Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 7. Kammer | Entscheidungsdatum | 04.08.2015 | |
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Aktenzeichen | 7 BVL 5007/14, 7 BVL 5008/14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 98 ArbGG, § 5 aF TVG |
I. Es wird unter Zurückweisung der Anträge der Beteiligten zu 1), 7) bis 10) festgestellt, dass die vom Beteiligten zu 2) bekannt gemachte Allgemeinverbindlicherklärung vom 24.02.2006 (Bundesanzeiger Nr. 71 vom 11.04.2006) des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren in den Fassungen vom 14.12.2004 und 15.12.2005 wirksam sind.
II. Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligten zu 1), 7) bis 10) zugelassen.
1. Die Beteiligten streiten darüber, ob die vom Beteiligten zu 2), dem Bundesministerium für Arbeit (im Folgenden: BMAS) mit Datum vom 24.02.2006 erklärte Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe in der Fassung vom 14.12.2004 und vom 15.12.2005 wirksam ist oder nicht.
Die Beteiligte zu 1) ist eine GmbH, die für den Fall der Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung Rückforderungsansprüche aus abgetretenem Recht für sich in Anspruch nimmt. Hinsichtlich der Zedenten wird auf Bl. 3 d. A. Bezug genommen. Von diesen haben einige im Jahr 2005 und 2006 aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV Zahlungen an die nach dem VTV eingerichteten Sozialkassen gezahlt. Ob und in welchem Umfang tatsächlich Ansprüche bestehen und solche abgetreten wurden, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Beteiligter zu 3) ist die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse des B. (im Folgenden: ULAK), die als gemeinsame Einzugsstelle der beiden Sozialkassen in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Berlin zum Aktenzeichen 15 Ca 60291/12 Forderungen auf der Grundlage des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren in der Fassung vom 15.12.2005 geltend macht und dessen Verfahren durch Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin im Hinblick auf die Überprüfung der Wirksamkeit der AVE ausgesetzt wurde. Der Beteiligte zu 4) ist der Zentralverband des Deutschen B. e. V. (im Folgenden: ZDB), der Beteiligte zu 5) ist der Hauptverband der Deutschen B. e.V. (im Folgenden: HDB) und die Beteiligte zu 6) ist die Industriegewerkschaft B.-A.-U. (im Folgenden: IG Bau). Die Beteiligten zu 4), 5) und 6) sind die Tarifvertragsparteien, die den Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe in der Fassung vom 14.12.2004 und vom 15.12.2005 abgeschlossen haben.
Die Beteiligten zu 7) – 10) sind juristische Personen, die im vorliegenden Verfahren die Feststellung der Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung vom 24.02.2006 beantragen. Sie sind nicht Mitglied in einem der Arbeitgeberverbände, die den VTV abgeschlossen haben. Die Beteiligte zu 7) firmiert unter „Ba. und Be.“ und wurde auf der Grundlage der Allgemeinverbindlicherklärung vom 24.06.2006 weder auf Beitragszahlungen in Anspruch genommen, noch hat sie Beiträge nach dem VTV geleistet. Sie erhielt bisher von der ULAK Freistellungsbescheinigungen. Die Beteiligte zu 8) errichtete 2006 und 2007 Stahlhallen und führte Fassadenverkleidungen dieser Hallen durch. Auch sie wurde auf der Grundlage der Allgemeinverbindlicherklärung vom 24.02.2006 nicht auf Beitragszahlungen in Anspruch genommen und hat auch keine Beiträge gezahlt. Die Beteiligte zu 9) ist Partei eines Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden (Az: 4 Ca 630/13), in dem sie von der ULAK auf Beitragszahlungen für den Zeitraum Dezember 2001 bis November 2005 in Anspruch genommen wird. Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Beschluss vom 02.04.2015 (Bl. 768 ff. d. A.) den Rechtsstreit u. a. hinsichtlich der Beitragsmonate Januar bis November 2005 bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg über die Wirksamkeit der AVE vom 24.02.2006 des VTV-Bau in der Fassung vom 14.12.2004 ausgesetzt und der sofortigen Beschwerde der ZVK nicht abgeholfen (Bl. 956 bis 958 d. A.). Die Beteiligte zu 10) ist eine Kapitalgesellschaft, die industriell Säureschutz nach eigener Rezeptur herstellt und diesen in Hallen zum Schutz der Gewässer aufträgt. Sie wird von der ULAK auf Zahlung von Mindestbeiträgen u. a. für den Zeitraum 12/2005 bis 12/2006 in Anspruch genommen. Mit Beschluss vom 27.03.2015 (Bl. 1051 d. A.) hat das Hessische Landesarbeitsgericht den Rechtsstreit u. a. bis zur rechtskräftigen Entscheidung in diesem Verfahren ausgesetzt (Az: 10 Sa 463/13).
Mit Datum vom 21.12.2004 beantragte die IG Bau zugleich in Vollmacht des ZDB und des HDB beim BMAS den Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 in der Fassung vom 14. Dezember 2004 mit den Einschränkungen gemäß dem 1. Teil der Maßgabe in der Bekanntmachung über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen für das Baugewerbe vom 17. Januar 2000 (Bundesanzeiger Nr. 20 vom 29.01.2000, Seite 1385) mit Wirkung vom 1. Januar 2005 für allgemeinverbindlich zu erklären. In diesem Schreiben führte die IG Bau u. a. aus, zum Stichtag 30.09.2004 sei bei der gemeinsamen Beitragseinzugsstelle der Sozialkassen der Bauwirtschaft, die alle unter den Geltungsbereich der Tarifverträge für das Baugewerbe fallenden Betriebe (Baubetriebe) erfasse, insgesamt 69.296 Betriebe mit 582.571 gewerblichen Arbeitnehmern gemeldet gewesen. Weiterhin führte die IG Bau aus, dass nach den Erhebungen des ZDB und des HDB zum Stichtag in diesen den beiden Spitzenverbänden angeschlossenen Mitgliedsverbänden insgesamt 31.035 Betriebe mit 435.717 gewerblichen Arbeitnehmern beschäftigt gewesen seien. Wegen der Einzelheiten des Antrages wird auf Bl. 522 R bis 523 R d. A. Bezug genommen. Dieser Antrag wurde im Bundesanzeiger Nr. 247 vom 29. Dezember 2004 bekanntgemacht. Die Zahl der vom ZDB mitgeteilten Arbeitnehmer korrigierte die IG-Bau später mit Schreiben vom 4. Januar 2005 (Bl. 524 d.A.) auf 328.592 Arbeitnehmer.
Mit Datum vom 16. Dezember 2005 beantragte der ZDB zugleich im Namen des HDB und der IG Bau u. a. den Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 in der Fassung vom 15. Dezember 2005 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2006 für allgemeinverbindlich zu erklären, mit den Einschränkungen, die sich aus der als Anlage beigefügten neuen „Großen Einschränkungsklausel“ für Allgemeinverbindlicherklärungen von Tarifverträgen für das Baugewerbe ergeben (Beiakte IIIa-31241-Ü14b/58).
Zur Begründung des Antrags führte der ZDB mit Schreiben vom 19. Dezember 2005 aus (Bl. 524 R bis 527 d. A.), nach den Erhebungen der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes habe die Zahl an den Sozialkassenverfahren teilnehmenden Baubetriebe im gesamten Bundesgebiet einschließlich des Landes Berlin am Stichtag 30. September 2005 67.889 betragen, die 536.777 gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt hätten. Nach den Erhebungen der beiden Spitzenverbänden zum selben Stichtag seien insgesamt 384.972 gewerblichen Arbeitnehmern in organisierten Betrieben beschäftigt. Diesen Antrag machte das BMAS mit Datum vom 21.12.2005 im Bundesanzeiger zu 248/2005 vom 31.12.2005 bekannt.
Die zur Begründung der Anträge genannten Zahlen über die Anzahl der gemeldeten Betriebe und der dort beschäftigten Arbeitnehmer wurden von der ULAK jeweils zum Stichtag 30.09.2004 bzw. 30.09.2005 ermittelt und den Beteiligten zu 4), 5) und 6) zur Verfügung gestellt. Diese hat zur Erfassung der unter den Geltungsbereich des VTV fallenden Baubetriebe eine Abteilung Betriebserfassung eingerichtet, deren Aufgabe es ist, festzustellen, ob ein Betrieb/eine Betriebsabteilung unter den allgemeinverbindlich erklärten VTV fällt und somit am Sozialkassenverfahren teilzunehmen hat. Sie beschäftigt dazu auch Außendienstmitarbeiter. Die ULAK holt insoweit Informationen ein, indem sie den Bundesanzeiger auswertet. Sie erhält ferner Informationen über Betriebe und die in den Betrieben beschäftigen Arbeitnehmern von der Bundesagentur für Arbeit in ihrer Funktion als gesetzliche Einzugsstelle für die Winterbeschäftigungs-Umlage. Der Einzug dieser Umlage erfolgt auf der Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung über den Einzug der Winterbeschäftigungs-Umlage zwischen der tariflichen Einzugsstelle und der Bundesagentur für Arbeit. Nachgeordnete Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit prüfen in diesem Zusammenhang, ob ein Betrieb zum Baugewerbe iSd. der Baubetriebs-Verordnung gehört, und leiten das Prüfergebnis in Form der Prüfungsniederschriften an die ULAK weiter. Der ULAK werden ferner Informationen über potentielle Baubetriebe bzw. bezogen auf in solchen Betrieben beschäftigte Arbeitnehmer von den Hauptzollämtern (Finanzkontrolle Schwarzarbeit), von der Deutschen Rentenversicherung Bund, von Gewerbemeldestellen, von Berufsgenossenschaften, von den gesetzlichen Krankenkassen, von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, von den Handwerkskammern, von Kreishandwerkerkammern, von Innungen, von den Tarifvertragsparteien des Baugewerbes, von Arbeitgeberverbänden, von Präqualifizierungsstellen, von Bauherren und Auftraggebern von Bauunternehmen, von den Sozialkassen des Berliner Baugewerbes und von der gemeinnützigen Urlaubskasse des Bayerischen Baugewerbes erteilt. Nach Eingang der Informationen wird von der ULAK eine Geltungsbereichsprüfung eingeleitet.
