Gericht | VG Potsdam 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 17.02.2016 | |
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Aktenzeichen | VG 6 K 1995/15.A | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 28 Abs 1a AsylVfG 1992, § 3a Abs 2 Nr 5 AsylVfG 1992, § 3 Abs 1 AsylVfG 1992, § 4 Abs 1 Nr 2 AsylVfG 1992, § 60 Abs 5 AufenthG, Art 4 Abs 2 MRK |
1. Für einen als Kleinkind aus dem heutigen Eritrea ausgereisten Eritreer besteht keine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit allein wegen einer Heranziehung zum eritreischen Nationaldienst und wegen der Asylantragsstellung in Deutschland.
2. Zur Frage einer Verfolgungsgefahr wegen einer exilpolitischen Betätigung.
3. Der eritreische Nationaldienst ist keine Zwangs oder Pflichtarbeit i.S.v. Art. 4 EMRK; jedenfalls liegen keine stichhaltigen Hinweise für eine konventionswidrige Verfolgung vor.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Der nach eigenen Angaben aus Teseney/Eritrea gebürtige und 1994 geborene Kläger meldete sich am 4. August 2014 in München als Asylsuchender und stellte am 15. September 2014 bei der Außenstelle Eisenhüttenstadt des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen unbeschränkten Asylantrag. Er spreche Tigrinja, Tigre und Arabisch, sei eritreischer Staatsangehöriger, ledig, habe keine Kinder und verfüge nicht über Personaldokumente. Am 1. Mai 1997 sei er von Eritrea in den Sudan gelangt, am 8. April 2014 nach Libyen und nach drei Monaten über das Meer nach Italien sowie von dort nach Deutschland weitergereist.
Bei seiner Anhörung am 23. Juni 2015 führte er gegenüber dem Bundesamt im We-sentlichen aus, dem Volk der Tigre anzugehören und weder in Eritrea noch im Sudan Personaldokumente gehabt zu haben. Als kleines Kind sei er von der Mutter wegen des Krieges mit seinen Geschwistern - 2 Brüder, 2 Schwestern - in den Sudan gebracht worden, wo sie alle in Kassala gelebt hätten. Seit 1997 sei sein Vater vermisst; Verwandte in Eritrea kenne er nicht. Im Sudan habe er 8 Jahre lang die Schule besucht und dann als Lastenträger gearbeitet. Für die Reise nach Europa habe er 2 500 $ bezahlt, die er teils erspart und teils von einem Bruder bekommen habe. Sein Leben im Sudan sei normal gewesen; er habe sich nicht politisch betätigt.
Von seinem Aussehen her sei es „klar“, dass er aus dem „Habasch“ [arab. Bezeich-nung für Eritrea, Somalia u.a.] stamme, weshalb er „von den Leuten“ belästigt wor-den sei. Er habe schon immer vorgehabt, das Land zu verlassen, um nach Europa zu gehen. Deutschland habe er wegen der hier gewährleisteten Menschenrechte gewählt. In Eritrea würde er verhaftet und lebenslang zur Armee eingezogen werden; es herrsche dort ein diktatorisches Regime. Er sei nun hier, um etwas zu lernen, damit er etwas aus seinem Leben machen und die Familie unterstützen könne. Mit politischen Aktivitäten habe er nichts zu tun.
Das Bundesamt lehnte die Asylanerkennung sowie die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Feststellung des Vorliegens eines nationalen Abschiebungsverbots mit am 8. Juli 2015 zugestelltem Bescheid vom 1. Juli 2015 ab; zugleich forderte es den Kläger unter Androhung einer Abschiebung nach Eritrea zur Ausreise auf. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, dass der Kläger keine politische Verfolgung in Eritrea glaubhaft gemacht habe; der Nationaldienst betreffe jedermann und es lägen keine Hinweise auf eine Verfolgungsgefahr wegen eines im Ausland gestellten Asylantrags oder wegen einer illegalen Ausreise vor. Auf Art. 16a Abs. 1 GG könne sich der Kläger wegen der Landwegeinreise ohnehin nicht berufen. Auf den Bescheid
(Bl. 41 ff./BAMF-Akte) wird Bezug genommen.
