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Türke; Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken; Langzeitstudent; Verlängerung; verspäteter Antrag,; angebliche Verweigerung der Verlängerung des türkischen Passes; triftiger Grund; Neuerteilung; Tätigkeit als Werkstudent; Anspruch aus Art. 6 ARB 1/80; Absehbarkeit eines erfolgreichen Studienabschlusses verneint; Abschiebungsandrohung; Duldung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 26.03.2013
Aktenzeichen OVG 7 S 18.13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 3 AufenthG, § 16 Abs 1 S 1 AufenthG, § 58 Abs 1 AufenthG, § 58 Abs 2 AufenthG, § 81 Abs 4 AufenthG, Art 6 EWGAssRBes 1/80, § 146 Abs 4 VwGO

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3.750 EUR festgesetzt.

Gründe

Die rechtzeitig erhobene und begründete Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. Dezember 2012 hat auf der Grundlage des nach § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO allein maßgeblichen Beschwerdevorbringens keinen Erfolg.

Der Antragsteller macht mit der Beschwerde zunächst geltend, das Verwaltungsgericht komme rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis, dass sein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 5. April 2012 keine Fiktionswirkung ausgelöst habe. Die insoweit zitierte Rechtsprechung betreffe andere Lebenssachverhalte, schon der Gesetzeswortlaut spreche für eine Unschädlichkeit der verspäteten Antragstellung. Hinzu komme der zeitliche Zusammenhang und das Vorliegen eines triftigen Grundes hierfür, nämlich das zwischenzeitliche Fehlen eines gültigen türkischen Passes, den man ihm wegen Verweigerung des Wehrdienstes nicht neu habe erteilen wollen. Erst durch Änderung der türkischen Regelungen habe er nun wieder einen gültigen Pass.

Dieses Vorbringen rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Das Verwaltungsgericht verweist zu Recht darauf, dass die zuvor in der vom Antragsteller zitierten Rechtsprechung und in der Kommentarliteratur - jedenfalls bei Bestehen eines inneren Zusammenhangs zwischen Ablauf der Geltungsdauer des Titels und Antrag - teilweise vertretene Auffassung im Hinblick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2011 zum Geschäftszeichen 1 C 5.10 nicht haltbar ist. Hierin (juris Rz. 14 ff.) hat dieses überzeugend dargelegt, dass diese Auffassung der Systematik des Aufenthaltsgesetzes widerspreche und auch die Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 81 Abs. 4 AufenthG in der seinerzeit geltenden Fassung erkennen ließen, dass verspätet gestellte Verlängerungsanträge keine Fiktionswirkung auslösten. Dass der Gesetzeswortlaut dieser Norm dem widerspreche, wie der Antragsteller meint, vermag der Senat ebenso wenig zu erkennen, wie er die unsubstantiierte Behauptung nachzuvollziehen vermag, diese nach der genannten Begründung generell für verspätete Verlängerungsanträge geltende und keineswegs auf bestimmte Fallgruppen eingeschränkte, insbesondere von den Gründen für die Verspätung unabhängige Rechtsprechung betreffe andere Sachverhalte.

Soweit das Verwaltungsgericht im Rahmen der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 13. Juni 2012 darüber hinaus die Neuregelung des § 81 Abs. 4 AufenthG prüft, wonach die Ausländerbehörde auch im Falle verspäteter Stellung eines Verlängerungsantrags „zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen“ kann (Satz 2), ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese Regelung vorliegend rechtlich unerheblich ist. Denn sie wurde erst nach Erlass der streitgegenständlichen Abschiebungsandrohung geschaffen und ist am 1. August 2012 in Kraft getreten, ohne dass der Gesetzgeber hierbei eine rückwirkende Übergangsregelung geschaffen hat. Die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers war auch bereits lange zuvor, nämlich am 15. Juni 2011, ausgelaufen. Dies ist offensichtlich auch dem Verwaltungsgericht bewusst gewesen, prüft es diese Regelung doch letztlich nur „unter Billigkeitsgesichtspunkten“. Soweit es dabei ausführt, das Vorbringen des Antragstellers begründe keine unbillige Härte, wäre dem im Übrigen aber auch zu folgen. Denn die Begründung des Gesetzentwurfs zu dieser Regelung macht deutlich, dass der Gesetzgeber hierbei die Fälle verspäteter Antragstellung „aus bloßer Nachlässigkeit und nur mit einer kurzen Zeitüberschreitung“ im Auge hatte (BT-Drs. 17/8682, S. 22 f.). Davon kann hier angesichts der Stellung des Verlängerungsantrags am 5. April 2012, mithin knapp zehn Monate nach Ablauf der bisherigen Aufenthaltserlaubnis, nicht die Rede sein. Zudem liegt auch kein Fall bloßer Nachlässigkeit vor, beruft sich der Antragsteller doch auf die zwischenzeitliche Nichtverlängerung seines türkischen Passes, die ihm eine weitere Immatrikulation nicht ermöglicht habe. Im Übrigen schloss auch das die Stellung eines Antrags auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis beim Antragsgegner keineswegs aus. Die Passpflicht in § 3 AufenthG macht eine solche Antragstellung auch keineswegs von vornherein entbehrlich (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 AufenthG).

