Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 13.04.2011 | |
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Aktenzeichen | L 9 KR 192/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 173 SGB 5, § 175 SGB 5, § 12 Abs 2 SGB 10, § 27 SGB 10, § 55 SGG, § 75 SGG |
1. Eine Meldung an die Einzugsstelle ist auch dann wirksam, wenn das Verfahren zur Ausübung des Krankenkassenwahlrechts fehlerhaft war.
2. Eine fehlerhafte Meldung ist mit ex-nunc-Wirkung zu korrigieren, es sei denn, der Versicherungspflichtige gibt nach außen hin zu erkennen, dass er trotz fehlerhafter Meldung mit der einmal begründeten Mitgliedschaft einverstanden ist.
3. Will eine Krankenkasse die Mitgliedschaft einer versicherungspflichtigen Person ablehnen, muss sie die Krankenkasse, bei der aus ihrer Sicht eine Mitgliedschaft dieser Person besteht oder zu begründen wäre, an dem bei ihr geführten Verwaltungsverfahren unter den Voraussetzungen des § 12 Abs 2 S 2 SGB 10 beteiligen und ihr ihre Entscheidung bekannt geben. Im gerichtlichen Verfahren ist diese andere Krankenkasse notwendig beizuladen.
4. Eine beigeladene Krankenkasse ist zur Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung über die Zuständigkeit für einen Versicherungspflichtigen auch dann befugt, wenn sich ihre Zuständigkeit nicht aus dem Tenor, sondern nur aus den Entscheidungsgründen ergibt.
Auf die Berufung der Beigeladenen werden das Urteil des Sozialgerichts vom 20. Mai 2009 und der Bescheid der Beklagten vom 17. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2007 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom 12. April 2005 bis zum 31. Juli 2009 versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten war.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen und die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Klageverfahren trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten um die Frage, bei welcher Krankenkasse eine Mitgliedschaft des Klägers besteht.
Der 1958 geborene Kläger, dem seit Juli 2003 ein Grad der Behinderung von 70 sowie die Merkzeichen „G“, „B“ und „RF“ zuerkannt waren ist nahezu blind und steht seit August 2005 unter der Betreuung seiner gesetzlichen Vertreterin. Vom 15. März bis zum 16. Juni 2000 war er bei der Beigeladenen krankenversichert. Anschließend war er bis zum 31. Dezember 2003 nicht durch eine Versicherung gegen das Risiko der Krankheit abgesichert. In der Zeit vom 16. April 2003 bis zum 13. Februar 2005 lebte er in einer therapeutischen Wohngemeinschaft und bezog vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin Hilfe zum Lebensunterhalt sowie Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz bzw. dem Sozialgesetzbuch/Zwölftes Buch (SGB XII). Auf Grund dessen erbrachte die Beklagte ab dem 01. Januar 2004 gemäß § 264 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gegenüber dem Kläger Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Am 15. Februar 2005 verzog der Kläger – wohl aus dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg – in den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, wie sich seiner Meldebestätigung vom 11. April 2005 entnehmen lässt.
Nachdem der Kläger am 7. September 2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II) beantragt und hierbei angegeben hatte, dass er aktuell Sozialhilfe beziehe und bei der Beklagten „pflichtversichert oder familienversichert“ sei, bewilligte ihm das JobCenter Berlin Friedrichshain-Kreuzberg mit Bescheid vom 06. Januar 2005 für die Zeit vom 01. Januar zumindest bis zum 31. März 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II und teilte ihm zugleich mit, dass er während des Bezuges von Arbeitslosengeld II bei der Beklagten pflichtversichert in der Kranken- und Pflegeversicherung sei. Eine Meldung an die Beklagte nahm das JobCenter aus diesem Anlass nicht vor. In seinem bei dieser Behörde gestellten Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II vom 11. April 2005 gab der Kläger u.a. an, er sei bei der Beklagten „pflichtversichert oder familienversichert“ und habe zuletzt bis zum 31. März 2005 Arbeitslosengeld II vom JobCenter Berlin Friedrichshain-Kreuzberg bezogen. In einem Schreiben des JobCenters Charlottenburg-Wilmersdorf an den Kläger vom 12. April 2005, in dem um die Übersendung von im Einzelnen näher bezeichneten Unterlagen gebeten wurde, ist u.a. die Zeile „Mitgliedsbescheinigung einer Krankenversicherung“ angekreuzt sowie mit dem handschriftlichen Vermerk „ok.“ versehen. In der Verwaltungsakte dieses JobCenters finden sich ferner die Kopien zweier auf den Kläger ausgestellter Versichertenkarten der Beklagten.
Mit Schreiben vom 18. April 2005 teilte die Beklagte dem „JobCenter Berlin-Nord SGB II, Königin-Elisabeth-Straße 49, 14059 Berlin“ mit, sie sende „die als Anlage beiliegende Meldung zur Kranken- und sozialen Pflegeversicherung zurück mit der Bitte, diese an die zuständige Krankenkasse zu senden“, weil bei ihr kein Versicherungsverhältnis für den Kläger bestehe. Ob dieses Schreiben dem JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf zugegangen ist, ist anhand dessen Verwaltungsakte nicht zu klären.