Den in den Antragsbegründungen genannten Zahlen der beiden Spitzenverbände über die jeweils an den Stichtagen organisierten Betriebe und deren gewerbliche Beschäftigte lagen Umfragen zugrunde, die sowohl der ZDB als auch der HDB zur Ermittlung des für eine Allgemeinverbindlicherklärung erforderlichen Quorums bei ihren Mitgliedsverbänden zu den Stichtagen 30. September 2004 und 30. September 2005 durchführten. Der ZDB stellte bei der Verbandsumfrage dabei die Fragen: „1. Wie viele Betriebe waren zum Stichtag 30. September in ihrem Verbandsbereich organisiert und tarifgebunden? 2. Wie viele Arbeitnehmer waren in diesen Betrieben nach eigenen Feststellungen beschäftigt?“ Der HDB weist dabei in der Abfrage darauf hin, dass es um die Feststellung geht, ob „50% der unter den Tarifvertrag fallenden Arbeitnehmer bei den tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz).“ Ferner wird gebeten, dass die „Doppelbänderverbände“ „die Zahlen aufgeteilt nach Handwerks- und Industrieunternehmen“ mitgeteilt werden. Die Zahl der Arbeitnehmer pro Mitgliedsbetrieb wird sowohl beim HDB als auch beim ZDB zum Teil auf der Grundlage der Bruttolohn- und Gehaltssummen ermittelt, die von den Mitgliedern der Mitgliedsverbände diesen im Rahmen der Beitragsveranlagung oder von den Innungen mitgeteilt werden. Die jeweiligen Rückmeldebogen der angeschlossenen Mitgliedsverbände zum Stichtag 30. September 2005 übersandte der ZDB an das BMAS mit Schreiben vom 20.12.2005 (vgl. Beiakte III a 6-31241-Ü-14b/58, Bd I), der HDB mit Schreiben vom 01.02.2006 (Beiakte III a 6-31241-Ü-14b/58, Bd II).
Im Bundesanzeiger Nr. 15 vom 21. Januar 2006 wurde die Bekanntmachung vom 10. Januar 2006 über die Festsetzung eines Termins zur Verhandlung am 03.02.2006 über die Anträge auf Allgemeinverbindlicherklärung u. a. der hier im Streit stehenden Tarifverträge veröffentlicht.
In Vorbereitung dieser Sitzung erstellte das BMAS zur Prüfung der Tarifbindung nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TVG unter dem Datum vom 2. Februar 2006 einen Vermerk, in dem u. a. ausgeführt wird, dass nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes (Fachserie 4, Reihe 5.1 „Beschäftigte und Umsatz der Betriebe im Baugewerbe“ 2005) unter Abzug der Wirtschaftszweige Dachdeckerei und Gerüstbau in 65.681 Betrieben 703.925 Arbeitnehmer beschäftigt seien, nach den Zahlen der ZVK Stand 30. September 2005 in 67.889 Baubetrieben 536.777 gewerbliche Arbeitnehmer. Nach den Rücklaufbögen der beiden Arbeitgeberverbände seien am Stichtag 30. September 2005 in 29.757 Baubetrieben 383.425 gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt. In diesem Vermerk ging das BMAS davon aus, die ZVK erfasse die Betriebe streng auf der Grundlage des Geltungsbereichs der Bautarifverträge und sei daher nach aller Voraussicht die Genauere. Bei Zugrundelegung der jeweils ungünstigsten Werte stelle sich das Verhältnis wie folgt dar:
Gebiet: Deutschland
Baubetriebe | organisierte Baubetriebe | Relation in % | |||
Betriebe | Beschäftigte | Betriebe | Beschäftigte | Betriebe | Beschäftigte |
67.889 | 703.925 | 29.757 | 383.425 | 43,83 | 54,47 |
Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Vermerks wird auf Bl. 529 – 530 d.A. Bezug genommen.
Am 3. Februar 2006 fand die öffentliche Sitzung des Tarifausschusses statt. Dieser befürwortete die Allgemeinverbindlicherklärung (Vermerk über die Sitzung des Tarifausschusses am 3. Februar 2006, Beiakte III a 6-31241-Ü-14b/58, Bd. III Bl. 416 ff. und Bl. 444 ff.).
Im Anschluss daran erklärte das BMAS den Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren vom 20. Dezember 1999 in der Fassung der Änderungstarifverträge vom 1. Dezember 2000, 15. Mai 2001, 14. Dezember 2001, 27. Februar 2002, 4. Juli 2002, 10. Dezember 2002, 17. Dezember 2003 und 14. Dezember 2004 mit Wirkung vom 1. Januar 2005 sowie den Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren vom 20. Dezember 1999 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 15.12.2005 mit Wirkung ab 1. Januar 2006 für allgemeinverbindlich und veröffentlichte diese Bekanntmachung im Bundesanzeiger Nr. 71 vom 11. April 2006, Seite 2729 ff. Wegen des genauen Inhalts der Bekanntmachung vom 24.02.2006 und des konkreten Inhalts des Bundesanzeigers wird auf Bl. 492 ff. der Beiakte III a 6-31241-Ü-14b/58, (Bd. II) sowie Bl. 588 (Bd. III) Bezug genommen.
Die Beteiligten zu 1), 7 – 10 halten die Allgemeinverbindlicherklärung vom 24.02.2006 für unwirksam. Sie tragen dazu im Wesentlichen vor, die im ZDB oder HDB organisierten Betriebe hätten nicht die für das Quorum erforderliche Anzahl von Arbeitnehmern beschäftigt. Seitens des BMAS sei weder die „Große Zahl“ noch die „Kleine Zahl“ ausreichend ermittelt worden. Für die Ermittlung des Quorums bedürfe es neben den Nachweisen der antragstellenden Koalitionen weiterer statistischer Materialien, der Auskünfte der Industrie-, Handels- und Handwerkskammern, der Bundesagentur für Arbeit, des Statistischen Bundesamtes sowie der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Jedenfalls aber hätte das BMAS eigene Erhebungen anstellen müssen.
Für die „Große Zahl“ könne sich das BMAS nicht auf die von der ULAK bzw. ZVK mitgeteilten Zahlen stützen. Auch komme es bei der Ermittlung des Quorums allein auf die insgesamt unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer an. Mithin seien auch die Arbeitnehmer zu zählen, die in einem der nach Abschn. VII VTV aufgeführten Betriebe oder aber in einem der von der erst durch die entsprechenden Einschränkungen der AVE herausgenommenen Betriebe arbeiten würden. Deswegen seien die Zahlen der ZVK unbrauchbar, weil sie nicht wissen könne, welche Betriebe und Betriebsabteilungen zwar vom VTV, nicht aber von der Allgemeinverbindlicherklärung erfasst würden. Jedenfalls aber seien die Zahlen der ZVK nur eingeschränkt zu verwerten, da diese als gemeinsame Einrichtung iSd. VTV ein Eigeninteresse an den Allgemeinverbindlicherklärungen habe. Die ZVK liefere auch keine Statistik, sondern nur eine empirische Sammlung. Die von der ZVK ermittelten Beschäftigtenzahlen beruhten nicht auf einem akzeptierten oder auch nur justiziablen statistischen Modell, sondern auf einer Zufallssammlung. Sie seien nicht überprüfbar. Des Weiteren sei nicht bekannt, wie viele Betriebe und Betriebsabteilungen, die von dem für allgemeinverbindlich erklärten Teil des VTV erfasst würden, sich der Beitragspflicht entziehen würden, weil sie angesichts der Konturlosigkeit des VTV gar nicht wüssten, dass sie einer Beitragspflicht unterliegen würden oder aber, weil sie den Bereich der Schwarzarbeit zuzuordnen seien. Die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit seien deutlich höher, so dass bei dieser Zahl das Quorum von 50 % nicht erreicht werde. Auch die Zahlen des Statistischen Bundesamtes wiesen eine höhere „Große Zahl“ aus. Schon die Diskrepanz zwischen den verschiedenen Zahlen und der ZVK wiesen darauf hin, dass die Zahlen der ZVK unzutreffend sein müssten. Diese Diskrepanz vergrößere sich noch, wenn das Statistische Bundesamt bei der Ermittlung der Zahlen auf den Anwendungsbereich des § 1 VTV abgestellt und des Weiteren die kleineren Betriebe mit einbezogen hätte. Auch habe das BMAS die in Deutschland arbeitenden ausländischen Arbeitnehmer sowie Scheinselbständige und Schwarzarbeiter nicht berücksichtigt.
Hinsichtlich der „Kleinen Zahl“ reiche eine Mitgliederbefragung durch HDB und ZDB nicht aus. Die erhobene „Kleine Zahl“ sei zu hoch, da sie nicht einmal Doppelmitgliedschaften ausschließe, obwohl solche vorkämen. Auch bestehe bei HDB und ZDB die Möglichkeit von OT-Mitgliedschaften, was bei der Befragung nicht berücksichtigt worden sei.
Im Übrigen sei auch kein öffentliches Interesse an der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV gegeben. Das Sozialkassenverfahren sei überflüssig. Eine Fluktuation der Arbeitnehmer sei überhaupt nicht belegbar und auch nicht gravierender als auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Allgemeinverbindlicherklärung verstoße auch gegen höherrangiges Recht, namentlich Art. 11 EMRK, Art. 70 – 75 GG, Art. 3 GG.
Die Beteiligten zu 1), 7) und 8) beantragen zuletzt,
der VTV vom 20.12.1999 in der Fassung vom 15.12.2005 ist durch Bekanntmachung vom 24.02.2006 für allgemeinverbindlich erklärt worden (AVE 2006); diese AVE ist unwirksam.
