirksam, weil die Parteien eine Laufzeit bis zum 24.11.2014 vereinbart hätten. Die einschlägige Vereinbarung sei trotz der Beschränkung der Vertragslaufzeit für Fernwärmeversorgungsverträge auf höchstens 10 Jahre gemäß § 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV wirksam. Der streitbefangene Vertrag unterfalle zwar der AVBFernwärmeV. Bei Beurteilung der Frage, ob eine Vertragslaufzeit von 15 Jahren wirksam vereinbart worden sei, könne aber nicht auf die AVBFernwärmeV zurückgegriffen werden. Das folge aus § 310 Abs. 2 BGB, der auf den Vertrag der Parteien ab 1.1.2003 zur Anwendung komme. Danach werde für den Bereich der Fernwärmeverträge für Sonderabnehmer die Geltung der §§ 308 und 309 BGB ausgeschlossen, soweit Fernwärmeverträge nicht über die AVBFernwärmeV hinausgehen. Die Beklagte sei Sonder-abnehmerin im Sinne des § 310 Abs. 2 BGB. Diesen Begriff kenne die AVBFernwärmeV zwar nicht. Hier gelte jedoch der Vorrang des Gesetzes. Deshalb sei die AVBFernwärmeV bereits grundsätzlich nicht anwendbar.
Die allein verbleibende Inhaltskontrolle nach § 307 BGB führe ebenfalls nicht zu einer Unwirksamkeit der vereinbarten Vertragslaufzeit. Eine erhebliche Abweichung von dem Leitbild der AVBFernwärmeV liege nicht vor. Der längeren Bindungsfrist der Beklagten stünden geringere monatliche Belastungen entgegen.
Ergänzend hat das Landgericht angeführt, dass auch im Falle der vollständigen Geltung der AVBFernwärmeV die vereinbarte Vertragslaufzeit von 15 Jahren wirksam vereinbart worden sei, wobei die Rechtsvorgängerin der Klägerin der Rechtsvorgängerin der Beklagten 1995 ein alternatives Angebot mit einer Laufzeit mit nur 10 Jahren erteilt habe.
Im Übrigen spreche die vorgelegte Korrespondenz der Rechtsvorgänger der Parteien im Vorfeld des Abschlusses des Vertrages dafür, dass es sich bei den einzelnen vertraglichen Bestimmungen des Vertrages nicht um AGB handele.
Die Beklagte hat gegen das Urteil des Landgerichts frist- und formgerecht Berufung eingelegt, mit der sie Abänderung des angefochtenen Urteils und weiterhin die Abweisung der Klage erreichen will. Sie beanstandet die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das Landgericht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 5. Februar 2010 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
Die Klage ist nicht begründet.
Die Kündigung der Beklagten steht allerdings nicht im Einklang mit der Vereinbarung unter Ziffer 8.3 des Wärmeversorgungsvertrages der Parteien vom 6./18.5.1998. Nach Maßgabe dieser Bestimmung hat der Vertrag eine Laufzeit von 15 Jahren. Das bedeutet, dass er am 24.11.2014 ausliefe.
Die einschlägige Vereinbarung ist jedoch unwirksam.
Die Laufzeitregelung nach Ziffer 8.3 des Wärmeversorgungsvertrages unterfällt gemäß § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV der Laufzeitbegrenzung des § 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV. Anderenfalls wäre davon auszugehen, dass die Laufzeitvereinbarung als Allgemeine Geschäftsbedingung der Kontrolle nach § 307 BGB unterfällt, so dass über diese Bestimmung die Regelung des § 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV zum Tragen kommt.
1.
Der Wärmeversorgungsvertrag der Parteien unterfällt der AVBFernwärmeV zur Gänze, jedenfalls aber hinsichtlich der hier interessierenden Vereinbarung.