In der Folgezeit wurden dem Kläger durch das JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf für die Zeit vom 11. April bis zum 31. Oktober 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bewilligt und Krankenversicherungsbeiträge auf Grund einer angenommenen Pflichtversicherung an die Beklagte abgeführt. Im Zusammenhang mit der fortlaufenden Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II führte das JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf – ausweislich seiner Verwaltungsakte – auch in der Folgezeit Pflichtversicherungsbeiträge an die Beklagte ab. Weil auf dem Änderungsbescheid des JobCenters Charlottenburg-Wilmersdorf vom 02. Juni 2007 keine Angaben zur Krankenversicherung des Klägers bzw. einer Beitragsabführung enthalten waren, erhob der Kläger hiergegen Widerspruch und verwies zugleich auf die Auffassung der Beklagten, dass er bei der Beigeladenen pflichtversichert werden müsse. Diesen Widerspruch wies das JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2007 zurück und führte zur Begründung u.a. aus, dass für den Kläger seit dem 12. April 2005 Versicherungsschutz aufgrund der ununterbrochenen Leistungen der Grundsicherung bei der Beklagten durchgehend bestehe. Die erforderlichen Beiträge würden ausweislich der Buchungsunterlagen monatlich laufend an den Versicherungsträger überwiesen. Eine Abmeldung wäre nicht begründet und sei auch nicht veranlasst worden.
Obwohl das JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf den Kläger unter dem 01. Oktober 2007 aufgefordert hatte, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht selbständig ein Versicherungsverhältnis bei der Beklagten zu klären, und im Falle von Änderungen aktuelle Bescheinigungen hierüber einzureichen, führte es bis zum Leistungsende am 31. Juli 2009 weiterhin Pflichtbeiträge an die Beklagte ab und bestätigte unter dem 14. Februar 2008 dem V Klinikum die Pflichtversicherung des Klägers bei der Beklagten seit Beginn des Leistungsbezuges.
Bereits mit Schreiben vom 09. Juli 2007 hatte die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass durch die Abmeldung des zuständigen Sozialamtes „zum 28.02.05 […] auch die Betreuung beendet“ worden sei; der Kläger möge die Versichertenkarte zurücksenden. Vorausgegangen war ein an die Beklagte gerichtetes Schreiben des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin vom 03. Juli 2007, in dem dieses den Kläger mit Wirkung zum 28. Februar 2005 bei der Beklagten abmeldete, weil er keine Leistungen nach dem SGB XII mehr beziehe. Nachdem der Kläger daraufhin gegenüber der Beklagten die Auffassung vertreten hatte, er sei bei ihr pflichtversichert, und vorsorglich am 07. August 2007 die Durchführung der freiwilligen Krankenversicherung beantragt hatte, teilte ihm die Beklagte mit, dass er nie Mitglied oder Versicherter bei ihr gewesen sei. Ein Aufnahmeantrag des Klägers aus dem Jahre 2005 habe nicht vorgelegen, sie habe auch keine Mitgliedschaftsbescheinigung ausgestellt. Die Anmeldung des JobCenters ab dem 12. April 2005 habe wegen Kassenunzuständigkeit storniert werden müssen (Schreiben vom 17. August 2007). Mit Schreiben vom 31. August 2007 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass trotz der Beendigung seiner Mitgliedschaft zum 28. Februar 2005 für ihn danach noch Behandlungskosten in Höhe von 2.225,09 Euro über die ungültige Krankenversicherungskarte verordnet und abgerechnet worden seien. Durch Rücksendung des beigefügten Fragebogens und der ungültig gewordenen Krankenversichertenkarte könne er vermeiden, dass sie ihm den o.g. Betrag „direkt“ in Rechnung stelle, wozu sie gesetzlich verpflichtet sei, falls er ihr die erbetenen Informationen nicht zukommen lasse. Daraufhin erhob der Kläger vorsorglich Widerspruch gegen die Forderung sowie die Feststellung, dass er seit 2005 nicht bei der Beklagten krankenversichert sei.
