Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 02.08.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 1 N 47.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 72 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 154ff VwGO, § 48 Abs 1 S 1 VwVfG, § 80 VwVfG |
Vereinbart ein Widerspruchsführer die Rücknahme des angefochtenen Verwaltungsakts mit der Erlassbehörde Zug um Zug gegen die Rücknahme des Widerspruchs, entzieht er damit einer Kostenerstattung im isolierten Vorverfahren die Grundlage. Das Antragen einer solchen Vereinbarung gegenüber einem rechtskundig vertretenen Betroffenen verstößt grundsätzlich nicht gegen Treu und Glauben. (Angeblich) mündlich getroffene Abreden über die Kostentragung begründen nach Vollzug einer solchen Vereinbarung keinen Anspruch auf eine über die gesetzliche Regelung hinausgehende Kostenerstattung und -festsetzung.
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. April 2011 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 1.301 EUR festgesetzt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung, über den der Berichterstatter gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO entscheiden kann, ist unbegründet.
Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor. Die Klägerin begehrt, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im isoliert gebliebenen Vorverfahren für notwendig zu erklären und ihr die insoweit entstandenen Kosten zu erstatten. Der Beklagte hat in seinem Bescheid vom 21. September 2010, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2010, – und ihm folgend das Verwaltungsgericht - dafür keine Anspruchsgrundlage gesehen, weil die Klägerin den Widerspruch auf der Grundlage eines Vergleichs mit dem Beklagten gegen die Aufhebung des Bescheides über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach erfolgreichem Nachweis der praktischen Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen zurückgenommen habe. Mangels stattgebender Widerspruchsentscheidung seien die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung im Vorverfahren nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG („Soweit der Widerspruch erfolgreich ist, …“) nicht erfüllt. Die im Rahmen der Vergleichsabrede behauptete Zusicherung einer Kostenerstattung für das Vorverfahren sei nicht in der gehörigen Form nachgewiesen.
Mit der Begründung des Zulassungsantrages macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass zunächst die Aufhebung des Entziehungsbescheides erfolgt sei und ihr Bevollmächtigter erst danach den Widerspruch zurückgenommen habe; der Sache nach sei damit eine hinsichtlich der gebotenen Aussprüche über die Kosten und über die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren unvollständige Abhilfeentscheidung (§ 72 VwGO) getroffen worden, so dass der Widerspruch erfolgreich gewesen sei und sich dadurch vor der – sodann ins Leere gehenden – Rücknahme des Rechtsbehelfs erledigt habe. Darin liegt keine ernstliche Zweifel begründende schlüssige Gegenargumentation zu dem angefochtenen Urteil, die dessen Richtigkeit in Frage stellen würde. Im Ausgangspunkt wird damit nämlich nicht in Abrede gestellt, dass es zu der Vereinbarung zwischen den Beteiligten gekommen ist, nach der der Widerspruch Zug um Zug gegen Aufhebung des Bescheides zurückgenommen werden sollte. Für deren Zustandekommen spricht auch der Akteninhalt und letztlich der tatsächliche Vollzug. Soweit die Klägerin der Ansicht ist, dass dem Gesetz die Aufhebung eines Bescheides Zug um Zug gegen die Rücknahme des dagegen gerichteten Rechtsbehelfs unbekannt sei, so spricht dies weder gegen die rechtliche Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung im Vergleichswege, noch zwingt es dazu, den Vollzug eines solchen Vorgangs am Gesetz zu messen, wenn ihm eine entsprechende Vereinbarung vorausgegangen ist. Abgesehen davon wäre auch eine Beurteilung nach dem Gesetz hier keineswegs eindeutig im Sinne der Klägerin vorzunehmen. Eine Behörde, die nach Einlegung des Rechtsbehelfs erkennt, dass ihr Verwaltungsakt rechtswidrig ist, hat grundsätzlich die Wahl, ob sie dem Widerspruch abhilft oder den Verwaltungsakt in einem eigenständigen Verfahren zurücknimmt mit der Folge, dass sich das Vorverfahren erledigt und es an einer Grundlage für die Erstattung von Kosten fehlen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. April 1996 – 4 C 6.95 – BVerwGE 101, 64, und vom 26. März 2003 – 6 C 24.02 – BVerwGE 118, 84). Insofern wäre es hier nicht ohne tragfähige Grundlage oder treuwidrig (§ 242 BGB), wenn der Beklagte sich in Vollzug der Vereinbarung für eine Rücknahme der Fahrerlaubnisentziehung entschlossen hätte, weil die Vereinbarung erkennbar darauf zielte, dem Widerspruch durch Rücknahme sämtliche Wirkungen zu nehmen und – anders kann die in dem Schreiben vom 12. Februar 2010, das die Vereinbarung wiedergibt, verwendete Formulierung „Zug um Zug“ nicht verstanden werden – den Beklagten berechtigte, die Aufhebung des Verwaltungsakts erst gegen die Abgabe der Rücknahmeerklärung vorzunehmen (vgl. § 274 Abs. 1 BGB). Die getroffene Vereinbarung zielte mit der Rücknahme also gerade darauf, dass der Beklagte eine Kostenentscheidung zu seinen Lasten vermeiden wollte; das konnte für einen rechtskundigen verständigen Betrachter nicht zweifelhaft sein. Wenn die Klägerin darauf eingegangen ist, so mag sie ihre Gründe dafür gehabt haben. Nach Aktenlage spricht dafür, dass sie auf diesem Wege erreicht hat, nur ihre mangels Verzahnung der theoretischen und der praktischen Fahrschulausbildung zweifelhafte praktische Befähigung nachweisen zu müssen. Ist nach allem ein solcher Vergleich zugrunde zu legen, kann sich die Klägerin schon nicht darauf berufen, dass ihr Bevollmächtigter die Rücknahme des Widerspruchs erst nach Erfüllung der Vereinbarung seitens des Beklagten erklärt hat.
Das Vorbringen der Klägerin zu einer weitergehenden Kostenvereinbarung, die ihr einen Erstattungsanspruch in der geltend gemachten Höhe gesichert hätte, vermag einen Anspruch auf Kostenerstattung nicht zu stützen. Eine schriftliche Vereinbarung einer über den gesetzlichen Rahmen hinausgehenden Kostenerstattung im Vorverfahren, die allein die Wirkung einer Zusicherung späterer Kostenfestsetzung haben könnte, liegt nicht vor. Insofern leidet das Urteil unter keinem Mangel, weil das Verwaltungsgericht es abgelehnt hat, den Behauptungen der Klägerin zum Inhalt der mündlichen Erörterung mit den Vertretern des Beklagten nachzugehen, denn es ist in der Tat unerheblich, was insoweit mündlich erörtert wurde. Die Berufung auf die im gerichtlichen Verfahren für die Kostenregelung bei Vergleichen anzuwendenden Bestimmungen (§ 98 ZPO, § 160 VwGO), wonach die Kosten gegeneinander aufgehoben werden, wenn nicht anderes vereinbart ist, vermögen jedenfalls die Erheblichkeit solchen Vortrages nicht zu begründen, denn diese Kostenvorschriften gelten nur für gerichtliche Verfahren und finden keine Anwendung im isolierten Vorverfahren (vgl. allgemein zur Anwendung der §§ 154 ff VwGO: BVerwG, Urteil vom 5. September 1984 – 6 C 30.83 – BVerwGE 70, 58, juris Rn. 13 f. m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).