Die im Anhörungstermin vom 04.08.2015 nicht erschienenen Beteiligten zu 9) und 10) haben folgende Anträge angekündigt:
festzustellen, dass die Allgemeinverbindlicherklärung vom 24.02.2006 (Bundesanzeiger Nr. 71 vom 11.04.2006, Seite 2729), AVE 2006, VTV-Bau vom 20.12.1999 in der Fassung der Änderungstarifverträge vom 01.12.2000, 15.05.2001, 14.12.2001, 27.02.2002, 04.07.2002, 10.12.2002, 17.12.2003 und 14.12.2004 mit Wirkung vom 01.01.2005 sowie VTV-Bau vom 20.12.1999 in der Fassung der Änderungstarifverträge vom 01.12.2000, 15.05.2001, 14.12.2001, 27.02.2002, 04.07.2002, 10.12.2002, 17.12.2003, 14.12.2004 und 15.12.2005 mit Wirkung vom 01.01.2006 unwirksam sind.
Der Beteiligte zu 3) beantragt,
festzustellen, dass die nach § 5 des TVG ausgesprochene Allgemeinverbindlicherklärung vom 24.02.2006 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe in den Fassungen vom 14.12.2004 und den Fassungen vom 15.12.2005 wirksam ist.
Die Beteiligte zu 2), 5) und 6) beantragen,
die Anträge der Beteiligten zu 1), 7) bis 10) zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 2) – 6) sind der Auffassung, die Allgemeinverbindlicherklärung sei wirksam. Das nach § 5 TVG erforderliche Quorum sei erreicht. Dabei habe das BMAS in zutreffender Weise auf die von der ULAK bzw. ZVK mitgeteilten Zahlen abgestellt, da diese aufgrund ihrer tariflichen Aufgabe als Einzugsstelle der Beiträge die vom Geltungsbereich des VTV betroffenen Betriebe und deren Beschäftigte am genauesten ermitteln würde. Dabei nutze die ZVK alle in Betracht kommenden Datenquellen, um die beitragspflichtigen Betriebe zu ermitteln. Etwa die Hälfte der Erfassungsvorgänge würden aufgrund von Selbstanmeldungen und Statusanfragen der betroffenen Arbeitnehmer angelegt, die andere Hälfte aufgrund von eigenen Recherchen der ZVK oder aufgrund von Informationen Dritter. Die pro Betrieb ermittelten Beschäftigtenzahlen beruhten in erster Linie auf den abzugebenden Meldungen. Die Zahl der „nicht gemeldeten“ Beschäftigten werde geschätzt. Dazu werde zunächst – soweit bekannt – die Bruttolohnsumme des Betriebes zugrunde gelegt oder aber auf weiter vorliegende Informationen wie Prüfberichte der Arbeitsverwaltung Auskünfte der gesetzlichen Krankenkassen und Gewerbeämter zurückgegriffen. Der Anteil der Betriebe, die sich der Beitragspflicht tatsächlich entziehen, liege unter 5 %. Der Schwerpunkt der Schwarzarbeit sei die Nichtmeldung von tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden von Arbeitnehmern, die an sich mit einem geringeren Zeitanteil aufgeführt und gemeldet würden. Soweit noch Rechtsstreitigkeiten über die Baubetriebseigenschaft im Sinne des Geltungsbereichs des VTV geführt würden, würden diese Betriebe erfasst. Der Anteil der Betriebe und der darin Beschäftigten liege bei 4 %.
Hinsichtlich der Ermittlung der „Kleinen Zahl“ verweisen der ZDB und der HDB auf die Angaben der Mitgliedsbetriebe gegenüber den angeschlossenen Mitgliedsverbänden. Angesichts der Fragestellung „organisiert und tarifgebunden“ würden nur Mitglieder gezählt, die unter den VTV fallen würden. OT-Mitgliedschaften würden nur sehr vereinzelt angeboten. Soweit dies der Fall sei, würden diese nicht mitgezählt. Der Anteil der Betriebe mit Doppelmitgliedschaften sei äußerst gering. Im Falle einer Doppelmitgliedschaft werde aber ein Teil der Beschäftigten für die Beitragsveranlagung dem Bauindustrieverband und ein Teil der Beschäftigten dem Baugewerbeverband gemeldet, sodass eine Doppelzählung der Arbeitnehmer ausgeschlossen sei. Da den Verbänden bei der Befragung der Hintergrund der Befragung bekannt sei, würden diese Zahlen sehr zuverlässig ermittelt.
Weiterhin habe das BMAS auf das öffentliche Interesse an der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV zu Recht bejaht.
Das Verwaltungsverfahren III a 6-31241-Ü-14 b/58 sowie 14 b/57 wurde dem Landesarbeitsgericht in Kopie vom BMAS zur Verfügung gestellt. Die Akte war Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens, die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Kenntnisnahme durch die Möglichkeit der Akteneinsicht und – Verwaltungsverfahren 14 b/58 durch Übersendung eines Datenträgers.
Die Bundesagentur für Arbeit nahm zu dem Beweisbeschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 23. Juli 2014 in dem Verfahren zum Aktenzeichen 12 Sa 1002/12 mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 Stellung. In diesem Schreiben heißt es ua.: „In der Beschäftigten-Statistik der Bundesagentur wird daher die Anzahl der Beschäftigten durch die nichtdeckungsgleiche Zuordnung Wirtschaftsbereich - Tarifgeltungsbereich vermengt, so dass eine tarifspezifische, trennscharfe Abbildung, z.B. der Beschäftigtenzahlen im Geltungsbereich BRTV Bau nicht möglich ist. In welchem Umfang es ggf. eine gemeinsame Schnittmenge gibt oder welche konkreten Abweichungen vorliegen, kann die Bundesagentur nicht beurteilen.“ Wegen des vollständigen Inhalts des Schreibens wird auf Bl 822 bis 823 der Akte Bezug genommen.
Das Gericht hat durch Beschluss vom 31.03.2014 die Beteiligten zu 3), 4) und 5) gebeten zu bestimmten Fragen, die die Ermittlung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 TVG a.F. betreffen, Stellung zu nehmen. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Beschlusses wird auf Bl. 757 – 759 d. a. Bezug genommen. Wegen der Beantwortung dieser Fragen wird auf den Schriftsatz des ZDB vom 23.04.2015, der ULAK vom 23.04.2015 und des HDB vom 06.05.2015 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Sitzungsniederschrift vom 04.08.2015 Bezug genommen.
2. Unter Zurückweisung der Anträge der Beteiligten zu 1) sowie 7) – 10) ist festzustellen, dass die vom Beteiligten zu 2) bekannt gemachte Allgemeinverbindlicherklärung vom 24.02.2006 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren in den Fassungen vom 14.12.2004 und vom 15.12.2005 wirksam ist.
2.1 Das Beschlussverfahren zur Feststellung der Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV ist wirksam eingeleitet worden und zulässig.
2.1.1 Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist nach § 2 a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG eröffnet. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ist für das Beschlussverfahren gem. § 98 Abs. 2 ArbGG örtlich und als erstinstanzliches Gericht zuständig (vgl. GK-ArbGG-Ahrendt; § 98 Rz. 19). Die Allgemeinverbindlicherklärung ist durch das BMAS erklärt worden, das seinen Dienstsitz in Berlin hat.
2.1.2 An dem Beschlussverfahren ist gemäß § 98 Abs. 3 S. 3 ArbGG das BMAS zu beteiligen, da es den Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt hat. Weiterhin sind gemäß § 98 Abs. 3 S. 1 ArbGG iVm § 83 Abs. 3 ArbGG die ULAK, die Beteiligte zu 1) sowie die Beteiligten zu 7) – 10) bereits deshalb zu beteiligen, weil sie selber Anträge auf Feststellung der Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung gestellt haben. Auf die jeweilige Antragsbefugnis kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Ferner sind der ZDB, der HDB und die IG-Bauen-Agrar-Umwelt als Tarifvertragsparteien und Antragsteller für die Allgemeinverbindlicherklärung in diesem Beschlussverfahren Beteiligte (vgl. auch Maul-Satori NZA 2014, 1305; Beck OK/Pöchel ArbGG § 98 Rnr. 6; LAG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 08.07.2014 – 4 BVL 5004/14 und 4 BVL 5005/14). Die Entscheidung über die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV berührt unmittelbar die Rechtsstellung der Tarifvertragsparteien, da sie sich auf die Funktionsfähigkeit der von ihnen geschaffenen gemeinsamen Einrichtung auswirken kann.
2.1.3 Das Beschlussverfahren ist in zulässiger Weise eingeleitet worden. Der Antrag auf Feststellung der Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung ist von mehreren Antragstellern gestellt worden, die auch gem. § 98 ArbGG antragsbefugt sind.
2.1.3.1 Die Antragsberechtigung der ULAK ergibt sich aus § 98 Abs. 6 S. 2 ArbGG. Die ULAK ist Partei des Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht Berlin zum Aktenzeichen 15 Ca 60291/12, dessen Entscheidung von der Wirksamkeit der hier im Streit stehenden Allgemeinverbindlicherklärung abhängt und der vom Arbeitsgericht rechtskräftig ausgesetzt wurde. Gleiches gilt für die Beteiligte zu 10), die Partei eines Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden zum Aktenzeichen 7 Ca 613/11 ist. Dieser Rechtsstreit wurde mit Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 27.03.2015 ebenfalls im Hinblick auf das vorliegende Verfahren rechtskräftig ausgesetzt. Auch die Beteiligte zu 9) ist Partei eines Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden (4 Ca 630/13), dessen Ausgang nach dem erstinstanzlichen Aussetzungsbeschluss vom Ausgang des hiesigen Verfahrens abhängig ist. Auf die Rechtskraft der Aussetzung, die sich aus der von der Beteiligten zu 9) eingereichten Nichtabhilfeentscheidung noch nicht ergibt, kam es im Hinblick auf die Bejahung des Geltungsbereichs des VTV für die Beteiligte zu 9) nicht an.
