Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen "Jagdwurst"; Brühwursterzeugnis; Wiederverarbeitung von Brühwurstbrät...

"Jagdwurst"; Brühwursterzeugnis; Wiederverarbeitung von Brühwurstbrät (so genanntes Rework); Auslobung als "Spitzenqualität"; irreführende Bezeichnung; Verbrauchererwartung; Deutsches Lebensmittelbuch; Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse (Leitsatzziffern 2.12, 2.18, 2.22); keine Änderung der Verbrauchererwartung; Änderungsantrag an die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 15.05.2014
Aktenzeichen OVG 5 B 4.11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 11 Abs 1 S 1 LFGB, § 11 Abs 1 S 2 Nr 1 LFGB, Art 16 EGV 178/2002, Art 2 Abs 1 Buchst a EGRL 13/2000

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Herstellerin des über den Lebensmitteleinzelhandel fertig abgepackt vertriebenen Brühwursterzeugnisses mit der Bezeichnung „Delikatess Jagdwurst, mit Paprika, Spitzenqualität“. Bei der histologischen Untersuchung einer am 18. Dezember 2006 genommenen Probe des Erzeugnisses stellte der Berliner Betrieb für Zentrale Gesundheitliche Aufgaben - Institut für Lebensmittel, Arzneimittel und Tierseuchen Berlin (ILAT) - in seinem Untersuchungsbefund vom 26. Januar 2007 fest, dass in dem Erzeugnis vereinzelt wiederverarbeitetes Brühwurstbrät ohne anhaftende Hülle enthalten war, und gelangte zu der Einschätzung, dass die Bezeichnung als „Spitzenqualität“ lebensmittelrechtlich unzutreffend und irreführend sei, weil nach allgemeiner Verkehrsauffassung, die in Ziffer 2.12 der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse des Deutschen Lebensmittelbuchs ihren Niederschlag gefunden habe, sich Erzeugnisse mit hervorhebenden Hinweisen von den unter der Bezeichnung sonst üblichen Fleischerzeugnissen unter anderem durch eine besondere Auswahl des Ausgangsmaterials unterschieden. Wiederverarbeitete Brühwürste in einem als „Spitzenqualität“ deklarierten Erzeugnis genügten nicht den Anforderungen an ein besonders ausgewähltes Ausgangsmaterial. Diese Einschätzung machte sich das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin zu Eigen und erstattete am 6. Februar 2007 Strafanzeige bei der Amtsanwaltschaft Berlin.

Mit ihrer am 18. Januar 2008 beim Verwaltungsgericht erhobenen Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass das von dem Bezirksamt beanstandete Erzeugnis nicht gegen das Irreführungsverbot des § 11 LFGB verstoße. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Die Wiederverarbeitung (so genanntes Rework) der bei der industriellen Herstellung von Stangenware anfallenden Kappen, Endstücke und Anschnitte in geringen Mengen stehe der Auslobung als „Spitzenqualität“ nicht entgegen. Die streitige Bezeichnung entspreche dem Leitsatz 2.12, weil dieser vor allem auf den BEFFE-Wert (Gehalt an bindegewebseiweißfreiem Fleischeiweiß) abstelle, der bei dem in Rede stehenden Erzeugnis unstreitig erreicht werde. Die Wiederverarbeitung erfolge ohne Qualitätseinbußen, entspreche jahrelanger Produktionspraxis und habe dazu geführt, dass sich auch die Verbraucherwartung daran angepasst habe.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 6. Juli 2011 abgewiesen. Die streitige Auslobung des Erzeugnisses verstoße gegen § 11 Abs. 1 LFGB, da sie nicht der in dem Leitsatz 2.12 festgehaltenen Verbrauchererwartung entspreche. Für „Spitzenqualität“ dürfe nur solches Ausgangsmaterial verwendet werden, das typischerweise für die Erzeugnisherstellung verwendet und von Verbrauchern nicht als minderwertig empfunden werde. Bei Jagdwurst handele es sich um eine Brühwurst im Sinne des Leitsatzes 2.22, die aus zerkleinertem rohem Fleisch hergestellt werde. Diese Voraussetzung erfülle das Erzeugnis der Klägerin nicht. Das von ihr angewandte Verfahren führe vielmehr dazu, dass bereits gebrühtes Brät mehrmals Eingang in die Produktion finde. Das sei unvereinbar mit der Verbrauchererwartung an ein Erzeugnis, dessen Bezeichnung die Herstellung aus besonders ausgewähltem Ausgangsmaterial voraussetze. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem von der Klägerin zutreffend wiedergegebenen Umstand, dass der Verbraucher einem Wegwerfen von Lebensmitteln kritisch gegenüberstehe. Die damit suggerierte Alternative - Bezeichnung eines mit Rework hergestellten Erzeugnisses als „Spitzenqualität“ oder Wegwerfen der Wurstabschnitte - stelle sich aus der für die Frage einer Irreführung allein maßgeblichen Sicht eines Verbrauchers nicht, der auf Grund seiner Erfahrungen an der Wursttheke erwarte, dass Kappen, Endstücke und Anschnitte allenfalls zu einem vergünstigten Verkaufspreis angeboten, nicht jedoch erneut dem Produktionsprozess zugeführt würden.

Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Klägerin, mit der sie geltend macht, dass die Bezeichnung ihres Erzeugnisses als „Spitzenqualität“ der Verkehrsauffassung entspreche und daher nicht gegen § 11 Abs. 1 LFGB verstoße. Zur Feststellung der Verbrauchererwartung seien vorrangig die Leitsätze für Fleisch- und Fleischerzeugnisse des Deutschen Lebensmittelbuchs heranzuziehen, die der Verkehrsfähigkeit des Erzeugnisses unter der Bezeichnung „Spitzenqualität“ jedoch nicht entgegenstünden. Nach dem Leitsatz 2.12 zeichneten sich Fleischerzeugnisse mit hervorhebenden Hinweisen durch einen hohen Genusswert und eine besondere Auswahl des Ausgangsmaterials aus. Dass der hohe Genusswert durch die Verarbeitung von Kappen, Endstücken und Anschnitten nicht beeinträchtigt werde, ergebe sich schon aus dem Untersuchungsbefund des ILAT vom 26. Januar 2007, wonach die eingelieferte Probe den sensorischen, chemischen und immunologischen Anforderungen entsprochen habe. Eine Genusswertminderung sei allenfalls bei einem Rework von mehr als 5 v.H. anzunehmen. Derartiges sei in dem Untersuchungsbefund vom 26. Januar 2007 nicht festgestellt worden. Maßgeblich für die Einstufung als „Spitzenqualität“ sei nach Leitsatz 2.12 im Übrigen nur ein erhöhter BEFFE-Wert, der hier zu bejahen sei. Die Weiterverarbeitung von bereits gebrühtem Brät sei sogar nach Leitsatz 2.18 zulässig. Sie sei auch nicht nach Leitsatz 2.22 ausgeschlossen, weil dort die Zutaten nicht abschließend aufgezählt seien.

Da der Verbraucher keine konkrete Vorstellung von der Herstellung des zu beurteilenden Erzeugnisses und der verwendeten Zutaten habe, seien - wie auch in anderen Bereichen der Lebensmittelproduktion, etwa bei der Herstellung süßer Desserts - die gängige industrielle Herstellungspraxis sowie die jahrelangen Marktgegebenheiten zur Bestimmung der Verkehrsauffassung heranzuziehen. Es sei allgemein üblicher Herstellerbrauch, bei der industriellen Produktion von Wurstwaren Kappen, Endstücke und Anschnitte erneut dem Herstellungsprozess zuzuführen. Diese Erzeugnisse würden im Einzelhandel nahezu ausschließlich mit einem hervorhebendem Hinweis im Sinne des Leitsatzes 2.12 angeboten, sodass es den Marktgegebenheiten entspreche, dass bei der Brühwurstherstellung bereits gebrühtes Brät auch in Erzeugnissen der „Spitzenqualität“ verwendet werde. Dem verständigen Verbraucher sei auch bewusst, dass bei der industriellen Herstellung von Wurstwaren mehr Kappen, Endstücke und Anschnitte anfielen und anders als bei der handwerklichen Fertigung nicht zum Verkauf angeboten würden.

