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Posttraumatische Belastungsstörung - besondere berufliche Betroffenheit - Berufsschadensausgleich


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat Entscheidungsdatum 07.03.2014
Aktenzeichen L 13 VE 36/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 30 BVG, § 31 BVG, § 21 StrRehaG

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. August 2010 aufgehoben sowie der Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 22. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2006 in der Fassung des Bescheides vom 23. Juli 2008 verpflichtet, dem Kläger ab Juni 2000 Versorgungsleistungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 50 unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit und einen Berufsschadensausgleich zu gewähren.

Der Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten gerichtlichen Verfahrens zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Schädigungsfolgen (GdS – der bis 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE] bezeichnet wurde) und die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der 1938 geborene Kläger schloss in der DDR eine Fleischerlehre ab und war anschließend in diesem Beruf – abgesehen von der sich über ein Jahr erstreckenden Tätigkeit in einem Bergwerk im Ruhrgebiet – beschäftigt. Er plante eine Ausbildung zum Fleischermeister. Weil er seiner Verlobten zur Flucht aus der DDR verhelfen wollte, befand er sich vom 30. November 1963 bis zum 20. September 1966 in Untersuchungs- bzw. Strafhaft. Nach der Haftentlassung und Übersiedlung in die Bundesrepublik war er u.a. als Fleischer sowie, teilweise auch selbständig, als Fleischeinkäufer tätig. Später hat er in B einen Marktstand für Fleischwaren betrieben. Von 1999 bis zu seiner Berentung 2003 arbeitete er im Kräutergeschäft seiner Lebensgefährtin.

Von 1968 bis 1976 bezog der Kläger Versorgungsbezüge nach dem Häftlingshilfegesetz in Verbindung mit dem BVG bei einer MdE von 25 v.H. für die Schädigungsfolgen Magenkatarrh, vegetative Labilität sowie Verlust und Beschädigung von Zähnen. Die Leistungen wurden eingestellt, nachdem bei einer Nachuntersuchung festgestellt worden war, dass die MdE nach Abheilung des Magenkatarrhs und der vegetativen Labilität nur noch 0 v.H. betrage.

Das Landgericht B hob im Rehabilitierungsverfahren mit Beschluss vom 29. März 1994 das Strafurteil gegen den Kläger als rechtsstaatswidrig auf und stellte fest, dass der Kläger zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten hatte.

Am 26. Juni 2000 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem StrRehaG. Auf der Grundlage der beigezogenen ärztlichen Unterlagen und des Gutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. D vom 12. November 2004 erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 22. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2006 bei dem Kläger als Folgen einer Schädigung im Sinne des § 21 StrRehaG an:

1.chronifizierte posttraumatische Belastungsreaktion (Einzel-MdE 25 = 30 v.H.) und
2.Verlust des Zahnes oben links 1, Beschädigung des Zahnes oben links 2, unscheinbare Narben Oberlippe, Mundvorhof (Einzel-MdE 0 v.H.)

Hierbei setzte er die MdE auf 25 = 30 v.H. fest. Die Anerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit und die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs lehnte der Beklagte ab.

Mit der Klage bei dem Sozialgericht Berlin hat der Kläger Versorgungsleistungen nach einem GdS von 50 unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit sowie einen Berufsschadensausgleichs begehrt.

Das Sozialgericht hat neben Befundberichten der den Kläger behandelnden Ärzte das Gutachten des Diplom-Psychologen T L vom 19. November 2007 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass der Kläger unter einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, d.h. einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (F 62.0 der ICD-10), leide, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch die Haftzeit verursacht worden sei. Die Höhe des GdB hat der Gutachter mit 40, ab 9. März 2002 mit 50 eingeschätzt: Eine Kontrolle auf dem Markt habe der Kläger im Sinne einer Reaktualisierung traumatischer Inhalte erlebt. In ihm seien erneut massive Gefühle von Ausgeliefertsein und Ohnmacht entstanden, die zu seiner Dekompensation geführt hätten. Der Kläger leide unter schweren Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Durch die Schädigungsfolgen sei der Kläger in seiner beruflichen Tätigkeit als Fleischergeselle betroffen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei er aufgrund der festgestellten Schädigungsfolgen nachweisbar am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert.

