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Zweitwohnungssteuer


Metadaten

Gericht VG Potsdam 10. Kammer Entscheidungsdatum 19.09.2011
Aktenzeichen 10 K 1548/06 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Zweitwohnungssteuerbescheid des Beklagten vom 7. August 2008 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.

Tatbestand

Am 20. Januar 2005 beschloss die Stadt Zehdenick eine Zweitwohnungssteuersatzung. Diese ist später ersetzt worden durch die Zweitwohnungssteuersatzung vom 15. Juli 2008 (ZwWoStS, bekannt gemacht im Amtsblatt für die Stadt Zehdenick vom 31. Juli 2008, S. 2 ff.), die sich in § 9 Satz 1 („Inkrafttreten“) Rückwirkung auf den 1. März 2005 beimisst. Zur Steuerhöhe trifft die Satzung folgende Bestimmungen:

§ 3
Steuermaßstab

(1) Die Steuer bemisst sich nach der auf Grund des Mietvertrages im Besteuerungszeitraum geschuldeten Nettokaltmiete. Als im Besteuerungszeitraum geschuldete Nettokaltmiete ist die für den ersten vollen Monat des Ermittlungszeitraumes geschuldete Nettokaltmiete, multipliziert mit der Zahl der in den Besteuerungszeitraum fallenden Monate, anzusetzen. …

(2) Statt des Betrages nach Absatz 1 gilt als jährliche Nettokaltmiete für solche Wohnungen, die eigengenutzt, ungenutzt, zum vorübergehenden Gebrauch, unentgeltlich oder unterhalb der ortsüblichen Miete überlassen sind, die übliche Miete zu Beginn des Ermittlungszeitraumes. Die übliche Miete wird in Anlehnung an die Nettokaltmiete geschätzt, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Ist die übliche Miete für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung nicht zu ermitteln, wird die übliche Miete gemäß § 12 KAG i.V. mit § 162 Abgabenordnung (AO) vom 16.03.1976 (BGBI. I S. 613) in der jeweils gültigen Fassung auf andere sachgerechte Art geschätzt.

(3) Die bei der Schätzung der üblichen Miete maßgebliche Wohnfläche ist ... .

§ 4
Steuersatz

(1) Die Steuer beträgt 8 % der Nettokaltmiete nach § 3 dieser Satzung.

... .

Ausgehend hiervon setzte der Beklagte zunächst mit Zweitwohnungssteuerbescheid vom 14. Februar 2006 gegen die Kläger für die von diesen eigengenutzte Zweitwohnung eine Zweitwohnungssteuer in Höhe von insgesamt 161,32 € für die Kalenderjahre 2005 (ab 1. März) und 2006 fest. Gegen den Bescheid legten die Kläger Widerspruch ein u. a. mit der Begründung, die lediglich zeitweise Nutzung ihres Wochenendhauses rechtfertige nicht die Erhebung einer Jahressteuer.

Nach Zurückweisung des Widerspruchs haben die Kläger am 26. Juli 2006 unter Vertiefung ihrer Argumentation Klage gegen den Steuerbescheid erhoben.

Nach Neuerlass der Satzung im Jahr 2008 erließ der Beklagte unter dem 7. August 2008 einen neuen Zweitwohnungssteuerbescheid. Darin setzte er unter ausdrücklicher Aufhebung des ursprünglichen Bescheids zusätzlich die Steuer für die Jahre 2007 und 2008 fest (insgesamt nunmehr 337,30 €) und bestimmte die Fortgeltung des Bescheids für künftige Jahre. Den Jahresbetrag der Steuer (87,99 €) ließ er dabei unverändert. Auch gegen diesen Bescheid haben die Kläger Widerspruch eingelegt, der unbeschieden geblieben ist.