Die AVBFernwärmeV ist gemäß ihrem § 1 Abs. 1 anzuwenden auf Verträge über die Versorgung mit Fernwärme, soweit das Fernwärmeversorgungsunternehmen für den Abschluss des Versorgungsvertrages auf Vertragsmuster oder Vertragsbedingungen zurückgreift, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind (Allgemeine Versorgungsbedingungen). In diesen Fällen sind die AVBFernwärmeV - mit Ausnahmen, die hier nicht einschlägig sind - Bestandteil des Versorgungsvertrages und verdrängen vorhandene widersprechende Vereinbarungen.
Die Klägerin ist als Fernwärmeversorgungsunternehmen anzusehen, da sie sowohl im vorliegenden wie auch in zahlreichen anderen Fällen Abnehmer mit Fernwärme versorgt. Dies scheint zwar typischerweise durch eigens hierfür errichtete örtliche Fernwärmeanlagen zu erfolgen, sodass ihre Geschäftstätigkeit wie auch die darauf gerichteten Verträge sowohl die Errichtung von Energieversorgungsanlagen als auch die eigentliche Fernwärmeversorgung mittels dieser Anlagen zum Gegenstand haben mögen. Dennoch ist davon auszugehen, dass charakteristisch für die Tätigkeit der Klägerin und den Gegenstand der jeweils mit ihren Kunden geschlossenen Verträge die Fernwärmeversorgung ist. Hierfür steht auch, dass der vorliegende Vertrag ausdrücklich als Wärmeversorgungsvertrag bezeichnet wird. Wie sich aus der zu den Akten gereichten Korrespondenz ergibt, geschah dies auf Wunsch der Beklagten, der von der Klägerin ausdrücklich akzeptiert wurde. Das wird aus dem Schreiben der Rechtsvorgängerin der Klägerin vom 1.4.1998 ersichtlich.
Der vorliegende Wärmeversorgungsvertrag geht unstreitig auf einen Entwurf zurück, der von der Rechtsvorgängerin der Klägerin erstellt wurde. Es ist auch davon auszugehen, dass die Erstellung des Vertrages nach einem Vertragsmuster oder Vertragsbedingungen erfolgte, die von Seiten der Klägerin immer wieder zur Anwendung kamen. Dies folgt wohl nicht bereits aus der Tatsache, dass der Vertrag in gedruckter Form vorliegt. Zwar kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung für die Vorformulierung von Vertragsbedingungen sprechen, dass sie für eine mehrfache Verwendung aufgezeichnet oder in sonstiger Weise fixiert sind.
Dieses Kriterium allein mag im vorliegenden Fall nicht ausreichen, die Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen anzuzeigen. Die Annahme der Verwendung eines Vertragsmusters bzw. von Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind, findet allerdings eine Grundlage darin, dass nach dem unstreitigen Vortrag der Beklagten mehrere Verträge bekannt sind, die sich alle auf dieselbe Wärmeversorgungsanlage mit der Nr. 1230 beziehen und dann nach einem Schrägstrich fortlaufende Ziffern umfassen. Es handelt sich um die Verträge 1230/06, 1230/08, 1230/10 und 1230/07, die Wärmeversorgungsleistungen gegenüber dem Amt Scharmützelsee und weiteren Abnehmern zum Gegen-stand haben. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, diese Verträge enthielten eine Vielzahl von Klauseln, die wortgleich seien. Dies gelte auch für die Laufzeitregelung. Für die Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen spricht ferner, dass sich die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin schon Ende der 90er Jahre berühmte, bereits über 100 Wärmeversorgungsanlagen zu betreiben. Das begründet ebenfalls die Annahme, dass Wärmeversorgungsverträge der Klägerin - wie mit Dritten, so auch mit der Beklagten - nicht jeweils vollständig individuell ausgehandelt wurden. Für die Annahme einer AGB-gleichen Laufzeitregelung steht überdies, dass die Klägerin behauptet, die von ihr gebauten Wärmeversorgungsanlagen seien regelmäßig frühestens nach 15 Jahren abgeschrieben. Das lässt auf ein Interesse der Klägerin an der Gleichbehandlung der Vertragslaufzeiten schließen.