Parallel hierzu ersuchte der Kläger beim Sozialgericht Berlin um einstweiligen Rechtsschutz mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, ihn „weiterhin nach dem 12.04.2005 zu versichern“. Zur Begründung berief er sich u.a. auf zwei Schreiben der Beklagten vom März 2006, worin er zum einen über die Voraussetzungen einer Befreiung von der Zuzahlungspflicht informiert, zum anderen der Eigenanteil für eine Krankenhausbehandlung in der Zeit vom 27. April bis 03. Mai 2004 eingefordert wurde. Während des Eilverfahrens erklärte sich die Beklagte zur „Vorleistung“ an den Kläger bereit; die Beigeladene, welche ihre Zuständigkeit für den Kläger diesem gegenüber schon mit Schreiben vom 10. August 2007 verneint hatte, verzichtete daraufhin auf die „Anwendung der Rechtsvorschriften des § 111 SGB X und § 113 SGB X“ bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nahm der Kläger zurück, nachdem die Beklagte seinen Widerspruch gegen ihren „Bescheid vom 17.08.2007“ mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2007 zurückgewiesen hatte.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben und zu deren Begründung vorgebracht, auf Grund seiner fast vollständigen Blindheit habe er bis zur Einrichtung der Betreuung die ihm zugegangenen Schreiben nicht erkennen können. Mit der Angabe der Antragsgegnerin im Leistungsantrag beim JobCenter im April 2005 habe er diese als Krankenversicherungsträger gewählt. Da diese die Beiträge des JobCenters ab dem Jahr 2005 entgegengenommen habe, habe sie somit Kenntnis von der Meldung gehabt. Spätestens mit der Betreuungsanzeige vom 13. September 2005 hätte die Beklagte gegenüber seiner gesetzlichen Vertreterin darauf hinweisen müssen, dass Formalien streitig seien. Dies habe die Beklagte versäumt, so dass sie so zu stellen sei, als habe er „im Februar 2005 seine Krankenkassenwahl […] ordnungsgemäß gemeldet“. Die Beigeladene hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne, selbst wenn er im Antrag auf Arbeitslosengeld II keine wählbare Kasse genannt haben sollte, diese Wahl so lange ausüben, bis die meldepflichtige Stelle eine wirksame Wahlentscheidung getroffen habe. Es sei nämlich nicht nachzuvollziehen, warum die Wahlentscheidung der meldepflichtigen Stelle unwirksam sein solle, obwohl der Kläger mit der getroffenen Wahl einverstanden sei. Im Übrigen habe die Wahl der Krankenkasse, da sie keiner Form bedürfe, auch gegenüber dem JobCenter nach § 16 Sozialgesetzbuch/Erstes Buch (SGB I) erklärt werden können. Darüber hinaus könne die Anmeldung des Klägers durch das JobCenter bei der Beklagten auch als stellvertretende Ausübung des Wahlrechts angesehen werden. Die Beklagte hat dieser Auffassung widersprochen und gemeint, nachdem der Kläger sein Wahlrecht nicht rechtzeitig ausgeübt habe, hätte ihn das JobCenter bei der Beigeladenen als seiner letzten Krankenkasse anmelden müssen. Dies ergebe sich auch aus der Gemeinsamen Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Krankenkassenwahlrecht vom 06. März 2007.
Mit Urteil vom 20. Mai 2009 hat das Sozialgericht die Klage, mit der u.a. die Feststellung beantragt wurde, dass der Kläger seit dem 12. April 2005 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten sei, abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass das JobCenter als meldepflichtige Stelle den Kläger bei der Beigeladenen hätte anmelden müssen, weil er bei dieser zuletzt pflichtversichertes Mitglied gewesen sei. Dem JobCenter habe kein Wahlrecht zugestanden. Das JobCenter habe auch nicht als Stellvertreter für den Kläger das Wahlrecht ausgeübt, da eine Erklärung über die Ausübung eines Wahlrechts nicht mit einem Antrag auf Sozialleistungen im Sinne des § 16 SGB I gleichgestellt werden könne.
Gegen das ihr am 11. Juni 2009 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beigeladenen vom 19. Juni 2009, zu deren Begründung sie ihre bisherige Argumentation wiederholt und ergänzend vorbringt, durch die Pflichtversicherung des Klägers in der Krankenversicherung der Rentner sei kein neues Wahlrecht entstanden, weil er nicht zuvor seine Mitgliedschaft bei ihr gekündigt habe.
Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Mai 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2007 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger vom 12. April 2005 bis zum 31. Juli 2009 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Kläger stellt keinen Antrag und äußert sich zur Sache nicht.
Im Juni 2009 hat die Beklagte ihren angeblich bereits im September 2007 gegenüber der Beigeladenen geltend gemachten Erstattungsanspruch auf 4.450,62 € beziffert.
Mit Bescheid vom 30. Juni 2009 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg dem Kläger auf seinen Antrag vom 29. Dezember 2008 hin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01. Dezember 2008. Im Zusammenhang mit seinem Rentenantrag hatte der Kläger angegeben, die „Meldung zur Krankenversicherung der Rentner“ werde bei der Beklagten durchgeführt; der entsprechende Vordruck werde nachgereicht.
Seit dem 01. August 2009 ist der Kläger bei der Beklagten freiwillig versichert.
Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 17. Dezember 2009 erörtert und anschließend die Verwaltungsakten der JobCenter Friedrichshain-Kreuzberg und Charlottenburg-Wilmersdorf sowie der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg beigezogen. Die Verwaltungsvorgänge, die die gegenüber dem Kläger erbrachten Sozialhilfeleistungen in den Jahren 2003 bis 2005 betreffen, waren trotz entsprechender Anfragen des Senats an die Bezirksämter Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin und Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin – beide erbrachten in der Vergangenheit Leistungen der Sozialhilfe an den Kläger – nicht auffindbar.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die o.g. beigezogenen Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben, weil es zu Unrecht davon ausgegangen ist, der Kläger sei in der Zeit vom 12. April 2005 bis zum 31. Juli 2009 nicht Mitglied der Beklagten gewesen.