2.1.3.2 Demgegenüber sind weder die Beteiligte zu 1) noch die Beteiligte zu 7) oder 8) antragsbefugt.
2.1.3.2.1 Da sie nicht Parteien eines Rechtsstreites sind, kommt eine Antragsbefugnis nur nach § 98 Abs. 1 ArbGG in Betracht. Danach ist antragsbefugt jede natürliche oder juristische Person sowie eine Gewerkschaft oder Vereinigung von Arbeitgebern, sofern sie geltend macht, durch die Allgemeinverbindlicherklärung oder die Rechtsverordnung oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Mit dieser Formulierung hat sich der Gesetzgeber an die Antragsfassung des § 47 Abs. 2 VWGO angelehnt (ErfK/Koch 15. Aufl. ArbGG § 98 Rz. 3; LAG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 08.07.2014 - 4 BVL 5004/14 und 5005/14). Für die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 VWGO ist es ausreichend aber auch erforderlich, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in einer eigenen Rechtsposition verletzt wird (BVerwG v. 30.08.2013 – 9 BN 2/13 – NVwZ-RR 2013, 1014 m.w.N.).
Danach ist die Antragsbefugnis nach § 98 Abs. 1 ArbGG jedenfalls dann gegeben, wenn sich aus dem Vorbringen des Antragstellers/der Antragstellerin ergibt, dass er/sie einen Betrieb unterhält, der unter den von der streitgegenständlichen Allgemeinverbindlicherklärung umfassten Geltungsbereich des VTV fällt, und selber nicht gemäß § 4 TVG tarifgebunden ist. Durch die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV werden in diesem Fall dem Antragsteller/der Antragstellerin verschiedene Pflichten auferlegt.
Antragsbefugt sind ferner die Tarifvertragsparteien konkurrierender Tarifverträge, da sie durch den Erlass der Allgemeinverbindlicherklärung in ihrer Koalitionsbetätigungsfreiheit beeinträchtigt sein können (vgl. BVerwG 28. Januar 2010 – 8 C 38/09 – Rn. 36ff., NZA 2010, 1137; Düwell NZA-Beil. 2011, 80; BeckOK/Poeche ArbGG § 98 Rn. 3).
2.1.3.2.2 Diese Voraussetzungen erfüllt die Beteiligte zu 1 nicht. Als Beratungsunternehmen fehlt es ihr an der Möglichkeit der Verletzung eigener Rechtspositionen durch den Tarifvertrag. Unstreitig handelt es sich nicht um einen Baubetrieb, der in den Geltungsbereich des VTV fallen könnte. Eine Inanspruchnahme auf Beitragszahlungen steht nicht an. Auch handelt es sich nicht um eine Tarifvertragspartei eines konkurrierenden Tarifvertrages. Die Beteiligte zu 1) kann sich für die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nicht auf etwa abgetretene potentielle Rückforderungsansprüche Dritter berufen, die auf der Grundlage der hier streitigen Allgemeinverbindlicherklärung Beitragszahlungen geleistet haben. Abgesehen davon, dass es auch insoweit an einer Betroffenheit in eigenen Rechten fehlt, die nach Sinn und Zweck des § 98 Abs. 1 ArbGG für die Antragsbefugnis erforderlich ist, legt die Beteiligte zu 1) auch nicht ansatzweise mögliche Rückforderungsansprüche dar. Es handelt sich vorliegend um längst abgeschlossene Sachverhalte, die durch eine Feststellung der Unwirksamkeit der AVE nicht berührt werden. Im Übrigen spricht vieles dafür, dass die Abtretungsverträge wegen Verstoßes gegen § 3 RDG nach § 134 BGB unwirksam sind und damit die Beteiligte zu 1) bereits nicht Inhaber vermeintlicher Rückforderungsansprüche gegen die ULAK geworden ist (so schon LAG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 20.04.2015 – 2 BVL 5001/14 und 5002/14; Beschluss vom 08.07.2014 - 4 BVL 5004/14 und 5005/14.).
2.1.3.2.3 Der Beteiligten zu 7) fehlt es ebenfalls an der Geltendmachung einer Rechtsverletzung. Weder wird sie von der ZVK bzw. ULAK auf Zahlung von Beiträgen auf der Grundlage der hier streitigen Tarifverträge in Anspruch genommen, noch geht sie selbst davon aus, in den maßgeblichen Zeiträumen unter den Geltungsbereich dieser Tarifverträge zu fallen. Gleiches gilt für die Beteiligte zu 8). Dabei kann dahinstehen, ob die Beteiligte zu 8) im maßgeblichen Zeitraum dem Geltungsbereich des Tarifvertrages unterfallen ist. Nach ihrem eigenen Vortrag hat sie jedenfalls keine eigenen Beiträge gezahlt und wurde von der ULAK in diesem Zeitraum auch nicht in Anspruch genommen, noch steht eine Inanspruchnahme für diesen Zeitraum an.
2.2 Ungeachtet der Abwesenheit der Beteiligten zu 9) und 10) konnte in dem Anhörungstermin vom 04.08.2015 eine Entscheidung in der Sache ergehen. Die Beteiligten zu 9) und 10) sind trotz ordnungsgemäßer Ladung zum Termin nicht erschienen. Damit war dem Anhörungserfordernis genüge getan (§§ 98 Abs. 3 Satz 1, 83 Abs. 4 ArbGG). Dem stand der Verlegungsantrag der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 9) und 10) nicht entgegen. Eine Verlegung des Anhörungstermins kam aus den im Beschluss vom 27.07.2015 sowie vom 30.07.2015 genannten Gründen nicht in Betracht.
Einer erneuten Ladung der Beteiligten zu 10) bedurfte es vorliegend nicht. Diese wurde durch dieselbe Verfahrensbevollmächtigte vertreten wie bereits die Beteiligte zu 9). Zudem ist das Verfahren nach § 98 ArbGG so ausgestaltet, dass es Antragsteller und Beteiligte in dem Verfahren gibt, nicht aber sich gegenüberstehende Gegner. Die Antragsteller bilden eine notwendige Streitgenossenschaft gemäß § 62 ZPO (BAG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 – 1 ABR 19/10 –, BAGE 136, 302-333), was zur Folge hat, dass der eine Streitgenosse den anderen vertritt (§ 62 Abs. 1 ZPO).
2.3 Die Allgemeinverbindlicherklärung vom 24.02.2006 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren in den Fassungen vom 14.12.2004 und vom 15.12.2005, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 71 vom 11.04.2006, erweist sich sowohl formell als auch materiell rechtlich wirksam.
2.3.1 Die formellen Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung sind eingehalten. Dies ergibt sich aus den beigezogenen Verwaltungsverfahren III a 6-31241-Ü-14 b/58 sowie 14 b/57.
2.3.1.1 Der Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung wurde von den Tarifvertragsparteien für beide Fassungen übereinstimmend gestellt und im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Ausweislich der Verfahrensakten bestand Gelegenheit, Einwände gegen die Allgemeinverbindlicherklärung zu erheben. Dies haben verschiedene Verbände auch getan. Der für die Allgemeinverbindlicherklärung zuständige Ausschuss hat darüber verhandelt und eine Empfehlung getroffen. Dieser Empfehlung ist das Bundesministerium für Arbeit gefolgt. Die Allgemeinverbindlicherklärung wurde daraufhin auch im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Damit sind die Voraussetzungen von § 11 TVG iVm. §§ 4 ff. DVO TVG alle eingehalten. An der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 11 TVG, der lediglich die Grundlage für die Durchführungsverordnung und damit für die Verfahrensordnung für die Allgemeinverbindlicherklärung abgibt, hatte die Kammer keinen Zweifel.
2.3.1.2 Zur Unwirksamkeit führende Verfahrensfehler ergeben sich auch nicht aus § 24 VwGO. Abgesehen davon, dass die §§ 22 ff. VwVfG auf das Verfahren zur Allgemeinverbindlicherklärung schon deshalb keine Anwendung finden, weil es sich nach ständiger Rechtsprechung nicht um einen Verwaltungsakt oder eine Rechtsverordnung, sondern einen Rechtssetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtssetzung handelt und im Übrigen das Verfahren zur Allgemeinverbindlicherklärung eine entsprechende spezialgesetzliche Ausprägung erhalten hat (vgl. bereits LAG Berlin-Brandenburg 17.04.2015 – 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14 sowie LAG Berlin-Brandenburg 08.07.2015 - 4 BVL 5004/14 und 4 BVL 5005/14), konnte die Kammer keine Verfahrensfehler feststellen. Wie unten ausgeführt wird, hat das BMAS für die Feststellung des nach § 5 TVG erforderlichen Quorums ausreichende Sachverhaltsermittlungen angestellt und seine Entscheidung auf die zutreffenden Zahlen der ZVG bzw. ULAK abgestellt.
2.3.2 Die Allgemeinverbindlicherklärung ist auch materiell wirksam erfolgt. Die Anforderungen des § 5 Abs. 1 TVG a. F. sind erfüllt. Die tarifgebundenen Arbeitgeber beschäftigten sowohl im Zeitpunkt der Bekanntmachung als auch zum Zeitpunkt der (rückwirkdenden) Geltung der Allgemeinverbindlicherklärung nicht weniger als 50 vom Hundert der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer und die Allgemeinverbindlicherklärung erscheint im öffentlichen Interesse geboten.
2.3.2.1 Das Quorum von § 5 Abs. 1 a TVG a.F. war sowohl im Zeitpunkt der Allgemeinverbindlicherklärung als auch im Rückwirkungszeitpunkt erreicht.