Dass die vorformulierten Bedingungen des vorliegenden Wärmeversorgungsvertrages - insbesondere zur Vertragslaufzeit - hier gleichwohl jeweils ausgehandelt worden wären, hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt. Allein die Tatsache, dass die in den Vereinbarungen enthaltenen tatsächlichen Parameter jeweils auf die individuell örtlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind, steht weder der Annahme von Allgemeinen Geschäftsbedingungen entgegen, noch weist sie ein Aushandeln des Vertrages im Sinne höchstrichterlicher Rechtsprechung aus. Dies gilt insbesondere für die hier interessierende Laufzeitregelung, die entsprechend der Rechtsprechung zum AGB-Recht isoliert zu betrachten ist. Der Verwender von AGB hat zum Nachweis des Aushandelns von Vereinbarungen, die er üblicherweise AGB-mäßig trifft, darzutun, dass er dem Vertragspartner vor Vertragschluss deutlich gemacht habe, dass die vorgeschlagenen Bedingungen durch gegenseitiges gleichberechtigtes Verhandeln abgeändert werden können (BGH NJW 1979, 367, 368). Eben daran fehlt es hinsichtlich der Laufzeitregelung in Ziffer 8.3 des Vertrages. Deshalb kann dahinstehen, ob andere Regelungen des Wärmeversorgungsvertrages das Ergebnis von gleichberechtigten Verhandlungen sind. Sind in einem Vertrag nicht sämtliche Vertragsbedingungen, sondern nur einzelne Klauseln Gegen-stand des „Aushandelns“ gewesen, bleiben die übrigen Klauseln grundsätzlich Allgemeine Geschäftsbedingungen (BGHZ 97, 205, 215, BGH NJW-RR 1996, 783, 787).
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Geltung der AVBFernwärmeV nach § 1 Abs. 1 der Verordnung sind deshalb zu bejahen. Die nach § 1 Abs. 2 und 3 AVBFernwärmeV gegebenen Ausnahmen liegen nicht vor. Die Beklagte ist weder ein Industrieunternehmen, für das die Verordnung nicht gilt, § 1 Abs. 2 AVBFernwärmeV, noch liegt eine zulässige Abweichung der Allgemeinen Versorgungsbedingungen von der AVBFernwärmeV gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung vor.
Nach der letztgenannten Bestimmung kann der Vertrag auch zu Allgemeinen Versorgungsbedingungen abgeschlossen werden, die von § 2 – 34 der AVBFernwärmeV abweichen, wenn das Fernwärmeversorgungsunternehmen einen Vertragschluss zu den Allgemeinen Bedingungen dieser Verordnung angeboten hat und der Kunde mit den Abweichungen ausdrücklich einverstanden ist. Entsprechend ist die Klägerin hier jedoch nicht vorgegangen. Auf ein alternatives Angebot im April 1995 kann sich die Klägerin nicht berufen. Die Rechtsvorgänger der Parteien verhandelten in den Jahren 1994 und 1995 und haben die Verhandlungen sodann abgebrochen, weil eine Einigung über die Vertragslaufzeit nicht erzielt werden konnte, da die Beklagte damals mit einer Veränderung ihres Standortes rechnete. Die Wiederaufnahme der Verhandlungen nach Klärung der Standortfrage im November 1997 lässt eine Heranziehung des angesprochenen Alternativangebotes für die Prüfung nach § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV nicht zu. Dagegen steht zum einen der zeitliche Abstand und zum anderen die Tatsache, dass die nunmehr projektierte Anlage und der Bedarf der Beklagten nicht identisch waren.
Der streitbefangene Vertrag ist der Regelung der AVBFernwärmeV auch nicht deshalb entzogen, weil die Beklagte ein Sondervertragskunde im Sinne des § 310 Abs. 2 BGB wäre.
Nach § 310 Abs. 2 BGB finden die §§ 308 und 309 BGB keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen.
Zunächst ist § 310 Abs. 2 BGB für die Frage der Maßgeblichkeit der AVBFernwärmeV nicht einschlägig, da er lediglich die Nichtanwendung des AGB-Rechts auf bestimmte Verträge bestimmt. Verträge, die nach Allgemeinen Vertragsbedingungen der Versorgungswirtschaft geschlossen worden sind, unterfallen keiner AGB-rechtlichen Überprüfung, weil die verwendeten Versorgungsbedingungen Rechtsnormen sind (BGHZ 100, 1, 8).