Vor diesem Hintergrund und angesichts des im Vergleich zur handwerklichen Fertigung deutlich günstigeren Preises industriell hergestellter Wursterzeugnisse dränge sich dem Verbraucher der Schluss, dass die Zwischenerzeugnisse erneut dem Produktionsprozess zugeführt würden, nahezu auf. Bei den in Rede stehenden Kappen, Endstücken und Anschnitten handele es sich nicht um qualitativ geringwertige Erzeugnisse. Ein innerbetriebliches Rework bei Brühwursterzeugnissen der Spitzenqualität sei auch nach Einschätzung von Prof. Dr. Götz Hilde-brandt (Fachbeitrag „Rework - reloaded“ in der Allgemeinen Fleischer Zeitung Nr. 34 vom 24. August 2011) sowohl eine ökonomisch als auch ökologisch gebotene Lösung. Hierfür sprächen auch Nachhaltigkeitsgesichtspunkte, weil bei anderer Deklarierung die Enderzeugnisse nicht verwertbar seien.

Im Übrigen habe der Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie im Mai 2012 einen erneuten Antrag auf Änderung der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse bei der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission gestellt, demzufolge die Wiederverarbeitung von nicht wertgeminderten Stücken zu einem geringen Prozentsatz von ca. 5 v.H. auch bei Erzeugnissen der Spitzenqualität zulässig sein soll.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. Juli 2011 abzuändern und festzustellen, dass das Erzeugnis „Delikatess Jagdwurst, mit Paprika, Spitzenqualität“, das Gegenstand der Beanstandung des Bezirksamts Steglitz-Zehlendorf von Berlin vom 6. Februar 2007 ist, in objektiver Hinsicht nicht gegen die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 LFGB verstößt.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, die Verarbeitung bereits erhitzten Bräts zur Herstellung von Brühwürsten der „Spitzenqualität“ entspreche nicht der Verkehrsauffassung, weil der Verbraucher auch bei einem industriell hergestellten Erzeugnis keine wiederverarbeitete Wurst erwarte und dies zudem den Qualitätsanforderungen des Leitsatzes 2.12 widerspreche. Auch könne das Problem der Ressourcenverwertung nicht allein auf die Verbraucher und die Lebensmittelüberwachung verlagert werden. Unbeschadet dessen bestehe selbst nach dem von der Klägerin zitierten Fachbeitrag von Prof. Dr. Götz Hildebrandt die Möglichkeit, Kappen, Endstücke und Anschnitte als so genannte „Delikatess-Wurstabschnitte“ zu vermarkten. Denkbar sei auch, diese Ware in nicht als „Spitzenqualität“ ausgelobte Erzeugnisse einzuarbeiten oder sie als Zutaten für Fertiggerichte zu verwenden. Schließlich sei die Auffassung der Klägerin nicht nachvollziehbar, wonach ihr Brühwursterzeugnis mit einem Rework von bis zu 5 v.H. den Zusatz „Spitzenqualität“ verdiene, während bei einem Rework von mehr als 5 v.H. auch nach ihrer eigenen Auffassung eine Genusswertminderung anzunehmen sei, die nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b LFGB sogar eine entsprechende Kennzeichnung erfordere.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den vorgelegten Verwaltungsvorgang verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

Das Inverkehrbringen des von der Klägerin hergestellten Brühwursterzeugnisses unter der Bezeichnung „Spitzenqualität“ verstößt gegen das Irreführungs- verbot des Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 - EG-Lebensmittel-Basisverordnung - und des § 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 LFGB.