2.3.2.1.1 Zur Ermittlung des in § 5 Abs. 1 a TVG vorgesehenen Quorums ist die Zahl der Arbeitnehmer, für die der VTV nach § 1 räumlich, betrieblich und persönlich anwendbar ist („Große Zahl“) und die Gesamtzahl derjenigen Arbeitnehmer, die von aufgrund Verbandsmitgliedschaft tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt werden („Kleine Zahl“), in ein Verhältnis zu setzen. Dabei kommt es für die Ermittlung der sog. großen Zahl, also der Zahl der Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen, für den hier streitgegenständlichen VTV nur auf die Zahl der Arbeitnehmer an, die in Betrieben bzw. Betriebsabteilungen beschäftigt sind, die von der beantragten Allgemeinverbindlicherklärung auch erfasst werden. Nicht unter den Geltungsbereich des VTV fallen all diejenigen Arbeitnehmer, die in Betrieben bzw. Betriebsabteilungen nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV arbeiten und diejenigen Arbeitnehmer, die in Betrieben bzw. Betriebsabteilungen arbeiten, auf die sich nach den Anträgen der Tarifvertragsparteien die Allgemeinverbindlicherklärung nicht erstrecken soll (vgl. LAG Hessen 2. Juli 2014 – 18 Sa 619/13 – juris mwN; LAG Berlin-Brandenburg 17.04.2015 – 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14 sowie 8.7.2015 - 4 BVL 5004/14 und 4 BVL 5005/14).
Diese Auslegung ergibt sich aus Wortlaut sowie Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. „Unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallende Arbeitnehmer“ iSv. § 5 Abs.1 TVG sind nur solche Arbeitnehmer, für die der VTV nach § 1 räumlich, betrieblich und persönlich anwendbar ist, mithin normativ gilt. Dies setzt voraus, dass der Arbeitnehmer in einem Betrieb oder einer Betriebsabteilung arbeitet, die zum einen dem Geltungsbereich des VTV unterfällt, zum anderen aber auch von der Allgemeinverbindlicherklärung erfasst wird.
§ 1 des VTV bestimmt den Geltungsbereich des Tarifvertrages. Nach § 1 Abs. 2 Eingangssatz VTV fallen nur Betriebe und Betriebsabteilungen unter den Tarifvertrag, welche die in den Abschn. I – IV genannten (baulichen) Leistungen überwiegend erbringen. Nicht vom Geltungsbereich des Tarifvertrages werden die in § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV aufgeführten Betriebe erfasst. Denn § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV stellt mit der Formulierung „nicht erfasst werden Betriebe…“ ausdrücklich klar, dass bestimmte Unternehmen des Ausbaugewerbes nicht unter den Anwendungsbereich des Tarifvertrages fallen. Der VTV beansprucht insoweit bereits keine Geltung für die entsprechenden Arbeitsverhältnisse, sondern stellt vielmehr klar, dass eine solche Geltung von vornherein nicht in Betracht kommt. Damit sind aber diejenigen Arbeitnehmer, die in solchen unter § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV fallenden Betriebe beschäftigt werden für die große Zahl nicht einzubeziehen. Sie fallen von vornherein nicht unter dem Geltungsbereich des Tarifvertrages (vgl. LAG Hessen 2. Juli 2014 – 8 Sa 619/13 – juris Rnr. 77; LAG Berlin-Brandenburg 4 BVL 5004/14 und 5005/14).
Gleiches gilt aber auch für diejenigen Arbeitsverhältnisse, für die die Wirkung der Allgemeinverbindlicherklärung bereits in den entsprechenden Anträgen wie durch die „Große Einschränkungsklausel“ eingeschränkt wurde. Auch diese sind bei der Ermittlung der großen Zahl nicht zu berücksichtigen. Denn auch sie unterfallen nicht dem Geltungsbereich des VTV. Ein nicht tarifgebundener Arbeitnehmer wird vom Geltungsbereich eines Tarifvertrages erst erfasst, wenn der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wird (§ 5 Abs. 4 Satz 1 TVG). Beantragen die Tarifvertragsparteien, den Tarifvertrag nur mit Einschränkungen für allgemeinverbindlich zu erklären, werden die Arbeitnehmer, die in solchen Betrieben oder Betriebsabteilungen arbeiten, die unter diese Einschränkung fallen, von vorneherein nicht vom Geltungsbereich des Tarifvertrags erfasst. Der Tarifvertrag beansprucht für sie keine Geltung. Mithin sind sie auch nicht bei der sog. Großen Zahl zu berücksichtigen (vgl. LAG Hessen 2. Juli 2014 – 18 Sa 619/13 – juris mwN; LAG Berlin-Brandenburg 17.04.2015 – 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14 sowie 8.7.2015 - 4 BVL 5004/14 und 4 BVL 5005/14; 09.07.2015 – 3 BVL 5003/15)
Sinn und Zweck des des Quorums nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 TVG a.F. bestätigen dieses Ergebnis. Mit dem 50 %-Quorum wird dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung getragen (vgl. im Einzelnen Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 5 Rn. 120). Durch die Allgemeinverbindlicherklärung soll nicht von einer Minderheit einer Mehrheit, die den Tarifvertrag nicht anwendet, die Normen des Tarifvertrags oktroyiert werden. Das entsprechende Verhältnis von Mehrheit und Minderheit kann sich nach diesem Sinn und Zweck aber nur im Hinblick auf den Bereich ergeben, der tatsächlich von der Allgemeinverbindlicherklärung erfasst wird. Arbeitsverhältnissen, die von der Allgemeinverbindlicherklärung nicht erfasst werden, werden die Normen des Tarifvertrages nicht aufgezwungen (vgl. so schon LAG Berlin-Brandenburg 08.07.2015 - 4 BVL 5004/14 und 4 BVL 5005/14).
Im Übrigen macht es rechtlich keinen Unterschied, ob die Tarifvertragsparteien von vorneherein den Geltungsbereich des Tarifvertrags durch Ausnahmen innerhalb des Tarifwerkes beschränken oder ob durch die Beantragung einer nur eingeschränkt geltenden Allgemeinverbindlichkeit sicherstellen wollen, dass der Tarifvertrag für bestimmte Betriebe nicht gilt. Die Einschränkungen erfolgen autonom durch die Tarifvertragsparteien selbst. Es liegt keine Steuerung des Bezugsrahmens für eine Allgemeinverbindlicherklärung durch das Bundesministerium vor. Nur die Tarifvertragsparteien „optimieren“ durch die Festlegung und Beschränkung des Geltungsbereichs des jeweiligen Tarifvertrages dessen Tauglichkeit für eine Allgemeinverbindlicherklärung (vgl. im Einzelnen LAG Hessen 2. Juli 2014 – 18 Sa 619/13 – juris; LAG Berlin-Brandenburg 08.07.2015- 4 BVL 5004/14 und 4 BVL 5005/14).
2.3.2.1.2 Im Rahmen der von Amts wegen durchzuführenden Prüfung der gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 TVG aF erforderlichen Anzahl der Beschäftigten ist zu berücksichtigen, dass eine exakte Feststellung nahezu unmöglich ist und deshalb eine sorgfältige Schätzung ausreicht (BAG 22. Oktober 2003 - 10 AZR 13/03 – AP Nr. 16 zu § 1 TVG Tarifverträge: Gebäudereinigung). Erforderlich ist zuvor aber eine Ausschöpfung aller greifbaren Erkenntnismittel und eine möglichst genaue Auswertung des verwertbaren statistischen Materials (BAG 22. Oktober 2003 - 10 AZR 13/03 – aaO).
2.3.2.1.3 Bei Anwendung dieser Grundsätze war die Kammer davon überzeugt, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 TVG vorlagen. Da auch nach Ausschöpfung aller greifbaren Erkenntnismittel und einer genauen Auswertung des statistischen Materials weder eine exakte Feststellung der Zahl der Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich des VTV, noch eine Feststellung der exakten Zahl der bei den tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigten Arbeitnehmer praktisch möglich ist, war hier eine Schätzung vorzunehmen, für deren Grundlagen auf die von der ZVK ermittelten Zahlen einerseits sowie auf die Angaben des HDB und des ZDB zurückzugreifen war.
2.3.2.1.3.1 Kommt es bei der Ermittlung der „Großen Zahl“ wie oben ausgeführt auf den für allgemeinverbindlich erklärten betrieblichen Geltungsbereich des VTV an, sind die von der ULAK bzw. ZVK ermittelten Zahlen schon deswegen allein valide, weil allein die ZVK bzw. die ULAK die Zahlen nach dieser Maßgabe ermittelt.
Nach Überzeugung der Kammer hat die ZVK die Zahlen ausreichend und ordnungsgemäß ermittelt. Die ZVK bzw. heute die ULAK ist die tarifliche Einrichtung, die von den Tarifvertragsparteien mit dem Einzug der Beiträge aus dem Tarifvertrag beauftragt wurde. Schon zur Erfüllung ihrer tarifvertraglichen Pflichten hat sie ein Interesse daran, die unter den VTV fallenden Betriebe vollständig und umfassend zu ermitteln. Dazu verlässt sie sich nicht allein auf die Erfüllung der tarifvertraglich vorgeschriebenen Meldepflichten, sondern wertet kontinuierlich die im Bundesanzeiger veröffentlichten Unternehmensmeldungen und die Mitteilungen der Handwerkskammern und Berufsgenossenschaften aus. Außerdem erhält sie Hinweise aus der Prüftätigkeit der Arbeitsverwaltung, der Hauptzollämter, der Rentenversicherung Bund aus eigenen Betriebsprüfungen sowie von den Sozialkassen des Berliner Baugewerbes und der gemeinnützigen Urlaubskasse des Bayerischen Baugewerbes. Sie berücksichtigt Hinweise und Informationen von Wettbewerbern (Bauherren und Auftraggebern von Bauunternehmern), Arbeitnehmern, Tarifvertragsparteien, anderen Arbeitgeberorganisationen, Innungen und Kreishandwerkerschaften, gesetzliche Krankenkassen und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin. Diese systematische Vorgehensweise ermöglicht es der Einzugsstelle, zeitnah umfassende und valide Erkenntnisse über die Betriebe und Betriebsabteilungen, die unter den Geltungsbereich des VTV fallen, soweit er für allgemeinverbindlich erklärt wurde, zu gewinnen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Einzugsstelle grundsätzlich sachgerecht prüfen kann, ob ein Betrieb bzw. eine Betriebsabteilung gerade unter den allgemeinverbindlich erklärten VTV fällt, weil ihr als betroffene Partei auch die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bekannt ist. Angesichts dieser engmaschigen Prüfung und Kontrolle ist davon auszugehen, dass die Summer der von der ZVK bzw. ULAK erfassten Arbeitsverhältnisse den tatsächlichen Stand unter Berücksichtigung des eingeschränkten betrieblichen Geltungsbereichs des VTV und der Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung am genauesten widergibt.