I. Die nur von der Beigeladenen eingelegte Berufung ist zulässig. Denn die Beigeladene ist durch die Entscheidung des Sozialgerichts materiell beschwert.
1) Das Sozialgericht hat die Beigeladene zum Klageverfahren gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu Recht (notwendig) beigeladen. Ist in einem (sozialverwaltungsrechtlichen oder sozialgerichtlichen) Verfahren umstritten, bei welcher Krankenkasse ein Versicherungspflichtiger Mitglied ist, sind hieran regelmäßig alle – in der Regel aber nur beide – in Betracht kommenden Krankenkassen zu beteiligen. Dies ergibt sich aus dem gesetzlichen Regelungskonzept.
a) Gemäß § 173 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) bestimmt sich die zuständige Krankenkasse nach der Auswahlentscheidung des Klägers. Gemäß § 175 Abs. 1 SGB V ist die Ausübung des Wahlrechtes gegenüber der gewählten Krankenkasse zu erklären. Diese hat unverzüglich eine Mitgliedsbescheinigung auszustellen (§ 175 Abs. 2 Satz 1 SGB V), welche von dem Versicherungspflichtigen unverzüglich der zur Meldung verpflichteten Stelle vorzulegen ist (§ 175 Abs. 3 Satz 1 SGB V), und zwar auch bei Eintritt einer Versicherungspflicht (§ 175 Abs. 2 Satz 3 SGB V). Wird eine Mitgliedsbescheinigung nicht spätestens zwei Wochen nach Eintritt der Versicherungspflicht vorgelegt, dann hat die zur Meldung verpflichtete Stelle den Versicherungspflichtigen bei der Krankenkasse anzumelden, bei der zuletzt eine Versicherung bestand (§ 175 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V). Bestand zuvor keine Versicherung, ist die Meldung an eine der nach § 173 SGB V wählbaren Krankenkassen zu richten (§ 175 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V). Nach dem mit Wirkung zum 1. Juli 2008 eingefügten § 175 Abs. 3 Satz 3 SGB V legt für die Fälle, in denen eine Mitgliedsbescheinigung nach Satz 1 nicht vorgelegt wird und keine Meldung nach Satz 2 erfolgt, der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Regeln über die Zuständigkeit fest.
Hat innerhalb der letzten 18 Monate vor Beginn der Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse bestanden, kann gemäß § 175 Abs. 2 Satz 2 SGB V die Mitgliedsbescheinigung nur ausgestellt werden, wenn die Kündigungsbestätigung nach § 175 Absatz 4 Satz 3 SGB V vorgelegt wird. Nach dieser Vorschrift hat die Krankenkasse einem kündigenden Mitglied unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung, eine Kündigungsbestätigung auszustellen. Die Kündigung wird gemäß § 175 Abs. 4 Satz 4 SGB V wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedsbescheinigung oder (seit dem 1. April 2007) das Bestehen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall nachweist.
b) Will daher eine gesetzliche Krankenkasse die Mitgliedschaft einer versicherungspflichtigen Person ablehnen, muss sie die Krankenkasse, bei der aus ihrer Sicht eine Mitgliedschaft dieser Person besteht oder zu begründen wäre, an dem bei ihr geführten Verwaltungsverfahren unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) beteiligen und ihr ihre Entscheidung bekannt geben, weil diese Entscheidung wegen der Versicherungspflicht und dem sich daraus ergebenden Zwang einer Mitgliedschaft bei irgendeiner Krankenkasse rechtsgestaltende Wirkung hat. Denn die Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse hängt nicht nur von den hierfür im SGB V bestimmten Tatbeständen, sondern auch von den hierzu zwischen einer Krankenkasse und einem Versicherungspflichtigen ergangenen Verwaltungsakten nach § 31 SGB X ab, weil letztere nach § 77 SGG mit Eintritt der Unanfechtbarkeit in der Sache bindend werden. In den sozialgerichtlichen Klageverfahren – und auch in den Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes – ist der dargestellten Rechtslage in Fällen wie dem vorliegenden durch die Beiladung der anderen Krankenkasse(n) Rechnung zu tragen, weil eine Entscheidung über die Mitgliedschaft aus den dargelegten Gründen nur einheitlich zwischen den betroffenen Krankenkassen und dem Versicherungspflichtigen ergehen kann. Die Entscheidungen der Krankenkassen und der Gerichte sollen nicht dazu führen, dass die Bestimmungen über die zuständige Krankenkasse und deren Wahl zu Lasten des Versicherungspflichtigen gehen. Insbesondere muss daher vermieden werden, dass im Ergebnis eines Sozialverwaltungs- oder sozialgerichtlichen Verfahrens lediglich feststeht, dass ein Versicherungspflichtiger jedenfalls nicht Mitglied einer bestimmten Krankenkasse ist, ohne dass zugleich eine Entscheidung über die zuständige Krankenkasse getroffen wird (vgl. hierzu auch den Beschluss des Senats vom 21. Mai 2010, Az.: L 9 KR 33/10 B ER, veröffentlicht in Juris, zur Frage, ob eine bestimmte (gesetzliche) Krankenkasse oder ein bestimmtes privates Krankenversicherungsunternehmen die Pflichtversicherung durchzuführen hat).