Der Beklagte hat daraufhin mit Bescheid vom 23. Juli 2008 dem Kläger Versorgungsleistungen nach einem GdS von 40 mit Wirkung ab 1. Juni 2000 gewährt.

Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 24. August 2010 den Diplom-Psychologen T L zur Erläuterung seines Gutachtens gehört. Mit Urteil vom gleichen Tage hat es die Klage abgewiesen. Der Kläger habe weder einen Anspruch auf Feststellung eines GdS von 50 noch auf Gewährung eines Berufsschadensausgleichs.

Mit der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. A vom 13. Dezember 2011, der bei dem Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt hat. Der Sachverständige hat dargelegt, dass der GdS mit 40 angemessen beurteilt sei, da der Kläger an einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit leide. Der Kläger sei in seiner beruflichen Tätigkeit als Fleischer nicht besonders betroffen. Auch sei er nicht nachweisbar am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert.

Auf den Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie E vom 14. Januar 2013 eingeholt. Die Gutachterin hat bei dem Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung mit Änderung der Persönlichkeit nach Extrembelastung festgestellt. Sie hat den GdS bis 2002 mit 40 bewertet, nach der Reaktivierung 2002 mit 50, da die Symptomatik von da an deutlich gravierender ausgeprägt sei. Nach Ansicht der Gutachterin ist der Kläger in seiner beruflichen Tätigkeit als Fleischergeselle besonders betroffen und auch an einem weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. August 2010 zu ändern sowie den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 22. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2006 in der Fassung des Bescheides vom 23. Juli 2008 zu verpflichten, ihm ab Juni 2000 Versorgungsleistungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 50 unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit und einen Berufsschadensausgleich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist unter Berufung auf die versorgungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S vom 5. März 2013 der Ansicht, dass die Beeinträchtigungen der sozialen Teilhabe mit einem GdS von 40 hinreichend bewertet seien und dass eine besondere berufliche Betroffenheit nicht vorliege.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn der Kläger hat einen Anspruch auf die von ihm begehrte Versorgung nach dem StrRehaG.

Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG erhält ein Betroffener, der infolge der Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes.

1. Der Kläger hat Anspruch auf Versorgungsleistungen nach §§ 30, 31 BVG auf der Grundlage eines GdS von 50 unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit.

Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass die – hier allein maßgeblichen – psychischen Störungen des Klägers, die der Beklagte im Bescheid vom 22. Februar 2005 als „chronifizierte posttraumatische Belastungsreaktion“ bezeichnete, Folgen der in der DDR zu Unrecht vom 30. November 1963 bis zum 20. September 1966 erlittenen Freiheitsentziehung, einer Schädigung im Sinne des § 21 StrRehaG, sind.

Die Höhe des GdS ist – ohne Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit – von allen im Gerichtsverfahren gehörten Gutachtern für den Zeitraum von Juni 2000 bis 2002 übereinstimmend und zutreffend mit 40 bewertet worden. Nach Überzeugung des Senats ist – wiederum ohne Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit – auch für den Zeitraum ab dem 9. März 2002 ein GdS in dieser Höhe angemessen. Er folgt insoweit den Darlegungen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. A in dessen Gutachten vom 13. Dezember 2011. Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, dass die bis heute anhaltenden Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Albträumen, physiologischen Reaktionen bei Erinnerung, Vermeidungsverhalten, einem gewissen emotionalen Betäubungsgefühl sowie einer chronischen Übererregbarkeit in Gestalt von chronischen Durchschlafstörungen, einer erhöhten Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit und Panikzuständen im Hinblick auf den Grad der sozialen Anpassungsstörungen als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit zu beurteilen sind. Nach Nr. 26.3 der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) in den hier maßgeblichen Fassungen von 1996 bis 2008 sowie Teil B Nr. 3.7 der in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) festgelegten „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“, welche die AHP – ohne dass hinsichtlich der medizinischen Bewertung eine grundsätzliche Änderung eingetreten wäre – mit Wirkung ab 1. Januar 2009 abgelöst haben, ist hierfür ein GdS-Rahmen von 30 bis 40 vorgesehen. Angesichts der Qualität der genannten Einschränkungen ist es gerechtfertigt, den GdS mit 40 – ohne Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit – zu bestimmen.