Die Validität der von der ZVK ermittelten „Großen Zahl“ wird durch die Einwände der Antragsteller nicht erschüttert. Soweit diese davon ausgehen, die Zahlen der ZVK seien nicht oder nur eingeschränkt verwertbar, weil diese als gemeinsamer Einrichtung im Sinne des VTV ein Eigeninteresse an der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV habe, konnte die Kammer diesen Einwand nicht folgen. Das Eigeninteresse der ZVK begründet ein besonderes Interesse an einer möglichst weitgehenden Erfassung aller unter dem VTV fallenden Betriebe und damit aller Arbeitsverhältnisse, die unter den für allgemeinverbindlich erklärten Geltungsbereich des VTV fallen. Ein solches Eigeninteresse führt aber zu einer entsprechend hohen „Großen Zahl“ (ebenso bereits LAG Berlin-Brandenburg 08.07.2015 - 4 BVL 5004/14 und 4 BVL 5005/14). Eine geschönte und damit unrealistische großen Zahl hilft aber für die Erfüllung des Quorums gerade nicht weiter, wenn dieser Zahl nicht eine ausreichende „kleine Zahl“ gegenübersteht. Auf die im Verfahren ermittelte „kleine Zahl“ hat die Einzugsstelle aber keinen Einfluss, da diese durch entsprechende Erhebungen bei den tarifgebundenen Arbeitgebern ermittelt wurde.
Die konkrete Ermittlung der Beschäftigungsverhältnisse bei den jeweils erfassten Arbeitgebern unterliegt keinen Bedenken. Die Beschäftigtenzahl beruht in erster Linie auf den abzugebenden Meldungen. Die Zahl der „nicht gemeldeten“ Beschäftigten wird nach sachgerechten Kriterien geschätzt. Soweit die Bruttolohnsumme des Betriebs bekannt ist, wird aufgrund der durchschnittlichen Bruttostundenlöhne die Zahl der Arbeitnehmer errechnet. Soweit Meldungen aus der Vergangenheit vorliegen, werden die durchschnittlichen Arbeitnehmerzahlen der letzten 12 Monate zugrunde gelegt. Hat die zuletzt gemeldete Arbeitnehmerzahl über diesen Durchschnittswert gelegen, ist die höhere Arbeitnehmerzahl zugrunde gelegt worden. Haben keine dieser Möglichkeiten der Schätzungen bestanden, wird auf weitere vorliegende Informationen zurückgegriffen wie z. B. Prüfberichte der Arbeitsverwaltung, Auskünfte der gesetzlichen Krankenkassen und Gewerbeämtern. Dies ermöglicht eine weitgehend zutreffende Ermittlung.
Dass Arbeitnehmer ausländischer Arbeitgeber mit Sitz im Ausland von dieser Zahl nicht erfasst werden, ist darauf zurückzuführen, dass Arbeitnehmer solcher Betriebe nicht unter den Geltungsbereich des VTV fallen und damit nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TVG nicht zur „Großen Zahl“ hinzuzurechnen sind. Die Anwendung tarifvertraglicher Regelungen des VTV trotz Geltung des jeweiligen nationalen Arbeitsrechts für die jeweiligen Arbeitsverhältnisse folgt aus §§ 3, 4 Nr. 1 Arbeitnehmerentsendegesetz (ebenso bereits LAG Hessen 2. Juli 2014 – 18 Sa 619/13 – juris Rnr. 149; LAG Berlin-Brandenburg 08.07.2015 - 4 BVL 5004/14 und 4 BVL 5005/14).
Die Validität der Zahlen der ZVK wird auch nicht durch die im Baubereich vertretene Schwarzarbeit erschüttert. Es liegt in der Natur der Sache begründet, dass die ZVK nicht sämtliche Fälle der Schwarzarbeit aufdecken und die Beschäftigten aus diesem Bereich in ihre Zahlen aufnehmen kann. Allerdings teilte die Kammer die Einschätzung der ULAK, wonach der Anteil der in Schwarzarbeit beschäftigten Personen, die der Einzugsstelle nicht bekannt werden, unter 5 % liegt. Denn auch nach Ansicht der Kammer kommt die Schwarzarbeit im Wesentlichen in der Form vor, dass zwar die Arbeitnehmer gemeldet werden, aber die Arbeitszeit und das Entgelt unzutreffend, nämlich zu niedrig, angegeben werden, um bei bestehender Versicherung die Sozialversicherungsbeiträge und auch die Steuern möglichst niedrig zu halten. Für diesen Umstand spricht im Übrigen auch die als Anlage B12 in Auszügen eingereichte Aufstellung der Daten zum Thema Schwarzarbeit (Bl. 929 d. A.). Soweit dort ein „Vollzeitinlandsschwarzarbeiter“ ermittelt wird, heißt es in der Definition ausdrücklich, dass dies eine fiktive Größe sei, die sich aus den Stunden, in die in der Schattenwirtschaft gearbeitet würden, berechneten. Soweit aber Arbeitnehmer gemeldet werden, ihre Arbeitszeit und das Entgelt aber zu niedrig angegeben werden, hat dies keine Auswirkungen auf die von der ZVK bzw. ULAK ermittelten Beschäftigtenzahlen. Konkrete Tatsachen, die der Einschätzung entgegenstehen, wurden von den übrigen Beteiligten nicht vorgebracht. Angesichts der hier berücksichtigten Zahlen ist der Anteil der unerkannten Schwarzarbeit somit nicht geeignet, Zweifel am Erreichen eines Quorums von deutlich mehr als 50 % zu begründen (LAG Berlin-Brandenburg 09.07.2015 – 3 BVL 5003/14).
Die Anzahl der von der ZVK bzw. ULAK geführten Rechtsstreite spricht nach Ansicht der Kammer in keiner Weise dafür, dass die ULAK nicht in der Lage ist, zeitnah die unter den Geltungsbereich des allgemeinverbindlich erklärten VTV im Wesentlichen realistisch festzustellen. Zum einen handelt es sich, wie sich aus den Auskünften der ULAK ergibt, aber auch gerichtsbekannt ist, zu einem Großteil um gerichtliche Verfahren, in denen nicht die Anwendung des VTV in Streit ist, sondern die Arbeitgeber lediglich ihren Zahlungspflichten nicht nachgekommen sind. Zum anderen bestätigen gerade die von der ULAK anhängig gemachten Klagen, dass sie ihren Aufgaben nachkommt, und bereits dann, wenn es überhaupt nur Anhaltspunkte dafür gibt, dass ein Betrieb unter den Geltungsbereich des allgemeinverbindlich erklärten VTV fällt, aktiv wird. Auch von Seiten der Beteiligten zu 7) bis 27) wird in diesem Zusammenhang nicht substantiiert vorgetragen, dass in relevanter Weise Arbeitgeber, die Betriebe bzw. Betriebsabteilungen führen, die tatsächlich unter den Geltungsbereich des allgemeinverbindlich erklärten VTV fallen, über längere Zeit nicht von der ULAK in Anspruch genommen worden sind ( so auch LAG Berlin-Brandenburg 09.07.2015 – 3 BVL 5003/14)..
Andere vorhandene Datenquellen bzw. Statistiken sind nicht, jedenfalls nicht in gleicher Weise geeignet, um die sog. Große Zahl zutreffend zu ermitteln. Dies folgt bereits daraus, dass allein die ULAK bzw. die ZVK die Beschäftigtenzahl unter Berücksichtigung des Geltungsbereichs des VTV, soweit er für allgemeinverbindlich erklärt wird, ermittelt hat.
Die Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit ist nicht geeignet, die Anzahl der Arbeitnehmer zu ermitteln, die unter Berücksichtigung des § 1 VTV und unter Berücksichtigung der sog. Großen Einschränkungsklausel tatsächlich von der Allgemeinverbindlicherklärung erfasst werden. Die Bundesagentur für Arbeit hat selbst mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 darauf hingewiesen (Bl. 822 d. A.), dass ihr Beschäftigtenzahlen über die im Geltungsbereich des Bundesrahmentarifvertrages Bau Beschäftigten und damit auch im Geltungsbereich des VTV Beschäftigten nicht vorliegen würden.
Daten des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks können keine aussagekräftigen Informationen für die Bestimmung der hier relevanten sog. Großen Zahl geben. Die Eintragung in die Handwerksrolle oder die Mitgliedschaft in einer Innung hat keinerlei Aussagekraft für die Frage, ob ein Betrieb unter den Anwendungsbereich des VTV fällt (vgl. Hessisches LAG 19.07.2004 – 16 Sa 2167/03 – juris Rnr. 31). Die von den Handwerkskammern geführten Verzeichnisse enthalten keine Aussagen über die Anzahl der Beschäftigten. Die Eintragung in die Handwerksrolle oder die Mitgliedschaft in einer Innung lässt keinen konkreten Schluss auf den konkreten Betriebsgegenstand und die dort arbeitszeitlich überwiegend ausgeübten Tätigkeit zu.