c) Die Beigeladene ist durch das angefochtene Urteil des Sozialgerichts auch materiell beschwert. Dem Tenor der sozialgerichtlichen Entscheidung ist zwar nur die Abweisung der Klage zu entnehmen. Aus den bei einer ablehnenden gerichtlichen Entscheidung aber zur Bestimmung des Streitgegenstandes und des Umfangs der Rechtskraft der Entscheidung ergänzend heranzuziehenden Gründen ergibt sich aber, dass das Sozialgericht nicht nur davon ausgegangen ist, dass das JobCenter den Kläger bei der Beigeladenen hätte anmelden müssen, sondern dass er seit dem 12. April 2005 auch schon deren Mitglied ist. Diese Entscheidung bindet im Rahmen ihrer Rechtskraft auch die Beigeladene, die im Falle der Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung deshalb auch in ihren Rechten verletzt und damit rechtsmittelbefugt ist.
2) Die Berufung der Beigeladenen ist auch nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts selbst keine Berufung eingelegt hat und dieses ihm gegenüber somit rechtskräftig geworden ist. Zwar kann der Beigeladene nach § 75 Abs. 4 Satz 1 SGG nur innerhalb der Anträge der anderen (Haupt-)Beteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen. Abweichende Sachanträge kann er aber dann stellen (und damit auch ein Rechtsmittel einlegen), wenn – wie hier – eine Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG vorliegt (Senat a.a.O.; Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer Sozialgerichtsgesetz, 9.A., § 75 Rd. 17g).
II) Die Berufung ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts und die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind aufzuheben.
1) Die Klage ist als Feststellungsklage gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG zulässig. Die danach ermöglichte Feststellung des zuständigen Versicherungsträgers in der Sozialversicherung ist auch für einen Rechtsstreit zwischen zwei Versicherungsträgern eröffnet (BSG, Urteil vom 8. Oktober 1998, Az: B 12 KR 3/98 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.). Es bestehen demzufolge unter diesem Aspekt keine Bedenken daran, dass die Beigeladene im Rechtsmittelverfahren den Antrag des Klägers im Verfahren vor dem Sozialgericht fortführt. Die Beigeladene hat auch ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung der zuständigen Krankenkasse, weil sie sich zum einen einem Erstattungsanspruch der Beklagten ausgesetzt sieht, und weil zum anderen die Beklagte davon ausgeht, dass sie auch durch die Erklärungen des Klägers im Zusammenhang mit seinem Rentenantrag und der durch die Rentengewährung geänderten Rechtsgrundlage für seine Krankenversicherung nicht wirksam als Krankenkasse gewählt worden sei, somit nicht nur um die Zuständigkeit für einen abgelaufenen Zeitraum gestritten wird.
2) Die Klage ist auch begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 17. August 2007 und 17. Oktober 2007 sind rechtswidrig. Denn der Kläger war vom 12. April 2005 bis zum 31. Juli 2009 aufgrund einer Pflichtversicherung ihr Mitglied.
a) Die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V in der im April 2005 geltenden, hier maßgeblichen Fassung. Nach dieser Vorschrift sind Personen in der Zeit, in der sie Arbeitslosengeld II nach dem SGB II beziehen, versicherungspflichtig, soweit sie nicht familienversichert sind, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB II bezogen werden. Der Kläger bezog zumindest ab dem 12. April 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er war weder familienversichert, noch sind ihm Leistungen nur darlehensweise oder nur nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB II gewährt worden. Die zum 1. Januar 2009 in Kraft getretene Vorschrift des § 5 Abs. 5a SGB II über den Ausschluss der Versicherungspflicht bei Leistungsbeziehern nach dem SGB II ohne Vorversicherungszeit betrifft den Kläger nicht, da er bereits am 31. Dezember 2008 hilfebedürftig war (§ 5 Abs. 5a Satz 2 SGB V).
b) Zumindest seit dem 12. April 2005 – für den davor liegenden Zeitraum ist der Senat an einer Feststellung aufgrund des insoweit beschränkten Antrags des Kläger im Klageverfahren gehindert – ist der Kläger Mitglied der Beklagten. Zwar hat der Senat nicht alle diesbezüglichen Umstände des Sachverhalts aufgeklärt bzw. aufklären können. Die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten ergibt sich jedoch nach jeder denkbaren Sachverhaltsvariante.