Nach Art. 16 der EG-Lebensmittel-Basisverordnung dürfen unbeschadet spezifischer Bestimmungen des Lebensmittelrechts die Kennzeichnung, Werbung und Aufmachung von Lebensmitteln oder Futtermitteln auch in Bezug auf ihre Form, ihr Aussehen oder ihre Verpackung, die verwendeten Verpackungsmaterialien, die Art ihrer Anordnung und den Rahmen ihrer Darbietung sowie die über sie verbreiteten Informationen, gleichgültig über welches Medium, die Verbraucher nicht irreführen. Parallel zu dieser unmittelbar in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union geltenden Regelung ist es nach § 11 Abs. 1 Satz 1 LFGB verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen. Nach Satz 2 Nr. 1 dieser Vorschrift liegt eine Irreführung insbesondere dann vor, wenn bei einem Lebensmittel zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über Eigenschaften, insbesondere über Art, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung, Herkunft oder Art der Herstellung oder Gewinnung verwendet werden. Der Begriff der Irreführung des Verbrauchers nach § 11 Abs. 1 Satz 1 LFGB und nach der dieser Norm zugrundeliegenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, i) der Richtlinie 2000/13/EG - EG-Lebensmitteletikettierungs-Richtlinie - ist im Lichte des Gemeinschaftsrechts der Europäischen Union auszulegen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. Oktober 2000 - BVerwG 1 B 45.00 -, juris Rn. 4, zu der mit § 11 LFGB vergleichbaren Vorgängerreglung in § 17 LMBG i.d.F. der Bekanntmachung des Gesetzes vom 8. Juli 1993 [BGBl. I S. 1169]). Entscheidend für die Begriffsbestimmung ist danach die Verkehrsauffassung, für die in erster Linie die mutmaßliche Erwartungshaltung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers zu Grunde zu legen ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschlüsse vom 5. April 2011 - BVerwG 3 B 79.10 -, juris Rn. 4, und vom 20. Juni 2012 - BVerwG 3 B 87.11 -, juris Rn. 4; EuGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - C-210/96 -, juris Rn. 37).

Wesentliche Hilfen zur Feststellung der Verkehrsauffassung und damit auch der Verbrauchererwartung sind die von der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission beschlossenen und im Deutschen Lebensmittelbuch niedergelegten Leitsätze. Diese begründen als „Sachverständigengutachten von besonderer Qualität“ eine Vermutungswirkung dafür, was der Verbraucher von einem nach Beschaffenheit, Herstellung und sonstigen Merkmalen in den Leitsätzen beschriebenen Lebensmittel erwartet (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10. Dezember 1987 - BVerwG 3 C 18.87 -, juris Rn. 34). Einschlägig sind hier die Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse vom 27./28. November 1974 (Beilage zum BAnz. Nr. 134 vom 25. Juli 1975), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 8. Januar 2010 (BAnz. Nr. 16 vom 29. Januar 2010), die zur Beschaffenheit, Herstellung und Bezeichnung von Fleischerzeugnissen u.a. folgende Aussagen enthalten:

Leitsatz 2.12:

Fleischerzeugnisse mit hervorhebenden Hinweisen wie Delikatess-, Feinkost-, Gold-, prima, extra, spezial, fein, Ia, ff oder dgl. oder in besonders hervorhebender Aufmachung (z.B. goldfarbene Hülle) unterscheiden sich von den unter der betreffenden Bezeichnung sonst üblichen Fleischerzeugnissen, abgesehen von hohem Genusswert, durch besondere Auswahl des Ausgangsmaterials, insbesondere höhere Anteile an Skelettmuskulatur. …

Sofern in den Leitsätzen keine besonderen Feststellungen getroffen sind, liegt der Anteil an bindegewebseiweißfreiem Fleischeiweiß in diesen Fällen (2.12) absolut um ein Zehntel (z.B. 11 statt 10 %), bezogen auf Fleischeiweiß histometrisch um 10 % (z.B. 80 statt 70 Vol.- %), chemisch um 5 % (z.B. 75 statt 70 %) höher.

