Die Beteiligten streiten über die Höhe der Pflegevergütung sowie die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung.
Die Klägerin betreibt in H/Nordrhein-Westfalen die Pflegeeinrichtung K mit 136 vollstationären Pflegeplätzen. Hierbei handelt es sich um eine unselbständige Betriebsstätte ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die mit Versorgungsvertrag vom 27. April 2001 zur Pflege zugelassen worden war. Die letzte Pflegesatzvereinbarung sah für die Zeit ab 1. März 1999 folgende Vergütungen (umgerechnet von DM in Euro) vor:
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Pflegesatz pro Tag in der Pflegestufe I: |
30,41 € |
Pflegesatz pro Tag in der Pflegestufe II: |
42,57 € |
Pflegesatz pro Tag in der Pflegestufe III: |
63,86 € |
Unterkunft und Verpflegung pro Tag: |
22,99 € |
Nach erfolglosen schriftlichen Verhandlungen über die Anhebung der Pflegesätze bezifferte die Klägerin mit Schreiben vom 25. April 2002 gegenüber den Landesverbänden der Pflegekassen in Westfalen-Lippe ihr Angebot auf Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung für die Zeit ab 1. Mai 2002 wie folgt:
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Pflegesatz pro Tag in der Pflegestufe I: |
41,10 € |
Pflegesatz pro Tag in der Pflegestufe II: |
54,35 € |
Pflegesatz pro Tag in der Pflegestufe III: |
71,62 € |
Unterkunft und Verpflegung pro Tag: |
25,60 € |
Beigefügt war u.a. der „gemeinsame Nachweis gemäß § 85 Abs. 3 SGB XI für stationäre Pflegeeinrichtungen in NRW“. In dem nach diesem Formular vorgegebenen Kalkulationsschema hatte die Klägerin lediglich die Spalten für den beantragten Vergütungszeitraum ausgefüllt, nicht aber für die Jahre 2000 und 2001. Zur Begründung führte sie an, eine Betrachtung der zurückliegenden Zeiträume sei für einen in die Zukunft gerichteten marktgerechten Pflegesatz nicht erforderlich. Mit Schreiben vom 3. Mai 2002 forderte die Beigeladene zu 1) die Klägerin auf, im Hinblick auf die nicht unerheblichen Steigerungen entsprechende Kalkulationsnachweise – z.B. den Jahresabschluss 2000 und den vorläufigen Jahresabschluss 2001 – nachzureichen.
Hierauf beantragte die Klägerin bei der Beklagten am 10. Juli 2002, durch Schiedsspruch die Pflegevergütung sowie das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung mit Wirkung ab 1. Juli 2002 entsprechend ihrem Schreiben vom 25. April 2002 festzusetzen. Sie erklärte sich weiterhin nicht bereit, die verlangten internen Daten aus der Vergangenheit vorzulegen. Vielmehr vertrat sie die Ansicht, dass die Vergütungen auf der Grundlage eines externen Vergleichs im Sinne der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts festzusetzen seien. Die Steigerungsraten seien durchaus berechtigt, weil die beantragten Vergütungen sich im Vergleich zu anderen Einrichtungen der Region weiterhin im unteren Drittel bewegen würden. Die von der Beklagten im Schiedsverfahren angehörten Beigeladenen brachten vor, die Höhe der beantragten Anhebung der Sätze erfordere es, zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit der Einrichtung Auskünfte im Einzelfall einzuholen. Zudem beständen Zweifel an der Validität der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen.