Aus Daten, über die die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft verfügt, kann nicht bestimmt werden, wie viele Arbeitnehmer von der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV erfasst werden. Der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft werden zwar die Anzahl von Arbeitnehmern mitgeteilt, deren Zuordnung aber erfolgt nach den jeweiligen Gefahrenklassen, die mit dem Geltungsbereich des VTV nicht übereinstimmen. Eigene Erhebungen musste das BMAS ebenfalls nicht anstellen, da diese von vornherein nicht geeignet waren, ein konkreteres Zahlenbild herbeizuführen, als das der ZVK. Bei einer Umfrage des BMAS hätte sich zunächst schon das Problem gestellt, dass mit einem kompletten Rückläufer der Umfrage nicht zu rechnen gewesen wäre. Soweit Arbeitgeber ohnehin die Geltung des VTV bestreiten, hätten diese auch nicht angegeben, unter den VTV zu fallen und die Zahl ihrer Arbeitnehmer benannt. Schwarzarbeit wäre erst Recht nicht in eine von dem BMAS erstellte Statistik eingeflossen. Auch sonstige mögliche Statistiken und Quellen sind nicht geeignet, aussagekräftigere Informationen über die hier relevanten Zahlen zu geben, als dies die Zahlen der ZVK tun. Dies gilt auch bezogen auf Auskünfte von Krankenkassen, Minijobzentrale oder sonstigen Stellen (so auch LAG Berlin-Brandenburg – 08.07.2015 – 4 BVL5004/14, 5005/14 und 09.07.2015 – 3 BVL 5003/14).
2.3.2.1.3.2 Zur Feststellung der Kleinen Zahl konnte das BMAS auf die Angaben der organisierten Arbeitgeber zurückgreifen. Umfragen der Spitzenverbände bei ihren Mitgliedsverbänden sind dabei eine geeignete Vorgehensweise, um diese Zahl zu ermitteln. Es ist nicht ersichtlich, dass die Zahl der bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigten Arbeitnehmer an einer anderen Stelle und mit höherer Genauigkeit abgefragt werden könnte, als bei den Dachorganisationen der Verbände des Baugewerbes und der Bauindustrie (vgl. Hessisches LAG 2. Juli 2014 – 8 Sa 619/13 – juris; LAG Berlin-Brandenburg 8.7.2015 - 4 BVL 5004/14 und 4 BVL 5005/14; 09.07.2015 – 3 BVL 5003/15).
Der ZDB und der HDB haben zu den Stichtagen zur Ermittlung der „Kleinen Zahl“ eine Befragung bei ihren regionalen Mitgliedsverbänden durchgeführt, deren Ergebnis sie zur Verfahrensakte gereicht haben. Durch die von beiden Verbänden in diesem Zusammenhang gestellten Fragen – wie diese von den beiden Verbänden in diesem Verfahren auch nochmals wiedergegeben wurden, wurde sichergestellt, dass die Mitgliedsverbände nur solche Beschäftigten melden, die auch bei den tarifgebundenen Arbeitgebern tätig sind. OT-Mitgliedschaften werden nach Auskunft des ZDB und HDB ohnehin nur vereinzelt angeboten und soweit dies der Fall ist, nicht mitgezählt.
Eine Verfälschung der Zahl durch sog. Doppelmitgliedschaften kann nach Auffassung der Kammer ausgeschlossen werden. Soweit gemeinsame baugewerbliche und bauindustrielle Landesverbände (Doppelverbände) existieren, erfolgt die Zuordnung der Arbeitnehmer durch den Verband selbst, sodass eine Doppelzählung ausgeschlossen ist. Soweit es erdenkbar ist, dass ein Arbeitgeber zugleich bei einem Mitgliedsverband des ZDB und bei einem Mitgliedsverband des HDB organisiert ist, haben der ZDB und der HDB darauf hingewiesen, dass der Anteil der Betriebe mit Doppelmitgliedschaften äußerst gering ist und dies auch mit der dann anfallenden doppelten Beitragszahlung begründet.
Die Ermittlung der Beschäftigtenzahl beruht auf aussagekräftigen Grundlagen. Entweder teilen die Arbeitgeber selbst die Anzahl der Beschäftigten mit, oder die Anzahl wird auf der Grundlage der für die Beitragszahlung mitgeteilten Bruttolohnsummen errechnet. Dieser Umstand spricht im Übrigen dafür, dass die von dem HDB und dem ZDB ermittelten Beschäftigtenzahlen nicht als zu hoch angesehen werden können. Denn es kann nicht angenommen werden, dass die Arbeitgeber unzutreffend höhere Bruttolohnsummen mitteilen, da sie dies auf ihre Beitragszahlungen auswirken würden.
Es gibt vorliegend keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der HDB oder der ZDB hier die ihm von den Mitgliedverbänden übermittelten Zahlen in relevanter Weise falsch wiedergegeben haben oder dass die Mitgliedsverbände in relevanter Weise die Informationen der bei ihnen organisierten und tarifgebundenen Arbeitgeber unzutreffend an die Spitzenorganisationen weitergeleitet haben.
2.3.2.1.4 Aus diesen Gründen war davon auszugehen, dass zum Stichtag 30.09.2004 582.571 gewerbliche Arbeitnehmer und zum Stichtag 30.09.2005 536.777 gewerbliche Arbeitnehmer unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages gefallen sind. Dies sind die Zahlen, die die ZVK ermittelt und zur Feststellung des Quorums mitgeteilt hat. Das wird von den übrigen Beteiligten nicht bestritten. Die Antragsteller bestreiten insoweit nur, dass die Zahlen der ZVK valide sind, nicht aber die Zahl als solches.
Diesen 582.571 bzw. 536.777 gewerblichen Arbeitnehmern stehen zum Stichtag 30.09.2004 insgesamt 435.717 gewerbliche Arbeitnehmer in organisierten Betrieben gegenüber, nämlich 348.592 gewerbliche Arbeitnehmer aus dem Bereich des ZDB und 107.125 gewerbliche Arbeitnehmer aus dem Bereich des HDB. Zum Stichtag 30.09.2005 betrug die Zahl der in organisierten Betrieben beschäftigten gewerbliche Arbeitnehmer insgesamt 383.425, nämlich 96.043 gewerbliche Arbeitnehmer in den Betrieben aus dem Bereich des HDB und 287.382 gewerbliche Arbeitnehmern in Betrieben aus dem Bereich des ZDB. Die dabei vom BMAS vorgenommene geringfügige Korrektur beruht auf der vom ZDB zum Stichtag 30.09.2005 mit der „Summe der Rücklaufbögen“ errechneten Beschäftigtenzahl. Damit beschäftigten die tarifgebundenen Arbeitgeber zum Stichtag 30.09.2004 74,79% der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer, zum Stichtag 30.09.2005 71,43%. Dass die Mitteilungen sowohl der ZVK als auch der Arbeitgeberverbände nur die Zahl der gewerblichen Arbeitnehmer beinhaltet, führt nicht zu einer fehlerhaften Berechnung des Quorums. Da diese sowohl in die große als auch die kleine Zahl nicht einbezogen wurden, wären beide Zahlen mit gleichen Prozentsätzen zu ergänzen.
2.3.2.1.5 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die von der ZVK errechneten Zahlen durch die Angaben des Statistischen Bundesamtes im Wesentlichen bestätigt werden. Die von der ULAK vorgenommene Nachberechnung in ihrem Schriftsatz vom 23.04.2015 (Bl. 810 – 813 d. A.) zeigt, dass die von der ZVK berechneten Zahlen in sich stimmig sind. Die Nachberechnung, in der die Anzahl von Betriebsinhabern herausgerechnet und eine Schließung der Kleinbetriebslücke im Ausbaugewerbe durch Verdoppelung der Beschäftigtenzahl im Ausbaugewerbe vorgenommen wurde, kann aus Sicht der Kammer als durchaus realistisch angesehen werden. Dass die Zahl von 703.925 Beschäftigten deutlich höher ist als die von der ULAK mitgeteilte Zahl, findet eine vernünftige Erklärung darin, dass aus dieser Zahl die Betriebsinhaber, die Angestellten und Auszubildenden mit den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Prozentzahlen herauszurechnen sind. Es verbleiben dann 535.436 Arbeitnehmer und damit eine nur geringfügige Abweichung von der von der ZVK ermittelten Arbeitnehmerzahl.
Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 9) hat das BMAS in diesem Zusammenhang auch nicht etwa verschiedene Daten in unzulässiger Weise vermengt, sondern lediglich die höheren und damit für die Allgemeinverbindlicherklärung ungünstigeren Daten des Statistischen Bundesamtes als Kontrolle verwendet hat. Es ist dann zu dem zutreffenden Ergebnis gekommen, dass auch in diesem Fall das Quorum erreicht wäre.
2.3.2.1.6 Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen steht für die Kammer mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 % der unter den Geltungsbereich des VTV fallenden Arbeitnehmer beschäftigen.
2.3.2.2 Die weitere Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 TVG aF, nämlich dass die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, liegt vor. Das BMAS hat die Grenzen des ihm zustehenden normativen Ermessens nicht überschritten.
2.3.2.2.1 § 5 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2 TVG aF. eröffnet der zuständigen Behörde einen außerordentlich weiten Beurteilungsspielraum (BVerfG 24. Mai 1977 – 2 BvL 11/74 – BVerfGE 44, 322, 344; BAG 22. Oktober 2003 – 10 AZR - 13/03 - EzA § 5 TVG Nr. 13; BAG 25. Juni 2002 – 9 AZR 406/00 – DB 2003, 2287). Eine gerichtliche Überprüfung kommt deshalb nur insoweit in Betracht, als der Behörde wesentliche Fehler vorzuwerfen sind. Dies folgt zum einen daraus, dass nach dem Gesetzeswortlaut ein öffentliches Interesse nur "geboten erscheinen" muss. Zum anderen bietet die verfahrensmäßige Absicherung der Interessenabwägung eine ausreichende Gewähr dafür, dass die für die Allgemeinverbindlicherklärung zuständige Behörde ihren kraft Gesetzes weiten Beurteilungsspielraum sachgemäß nutzt.