§ 310 Abs. 2 BGB ist hinsichtlich des vorliegenden Wärmeversorgungsvertrages mithin nicht maßgeblich. Er liefert außerdem auch kein Argument für die Nichtanwendbarkeit der AVBFernwärmeV.
Die Annahme des Landgerichts, § 310 Abs. 2 BGB schließe die Anwendbarkeit der AVBFernwärmeV aus, findet in dieser gesetzlichen Bestimmung keine Grundlage. Es mag sein, dass der Gesetzgeber den Regelungsgehalt des § 23 Abs. 2 AGBG mit der Einführung des § 310 Abs. 2 BGB dahin erweiterte, dass der Ausschluss der Geltung der §§ 308, 309 BGB - die den §§ 10, 11 AGBG entsprechen - auch auf Sondervertragskunden der Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen erstreckt wurde. Auch wird aus § 310 Abs. 2 BGB ersichtlich, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, dass Sonderabnehmer im Sinne dieser Vorschrift nicht den jeweils maßgeblichen Allgemeinen Versorgungsbedingungen unterfallen, da anderenfalls in Ansehung der Sonderabnehmerverträge keine Regelung der Maßgeblichkeit von Vorschriften zur Inhaltskontrolle nach §§ 307 f. BGB getroffen werden müsste. Für den vorliegenden Fall ergibt sich aus § 310 Abs. 2 BGB jedoch keine Durchbrechung des Anwendungsbereichs der AVBFernwärmeV, der von § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV eröffnet wird. Sonderabnehmer sind lediglich die Kunden der Versorgungswirtschaft, deren Versorgungsverträge nicht den jeweils maßgeblichen Allgemeinen Versorgungsbedingungen unterfallen. Welche Verträge das sind, ergibt sich aus den besonderen Regelungen der einzelnen Allgemeinen Versorgungsbedingungen. Hier regeln § 1 Abs. 2 und 3 AVBFernwärmeV die - einzigen - Ausnahmen der Anwendung der AVBFernwärmeV auf Fernwärmeversorgungsverträge. Die Voraussetzungen für diese Ausnahmen liegen – wie vorstehend bereits ausgeführt – tatbestandlich nicht vor. Für den Bereich der Fernwärmeversorgung kommt es deshalb auf das Kriterium der Tarifgebundenheit des Versorgungsvertrages nicht an.
Entgegen der Rechtsauffassung der Berufung stellt die Bezugnahme auf den Anwendungsbereich der – hier maßgeblichen – AVBFernwärmeV zur Definition des Sonderabnehmers keinen Verstoß gegen den Vorrang des förmlichen Gesetzes vor dem Verordnungsrecht dar.
§ 310 Abs. 2 BGB enthält keine eigenständige Definition des Sonderabnehmers, die zu der unter Bezugnahme auf § 1 AVBFernwärmeV gewonnenen in Widerspruch stünde. § 310 Abs. 2 BGB setzt die Beschreibung des Sonderabnehmers nach Maßgabe der Reichweite der jeweiligen Allgemeinen Versorgungsbedingungen vielmehr voraus und regelt lediglich bestimmte Rechtsfolgen für die Inhaltskontrolle der Versorgungsverträge mit den Sonderabnehmern.
2.
Im Übrigen könnte die Laufzeitregelung in § 8.3 des Wärmeversorgungsvertrages der Parteien auch dann keinen Bestand haben, wenn die Beklagte als Sonderabnehmerin anzusehen wäre. Dann fiele der Wärmeversorgungsvertrag zwar nicht in den Geltungsbereich der AVBFernwärmeV. Dafür wäre er jedoch grundsätzlich einer Inhaltsprüfung nach den §§ 307 f. BGB unterworfen. Gegebenenfalls wäre § 310 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen.