Bei Erzeugnissen, bei deren Herstellung gemäß der Bezeichnung üblicherweise schon bestes Ausgangsmaterial verwendet wird, stellen hervorhebende Zusatzbezeichnungen einen verstärkten Hinweis darauf dar, dass diese Erzeugnisse aus bestem Ausgangsmaterial hergestellt sind.

Leitsatz 2.18:

Fleischerzeugnisse werden nur dann zu anderen Fleischerzeugnissen oder Erzeugnissen mit einem Zusatz von Fleisch und Fleischerzeugnissen umgearbeitet, wenn sie

- nicht wertgemindert und
- in der Herstellungsstätte verblieben oder aus Verkaufsstätten von wertgeminderter Ware streng getrennt und unbeeinträchtigt zurück- geliefert worden sind,
- im Enderzeugnis keine Minderung des Nähr- und Genusswertes be- dingen und
- von Hüllen befreit worden sind.

Leitsatz 2.22:

„Brühwürste“ sind durch Brühen, Backen, Braten oder auf andere Weise hitzebehandelte Wurstwaren, bei denen zerkleinertes rohes Fleisch mit Kochsalz und ggf. anderen technologisch notwendigen Salzen meist unter Zusatz von Trinkwasser (oder Eis) ganz oder teilweise aufgeschlossen wurde und deren Muskeleiweiß bei der Hitzebehandlung mehr oder weniger zusammenhängend koaguliert ist, sodass die Erzeugnisse bei etwaigem erneuten Erhitzen schnittfest bleiben. ...

„Brät" ist

- das unter Zusatz von Trinkwasser und Salzen zerkleinerte rohe Fleisch,
- die für die Brühwurstherstellung zum Abfüllen hergestellte Rohmasse. ...

Der Leitsatz 2.12 bezweckt hauptsächlich die Kenntlichmachung qualitativ höherwertiger Fleischerzeugnisse. Der vorhebende Hinweis soll dem Durchschnittsverbraucher die Unterscheidung zwischen dem sonst üblichen Erzeugnis und dem durch den Hinweis gekennzeichneten qualitativ höherwertigen Fleischerzeugnis ermöglichen. An den Vorgaben des Leitsatzes 2.12 gemessen entspricht das von der Klägerin hergestellte Brühwursterzeugnis mit der Auslobung als „Spitzenqualität“ nicht der Verbraucherwartung.

Der Hinweis der Klägerin, dass der hohe Genusswert des Brühwursterzeugnisses durch die Weiterverarbeitung bereits erhitzten Bräts in Form von Kappen, Endstücken und Anschnitten ausweislich des Untersuchungsbefundes nicht beeinträchtigt sei, rechtfertigt allein die Auslobung als „Spitzenqualität“ nicht, weil sich die in Leitsatz 2.12 beschriebene Verbraucherwartung vor allem auch an der Qualität der verwendeten Ausgangsmaterialien und des daraus abgeleiteten Enderzeugnisses orientiert. Nicht haltbar ist die Annahme der Klägerin, dass insoweit der Leitsatz 2.12 neben dem hohen Genusswert allein auf den höheren BEFFE-Wert, der hier unstreitig erfüllt sei, abstelle. Maßgeblich ist vielmehr neben dem hohen Genusswert die besondere Auswahl des Ausgangsmaterials. Die Formulierung, wonach sich dieses „insbesondere“ in höheren Anteilen an Skelettmuskulatur und/oder einem höheren BEFFE-Wert zeigen kann, verdeutlicht, dass letzteres Kriterium nicht abschließend die besondere Qualität des Erzeugnisses beschreibt, sondern nur eines von mehreren Kriterien für die Qualitätsbestimmung im Rahmen des Leitsatzes 2.12 ist. Unabhängig von dieser Wortlautauslegung würde eine alleinige Orientierung an dem BEFFE-Wert zudem den Verarbeitungsvorgang und die verwendeten Ausgangsmaterialen vernachlässigen, obwohl sich gerade auch hierauf die vorbeschriebenen Leitsätze beziehen (ebenso Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteile vom 13. März 2013 - 9 B 09.2135 -, juris Rn. 37, und - 9 B 09.2162 -, juris Rn. 42, zu Brühwurstprodukten mit der Bezeichnung „Spitzenqualität“). Das bestätigt der Leitsatz 2.22, der den Verarbeitungsvorgang für Brühwürste beschreibt und hierfür zerkleinertes rohes Fleisch voraussetzt. Die Wiederverarbeitung von bereits erhitztem Brät bei der Herstellung von Brühwursterzeugnissen genügt der verlangten Auswahl des Ausgangsmaterials nicht. Bleibt demnach das fragliche Rework hinter den Anforderungen sowohl des Leitsatzes 2.12 als auch des Leitsatzes 2.22 zurück, kann aber mit Blick auf die Qualität des Endprodukts nicht mehr von der Verwendung besonders ausgewählten Ausgangsmaterials bei der Herstellung gesprochen werden (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 13. März 2013, a.a.O., juris Rn. 37, unter Hinweis auf das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Oktober 2010 - 13 A 567/10 -, juris Rn. 51). Nach alldem steht die Wiederverwendung bereits erhitzten Bräts der von der Klägerin begehrten Qualitätsauslobung auf der Grundlage des Leitsatzes 2.12 von vornherein entgegen, sodass dahingestellt bleiben kann, ob der zu beurteilende Herstellungsvorgang zugleich einer Umarbeitung von Fleischerzeugnissen im Sinne des Leitsatzes 2.18 erfüllt.