aa) Es spricht viel dafür, dass anlässlich der Bewilligung von Arbeitslosengeld II ab dem 1. Januar 2005 gegen die Bestimmungen des § 175 SGB V verstoßen wurde. Zunächst hätte das JobCenter Friedrichshain-Kreuzberg nach § 20 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) den Sachverhalt von Amts wegen weiter ermitteln müssen. Denn die Angaben des Klägers waren offensichtlich widersprüchlich: wenn er im laufenden Bezug von Sozialhilfe stand, war er allenfalls Leistungsberechtigter nach § 264 SGB V, konnte aber bei der Beklagten nicht „pflichtversichert oder familienversichert“ i.S.v. § 5 oder § 10 SGB V sein. Nach der Feststellung, dass der Kläger zuletzt weder pflicht- noch familienversichert war, hätte es als die nach § 203a SGB V meldepflichtige Stelle den Kläger zur Vorlage einer Mitgliedsbescheinigung auffordern müssen und, als ihm auch 2 Wochen nach Eintritt der gem. § 186 Abs. 2a SGB V am 1. Januar 2005 beginnenden Versicherungspflicht des Klägers noch keine Mitgliedsbescheinigung vorlag, die Krankenkasse ermitteln müssen, bei der zuletzt eine Versicherung für den Kläger bestand (hier: die Beigeladene), und ihn nach § 175 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V dort anmelden müssen.
bb) Nahe liegt desweiteren, dass auch im Zusammenhang mit der Antragstellung des Klägers vom 11. April 2005 das Verfahren nach § 175 SGB V nicht eingehalten wurde. Den dem Senat vorliegenden Verwaltungsvorgängen ist nicht zu entnehmen, ob der Kläger dem JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf eine Mitgliedsbescheinigung der Beklagten als der von ihm gewählten Krankenkasse vorgelegt hat. Allerdings wurde auf der Lesekopie des o.g. Schreibens des JobCenters Charlottenburg-Wilmersdorf an den Kläger vom 12. April 2005 hinter der mit einem Kreuz versehenen Zeile „Mitgliedsbescheinigung einer Krankenkasse“ handschriftlich „ok“ eingetragen. Dies könnte entweder dafür sprechen, dass dieser Behörde zu irgendeinem Zeitpunkt eine Mitgliedsbescheinigung vorgelegen hat. Deren Kopie wurde aber weder in den eigenen Verwaltungsvorgängen noch in denen der Beklagten, die ausweislich ihres o.g. Schreibens vom 18. April 2005 an das JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf von diesem offensichtlich eine Meldung zur Krankenversicherung erhalten hat, abgelegt. Vorstellbar ist hingegen auch, dass das JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf davon ausgegangen ist, dass eine Mitgliedsbescheinigung einer Krankenkasse nicht erforderlich ist, weil der Kläger unmittelbar vor Antragstellung nicht Leistungen nach dem SGB XII bezog, sondern im Zusammenhang mit der Bewilligung von Arbeitslosengeld II bereits die Wahl einer Krankenkasse erfolgt war. Auch im Hinblick auf diese Variante(n) des Sachverhalts wurde der Kläger Mitglied der Beklagten.
c) Denn entgegen der Auffassung der Beklagten führen Verstöße gegen das in § 175 SGB V vorgesehene Verfahren nicht zur Unwirksamkeit der Meldung.
aa) Das Gesetz hat die Rechtsfolgen einer an die falsche Krankenkasse erfolgten Meldung nicht ausdrücklich geregelt. Es greift nur den Fall auf, dass weder eine Mitgliedsbescheinigung vorgelegt wurde noch eine Meldung nach § 175 Abs. 3 Satz 2 SGB V erfolgte und ordnet dafür in Satz 3 dieser Vorschrift an, dass dann die Krankenkassen über ihre Verbände (ab dem 1. Juli 2008: durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen) selbst Regeln für die Bestimmung der Zuständigkeit aufstellen. Aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen über das Verfahren der Krankenkassenwahl und die Bestimmung der zuständigen Krankenkasse ergibt sich indessen, dass auch eine fehlerhaft erfolgte Meldung jedenfalls zunächst wirksam ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, (rechtskräftiges) Urteil vom 10. Dezember 2010, Az.: L 1 KR 612/07, veröffentlicht in Juris). Denn § 175 SGB V verfolgt offensichtlich das Ziel, bei Eintritt von Versicherungspflicht die Frage der Kassenzuständigkeit kurzfristig zu klären. Dies wird zum einen dadurch belegt, dass die Mitgliedsbescheinigung sowohl nach § 175 Abs. 2 Satz 1 SGB V als auch nach Satz 3 dieser Vorschrift unverzüglich auszustellen ist und vom Versicherungspflichtigen der zur Meldung verpflichtete Stelle ebenfalls unverzüglich, höchstens innerhalb von 2 Wochen nach Eintritt der Versicherungspflicht, vorzulegen ist. Geht der Krankenkassenwahl die Kündigung einer bestehenden Mitgliedschaft voraus, muss die bisherige Krankenkasse die Kündigungsbestätigung gleichfalls unverzüglich, spätestens 2 Wochen nach Eingang der Kündigung, ausstellen (§ 175 Abs. 4 Satz 3 SGB V). Nach Ablauf der in § 175 Abs. 3 Satz 2 SGB V vorgesehenen 2-Wochen-Frist geht die Pflicht zum Handeln auf die zur Meldung verpflichtete Stelle über. Dies ist erkennbar von der Absicht getragen, weitere Verzögerungen bei der Klärung der Kassenzuständigkeit zu vermeiden, um sowohl dem Versicherungspflichtigen als auch der betroffenen Krankenkasse alsbald Klarheit darüber zu verschaffen, durch wen im Krankheitsfall die Leistungserbringung abzusichern ist. Ausdruck dieses gesetzgeberischen Ziels ist auch, dass bei einer Anmeldung nach § 175 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V der Versicherungspflichtige unverzüglich über die gewählte Krankenkasse zu unterrichten ist.