Den Vorschlägen des Diplom-Psychologen Tr-L im Gutachten vom 19. November 2007 und der nach § 109 SGG gehörten Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie E im Gutachten vom 14. Januar 2013, für den Zeitraum ab der Kontrolle auf dem Markt im März 2002, die für den Kläger zu einer Reaktivierung traumatischer Inhalte führte, einen GdS von 50 anzunehmen, folgt der Senat nicht. Nach Nr. 26.3 der AHP bzw. Teil B Nr. 3.7 der Anlage zur VersMedV ist ein GdS von 50 nur für schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen vorgesehen. Auch nach Würdigung der Ausführungen beider Sachverständigen hat der Senat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass bei dem Kläger seit 2002 psychische Störungen dieses Ausmaßes vorliegen.

Im Rahmen der Erläuterung seines Gutachtens hat der Diplom-Psychologe T L in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht vom 24. August 2010 ausgeführt, er habe bei dem Kläger mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten festgestellt, da „vor allen Dingen“ Auswirkungen auf den beruflichen Werdegang hätten konstatiert werden müssen. Damit hat der Gutachter die rechtlichen Vorgaben für die Bestimmung des GdS verkannt. Denn nach Nr. 18 Abs. 1 der AHP bzw. Teil A Nr. 2b der Anlage zur VersMedV ist der GdS grundsätzlich unabhängig vom ausgeübten oder angestrebten Beruf zu beurteilen. Auch die Feststellungen der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie E tragen einen GdS in Höhe von 50 nicht. Sie hat dargelegt, dass die erheblichen Schlafstörungen, die Ängste mit Panikgefühlen, die wechselnde Stimmungslage, die teilweise auftretende Antriebs- und Hoffnungslosigkeit, die für den Kläger schwer zu kontrollierenden Affektausbrüche und Panikattacken sowie die veränderte Einstellung anderen Menschen gegenüber mit starkem Misstrauen zu erheblichen Einschränkungen in der sozialen Kontaktfähigkeit, im Umgang mit Gruppen, in hierarchischen Strukturen und zu Problemen, sich einzuordnen und anzupassen, führten. Auch stehe der Kläger ständig in Gefahr, erneute Reaktivierungen zu erleben, und weise deshalb ein starkes Vermeidungsverhalten auf. Auf der Grundlage dieser Störungen hat die Sachverständige bis 2002 einen GdS von 40 vorgeschlagen. Deren Bewertung, ab der Reaktivierung 2002 habe sich ein GdS von 50 entwickelt, ist für den Senat nicht nachzuvollziehen. Zur Begründung hat die Gutachterin ausgeführt, dass ab diesem Zeitpunkt die Symptomatik deutlich gravierender ausgeprägt gewesen sei. Der Kläger habe sich, nachdem er in Folge der Marktkontrolle dekompensiert sei, in Behandlung begeben, da er trotz seines Vermeidungsverhaltens aufgrund der erlebten massiven Krise doch eingesehen habe, Hilfe zu benötigen. Aus dem Gutachten wird nicht hinreichend deutlich, inwieweit es konkret zu einer relevanten, d.h. einen GdB von 50 rechtfertigenden Verstärkung der psychischen Störungen des Klägers gekommen ist. Nach allem hat der Senat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Kläger ab 2002 an mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten leidet.

