Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat | Entscheidungsdatum | 07.03.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 5 S 31.10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 123 Abs 1 S 2 VwGO, § 146 Abs 4 VwGO, § 6 Abs 2 PaßG, § 25 Abs 1 RuStAG, Art 29 StAngG TUR |
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. September 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
I.
Die in der Türkei geborene Antragstellerin wurde am 4. Juni 1999 eingebürgert, nachdem sie am 23. November 1998 aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen worden war. Auf ihren Antrag wurde sie durch Ministerratsbeschluss vom 18. Oktober 2000 wieder in den türkischen Staatsverband aufgenommen. Mit ihrer Beschwerde wendet sie sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. September 2010, mit dem dieses ihren Antrag, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihr einen vorläufigen Reisepass auszustellen, zurückgewiesen hat.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.
Gem. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO hat die Beschwerdebegründung u.a. die Gründe darzulegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen; das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Auf der danach für den Senat allein maßgeblichen Grundlage der Darlegungen der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung besteht für eine Änderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts kein Anlass.
Es hat zu Recht entschieden, dass es für die begehrte Verpflichtung bereits am Anordnungsgrund im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO fehlt. Auch die Beschwerde zeigt nicht auf, dass die begehrte Anordnung nötig erscheint, insbesondere um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Sie hat keine Tatsachen glaubhaft gemacht, die ihre Behauptung stützen könnten, ohne einen (vorläufigen) deutschen Reisepass würde sie in den Niederlanden ihre Arbeit und ihre Sozialversicherungsansprüche verlieren. So hat die Antragstellerin nicht einmal substantiiert vorgetragen, um welche Art Arbeit es sich handelt und welche Arbeitgeber und/oder Sozialversicherungsträger welche Anforderungen an ihren Identitätsnachweis gestellt haben. Abgesehen davon hätte die Antragstellerin Nachteile, die mit einer bereits im März 2010 entstandenen Passlosigkeit verbunden wären, selbst zu vertreten. Obwohl ihr die Forderung des deutschen Generalkonsulats nach Vorlage eines deutschen Staatsangehörigkeitsausweises des Bundesverwaltungsamtes seit nunmehr einem Jahr bekannt ist, hat sie sich offenbar um einen solchen nicht bemüht. Ihr Vorbringen, dass dieses Verfahren „viel Zeit in Anspruch nehmen“ würde, befreit sie nicht davon, entsprechende Schritte zu unternehmen. Ebenso muss sie sich ihre Untätigkeit in Bezug auf die Ausstellung eines türkischen Reisepasses entgegenhalten lassen. Auch insoweit beschränkt sich die Beschwerde auf die durch nichts belegte Behauptung, „eine Beantragung des Reisepasses bei der türkischen Behörde würde viel Zeit in Anspruch nehmen“.
Das Vorbringen, die Antragstellerin könne ohne einen deutschen Reisepass nicht zu ihrem erkrankten Vater in die Türkei reisen, ist nicht glaubhaft. Dem Vorhalt im angefochtenen Beschluss, sie verfüge über eine „rosa Karte“ (pembe kart, jetzt „blaue Karte“/mavi kart), die eine Einreise in die Türkei ermögliche, hat die Beschwerde lediglich die Behauptung des Gegenteils entgegengesetzt. Sie entbehrt jedoch offenkundig der Substanz. Denn nach Art. 29 Satz 2 des türkischen Staats-angehörigkeitsgesetzes in der Fassung des Gesetzes Nr. 4112 vom 7. Juni 1995 genießen Personen, die von Geburt türkische Staatsangehörige waren und mit Zustimmung des Ministerrats/Innenministeriums aus der Staatsangehörigkeit ausgeschieden sind und die Staatsangehörigkeit eines ausländischen Staates angenommen haben, vorbehaltlich der Bestimmungen über die nationale Sicherheit und öffentliche Ordnung weiterhin wie die türkischen Staatsangehörigen diejenigen Rechte, die mit Aufenthalt, Reise, Arbeit und Erwerb von beweglichem und unbeweglichem Vermögen bzw. dem Verzicht hierauf zusammenhängen (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, „Türkei“ S. 8 und S. 14; dazu Cebecioglu in StAZ 1995, S. 234 f. und Rittstieg in InfAuslR 1995, S. 371 f.). Gewährt somit eine auf dieser Grundlage ausgestellte „rosa Karte“ neben Reisefreiheit sogar die Niederlassungsfreiheit in der Türkei, bleibt die Beschwerde eine Erklärung dafür, dass und aus welchen Gründen das Fehlen eines deutschen Reisepasses einer Reise der Antragstellerin in die Türkei entgegenstehen könnte, schuldig.