Die Kläger beantragen,

den Zweitwohnungssteuerbescheid des Beklagten vom 7. August 2008 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor: Die für die Bestimmung der Steuerhöhe maßgebliche Vergleichsmiete habe man anhand von Daten geschätzt, die für kommunale Wohnungen ermittelt worden seien. Dabei habe man eine Differenzierung nach Ausstattung, Beschaffenheit und Lage vorgenommen. Auch seien die Werte aus qualifizierten Mietspiegeln von Städten der näheren Umgebung in die Bewertung eingeflossen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Anfechtungsklage (§ 42 VwGO) ist begründet. Die angegriffene Steuerfestsetzung ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Zweitwohnungssteuerbescheid vom 7. August 2008, der vollständig an die Stelle der ursprünglichen Veranlagung vom 14. Februar 2006 getreten ist, kann nicht auf die - rückwirkend zum 1. März 2005 in Kraft getretene - Zweitwohnungssteuersatzung vom 15. Juli 2008 (ZwWoStS) gestützt werden. Die Höhe der Steuer ist vom Beklagten jedenfalls nicht nach dem darin enthaltenen Steuermaßstab ermittelt worden; auch sieht das Gericht keine Möglichkeit, dies im gerichtlichen Verfahren nachzuholen.

Obschon es dem Satzungsgeber freigestanden hätte, für die Bemessung der Steuer einen pauschalen Maßstab zu wählen,

vgl. etwa zur Zulässigkeit eines Maßstabs, der sich an der Flächengröße orientiert: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29. Januar 2003 – BVerwG 9 C 3.02 – vgl. bei juris insbes. Rdnr. 23; vgl. zur praktischen Anwendbarkeit eines solchen Pauschalmaßstabs VG Potsdam, Beschluss vom 15. Februar 2011 – VG 10 L 46/11 –,

hat er sich vorliegend in § 3 Abs. 1 ZwWoStS für die Jahresnettomiete als Maßstab für die Berechnung der Steuerhöhe entschieden. Für den Fall, dass – wie hier – die Wohnung nicht vermietet, sondern vom Eigentümer selbst genutzt wird, also „eigengenutzt“ ist, sieht § 3 Abs. 2 Satz 1 ZwWoStS ergänzend vor, dass als Nettokaltmiete im Sinne des Absatzes 1 die ortsübliche Miete gilt. Die ortsübliche Miete wiederum ist gemäß Satz 2 in Anlehnung an diejenige Nettokaltmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird.

Diesen Anforderungen wird die Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch den Beklagten für Wohnungen der Art wie die streitbetroffene Wohnung nicht gerecht. Die von ihm herangezogenen Vergleichswerte erweisen sich nicht als Vergleichswerte für „Räume gleicher oder ähnlicher Art“. Offenbar hat er lediglich Mieten für „normale“ Mehrfamilienhäuser im Eigentum der Gemeinde bzw. kommunaler Wohnungsunternehmen ermittelt. Anhand dieser Mietwerte lassen sich die Besonderheiten von Wochenendhäusern und Erholungsbauwerken, landläufig „Datschen“ genannt, gleich ob sie ganzjährig nutzbar sind oder nicht, nicht hinreichend abbilden. Auch ganzjährig nutzbare „Datschen“ werden schon aufgrund ihrer geringen Größe, ihrer Lage und ihrer Ausstattung mehr oder minder ausnahmslos lediglich zu Erholungszwecken als „Wochenendhaus“ und damit offenkundig eben nicht wie eine gewöhnliche Wohnung, die zumeist als Hauptwohnsitz dient, genutzt. Es liegt auf der Hand, dass deshalb für – auch winterfeste – „Datschen“, wenn überhaupt, ein gesonderter Mietmarkt besteht, der auch eigens zu betrachten wäre. Solche gesonderten Vergleichswerte hat der Beklagte jedoch nicht ermittelt.

Das vom Beklagten herangezogene Datenmaterial ist auch nicht geeignet, die ortsübliche Vergleichsmiete nach dem Hilfsmaßstab des § 3 Abs. 2 Satz 3 ZwWoStS zu bestimmen. Nach dieser Bestimmung wird die ortsübliche Miete gemäß § 12 KAG i. V. m. § 162 der Abgabenordnung (AO) auf andere sachgerechte Art geschätzt, wenn die ortsübliche Miete für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung nicht zu ermitteln ist.