Mit der am 22. Juli 2015 erhobenen Klage, die zunächst lediglich auf eine Aufhebung des Bescheides und die Fortsetzung des Asylverfahrens durch das Bundesamt gerichtet war, begehrt der Kläger ausweislich des Schriftsatzes vom 15. September 2015 die Zuerkennung internationalen Schutzes. Er sei Ende der 1990-er Jahre im Sudan mit seinen Familienangehörigen als Flüchtling anerkannt worden. Wegen der inzwischen verbesserten Beziehungen zwischen Sudan und Eritrea befürchte er eine Rückschiebung dorthin. Aufgrund seiner früheren Flüchtlingsanerkennung müsse er im Rahmen des eritreischen Nationaldienstes eine Schlechterbehandlung befürchten. Diese Gefahr bestehe auch, weil er sich dem Nationaldienst entzogen habe. „Vor einigen Monaten“ habe er sich der Oppositionspartei „Eritrean National Salvation Front“ [ENSF] angeschlossen, was durch einen Mitgliedsausweis vom 1. Dezember 2015 belegt werde. Außerdem belege eine Kopie der „Geburtsurkunde“ vom
14. März 1994 seine Herkunft.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte insoweit unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 1. Juli 2015 zu verpflichten, ihm internationalen Schutz zuzuerkennen,
hilfsweise festzustellen, dass ein nationales Abschiebungsverbot hinsichtlich Eritreas vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Kammer hat dem Kläger hinsichtlich des begehrten nationalen Abschiebungs-schutzes mit Beschluss vom 4. November 2015 Prozesskostenhilfe bewilligt und den darüber hinausgehenden diesbezüglichen Antrag abgelehnt. Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Bundesamtsakte Bezug genommen.
1. Das Gericht konnte auch in Abwesenheit von Vertretern der Beklagten verhandeln und entscheiden, weil hierauf in der rechtzeitig zugestellten Ladungsverfügung hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).
2. Die Klage ist als auf die Zuerkennung internationalen Schutzes (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 AsylG), hilfsweise auf die Feststellung des Vorliegens eines nationalen Abschiebungsverbots (§ 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG) gerichtete Verpflichtungsklage statthaft; die zunächst auf eine „Fortsetzung des Asylverfahrens“ gerichtete Klage ist in diesem Sinne im erkennbaren Interesse des Klägers und entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auszulegen (§ 88 VwGO). Die Klage ist auch innerhalb der zweiwöchigen Klagefrist des seinerzeit geltenden § 74 Abs. 1 AsylVfG fristgerecht erhoben worden.
3. Die Klage erweist sich indes in Ansehung aller im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erkennbaren Umstände (vgl. § 77 Abs. 1 1. Hs. AsylG i.d.F. des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015, BGBl. I S. 1722) als unbegründet. Der angegriffene Bundesamtsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten, da dieser die geltend gemachten Schutzansprüche nicht hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
3.1 Dem Kläger kann der Flüchtlingsstatus nicht zuerkannt werden. Ihm droht in Eritrea, dem Land seiner behaupteten Staatsangehörigkeit (Herkunftsland), nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit eine Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob der Kläger seine eritreische Staatsangehörigkeit glaubhaft gemacht hat. Nur unter dieser Voraussetzung kann er den Flüchtlingsstatus in Bezug auf eine ihm in Eritrea drohende flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgungsgefahr beanspruchen.
Dabei ist unter Zugrundelegung des eigenen Vorbringens des Klägers davon auszugehen, dass er nicht vorverfolgt aus Eritrea ausgereist ist, das er im Alter von etwa
3 Jahren mit der Mutter und seinen vier Geschwistern verlassen habe, so dass hinsichtlich der Beurteilung der jetzt anzunehmenden Verfolgungsgefahr nicht etwa danach zu fragen ist, ob stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Kläger erneut von einer Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden bedroht wird (vgl. Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU [„Qualifikationsrichtlinie“]. Denn der Kläger hat nichts dazu vorgebracht und es erschließt sich auch nicht sonst, dass er bis heute jemals relevante Verfolgungshandlungen erlitten oder unmittelbar zu gewärtigen gehabt hätte. Maßstab für die flüchtlingsschutzrechtliche Beurteilung der vom Kläger geltend gemachten Verfolgungsgefahr ist daher, ob mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer Verfolgungsgefahr für den Kläger in dem von ihm behaupteten Herkunftsland (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) Eritrea in Anknüpfung an die geschützten Persönlichkeitsmerkmale (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) auszugehen ist.