Der Antragsteller begründet seine Beschwerde ferner damit, entgegen der verwaltungsgerichtlichen Annahme stehe ihm ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 Assoziationsratsbeschluss EWG/Türkei Nr. 1/80 (ARB 1/80) zu, wobei er sich auf nunmehr vorgelegte Arbeitsplatz- und Gehaltsbescheinigungen sowie eine zwischenzeitliche studienbedingte Unterbrechung für ein Praktikum bei der Firma „u...“ berufe, die als Unterbrechung für den genannten Anspruch unschädlich sei.

Auch dieses Vorbringen und diese Nachweise rechtfertigen keine andere rechtliche Beurteilung. Ein Anspruch aus Art. 6 ARB 1/80 wird hierdurch nämlich nicht belegt. Die beiden Arbeitsplatzbeschreibungen von „a...“ vom 16. Januar 2013 und die vorgelegten Gehaltsnachweise betreffen eine dortige Tätigkeit im Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis zum 28. Februar 2010 sowie eine weitere ab dem 1. Januar 2011. Hierdurch ist zwar eine dortige Tätigkeit im erstgenannten Zeitraum mit wechselnden Bruttogehältern zwischen von 213,84 EUR und 392,04 EUR nachgewiesen. Die vom Verwaltungsgericht im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung u.a. des EuGH zu Recht geforderte Gesamtbewertung als Arbeitsverhältnis im Sinne des Art. 6 ARB 1/80 - und nicht nur als untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit - wird damit jedoch mangels Darlegung näherer Einzelheiten, insbesondere Arbeitszeiten und -tagen, Urlaubsansprüchen, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, nicht ermöglicht. Ob das für die nachgewiesene Tätigkeit des Antragstellers ab Januar 2011 allein im Hinblick auf das Bruttogehalt des Antragstellers in Höhe von 550 EUR bzw. ab Februar 2012 sogar von 800 EUR anders zu beurteilen wäre, mag dahinstehen. Denn das Verwaltungsgericht verweist zutreffend darauf, dass nur Beschäftigungszeiten während der Dauer eines bestehenden Aufenthaltsrechts zu berücksichtigen sind und deshalb der Zeitraum nach dem 15. Juni 2011, d.h. nach Ablauf der Gültigkeit seiner letzten Aufenthaltserlaubnis, außer Betracht bleiben müsse. Das bestreitet der Antragsteller im Übrigen auch nicht bzw. er setzt sich damit entgegen § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO im Beschwerdeverfahren auch nicht auseinander. Die Tätigkeit von Januar bis Mitte Juni 2011 allein begründet jedoch mangels mindestens einjähriger Dauer keine Ansprüche im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80.

Im Übrigen würde sich an dieser Beurteilung aber auch dann nichts ändern, wenn man die Tätigkeit des Antragstellers vom 1. Februar 2008 bis 28. Februar 2010 als von Art. 6 ARB 1/80 seinerzeit geschütztes Arbeitsverhältnis ansehen würde. Denn das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer unerheblichen Unterbrechung der Tätigkeit nach dessen Absatz 2 ist nicht dargelegt. Soweit sich der Antragsteller auf eine „studienbedingte Unterbrechung“ durch ein Praktikum bei der Firma „u...“ beruft, würde das schon nur den Zeitraum vom März bis Mai 2010 betreffen, nicht aber auch die Zeit bis zum erneuten Arbeitsbeginn im Januar 2011. Der Antragsteller hat aber auch nicht belegt, dass es sich hierbei tatsächlich um ein Praktikum im Rahmen seines Studiums gehandelt hat. Das vorgelegte Zeugnis spricht vielmehr lediglich von einer Unterstützung „als studentischer Mitarbeiter“. Auch die vorgelegte Leistungsübersicht der Universität Potsdam vom 15. November 2012 lässt nicht erkennen, dass es sich hierbei um ein Studienpraktikum gehandelt hat. Ein solches dort aufzuführen, wäre angesichts des Umstandes zu erwarten gewesen, dass nach § 19 der vorgelegten Ordnung für das Masterstudium hierfür Leistungspunkte vergeben wurden. Auch nach dem Vorbringen des Antragstellers in der Beschwerdebegründung zur angeblich zu niedrigen Punktzahl in dieser Übersicht hätte es der Benennung dieses Praktikums an dieser Stelle schon wegen der damit verbundenen zusätzlichen Leistungspunkte bedurft.

Soweit der Antragsteller mit der Beschwerdebegründung schließlich geltend macht, ihm könne nicht vorgeworfen werden, sein Studium nicht zielstrebig betrieben zu haben und dessen Beendigung sei in nächster Zeit nicht zu erwarten - tatsächlich sei die Masterarbeit nahezu fertig und könne im Mai abgegeben werden, so dass je nach Korrektur eine Verteidigung ca. zwei bis vier Wochen später möglich sei, auch die erforderlichen Scheine seien „abgelegt“ und eine Korrektur der Leistungsübersicht zur Erreichung der notwendigen Leistungspunktzahl beantragt -, so dass eine Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung auch aus entwicklungshilferechtlichen Gründen unverantwortlich erscheine und ihm zumindest eine Duldung erteilt werden müsse, kann die Beschwerde ebenfalls keinen Erfolg haben.