Zur Frage der sachgerechten Schätzung vertritt das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg

– vgl. Beschluss vom 13. Mai 2011 - OVG 9 B 19.10 -,–

die Auffassung, dass es nicht von vornherein unzulässig ist, ausgehend von der ortsüblichen Miete, die für eine bestimmte Kategorie von vermieteten Erstwohnungen gezahlt wird, auf die hypothetische Miete von Zweitwohnungen zu schließen, indem Zu- und Abschläge nach Lage, Bauart und Ausstattung vorgenommen werden. Allerdings muss die Bemessung der Zu- und Abschläge nach plausiblen und nachvollziehbaren Parametern folgen. Eine Schätzung muss die Realität nicht in allen Einzelfällen treffen, muss sie aber nach nachvollziehbaren und auf allen zur Verfügung stehenden Erkenntnis- und Erfahrungsquellen fußenden Kriterien abzubilden suchen. Prozentuale Abschläge für Bauart und Ausstattung müssten erkennen lassen, ob den konkreten prozentualen Abschlagsstufen lediglich weitgehend beliebige Setzungen der Gutachterin oder aber Erfahrungswerte zu Grunde liegen, die durch Tatsachen- und Erfahrungswissen unterlegt sind.

Diesen Anforderungen wird die Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch den Beklagten für Datschen – ungeachtet ihrer jeweiligen Bauausführung – nicht gerecht. Die von ihm ermittelten Vergleichswerte erweisen sich für Wohnungen der Art wie die streitbetroffene Wohnung letztlich als ein lediglich gegriffener Wert, der nicht durch zureichendes Tatsachen- und Erfahrungswissen unterlegt ist.

Das ergibt sich allerdings nicht bereits aus dem Umstand, dass „Datschen“ ganz überwiegend nicht zur ganzjährigen Nutzung geeignet sind. Denn allein dieser Umstand kann realitätsnah im Einzelfall durch Ab- oder Zuschläge bei Vorhandensein oder Fehlen insoweit einschlägiger Bauart- und Ausstattungsmerkmale (z. B. Heizung, Wärmedämmung) bei der Schätzung realitätsnah erfasst werden (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, a. a. O., Rdnr. 10).

Das vom Beklagten verwendete Datenmaterial erschließt jedoch keine Vergleichswerte, anhand derer sich die Besonderheiten von „Datschen“, wie sie bereits zuvor ausgeführt worden sind, überhaupt der Miethöhe nach abbilden lassen. Soweit der Beklagte mit Zu- und Abschlägen arbeitet, orientieren sich diese allesamt an den Werten, die für „normale“, nämlich regelmäßig dauerhaft genutzte Wohnungen ermittelt wurden.

Dabei hält es die Kammer keineswegs für ausgeschlossen, dass sogar für eine „Datsche“ ein höherer Wert als etwa für eine Wohnung im billigsten „Plattenbau“ ermittelt wird vor dem Hintergrund, dass das Interesse an der Nutzung einer „Datsche“ nicht nur dem Erholungsbauwerk selbst, sondern maßgeblich auch der Nutzung eines häufig ausgedehnten Grundstücks, womöglich in begehrter Lage, etwa in Seenähe, gilt.