bb) Dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel einer zügigen Umsetzung des Versicherungsschutzes entspricht es, die Zuständigkeitsentscheidung an greifbare, sofort und einfach feststellbare Bedingungen zu knüpfen. Vorhandene Mängel müssen deswegen – zunächst – unberücksichtigt bleiben, sie vermögen nichts an der Wirksamkeit des jeweiligen Meldetatbestands zu ändern. Dem Grundsatz, dass Mängel ohne Auswirkungen bleiben, entspricht auch, dass § 175 Abs. 3 Satz 3 SGB V für die Zuständigkeitsbestimmung nur auf die fehlende Vorlage einer Mitgliedsbescheinigung bzw. die fehlende Meldung nach Satz 2 der Vorschrift abstellt, ohne aber den Fall einer fehlerhaften Wahl oder Meldung zu erfassen.
Soll die Zuständigkeitsbestimmung an sofort und einfach feststellbare Umstände anknüpfen, kann es auf die Art des Mangels bzw. des Fehlers im Verfahren nach § 175 SGB V und die Frage, wer ihn ggf. zu verantworten hat, nicht ankommen, da die andernfalls durchzuführenden Ermittlungen zur Fehlerursache zum einen eine rasche Zuständigkeitsbestimmung verzögern würden und zum anderen u.U. eine wertende Betrachtung erforderten, was einem Abstellen auf sofort und einfach feststellbare Umstände entgegenstünde. Allenfalls auf Willkür zurückführbare Mängel des Versicherungspflichtigen könnten ausnahmsweise zu einer anderen Bewertung zwingen. Im vorliegenden Fall sind Anhaltspunkte für ein willkürliches Verhalten des Klägers jedoch nicht erkennbar. Ob die o.g. JobCenter als meldepflichtige Stellen durch ihre grob fehlerhafte Behandlung des Meldeverfahrens die Schwelle zur Willkür überschritten haben, ist unerheblich, da Fehlverhalten der meldepflichtigen Stellen selbst bei Willkür nach dem o.g. gesetzgeberischen Konzept nicht dazu führen kann, dass trotz Versicherungspflicht keine Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse begründet wird.
d) Die trotz ihrer Fehlerhaftigkeit zunächst wirksame Meldung kann – und muss ggf. – mit Wirkung ex nunc korrigiert werden. Hierzu zwingt das materielle Recht, da andernfalls das in § 175 SGB V vorgesehene Verfahren obsolet wäre. Dass es nicht bei einer einmal eingetretenen Zuständigkeit bleiben muss, erst recht nicht, wenn sie fehlerhaft begründet wurde, ergibt sich auch daraus, dass der Versicherte sein Wahlrecht – nach Ablauf gewisser Fristen – gemäß § 175 Abs. 4 SGB V neu ausüben kann. Ob bei der für die Zukunft erfolgenden Korrektur wegen deren fehlerheilenden Wirkung das Wahlrecht nach § 173 SGBV erneut ausgeübt und das Verfahren nach § 175 SGB V durchgeführt werden muss (so LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Dezember 2010, a.a.O.), kann offen bleiben. Denn jedenfalls dann, wenn der Versicherungspflichtige nach außen hin zu erkennen gegeben hat, dass er trotz fehlerhafter Meldung mit der einmal begründeten Mitgliedschaft einverstanden ist, ist eine Korrektur auch mit Wirkung für die Zukunft ausgeschlossen.
Der Kläger hat u.a. durch Widerspruch und Klage gegen die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten sowie durch seinen an die Beklagte gerichteten vorsorglichen Antrag auf „Durchführung der freiwilligen Versicherung“ wiederholt zu erkennen gegeben, dass er die bei dieser Krankenkasse (fehlerhaft) begründete Mitgliedschaft fortführen will. Dem steht nicht entgegen, dass er gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts kein Rechtsmittel eingelegt hat. Denn sein primäres Rechtsschutzinteresse besteht – wie von seiner gesetzlichen Vertreterin im Erörterungstermin am 17. Dezember 2009 dargelegt – darin, dass irgendeine Krankenkasse für die Durchführung seiner Krankenversicherung zuständig ist. Darüber hinaus hat er auch im Zusammenhang mit seinem Rentenantrag vom 29. Dezember 2008 die Beklagte als „seine“ Krankenkasse angegeben.