Ohne Relevanz für die Ermittlung der Verbrauchererwartung in dem hier in Rede stehenden Lebensmittelbereich sind die von der Klägerin angeführten Verhältnisse bei der Herstellung süßer Desserts. Das ergibt sich schon aus der Verschiedenheit der Lebensmittelbereiche, der die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission durch die Herausgabe bereichsspezifischer Leitsätze Rechnung getragen hat.

Die von der Klägerin gegen die einschlägigen Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse sowie deren Auslegung durch den Beklagten vorgebrachten Einwände gehen fehl.

Die in den vorstehend genannten Leitsätzen wiedergegebene Verkehrsauffassung zum Ausgangsmaterial bei Brühwursterzeugnissen der Spitzenqualität stimmt zweifellos mit der allgemeinen Verbrauchererwartung überein. Dies vermag der Senat einzuschätzen, ohne dass es hierzu einer Umfrage oder einer weiteren Beweiserhebung durch Sachverständige bedarf. Die Mitglieder des Senats gehören selbst zum Kreis der Verbraucher und sind ausreichend sachkundig, um deren Erwartung an Brühwurstwaren, die zu den gängigen täglichen Lebensmitteln gehören, zu beurteilen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 4. März 2014 - BVerwG 3 B 60.13 -, juris Rn. 9). Danach rechnet der Durchschnittsverbraucher nicht damit, dass bei der Herstellung eines Brühwursterzeugnisses bereits erhitztes Brät wiederverwendet wird. Das gilt unabhängig davon, ob die Herstellung in traditionell handwerklicher Weise oder im Rahmen einer industriellen Massenproduktion erfolgt. Abgesehen davon, dass auch die einschlägigen Leitsätze nicht zwischen diesen Herstellungsarten unterscheiden, geht es nicht um den Herstellungsvorgang, sondern um die Verbrauchererwartung an das Ausgangsmaterial, die in beiden Fällen die gleiche ist. Der Verbraucher erwartet insoweit die Verwendung von rohem Fleisch ohne Beifügung bereits erhitzten Bräts, sodass dahingestellt bleiben kann, ob er im Übrigen eine konkrete Vorstellung von der Herstellung des zu beurteilenden Erzeugnisses hat. Vielmehr drängt sich im Hinblick darauf, dass das Erzeugnis hinter der Erwartung des Verbrauchers an das Ausgangsmaterial zurückbleibt, die - hier allerdings nicht streitgegenständliche - Frage auf, ob diesbezüglich überhaupt noch uneingeschränkt von einem Brühwursterzeugnis gesprochen werden kann.