Nach dieser Bestimmung unterliegen die Versorgungsverträge von Sondervertragskunden nicht der Inhaltskontrolle nach § 308 und 309 BGB. Gleichwohl käme im vorliegenden Fall eine entsprechende Ausnahme der AGB-rechtlichen Prüfung nicht in Betracht. Voraussetzung für die Nichtanwendung der §§ 308 und 309 BGB ist, dass die vereinbarten Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von den angesprochenen AVB abweichen. Dies ist vorliegend hinsichtlich der Länge der Laufzeit jedoch der Fall.
Allerdings kämen §§ 308 und 309 BGB dennoch nicht zur Anwendung. Das ergibt sich aus § 310 Abs. 1 BGB, demzufolge die vorgenannten Bestimmungen gegenüber einem Unternehmer keine Anwendung finden. Die Beklagte ist bzw. ihre Rechtsvorgängerin war bei Abschluss des Wärmeversorgungsvertrages eine juristische Person, die bei Abschluss des Vertrages in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit handelte, § 14 Abs. 1 BGB.
Bei Annahme eines Sonderabnehmervertrages bleibt jedoch § 307 BGB anwendbar. An ihm muss sich Ziffer 8.3 des vorliegenden Versorgungsvertrages messen lassen. Danach liegt ein Verstoß gegen das Gebot von Treu und Glauben im Falle einer unangemessenen Benachteiligung der Beklagten vor. Diese ist nach § 307 Abs. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn mit der Regelung vom wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abgewichen wird. Die Bezugsregelung wäre hier aber § 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV. Sie hat zwar nur Verordnungscharakter, ist aber insofern einer gesetzlichen Regelung gleichzustellen. Das in § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB angeführte Tatbestandsmerkmal der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, erfasst alle Gesetze im materiellen Sinn, also auch Verordnungen (Palandt/ Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 307, Rn. 26).
Die von § 307 Abs. 1 BGB genannte unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners liegt hier in der langen wirtschaftlichen Bindungsfrist, die vom Verordnungsgeber typischer- weise nicht gewollt wird. Sie wird auch nicht durch besondere Vorteile der Beklagten aufgewogen. Die Beklagte verweist insofern auf überdurchschnittlich hohe Versorgungsentgelte und fehlende Preissicherheit aufgrund der getroffenen Vereinbarungen. Die Klägerin tritt diesem Vortrag entgegen ohne darzutun, wo die kompensatorischen Vorteile der Beklagten für die lange Bindungsdauer liegt. Der einzige Umstand, der genannt wird, ist der, dass die Beklagte die Versorgung teurer gekommen wäre, wenn ein Versorgungsvertrag mit geringerer Laufzeit geschlossen worden wäre. Diese Darlegung reicht jedoch zur Begründung der Angemessenheit der langen Laufzeit nicht. Es kann dahinstehen, ob der qualitativ nachvollziehbare Vortrag nicht bereits zumindest in quantitativer Hinsicht unzureichend ist. Zur Herbeiführung eines angemessenen Ausgleichs der Interessen bei der Ausbedingung einer für den Vertragspartner nachteiligen Abweichung von der gesetzlichen Regelung gehört jedenfalls, dass dem Vertragspartner eine Tarifwahl zur freien Entscheidung eröffnet wurde (BGH NJW 1980, 1953, 1955). Diese ist der Beklagten jedoch nicht ermöglicht worden. Die Klägerin hat der Beklagten im Vorfeld des Abschlusses des Wärmeversorgungsvertrages kein alternatives Angebot im Sinne des 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV vorgelegt. Dies hätte eine Vertragslaufzeit von zehn Jahren zum Gegenstand gehabt und die Beklagte erkennen lassen, mit welchen Versorgungsentgelten die Beklagte gegebenenfalls hätte rechnen müssen. Das von der Klägerin mit Blick auf § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV vorgetragene Angebot vom April 1995 mit einer Laufzeit von zehn Jahren reicht als Offenlegung eines Interessenausgleichs nicht, weil die zur Ausführung gekommene Anlage und der Bedarf der Beklagten nicht identisch waren.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 BGB.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Anlass zur Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.