3.1.1 Eine solche Verfolgungsgefahr in Eritrea vermag das Gericht wegen des Nationalen Dienstes (Militärdienst einschließlich nationaler Dienstverpflichtung) nicht zu erkennen. In diesem Zusammenhang stellt die (bloße) Heranziehung zum Nationaldienst als solchen deshalb keine flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgung dar, weil die Heranziehung zum Militärdienst ausweislich der Regelung in § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG flüchtlingsschutzrechtlich schon grundsätzlich nicht dem Schutzversprechen unterfällt. Denn diese Vorschrift definiert lediglich Verfolgungshandlungen im Zusammenhang mit einer Verweigerung des Militärdienstes nur in einem Konflikt als relevante Verfolgungshandlungen, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (Kriegsverbrechen; schwere nichtpolitische Straftaten, Zuwiderhandlungen gegen die Grundsätze der Vereinten Nationen). Im Übrigen trifft der eritreische Nationaldienst alle Staatsangehörigen ohne Ansehen der Persönlichkeitsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gleichermaßen.
Der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus´ steht im vorliegenden Fall weiter entgegen, dass keine substanziellen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die eritreische Regierung auch Personen verfolgt, die sich - wie der Kläger - dem Nationalen Dienst lediglich dadurch (bisher) entzogen haben, dass sie sich im wehrpflichtigen Alter (ab dem 18. Lebensjahr; vgl. EASO von Mai 2015, unter 3.3.1) nicht in Eritrea befunden haben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass solche Personen im Falle einer Einreise nach Eritrea mit einer Einberufung zum Nationalen Dienst zu rechnen haben, also anders als Deserteure, Fahnenflüchtige oder Wehrdienstverweigerer nicht mit Inhaftierung, Folter, unmenschlicher Behandlung und/oder sonstigen Repressalien seitens des eritreischen Staates rechnen müssen. Selbst eine ggf. drohende Strafverfolgung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine illegale Ausreise wäre gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG nur dann flüchtlingsschutzrechtlich relevant, wenn sie entweder zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt würde, die durch die Maßnahmen in einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten flüchtlingsschutzrechtlich relevanten Persönlichkeitsmerkmale getroffen werden sollen, oder wenn sie wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt erginge, in welchem der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (vgl. dazu etwa Treiber, in: GK-AufenthG, Band 3, § 60 AufenthG Rn. 167 ff., Stand April 2011, m.w.N. aus der Rspr.). § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG bezieht sich - in Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 lit. e der Qualifikationsrichtlinie - also auf einen „Konflikt“. Eine Kriegsdienstverweigerung, die - aus welchem Grund auch immer - außerhalb eines solchen Konflikts stattfindet, kann demnach nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - Rs. C-472/13 -, juris, Rn. 35, zur unionsrechtlichen Vorgängernorm des Art. 9 Abs. 2 lit. e Richtlinie 2004/83/EG).
Hiernach würde selbst eine in Eritrea ggf. drohende Bestrafung wegen Umgehung der Wehrpflicht durch eine illegale Ausreise, die ggf. mit inhumanen Umständen der Strafvollstreckung verbunden sein könnte, keine flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgung darstellen. Dies gilt auf der Ebene des Flüchtlingsschutzes erst recht für den vorliegenden Fall einer Umgehung der Wehrpflicht durch bloßen „Nicht-Aufenthalt“ in Eritrea im wehrpflichtigen Alter (vgl. VG Münster, Urteil vom 22. Juli 2015 - 9 K 3488/13.A -, juris).