Dass diese Erklärungen des Klägers außerhalb der in § 175 SGB V genannten Fristen abgegeben wurde, ist unschädlich. Denn wenn diese Fristen aufgrund von Fehlverhalten der in das Verfahren der Wahlrechtsausübung eingeschalteten Sozialleistungsträger versäumt werden, muss dem Versicherungspflichtigen ggf. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 SGB X) gewährt werden.
e) Zum gleichen Ergebnis gelangte man im vorliegenden Fall im Übrigen auch dann, wenn man die Konfliktlösung auf zwei anderen Wegen versuchte:
aa) So wird zum einen vertreten, nur eine mängelfreie Anmeldung sei wirksam und bis zu einer solchen könne der Versicherungspflichtige ungeachtet der in § 175 SGB V genannten Fristen sein Wahlrecht ausüben (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. Mai 2005, Az.: L 5 B 17/05 KR ER, veröffentlicht in Juris, m.w.N.). Diese Auffassung kann nach Auffassung des Senats allerdings nur dann überzeugen, wenn auch bei der nachgeholten Wahlrechtsausübung das in § 175 SGB V vorgegebene Verfahren eingehalten wird und die hierdurch begründete Mitgliedschaft ex-tunc-Wirkung, d.h. ab Beginn der Versicherungspflicht, entfaltet.
bb) Zum anderen wird davon ausgegangen, dass die Wahlrechtsausübung des Versicherungspflichtigen die eine (öffentlich-rechtliche) empfangsbedürftige Willenserklärung ist, auf die die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend Anwendung finden sollen (Kruse/Hänlein Sozialgesetzbuch V - Lehr- und Praxiskommentar, 3.A., 2009, § 175 Rd. 3 m.w.N.) nicht nur unmittelbar gegenüber der gewählten Krankenkasse erfolgen kann. Vielmehr soll es genügen, dass ein Versicherungspflichtiger gegenüber einem zur Meldung verpflichteten Sozialleistungsträger ohne Vorlage einer Mitgliedsbescheinigung die von ihm gewählte Krankenkasse angibt und dieser den Versicherungspflichtigen daraufhin bei der angegebenen Krankenkasse anmeldet (so LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. März 2001, Az.: L 1 KR 118/08; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 2. November 2009, Az.: L 4 KR 358/07 - Revision beim BSG anhängig (Az.: B 12 KR 21/10 R) - ; Hess. LSG, Urteil vom 23. November 2006, Az.: L 1 KR 308/04, und Beschluss vom 22. August 2005, Az.: L 8 KR 113/05 ER; alle veröffentlicht in Juris).
Gegenüber diesem Lösungsweg bestehen aus Sicht des Senats nicht unerhebliche Bedenken:
- Zum einen bleibt weitgehend unklar, ob der zur Meldung verpflichtete Sozialleistungsträger als Erklärungsbote/-vertreter oder – wegen des in § 16 SGB I enthaltenen Rechtsgedanken – als Empfangsbote/-vertreter fungiert. Diese Frage kann wegen der unterschiedlichen Zeitpunkte, in denen die Erklärung der Wahlrechtsausübung bei Beteiligung eines Stellvertreters/Boten zugeht und somit wirksam wird, nicht offen bleiben. So muss z.B. für den Fall, dass der Versicherungspflichtige seine Wahl unmittelbar nach der Mitteilung gegenüber dem meldepflichtigen Sozialleistungsträger ändert und dies sogleich der nunmehr gewünschten Krankenkasse mitteilt, feststehen, welcher Krankenkasse zuerst eine Wahlrechtserklärung zugegangen ist.
- Zum anderen kann § 16 SGB I keine Anwendung finden, wenn die zur Meldung verpflichtete Stelle kein Sozialleistungsträger, sondern z.B. der Arbeitgeber ist.
- Zum dritten würde bei dieser Rechtsauffassung das in § 175 Abs. 2 und 3 SGB V vorgesehene Verfahren stark verkürzt. Der dort vorgesehene Ablauf - Wahlrechtsausübung - Ausstellung der Mitgliedsbescheinigung - Vorlage derselben bei der meldepflichtigen Stelle - Meldung durch diese Stelle - würde auf das erste und letzte Element beschränkt. Die Begründung für die darin liegende teleologische Reduktion des Gesetzeswortlauts bestünde allein in Praktikabilitätserwägungen.
- Schließlich wäre die o.g. Ansicht kaum haltbar, wenn der Wahlrechtsausübung die Kündigung eines bestehenden Mitgliedschaftsverhältnisses nach § 175 Abs. 4 SGB V vorausgehen müsste.
Letztlich kann der Senat offenlassen, ob er diese beiden Alternativlösungen für überzeugend hält, da er bereits auf anderem Wege zum selben Ergebnis gelangt.
3) Nicht im Rahmen dieses Rechtsstreits zu klären ist die Frage, ob und ggf. wem gegenüber der Beklagten Ersatzansprüche aufgrund der fehlerhaften Anmeldung des Klägers zustehen.
III) Die Kostenentscheidung beruht für das Berufungsverfahren auf § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites. Insoweit war zu berücksichtigen, dass die Hauptbeteiligten des Berufungsverfahrens – die Beigeladene als Berufungsklägerin und die Beklagte als Berufungsbeklagte – nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen zählen, sodass § 197a Abs. 1 SGG Anwendung findet.
Für das Verfahren vor dem Sozialgericht beruht die Kostenentscheidung hingegen auf § 193 SGG, weil der Kläger zu dem in § 183 SGG genannten kostenprivilegierten Personenkreis zählt. Auch diese Kostenentscheidung entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).