Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Bedürfnis für Schusswaffenbesitz; Rechtsanwalt; frühere Morddrohung; besondere...

Bedürfnis für Schusswaffenbesitz; Rechtsanwalt; frühere Morddrohung; besondere Gefährdung durch zurzeit inhaftierte Straftäter und ausländische Geheimdienste; vernein; Gefahr von Putativnotwehr


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat Entscheidungsdatum 05.03.2012
Aktenzeichen OVG 11 N 30.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 8 WaffG, § 19 Abs 1 WaffG

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 15. Dezember 2011 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 6.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Der als Rechtsanwalt tätige Kläger wendet sich gegen den vom Beklagten mit Bescheid vom 27. Mai 2010 in der Fassung seines Widerspruchsbescheides vom 20. September 2010 mit entsprechenden Begleitverfügungen ausgesprochenen Widerruf seiner Waffenbesitzkarte mit Munitionserwerbsberechtigung. Die daraufhin erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 15. Dezember 2011 abgewiesen. Dagegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.

Der Antrag ist nicht begründet, weil die hier allein zur Prüfung stehende Rechtsbehelfsbegründung die vom Kläger geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Berufungszulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht rechtfertigt.

Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, eine waffenrechtliche Erlaubnis sei gemäß § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Das sei der Fall, denn das nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 WaffG für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis erforderliche Bedürfnis sei gegenüber dem Zeitpunkt der Erteilung weggefallen. Nach § 19 Abs. 1 WaffG werde ein Bedürfnis zum Erwerb und Besitz einer Schusswaffe und der dafür bestimmten Munition unter anderem angenommen, wenn jemand glaubhaft mache, wesentlich mehr als die Allgemeinheit durch Angriffe auf Leib oder Leben gefährdet zu sein und dass der Erwerb der Schusswaffe und Munition geeignet und erforderlich sei, diese Gefährdung zu mindern. Bei der gebotenen Abwägung zwischen dem persönlichen Interesse des Antragstellers an der Verbesserung seiner Sicherheit durch den Besitz einer Schusswaffe einerseits und andererseits dem öffentlichen Interesse daran, dass möglichst wenig Waffen in die Bevölkerung gelangen, sei stets ein strenger Maßstab anzulegen. Gehe man mit dem Beklagten davon aus, dass ein solches Bedürfnis bei dem Kläger zum Zeitpunkt der Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnis im Jahr 1999 deshalb vorgelegen habe, weil er als Vertreter eines Nebenklägers in dem zu dieser Zeit aktuell laufenden Strafprozess gegen die beiden russischstämmigen Entführer eines zwanzigjährigen Gastwirtssohnes, die den Tod ihres Opfers zu verantworten gehabt hätten, aufgetreten sei und einer der beiden Täter dem Kläger mit dessen Tötung gedroht gehabt habe, so habe diese Situation zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über den Widerruf nicht mehr vorgelegen. Beide Straftäter befänden sich in Strafhaft. Allein die Ungewissheit, ob sie unmittelbar nach Verbüßung ihrer Haftstrafen in den Jahren 2013 bzw. 2014 aus der Bundesrepublik Deutschland abgeschoben würden oder ob sie gegebenenfalls nach ihrer Abschiebung wieder illegal nach Deutschland zurückkehren würden, rechtfertige jedenfalls derzeit nicht die Annahme, der Kläger sei wesentlich mehr als die Allgemeinheit gefährdet. Für den Fall, dass eine Abschiebung nicht erfolgen sollte, die Straftäter aber erneut eine Bedrohung des Klägers geäußert hätten, stehe es diesen frei, dann eine neue waffenrechtliche Erlaubnis zu beantragen. Diese Begründung hält dem Einwand des Klägers stand, es fehle aktuell an einer belastbaren Gefährlichkeitsprognose zu den beiden Straftätern. Denn der Kläger ist vor diesen jedenfalls für den noch anhaltenden Zeitraum ihrer Inhaftierung geschützt und kann rechtzeitig vor ihrer Freilassung eine erneute Überprüfung des von ihm geltend gemachten waffenrechtlichen Bedürfnisses durch den Beklagten veranlassen. Auch die von ihm in seinem in Bezug genommenen Schriftsatz vom 13. Dezember 2011 angesprochene Gefahr des Entweichens einer der Straftäter aus der Justizvollzugsanstalt rechtfertigt keine andere Einschätzung. Denn sollte dieser prinzipiell unwahrscheinliche Fall eintreten, bliebe er seitens der Strafvollzugsorgane nicht unbemerkt, so dass entsprechende Schutzvorkehrungen für den Kläger eingeleitet werden könnten.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich auch nicht aus den Einwänden gegen die Würdigung des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe nicht vorgetragen, dass aus der Wahrnehmung seiner Mandate, die sich gegen den syrischen Staat gerichtet hätten, eine konkrete Bedrohungssituation entstanden sei, und seine auf allgemeine Erkenntnisse über das Handeln des syrischen Staates gestützten Behauptungen belegten jedenfalls keine wesentlich größere Gefährdung seiner Person im Vergleich zur Allgemeinheit. Denn auch mit dem Rechtsmittelvorbringen werden keine Umstände dargelegt, die über derartige allgemeine Erkenntnisse hinausgehen und eine konkrete Gefährdung gerade des Klägers nahe legen könnten. Sein Hinweis auf den Überfall auf einen syrischstämmigen, dem Nationalrat der syrischen Opposition angehörenden Politiker Ende 2011, der auf Veranlassung des Assad-Regimes erfolgt und vom syrischen Geheimdienst durchgeführt worden sei, zeigt keine Parallelen zum Fall des Klägers auf, die für diesen eine besondere Gefährdungslage indizieren würden. Die weiterhin in Bezug genommene Presseberichterstattung mit dem Titel "Im Agentennetz Irans, Libyens und Syriens" betrifft Maßnahmen gegen in Deutschland lebende Dissidenten und ist zudem dermaßen allgemein gehalten, dass sich auch hieraus eine konkrete Gefährdung des Klägers nicht ableiten lässt.

Im Übrigen wäre bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Interesse des Klägers an der Erhöhung seiner persönlichen Sicherheit und dem öffentlichen Interesse an einer möglichst weitgehenden Reduzierung im Privatbesitz befindlicher Schusswaffen und damit einer Erhöhung der öffentlichen Sicherheit aber auch die Eignung des erstrebten Waffenbesitzes zur Erreichung dieses Zwecks zu berücksichtigen. Hier erscheint zumindest zweifelhaft, ob sich ein gezielter Anschlag durch die vom Kläger benannten Straftäter oder durch ausländische Nachrichtendienste durch den bloßen Besitz einer Schusswaffe verhindern ließe, während andererseits der Besitz und die Sorge vor einem solchen Anschlag wiederum für den Kläger - der eine diesbezügliche Ausbildung oder erhebliche eigene Erfahrung mit akuten Gefahrensituationen nicht dargelegt hat - die Gefahr bergen, eine Situation falsch einzuschätzen und durch Putativnotwehrhandlungen erheblichen Schaden zu verursachen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).