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die weitere Feststellung im angefochtenen Beschluss, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Ausstellung eines (vorläufigen) Reisepasses nicht glaubhaft gemacht habe. Indem sie am 18. Oktober 2000 auf ihren Antrag die türkische Staatsangehörigkeit wieder verliehen bekommen hat, hat sie gemäß § 25 Abs. 1 StAG in der zum 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Fassung die deutsche Staatsangehörigkeit verloren, weil sie es versäumt hat, zuvor eine Genehmigung der zuständigen Behörde zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 StAG einzuholen. Die Beschwerde wiederholt hierzu nur das erstinstanzliche Vorbringen der Antragstellerin, wonach sie den Wiedereinbürgerungsantrag auf dem türkischen Konsulat nicht gelesen habe, weil sie nur eine „rosa Karte“ habe beantragen wollen. Es mag offen bleiben, wie sich Willensmängel bei der Abgabe des Antrags auf Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit auf den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit auswirken (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Mai 1985 - BVerwG 1 C 12.84 -, juris Rn. 35). Denn ein solcher Willensmangel ist nicht mit der für die (teilweise) Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Die Beschwerde führt hierzu aus, die Antragstellerin habe nicht in den türkischen Staatsverband wieder eingegliedert werden, sondern lediglich die „rosa Karte“ haben wollen, der Konsularbeamte habe selbst veranlasst, den Antrag auf türkische Staatsangehörigkeit zu stellen; sie habe die Unterlagen zwar unterschrieben, jedoch vorher nicht durchgelesen; selbst wenn sie sie gelesen hätte, hätte sie diese nicht verstanden, weil sie lediglich die Grundschule in der Türkei besucht habe und das Antragsformular in „hoch türkisch“ gefasst sei. Mit diesem Vorbringen ist ein Willensmangel nicht dargetan geschweige denn glaubhaft gemacht. Die Ausführungen lassen offen, ob die Antragstellerin mit dem vom Konsulatsbeamten „selbst veranlassten“ Antrag auf Wiedereinbürgerung einverstanden war oder nicht. Für ein solches Einverständnis spricht, dass die Antragstellerin in ihrem Rechtfertigungsschreiben vom 13. März 2010 an das deutsche Generalkonsulat in Amsterdam über einen (Inhalts-)Irrtum bei der Antragstellung oder gar eine arglistige Täuschung durch den Konsulatsbeamten nicht berichtet, sondern stattdessen angegeben hat, ihr sei beim türkischen Generalkonsulat gesagt worden, dass die türkische Staatsangehörigkeit kein Problem für die deutsche Staatsangehörigkeit sei. Zudem ist nicht erklärlich, weshalb die Antragstellerin, die nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts über eine „rosa Karte“ verfügt, eine solche beim türkischen Konsulat nochmals hätte beantragen sollen.
Schließlich vermögen die Ausführungen zur Beweislast der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Nach § 6 Abs. 2 PaßG sind im Passantrag alle Tatsachen anzugeben, die zur Feststellung der Person des Passbewerbers und seiner Eigenschaft als Deutscher notwendig sind. Nach Satz 2 der Vorschrift hat der Passbewerber die entsprechenden Nachweise zu erbringen. Zwar wird in aller Regel die Vorlage des abgelaufenen deutschen Reisepasses zum Nachweis der Eigenschaft als Deutscher genügen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Annahme einer fremden Staatsangehörigkeit feststeht und diese zumindest geeignet ist, die Folgen des Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 1 StAG auszulösen. In diesem Fall ist es nicht zu beanstanden, den Passbewerber auf die Notwendigkeit der Durchführung eines Verfahrens zur Feststellung der Staatsangehörigkeit zu verweisen, weil es nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht Aufgabe der Auslandsvertretungen ist, Zweifel an der deutschen Staatsangehörigkeit durch eigene Ermittlungen und Bewertungen zu klären (vgl. nur Beschluss vom 30. September 2009 - OVG 5 S 17.09 -, juris Rn. 11, m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).