2.3.2.2.2 Die Entscheidung des BMAS, einen Verfahrenstarifvertrag für allgemeinverbindlich zu erklären, der Zwangsbeiträge für das Ausbildungswesen und eine Zusatzrente anordnet, liegt innerhalb dieses Ermessens. Auch die Fortführung des besonderen tariflichen Urlaubsregimes nach § 8 BRTV Bau in Verbindung mit den VTV wird vom weiten Beurteilungsermessen gedeckt. Es kann offenbleiben, welchen Umfang unterjährige Beschäftigungsverhältnisse in der Baubranche noch haben (ebenso LAG Berlin-Brandenburg 17. April 2015 - 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14 -; LAG Hessen 2. Juli 2014 – 18 Sa 619/13 –juris Rn. 160).
2.3.3 § 5 TVG aF. bot auch eine wirksame Rechtsgrundlage für die Allgemeinverbindlicherklärungen. § 5 aF. TVG verstößt weder gegen das Grundgesetz, noch gegen die Grundrechte Charta der EU und gegen sonstiges höherrangiges Recht. Gleiches gilt für die Allgemeinverbindlicherklärung selbst.
2.3.3.1 § 5 TVG aF. ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - AP Nr. 15 zu § 5 TVG; BVerfG 15. Juli 1980 - 1 BvR 24/74 und 1 BvR 439/79 - AP Nr. 17 zu § 5 TVG; BVerfG 10. September 1991 - 1 BvR 561/89 -, NZA 1992, 125) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG 22. September 1993, 10 AZR 371/92, EzA § 5 TVG Nr. 11; BAG 15. November 1995 - 10 AZR 150/95 -; BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 190/10 - AP Nr. 333 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau) verfassungskonform. Dem schließt sich die erkennende Kammer an. Rechtserhebliche Einwände gegen die Verfahrensregelungen, die auf der Grundlage des Tarifvertragsgesetzes erlassen wurde, waren für die Kammer nicht erkennbar.
2.3.3.2 Es sind auch keine Verstöße gegen sonstiges höherrangiges Recht, insbesondere Europarecht ersichtlich. Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob § 5 TVG aF bzw. die Allgemeinverbindlicherklärung überhaupt unter den Anwendungsbereich des Europarechts fällt.
2.3.3.2.1 Ein Verstoß gegen Art. 47 GRC oder gegen Art. 13 EMRK liegt nicht vor (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 13. November 2014 – 14 Sa 1543/13 –). Gerade das Verfahren nach § 98 ArbGG beinhaltet ein Recht auf wirksame Beschwerde iSd. Art. 13 EMRK bzw. wirksamen Rechtsbehelf iSd. Art. 47 GRC.
2.3.3.2.2 Ein Verstoß gegen Art. 12 GRC (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) und Art. 28 GRC (Recht auf Kollektivverhandlungen und Kollektivmaßnahmen) und Art. 11 EMRK (Versammlung- und Vereinigungsfreiheit) ist nicht gegeben. Art. 28 GRC ist gegenüber Art. 12 GRC lex specialis (ebenso LAG Berlin-Brandenburg 13. November 2014 – 14 Sa 1543/13 –). Es ist nicht erkennbar, dass Art. 28 GRC einen weiteren Schutzzweck als Art. 9 Abs. 3 GG haben könnte (LAG Berlin-Brandenburg 13. November 2014 – 14 Sa 1543/13 –). Gleiches gilt für Art. 11 EMRK. Dass die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen die Außenseiter nicht in ihrer Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG verletzt, hat das BVerfG bereits entschieden und ausführlich begründet (vgl. BVerfG 15. Juli 1980 - 1 BvR 24/74 und 1 BvR 439/79 - AP Nr. 17 zu § 5 TVG zu Art. 9 Abs. 3 GG).
2.3.3.2.3 Die in Art. 16 GRC niedergelegte unternehmerische Freiheit wird durch § 5 TVG aF. und durch die auf diesem beruhenden Allgemeinverbindlicherklärungen nicht verletzt. Anderes ergibt sich nicht aus der „Alemo-Herron-Entscheidung“ des EuGH (EuGH 18. Juli 2013 – C–426/11 – EzA Richtlinie 2001/23 EG-Vertrag 1999 Nr. 8 = AP Nr. 10 zu Richtlinie 2001/23/EG). Unabhängig davon, dass der Entscheidung des EuGH ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag, stellte der EuGH in der zur Auslegung des Art. 3 RL 2001/23 ergangenen Entscheidung wesentlich darauf ab, es müsse im Sinne der Wertung des Grundrechts aus Artikel 16 GRC möglich sein, an den Verhandlungen des Tarifvertrags, an den der Erwerber eines Betriebes dynamisch gebunden sein soll, mitzuwirken (vgl. EuGH 18. Juli 2013 – C–426/11 – EzA Richtlinie 2001/23 EG-Vertrag 1999 Nr. 8, zu Rz. 34 – 35). Insoweit liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Erstreckung einer Norm auf Dritte nur dann gerechtfertigt ist, wenn eine Möglichkeit der Beeinflussung besteht. Im Hinblick auf die Erstreckung der Normen eines Tarifvertrags auf Dritte durch eine Allgemeinverbindlicherklärung ist den beteiligten Unternehmen und Verbänden im Vorfeld einer Allgemeinverbindlicherklärung durch die §§ 4 ff. DVO-TVG ein Mitwirkungsrecht eingeräumt. Zwar können die nicht aufgrund Verbandsmitgliedschaft tarifgebundenen Unternehmen nicht den Inhalt des Tarifvertrags beeinflussen, sie könne aber durch ihre Stellungnahme auf die Allgemeinverbindlicherklärung selbst und damit auf die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags – egal welchen Inhalts – in ihrem Unternehmen potentiell Einfluss nehmen. § 6 Abs. 3 DVO-TVG regelt in Verbindung mit § 5 Abs. 2 TVG, dass vor der Entscheidung über den Antrag Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen werden würden, den am Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber sowie den obersten Arbeitsbehörden der Länder, auf deren Bereich sich der Tarifvertrag erstreckt, Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung zu geben ist. Insoweit haben die Unternehmen die Möglichkeit, auf ihre Erfassung durch den Tarifvertrag kraft Allgemeinverbindlicherklärung Einfluss zu nehmen. Der in Art. 16 GRC niedergelegte unternehmerische Freiheit ist damit ausreichend Rechnung getragen.
2.3.3.2.4 Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob einzelne Vorschriften des VTV selbst rechtswidrig sind. Gegenstand eines Verfahrens nach § 98 ArbGG ausschließlich die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung. Diese wird durch die evtl. Unwirksamkeit einzelner Regelungen des VTV, die für die erkennende Kammer nicht ersichtlich waren, nicht tangiert. Anhaltspunkte für eine so maßgebliche Unwirksamkeit des VTV, die dazu führen würde, dass der Tarifvertrag insgesamt nicht für allgemeinverbindlich erklärt werden dürfte, lagen nicht vor.
Die Allgemeinverbindlicherklärungen konnten zum 01.01.2005 bzw. zum 01.01.2006 erfolgen. Eine unzulässige Rückwirkung liegt nicht vor. Bei der Rückwirkung von Allgemeinverbindlicherklärungen sind die Grundsätze über die Rückwirkung von Gesetzen, wie sie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelt worden sind, entsprechend anzuwenden (BAG, Urteil vom 13. November 2013 – 10 AZR 1058/12 –, AP Nr 10 zu § 1 TVG Tarifverträge: Dachdecker). Die Rückwirkung einer Allgemeinverbindlicherklärung verletzt nicht die vom Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) umfassten Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, soweit die Betroffenen mit ihr rechnen müssen. Ein solcher Fall liegt vor, wenn ein Tarifvertrag rückwirkend für allgemeinverbindlich erklärt wird, der einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag erneuert oder ändert. Bei dieser Sachlage müssen die Tarifgebundenen nicht nur mit einer Allgemeinverbindlicherklärung des Nachfolgetarifvertrags, sondern auch mit der Rückbeziehung der Allgemeinverbindlicherklärung auf den Zeitpunkt seines Inkrafttretens rechnen (BAG, Urteil vom 13. November 2013 – 10 AZR 1058/12 – a.a.O). So verhält es sich auch hier. Der VTV war auch in seinen früheren Fassungen für allgemeinverbindlich erklärt worden. Auch sonstige Gründe stehen der Wirksamkeit nicht entgegen. Insbesondere wurde der Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung jeweils vor dem 01.01.2005 bzw. 01.01.2006 gestellt und im Bundesanzeiger veröffentlicht.
2.3.4 Auch alle sonstigen Einwände, die die erkennende Kammer bei ihrer Entscheidung voll umfänglich zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt hat, führten zu keinem anderen Ergebnis. Die hier streitgegenständliche Allgemeinverbindlicherklärung erweist sich als rechtswirksam.
3. Einer Kostenentscheidung bedurfte es nicht, da in Beschlussverfahren nach § 2a Abs. 1 ArbGG iVm. § 2 Abs. 2 GKG Kosten nicht erhoben werden. Dies begünstigt im Verfahren nach § 98 ArbGG die Antragsteller, die im Ergebnis allein wirtschaftliche Interessen verfolgen, zu Lasten der Staatkasse. Anders als in den Beschlussverfahren im Betriebsverfassungsrecht besteht dafür an sich kein Anlass (so zutreffend bereits LAG Berlin-Brandenburg 17. April 2015 - 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14 -). Für eine andere Entscheidung fehlt es indes an einer gesetzlichen Regelung.
4. Die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf §§ 92 Abs. 2 Satz 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.