Die Verbrauchererwartung hat auch nicht durch die gängige industrielle Herstellungspraxis sowie die jahrelangen Marktgegebenheiten einen Wandel erfahren.

Es liegt auf der Hand, dass eine entsprechende Herstellungspraxis allein keinen Einfluss auf die Verbrauchererwartung nehmen kann. Dass die unter Wiederverwendung von Kappen, Endstücken und Anschnitten industriell hergestellten Brühwursterzeugnisse im Einzelhandel durchgehend als Spitzenqualität ausgelobt werden, ändert nichts an der Verbrauchererwartung, die von der Vorstellung bestimmt wird, dass bei der Herstellung von Brühwursterzeugnissen als Ausgangsmaterial zerkleinertes rohes Fleisch ohne Zusatz bereits erhitzten Bräts Verwendung findet. Der Umstand, dass die Behörden längere Zeit gegen die Auslobung des Fleischerzeugnisses der Klägerin oder gleichartiger Fleischerzeugnisse anderer Hersteller nicht vorgegangen sind, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Denn selbst eine langjährige behördliche Untätigkeit sagt nichts darüber aus, ob sich der Verbraucher auf Grund der Bezeichnung fehlerhafte Vorstellungen über das Produkt gemacht hat (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. April 2011, a.a.O., juris Rn. 8). Ebenso wenig begründet das die Annahme, die Verbrauchererwartung habe sich in diesem Zeitraum maßgeblich verändert. Es belegt allenfalls, dass die Verbraucher über längere Zeit in ihrer Erwartung erfolgreich getäuscht wurden.

Der von der Klägerin angeführte günstige Preis industriell hergestellter Wursterzeugnisse im Vergleich zu solchen des traditionellen Fleischerhandwerks vermag eine Änderung der Verbraucherwartung ebenfalls nicht zu begründen. Die Preisgestaltung kennzeichnet nicht das Erzeugnis in lebensmittelrechtlicher Hinsicht und sagt daher nichts darüber aus, ob sich der Verbraucher auf Grund der Produktbezeichnung fehlerhafte Vorstellungen von dem Erzeugnis macht.

Der Einwand der Klägerin, dass ein Rework auch bei Spitzenqualitäten aus Gründen der Nachhaltigkeit geboten sei, ist gleichfalls nicht geeignet, eine Irreführung des Verbrauchers auszuschließen. Es ist schon nicht substanziiert dargetan, dass die bei der Herstellung von Brühwursterzeugnissen anfallenden Kappen, Endstücken und Anschnitten nicht anderweitig vermarktet werden können. Dagegen spricht bereits der von der Klägerin zitierte Fachbeitrag von Prof. Dr. Götz Hildebrandt, in dem nachvollziehbar aufgezeigt wird, dass diese zum Beispiel als „Delikatess-Wurstabschnitte“ in den Handel gebracht oder zu anderen marktgängigen Wursterzeugnissen weiterverarbeitet werden könnten. Ungeachtet dessen ist die Marktfähigkeit derartiger Erzeugnisse für die hier maßgebliche lebensmittelrechtliche Beurteilung ohne Belang. Soweit die Klägerin hier einen Zusammenhang herzustellen versucht, besteht ein solcher allenfalls dahingehend, dass das von ihr behauptete Vermarktungsproblem der (hohen) Verbrauchererwartung an Wursterzeugnisse geschuldet ist, diese aber selbst nicht zu beeinflussen vermag.

Mit ihrem Hinweis, dass der Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie im Mai 2012 einen erneuten Antrag auf Änderung der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse bei der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission gestellt habe, wonach die Wiederverarbeitung von nicht wertgeminderten Stücken zu einem geringen Prozentsatz von ca. 5 v.H. auch bei Erzeugnissen der Spitzenqualität zulässig sein solle, verkennt die Klägerin, dass ein derartiger Antrag noch keinen Wandel der Verkehrsauffassung bestätigt. Vielmehr ist vom Gegenteil auszugehen, weil eine Änderung der Leitsätze im Sinne der Auffassung der Klägerin bis zum heutigen Tag nicht erfolgt ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.