Entgegen der Auffassung des Beklagten führt auch eine Berücksichtigung der Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz im Urteil vom 26. April 2002 (6 A 11634/01 – bei juris Rdnr. 24 f.) zu keinem anderen Ergebnis. Zwar lag jener Entscheidung ebenfalls ein Fall zugrunde, in dem satzungsrechtlich bei eigengenutzten Zweitwohnungen zur Ermittlung des jährlichen Mietaufwands auf Vergleichwerte abzustellen war, die für „Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird“, und die Steuerbehörde bei der Schätzung der Vergleichsmiete auf Werte aus einem Mietspiegel zurückgegriffen hatte. In jenem Fall sah das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz die Anforderungen an die Schätzung der üblichen Miete für ein nicht dauerhaft nutzbares Ferienhaus allerdings als erfüllt an, indem es davon ausging, die Behörde habe die Schätzung „durch Berücksichtigung der Besonderheiten solcher Objekte“ vorgenommen. Insoweit konnte das Gericht den Vergleichswert, den die Behörde für die in einem Ferienhausgebiet gelegene Zweitwohnung mittels eines Abschlags von den im Mietspiegel aufgeführten Werten ermittelt hatte, zusätzlich abgleichen mit Werten, die sich aus einem „Ferienkatalog“ für Wohnungen in einem vergleichbaren Ferienhausgebiet ergaben. Im Unterschied hierzu konnte der Beklagte nach dem Gesagten aber gerade nicht auf ähnlich konkrete Anhaltspunkte zurückgreifen, aus denen sich realitätsnahe Werte ermitteln ließen, die den Besonderheiten von „Datschen“ Rechnung tragen.

Das Gericht sieht sich auch nicht imstande, die Schätzung seinerseits nachzuholen. Die Datenerhebung des Beklagten selbst macht deutlich, dass ein örtlicher Mietmarkt, der ausreichend Vergleichswerte für „Datschen“ liefern würde, offenbar nicht feststellbar ist. Dem Gericht sind im Übrigen auch aus anderen kommunalen Bereichen bekannt, dass die Kommunen und sogar von ihnen beauftragte Sachverständige sich ausnahmslos außerstande sehen, Beispiele vermieteter „Datschen“ – jedenfalls in aussagekräftiger Anzahl – zu benennen.

Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch der Rohmietenmaßstab in der Ausprägung, wie ihn die Vorgängersatzung vom 20. Januar 2005 noch vorsah (vgl. dort § 3 Abs. 1 bis 3), hier ebenfalls nicht zur Bestimmung der Vergleichsmiete ausgereicht hätte. Denn jener Maßstab stellte für eigengenutzte Zweitwohnungen noch auf Mietwerte ab, die für den Beginn des Steuerjahres einschließlich der Nebenkosten (Bruttowarmmiete) zu ermitteln waren. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hielt eine im Wesentlichen gleich lautende Regelung in der Zweitwohnungssteuersatzung einer anderen Kommune u. a. deshalb wegen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) für unwirksam, weil der danach im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerpflicht zu Beginn eines Steuerjahres zu ermittelnde Aufwand ohne hinreichend sachlichen Grund nach unterschiedlichen Kriterien zu bemessen war, je nachdem ob die Mietvereinbarung hinsichtlich der Nebenkosten eine exakte Aufwandsberechnung oder – im Fall von Vorauszahlungen – nur eine Annäherung an den tatsächlichen Aufwand mittels Schätzung zuließ (vgl. Urteil vom 22. November 2006 – OVG 9 A 68.05 – bei juris Rdnr. 47 ff. [55]).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

B E S C H L U S S :

Der Streitwert wird auf 557,28 € festgesetzt.

G r ü n d e :

Gemäß § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes ist die Höhe des Streitwerts nach dem streitigen Geldbetrag zu bemessen. Da der angefochtene Steuerbescheid zugleich Geltung „für künftige Jahre“ beansprucht, hat die Kammer in Anlehnung an Nr. 2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu dem der Höhe nach festgesetzten Betrag (337,30 €) den 2,5-fachen Jahresbetrag der Steuer (2,5 x 87,99 = 219,98 €) hinzugerechnet. Nr. 2.1 des Streitwertkatalogs sieht vor, dass bei einem (Jahressteuer-)Bescheid, der eine „wiederkehrende Leistung“ festsetzt, der Streitwert sich insgesamt nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag bemisst. Daraus folgt, dass die im angefochtenen Steuerbescheid zugleich ausgesprochene Geltung „für künftige Jahre“ pauschal mit dem 2,5-fachen Jahresbetrag anzusetzen ist.