Das Gericht vermag dem Kläger daher nicht darin zu folgen, dass ihm wegen des Wegzugs (im Kindesalter) eine Art Wehrpflichtentziehung vorgehalten und ihm deshalb eine Schlechterbehandlung während des Nationaldienstes drohen werde, was zur Zuerkennung des Flüchtlingsstatus´ führen müsse. Eine in Eritrea ggf. drohende Strafverfolgung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine illegale Ausreise würde schon nicht gegenüber bestimmten Personen mit der Zielsetzung eingesetzt, sie durch die Maßnahmen in einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten flüchtlingsschutzrechtlich erheblichen Persönlichkeitsmerkmale zu treffen. Bei der Heranziehung zum Militärdienst werden in Eritrea nämlich alle Gruppen der Gesellschaft im Wesentlichen gleich behandelt; eine Unterscheidung nach Rasse, Religion usw. findet nicht statt (vgl. dazu etwa VGH BW, Urteil vom 21. Januar 2003 - A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 42; Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea, 15. Oktober 2014, S. 11 f., 17 f). Eine in Eritrea ggf. drohende Bestrafung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine illegale Ausreise erginge außerdem auch nicht in Zusammenhang mit einem Konflikt i.S.v. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG. Eritrea befindet sich derzeit (§ 77 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. 1 AsylG) in keinem Konflikt im Sinne der Vorschrift - sei es mit anderen Staaten (internationaler Konflikt), sei es mit aufständischen innerstaatlichen Gruppen (innerstaatlicher Konflikt). Kriegerische Auseinandersetzungen mit den Nachbarstaaten Äthiopien, Dschibuti und Sudan finden zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht statt.
3.1.2 Die bloße Asylantragstellung in Deutschland begründet ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr für den Kläger in Eritrea (vgl. etwa Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea, 15. Oktober 2014, S. 17). Es gibt zumindest keinen substanziellen Beleg für eine solche Verfolgungsgefahr, so dass auch nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit hierfür angenommen werden kann. Die gegenteiligen bloßen Mutmaßungen des Klägers ohne stichhaltige tatsächliche Anhaltspunkte stellen keinen relevanten Beleg dar; eine weitere Aufklärung von Amts wegen ist unerreichbar (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 2 4. Fall StPO).
3.1.3 Der Kläger vermag die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus´ auch nicht wegen der nach Zugang der Ladung zur mündlichen Verhandlung behaupteten exilpolitischen Betätigung zu beanspruchen. Die exilpolitische Betätigung des Klägers in Deutschland für die „Eritrean National Salvation Front“ (ENSF) hat kein hinreichendes Gewicht zur Bejahung einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit, da sich der Kläger in einer Gesamtschau des vorliegenden Einzelfalls aus dem Kreis der vielen eritreischen Asylantragsteller in Europa nicht in einer Weise als ernsthafter Oppositioneller hervorhebt, die eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit nach sich zöge.
Nach § 28 Abs. 1a AsylG kann die begründete Furcht vor Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG - dasselbe gilt hinsichtlich des subsidiären Schutzstatus´ für die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 AsylG zu erleiden - auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist. Das nunmehr behauptete Engagement des Klägers stellt sich jedenfalls nicht als Fortsetzung einer früheren Betätigung des Klägers dar. Der Kläger hatte ursprünglich beteuert, mit politischen Aktivitäten nichts zu tun zu haben; erst unter dem Eindruck des vorliegenden Klageverfahrens und einige Zeit nach der Klarstellung des Klageziels lässt er wiederum nach Zugang des im Wesentlichen ablehnenden Prozesskostenhilfebeschlusses und erst mit Blick auf den anberaumten Verhandlungstermin den Beitritt zur ENSF vortragen, was aufgrund eines gut funktionierenden Auslandsgeheimdienstes Eritreas seine Verfolgungsfurcht begründe. Abgesehen davon, dass der Vortrag des Klägers asyltaktisch motiviert erscheint, zumal über die Mitgliedschaftskarte der ENSF offenbar auch die eritreische Staatsangehörigkeit nachgewiesen werden soll, wozu sie indes ungeeignet ist, hat der Kläger inhaltlich nichts zu seinen angeblichen Aktivitäten glaubhaft gemacht. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung einen abweichenden Namen seiner Partei (EPLF) angegeben und über den bloßen Besuch eines Treffens von Parteimitgliedern hinaus nichts Konkretes angegeben. Daher kann nicht einmal ermessen werden, ob der Kläger über das Ausstellen einer angeblichen Parteimitgliedschaftskarte hinaus etwas mit dieser Partei zu tun hat. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 15. Oktober 2014 (S. 17) liegen überdies keine Erkenntnisse darüber vor, ob und wie die eritreischen Behörden auf unterschiedliche Arten einer Betätigung für eine oppositionelle Organisation bei einer Rückkehr der betroffenen Person nach Eritrea reagieren. Soweit einem Rückkehrer die (bloße) illegale Ausreise, das Umgehen des Nationaldienstes oder sogar Fahnenflucht vorgeworfen werden können, muss davon ausgegangen werden, dass eine Bestrafung von der bloßen Belehrung bis hin zu einer Haftstrafe erfolgt. Hiernach erscheint eine Bestrafung des Klägers aber nicht als beachtlich wahrscheinlich. Er ist als Kind aus Eritrea verbracht worden, so dass ihm kein (aktiver) Dienstentzug und erst recht keine Fahnenflucht angelastet werden können; sein oppositionelles Engagement reicht über den behaupteten Beitritt zur ENSF nicht hinaus.