Für die mit dem Hauptantrag begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 13. Juni 2012 ist dieses Vorbringen unerheblich. Denn diese setzt gemäß § 58 Abs. 1 und 2 AufenthG nur eine vollziehbare Ausreisepflicht voraus. Daran jedoch bestehen nach den obigen Ausführungen insbesondere mangels eines Aufenthaltsrechts des Antragstellers und Fiktionswirkung seines am 5. April 2012 gestellten Verlängerungsantrags keine Zweifel.

Hinsichtlich des hilfsweise geltend gemachten Duldungsbegehrens ist auf die diesbezüglichen Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichts zu verweisen. Mit diesem setzt der Antragsteller nur insoweit auseinander, als er die dortige Annahme bestreitet, ihm stehe kein Anspruch auf Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken nach § 16 Abs. 1 Satz AufenthG zu, da die Entscheidung hierüber im Ermessen stehe und eine Ermessensreduzierung auf Null nicht gegeben sei, weil eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen erfolgreichen Studienabschluss auch durch die Stellungnahme der Universität Potsdam vom 15. November 2012 angesichts der hierin erwähnten Unwägbarkeiten und des dortigen eher zurückhaltenden Fazits nicht hinreichend belegt sei. Insoweit beruft sich der Antragsteller auf in der Leistungsübersicht vom 15. November 2012 nicht berücksichtigte weitere Leistungsnachweise. Das ist schon insoweit nicht nachvollziehbar, als von den fünf mit der Beschwerde vorgelegten Kopien von Nachweisen vier bereits in der genannten Leistungsübersicht auftauchen und insbesondere auch die Daten der ausgestellten Nachweise über bereits lange Jahre zurückliegende Veranstaltungen Zweifel bezüglich Echtheit oder jedenfalls tatsächliche Teilnahme aufwerfen. Der behauptete Antrag der Korrektur der Leistungsübersicht ist entgegen der Ankündigung nicht glaubhaft gemacht worden.

Letztlich ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, die zutreffend als „eher zurückhaltend“ bewertete universitäre Stellungnahme belege keinen erfolgreichen Studienabschluss in absehbarer Zeit, im Ergebnis jedenfalls deshalb als zutreffend anzusehen, weil der Antragsteller bereits im Rahmen eines früheren Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis eine Bescheinigung der philosophischen Fakultät Potsdam vom 6. Juni 2010 vorgelegt hatte, wonach er „im Oktober 2010“ mit der Anfertigung seiner Masterarbeit begonnen habe (richtig wohl: beginnen werde). Auch datiert die letzte erbrachte Studienleistung des Antragstellers nach der erwähnten Leistungsübersicht und den erwähnten Kopien von nunmehr nachgereichten Leistungsnachweisen vom WS 2010/11, liegt mithin schon zwei Jahre zurück. Hinzu kommt, dass der Antragsteller ausweislich eines Vermerks anlässlich seines Verlängerungsantrags vom 5. April 2012 erklärt haben soll, er wolle jetzt auch „hauptsächlich arbeiten“. Dass er gleichzeitig einen Antrag auf Erlaubnis einer seitens der Bundesagentur für Arbeit zustimmungspflichtigen Beschäftigung vom 22. März 2012 und einen Arbeitsvertrag vom 14. März 2012 über eine Vollzeittätigkeit ab dem 1. April 2012 mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden bei der S..., Geschäftsführer S..., vorgelegt hat, spricht für die Richtigkeit dieses Vermerkes. Ob diese Tätigkeit dann tatsächlich aufgenommen wurde, erscheint angesichts der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Arbeitszeitbescheinigungen vom 16. Januar 2013 zwar zweifelhaft, ersichtlich handelt es sich dabei aber um eine im Aufgabenbereich vergleichbare Tätigkeit für den genannten S... als Inhaber von „a...“. Zudem befand sich der Antragsteller nach der vorgelegten Immatrikulationsbescheinigung im Sommersemester 2012 bereits im 11. Fachsemester, wobei die Regelstudienzeit nach § 4 der vorgelegten Ordnung des Studienganges einschließlich der Zeit für die Anfertigung der Masterarbeit lediglich vier Semester beträgt. Die Verzögerung - angesichts seiner Ersteinreise zu Studienzwecken ins Bundesgebiet im November 2004, der anschließenden Studienvorbereitung und zwischenzeitlichen Einschreibung an der FU Berlin - wird vom Antragsteller mit notwendigem Spracherwerb nicht erklärt und dürfte so auch nicht zu erklären sein.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 52 Abs. 2 GKG (vgl. die zutreffende Begründung insoweit im verwaltungsgerichtlichen Beschluss).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).