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Dezentrale Schmutzwasserentsorgung; Grubenentleerung; Benutzungsgebühr; Mengengebühr; Frischwassermaßstab; Frischwassermenge; Schätzung; Kategorienbildung; Personenzahl; Wohngrundstück; Erholungsgrundstück; Eignung zum dauerhaften Wohnen; ganzjährige Nutzung; Datsche; Bungalow; Kleingarten


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 24.06.2014
Aktenzeichen OVG 9 N 72.13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 124 VwGO, § 124a VwGO, § 6 KAG BB, § 12 KAG BB, § 162 AO

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Dezember 2012 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Beklagte.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf bis 300 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beklagte zog den Kläger für das Jahr 2008 zu Mengengebühren für die dezentrale Schmutzwasserentsorgung (Grubenentleerung) heran. Die Gebührensatzung sah insoweit erstmalig den sogenannten Frischwassermaßstab vor; die Gebühr sollte nach der Frischwassermenge bemessen werden, die dem Grundstück in 2008 zugeführt worden war. Weil auf dem Grundstück des Klägers kein Frischwasserzähler vorhanden war, schätzte der Beklagte diese Frischwassermenge. Dabei ging er zunächst von 25 m³ aus. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht reduzierte er seine Schätzung auf 10 m³ und änderte den Gebührenbescheid entsprechend.

Mit Urteil vom 21. Dezember 2012 hat das Verwaltungsgericht den Gebührenbescheid gleichwohl aufgehoben. Zwar seien der Frischwassermaßstab und eine Schätzung zulässig. Dabei seien nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b KAG in Verbindung mit § 162 Abs. 1 Satz 2 AO aber alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung seien. Das sei hier nicht geschehen. Zu den berücksichtigungspflichtigen Umständen gehöre die Zahl der das Grundstück nutzenden Personen, die Art der Nutzung (Wohnnutzung/Wochenendnutzung/ kleingärtnerische Nutzung) und die Nutzungsdauer (ganzjährig/zeitweise). Für die danach zu bildenden Fallgruppen seien, soweit möglich, Durchschnittsverbräuche zu ermitteln. Das habe der Beklagte nicht getan. Seine ursprüngliche Schätzung laufe darauf hinaus, für eine von einer Person genutzte Kleinparzelle einen genauso hohen Verbrauch anzusetzen wie für einen normalen Ein-Personen-Haushalt. Zudem sei der ursprünglich angesetzte Wert (25 m³) weder ein für die in Rede stehende Nutzungsart statistisch ermittelter Durchschnittswert noch in nachprüfbarer Weise aus anderen Daten hergeleitet worden, sondern offensichtlich gegriffen. Dabei habe sich der Beklagte erheblich verschätzt; in Kleingartenfällen mit (später) eingebautem Wasserzähler habe der Frischwasserverbrauch deutlich niedriger, nämlich unter 5 m³ gelegen. Der Beklagte habe seinen ursprünglichen Schätzungsfehler auch nicht später geheilt. Der Beklagte irre, wenn er meine, zwischen Dauerwohngrundstücken und saisonal oder nur an den Wochenenden genutzten Grundstücken dürfe überhaupt nicht unterschieden werden. Soweit er in der mündlichen Verhandlung nur noch einen Schätzwert von 10 m³/Person/Jahr zu Grunde gelegt habe, sei auch dieser Wert nicht statistisch ermittelt oder in nachvollziehbarer Weise hergeleitet, sondern wiederum lediglich gegriffen. Der geänderte Gebührenbescheid erweise sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Ergebnisrichtigkeit als rechtmäßig. Wegen des Schätzungsspielraums der Behörde und mangels eigener Schätzungsbefugnis dürfe das Verwaltungsgericht eine fehlerhafte behördliche Schätzung nicht durch eine eigene Schätzung ersetzen, sondern sei auf eine Bescheidaufhebung beschränkt.

Das angegriffene Urteil ist dem Beklagten am 28. Januar 2013 zugegangen. Er hat am 25. Februar 2013 die Zulassung der Berufung beantragt und seinen Zulassungsantrag am 28. März 2013 begründet.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen (§ 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO). Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Danach ist die Berufung hier nicht zuzulassen.

1. Die Darlegungen des Beklagten wecken keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Beklagte hat keinen tragenden Rechtssatz und auch keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Urteils schlüssig angegriffen.