3.1.4 Soweit der Kläger geltend macht, als in Sudan anerkannter Flüchtling mit einer Verfolgung in Eritrea rechnen zu müssen, kann bereits sein Status im Sudan nicht nachvollzogen werden. Der Kläger selbst hat jedenfalls in der mündlichen Verhandlung beteuert, nichts mit den Vereinten Nationen zu tun gehabt zu haben. Daher beruht der hier in Rede stehende Vortrag auf bloßen Mutmaßungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Selbst wenn der Kläger in einem von UNHCR betreuten Flüchtlingslager im Sudan gelebt haben sollte - was zumindest für die letzten Jahre vor seinem Weggang fraglich erscheint, da er woanders als seine übrigen Angehörigen gewohnt habe -, folgt hieraus nicht ohne Weiteres, dass er einen Flüchtlingsstatus innegehabt hat. Abgesehen hiervon erschließt es sich nicht, dass die eritreischen Stellen hiervon Kenntnis erlangen und weshalb man dem Kläger wegen eines solchen Status´, den er als Kleinkind erworben hätte, nachstellen sollte. Jedenfalls liegen keine stichhaltigen Belege dafür vor, dass Personen mit einem UNHCR-Flüchtlingsstatus in Eritrea relevanten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt sind.
3.2. Dem Kläger kann weiterhin der subsidiäre Schutzstatus (§ 4 Abs. 1 AsylG) nicht zuerkannt werden. Ihm droht in Eritrea, dem Land seiner behaupteten Staatsangehörigkeit, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit ein ernsthafter Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 AsylG.
Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) steht beim Kläger nicht zu befürchten; soweit es um Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung des Klägers geht (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG), ist nach dem zuvor Ausgeführten davon auszugehen, dass Personen, die sich dem nationalen Dienst lediglich dadurch entzogen haben, dass sie im wehrpflichtigen Alter niemals in Eritrea waren, im Falle einer Rückreise nach Eritrea nur mit einer Einberufung zum nationalen Dienst, nicht aber mit Inhaftierung, Folter, unmenschlicher Behandlung und/oder sonstigen Repressalien seitens des eritreischen Staates rechnen müssen. Schließlich gibt es in Eritrea derzeit keinen internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikt (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG).