Die Höhe des GdS ist indes unter Ansehung des § 30 Abs. 2 BVG wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit des Klägers um einen Zehnergrad auf 50 anzuheben. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist der GdS höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist nach Satz 2 insbesondere der Fall, wenn

1.auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

Vorliegend ergibt sich die besondere berufliche Betroffenheit des Klägers aus dem Regelbeispiel des § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BVG. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger aufgrund seiner schädigungsbedingten psychischen Störungen daran gehindert war, die von ihm angestrebte Berufsqualifizierung zum Fleischermeister durchzuführen. Zwar hat der Sachverständige Dr. A nachvollziehbar dargelegt, dass eine besondere berufliche Betroffenheit nicht darauf abzuleiten ist, dass der Kläger seinen Angaben zufolge nach der Haft zunehmend Probleme gehabt habe, mit rohem Fleisch und Blut umzugehen. Denn es ist – wie der Gutachter ausgeführt hat – tatsächlich wenig plausibel, dass das blutige Fleisch für den Kläger belastende Hafterlebnisse symbolisierte. Auch der Kläger hat einen derartigen Zusammenhang nicht hergestellt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass er nach der Haft in der Lage war, über mehrere Jahre den Beruf des Fleischers auszuüben und später – bis zu seiner Tätigkeit im Kräutergeschäft – weiterhin mit Fleisch umzugehen, zuletzt als Fleischverkäufer auf Märkten. Die – erstmalig gegenüber dem Gutachter Dr. A geäußerten – Angaben des Klägers, er habe Probleme, rohes Fleisch zu berühren und den Anblick von Blut weniger gut aushalten zu können, sind zudem wenig konsistent im Vergleich zu der Schilderung gegenüber dem Sachverständigen T L, nach der Haft habe er zunächst in einem Schlachthof im Akkord gearbeitet, sei dann aber Fleischverkäufer geworden, weil er die körperliche Arbeit als sehr anstrengend empfunden habe. Allerdings war der Kläger nachweisbar aus einem anderen Aspekt an dem weiteren Aufstieg vom Fleischergesellen zum Fleischermeister gehindert: In weitgehender Übereinstimmung mit den Schlussfolgerungen des Gutachters T L hat die Sachverständige E dargelegt, dass der Kläger, der sich nach der Haftentlassung bemühte, noch in seinem Beruf als Fleischer tätig zu sein, durch dessen haftveränderte Einstellungen und psychische Labilität erhebliche Probleme bei der Ausübung dieses Berufs hatte. Besonders im Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten kam es immer wieder zu schweren Autoritätskonflikten durch starke Kränkbarkeit, erhöhte Reizbarkeit sowie Probleme, die eigenen Gefühle zu kontrollieren und zu steuern, weshalb er die Tätigkeiten häufiger wechselte. Mit der Wahl des Berufs des Fleischverkäufers, die einen Aufstieg zum Fleischermeister ausschloss, konnte er selbständiger und von Vorgesetzten und Kollegen unabhängiger zu arbeiten. Auch hatte er im Beruf des Fleischverkäufers ein höheres Maß an Rückzugsmöglichkeiten. Der Verkehr mit den Kunden war ihm möglich, da diese wechselten und kein dauerhafter vertrauter Umgang erforderlich war.

2. Der Kläger hat ab Antragstellung auch einen Anspruch auf Gewährung eines Berufsschadensausgleichs nach § 30 Abs. 3 BVG auf der Basis des Vergleichseinkommens eines Fleischermeisters. Danach erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (§ 30 Abs. 4 BVG) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 6 BVG. Aus den oben genannten Gründen war dem Kläger schädigungsbedingt die Qualifikation zum Fleischermeister nicht mehr möglich. Er war, wie die Sachverständige E überzeugend ausgeführt hat, darauf angewiesen, für sich Nischen zu finden, wie dies im Beruf des Fleischverkäufers und später des Kräuterverkäufers möglich war.

Die nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.