Der Beklagte hat seinen zuletzt angesetzten Schätzwert (10 m³/Person/Jahr) weder erstinstanzlich noch im Berufungszulassungsverfahren hinreichend plausibilisiert. Aus seinem Zulassungsvorbringen wird schon nicht deutlich, ob der Beklagte diesen Wert nunmehr nur für dezentral entsorgte Erholungsgrundstücke oder auch für dezentral entsorgte Dauerwohngrundstücke ohne Frischwasserzähler als richtigen Schätzwert ansieht, obwohl sich der Frischwasserverbrauch und Schmutzwasseranfall bei solchen Grundstücken ersichtlich unterscheidet. Selbst wenn das Zulassungsvorbringen so zu verstehen sein sollte, dass der Schätzwert nur bei Erholungsgrundstücken angemessen sein soll, handelt es sich insoweit um eine zu grobe Schätzung. Der Beklagte legt mit seinem Zulassungsvorbringen anschaulich dar, dass es im Satzungsgebiet eine breite Palette von Erholungsgrundstücken gibt, die vom faktischen Dauerwohnsitz bis zur echten kleingärtnerischen Nutzung reicht, wobei Erholungsgrundstücke, die ihrer Bebauung und Ausstattung nach jedenfalls Einfamilienhausgrundstücken entsprechen, keine Seltenheit sein sollen. Insoweit bestehen ersichtlich Unterschiede im Frischwasserbezug und Schmutzwasseranfall. Dem muss der Beklagte Rechnung tragen. Der Maßstab einer Benutzungsgebühr darf nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zu der Inanspruchnahme stehen (§ 6 Abs. 4 Satz 2 KAG). Ein Mehr an Inanspruchnahme muss danach im Großen und Ganzen auch mit einem Mehr an Gebühr einhergehen (vgl. Urteil des Senats vom 6. Juli 2011 - OVG 9 B 28.09 - juris, Rdnr. 15). Das ist gleichermaßen Richtschnur für notwendige Schätzungen der Bemessungsgrundlage. Der Beklagte erkennt das insoweit an, als er nach der Personenzahl auf dem Grundstück differenziert hat (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 25. März 2009 - OVG 9 S 75.08, OVG 9 S 22.09 - juris, Rdnr. 14). Darauf durfte er sich hier jedoch nicht beschränken. Der Beklagte hat den ersichtlichen Unterschieden im Frischwasserbezug und Schmutzwasseranfall nicht dadurch Rechnung getragen, dass er jeweils die Verhältnisse des einzelnen Grundstücks im hier in Rede stehenden Veranlagungszeitraum in den Blick genommen (Abfragen bei den Gebührenpflichtigen, Berücksichtigung der tatsächlichen Entsorgungsmenge), sondern anhand von Durchschnittswerten geschätzt hat. Das mag zwar aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt gewesen sein. Indessen musste der Beklagte insoweit auch jenseits der Personenzahl wenigstens bestimmte grobe Kategorien bilden, um ansatzweise realitätsnah zu bleiben. Warum das praktisch unmöglich gewesen sein sollte, zeigt der Beklagte nicht ansatzweise überzeugend auf. Unbeschadet aller Unschärfen und Abgrenzungsschwierigkeiten ist nicht erkennbar, warum nicht wenigstens zwischen wie ein Einfamilienhausgrundstück anmutenden Erholungsgrundstücken, Datschen- oder Bungalowgrundstücken und echten Kleingärten unterschieden worden ist. Der Hinweis auf "höchst volatives" und deshalb nicht nachhaltbares Nutzungsverhalten trägt insoweit nicht, weil jedenfalls die beiden letztgenannten Grundstücksarten bei typisierender Betrachtung nur ein bestimmtes Nutzungsverhalten zulassen. Ausführungen wie der Hinweis auf die Ermöglichung einer Dauernutzung durch das Aufstellen eines elektrischen Heizlüfters oder einen besonders hohen Anfall dezentral zu entsorgenden Schmutzwassers durch Autowaschen auf dem Grundstück belegen insoweit nicht die praktische Unmöglichkeit einer jedenfalls ansatzweise genaueren Schätzung, sondern nur den Unwillen, das Problem ernsthaft anzugehen.

2. Die Rechtsache weist mit Blick auf das Vorstehende auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 3 und 1, § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG).

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 und § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.