Mit Blick auf die vom Kläger als gefahrerhöhend angegebenen Umstände (Nationaldienstentzug durch Auslandsaufenthalt; Flüchtlingsanerkennung im Sudan; unerlaubte Ausreise als Kleinkind; exiloppositionelle Betätigung) gibt es auch mit Blick auf einen subsidiären Schutzbedarf wegen drohender Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) keine stichhaltigen Anhaltspunkte für eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr in Eritrea. Denn es kann nicht verkannt werden, dass es außer den in verschiedenen Auskünften geschilderten, nicht aber an konkreten, nachvollziehbaren Fällen festgemachten Übergriffen im Zusammenhang mit dem Nationaldienst vorkommt, dass Wehrpflichtige nach Ableistung des 18-monatigen Militärdienstes nicht nur aus dem Militär, sondern auch aus dem „national service“ entlassen werden (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht a.a.O. S. 11). In den Nationaldienst werden vor allem Personen mit speziellen Fähigkeiten, höherer Ausbildung oder Privilegien eingeteilt (EASO a.a.O. unter 3.6) und die eritreische Regierung hat laut dem EASO-Bericht von Mai 2015 (unter 3.6) angekündigt, ab Herbst 2014 keine Dienstpflichtigen mehr in den zivilen Nationaldienst eintreten zu lassen. Soweit es um die Behandlung nach Eritrea zurückgeführter Personen geht, beruhen die vorliegenden Erkenntnisse in erster Linie auf Erfahrungen mit abgewiesenen Asylantragstellern, die von 2002 bis 2008 abgeschoben worden sind, und auf Erfahrungen im Zusammenhang mit Abschiebungen in den Jahren 2009 und 2011 aus Ägypten; seither gibt es augenscheinlich keine empirischen Erkenntnisse über die Behandlung solcher Personen (EASO a.a.O. unter 3.8.2 m.w.N.). Es gibt mithin keine aktuellen, nachvollziehbaren Informationen darüber, was mit den Betroffenen geschehen ist; eine Verifizierung bezüglich mutmaßlicher Übergriffe ist derzeit nicht möglich (EASO a.a.O. unter 3.8.2). Demgegenüber sind während der letzten Jahre Exileritreer offenbar ohne flüchtlingsschutzrechtlich relevante Konsequenzen besuchsweise nach Eritrea ein- und wieder ausgereist.
Unter diesen Umständen vermag das Gericht keine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr für einen eritreischen Asylantragsteller in der Situation des Klägers zu erkennen.
3.3 Schließlich liegen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots (§ 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG) vor.
Nach Lage der Dinge sind mangels anderweitiger Umstände allenfalls die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 2 EMRK zu erörtern. Hiernach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Art. 4 Abs. 2 EMRK bestimmt, dass niemand gezwungen werden darf, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten.
Soweit dem Kläger angesichts der in Eritrea für jedermann geltenden nationalen Dienstpflicht die Einziehung zum Militärdienst droht, liegt nach Art. 4 Abs. 3 lit. b EMRK keine Zwangs- oder Pflichtarbeit vor. Danach gilt nicht als Zwangs- oder Pflichtarbeit jede Dienstleistung militärischen Charakters. Soweit die sich an den Militärdienst anschließende zivile nationale Dienstpflicht in Rede steht, handelt es sich ebenfalls um eine Dienstleistung militärischer Art oder aber um eine Arbeit oder Dienstleistung, die zu den üblichen Bürgerpflichten gehört (Art. 4 Abs. 3 lit. d EMRK), da der eritreische Nationaldienst neben der Landesverteidigung auch dem Wiederaufbau des Landes nach dem Unabhängigkeitskrieg und der Vermittlung der nationalen Ideologie dient (vgl. EASO a.a.O unter 3). Als unzulässige Zwangs- oder Pflichtarbeit kommen daher nur solche Verpflichtungen in Betracht, die nicht dem Grundgedanken des Allgemeininteresses, der gesellschaftlichen Solidarität und der Üblichkeit entsprechen (vgl. EGMR, Entscheidung Nr. 13580/88 vom 18. Juli 1994, NVwZ 1995, 365; BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 2006 - 6 B 9.06 -, juris -). Jedenfalls aber liegen - wie bereits ausgeführt - keine stichhaltigen Hinweise darauf vor, dass dem Kläger im Falle einer Heranziehung zum Nationaldienst mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, tatsächlich in einer konventionsrechtswidrigen Weise behandelt zu werden. Die Kammer hält nach allem nicht an der im Prozesskostenhilfeverfahren vertretenen vorläufigen Einschätzung der Verfolgungsgefahr fest.
Anderweitige Anhaltspunkte für einen nationalen Schutzbedarf zeigt der Kläger nicht auf.
4. Die Kostenfolgen beruhen auf § 154 Abs. 1 VwGO; § 83b AsylG.