Mit Beschluss vom 14. November 2003 hat die Beklagte die Anträge auf Erhöhung der Pflegevergütungen und des Entgelts für Unterkunft und Verpflegung für die Pflegeeinrichtung K zurückgewiesen. Der Antrag sei unbegründet. Die Beigeladenen seien berechtigt, von der Klägerin die Angabe der streitigen internen betrieblichen Daten zu verlangen. Zwar habe das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 14. Dezember 2000 (B 3 P 19/00 R, SozR 3-3300 § 85 Nr. 1 = BSGE 87, 199) ausgeführt, dass die leistungsgerechte Vergütung von Pflegeeinrichtungen in erster Linie der Marktpreis sei, zu dessen Ermittlung im Wege eines externen Vergleichs das Angebot und die Vergütung anderer Leistungserbringer heranzuziehen seien. Jedoch könne auch nach Auffassung des Bundessozialgericht im Einzelfall ein Vergleich mit anderen Einrichtungen nicht angebracht sein, woraus sich die Notwendigkeit ergeben könne, eine interne bzw. vertikale Vergleichsprüfung anhand von Zahlenwerten des Leistungserbringers bzw. aus Vorjahreszeiträumen durchzuführen. Notfalls dürften dann auch interne Betriebsdaten gefordert werden. Um eine derartige Fallkonstellation handele es sich vorliegend. Zwar stellten sich die von der Klägerin beanspruchten Pflegesätze im Vergleich zu anderen Einrichtungen als nicht ungewöhnlich hoch dar. Andererseits bedürfe es einer nachprüfbaren Erklärung, aus welchem Grund die Klägerin Steigerungsraten von rund 30% geltend mache. Da sie die Angaben der geforderten Daten verweigert habe, obwohl die Problematik mit ihr mehrfach erörtert worden sei, sei der Antrag zurückzuweisen.
Die Klägerin hat ihr Begehren mit der Klage bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen weiterverfolgt, das sich mit Beschluss vom 5. April 2004 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin verwiesen hat.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin ihr Vorbringen im Schiedsverfahren wiederholt und vertieft. Insbesondere hat sie vorgebracht, dass die Schiedsstellenentscheidung schon deswegen rechtswidrig sei, weil die Beklagte die Pflegesätze nicht unverzüglich, sondern erst anderthalb Jahre nach dem Schiedsstellenantrag festgesetzt habe.
Mit Urteil vom 28. September 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Festsetzung der beantragten Pflegesätze und Entgelte und keinen Anspruch auf Neubescheidung.
Der Schiedsspruch sei rechtmäßig. Er sei unverzüglich, nämlich ohne schuldhaftes Zögern, erfolgt und entspreche den gesetzlichen Vorschriften, insbesondere den §§ 84, 85 Sozialgesetzbuch, Elftes Buch (SGB XI).
Die Pflegesätze müssten leistungsgerecht sein (§ 84 Abs. 2 Satz 1 SGB XI) und einem Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen (§ 84 Abs. 2 Satz 4 SGB XI). Marktpreise allein würden diesen Anforderungen nicht gerecht, weshalb immer auch eine individuelle Prüfung des Pflegeheims zulässig sei. Diese Prüfung sei zudem eine gute Basis für externe Vergleiche, weil dann mit mehr Sicherheit festgestellt werden könne, welche Pflegeheime miteinander verglichen werden dürften. Entsprechendes gelte für die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung (§ 87 Satz 2 SGB XI).
Von einer individuellen Prüfung des Pflegeheimes gehe – der nach § 87 Satz 3 SGB XI auch für die die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung anzuwendende – § 85 Abs. 3 SGB XI aus. Aufgrund der beantragten Steigerungsraten sei es nach § 85 Abs. 3 Satz 3 SGB XI vorliegend zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit des Pflegeheimes im Einzelfall erforderlich, dass die Klägerin die geforderten Unterlagen vorlegen müsse. Allein aufgrund der von der Klägerin gemachten Angaben in dem „gemeinsamen Nachweis gemäß § 85 Abs. 3 SGB XI für stationäre Pflegeeinrichtungen in NRW“ sei die beantragte Festsetzung durch die Beklagte nicht zu treffen. Es bleibe gerade offen, ob die Einzeldaten des Schiedsstellenantrags zutreffend seien.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie insbesondere vor:
Die Beklagte hätte ihren Antrag nicht zurückweisen dürfen, denn hierfür gebe es keine Rechtsgrundlage. Die Frage, ob ein Pflegeheim etwaigen Informationspflichten ausreichend nachgekommen sei, stehe mit der Frage der Einforderbarkeit des Festsetzungsanspruchs nicht im Zusammenhang. Ein Verstoß gegen solche Pflichten bleibe sanktionslos. Gravierendste Folge könne nur das Scheitern der Pflegesatzvereinbarung verbunden mit der Gefahr einer Festsetzung der Vereinbarung durch die Schiedsstelle sein.
Die Schiedsstelle hätte eine Entscheidung in der Sache selbst treffen müssen. Dies wäre ohne weiteres möglich gewesen, da die Höhe der leistungsgerechten Vergütung nach der Entscheidung des Gesetzgebers in erster Linie über die Festsetzung von Marktpreisen zu bestimmen sei. Erst wenn ein üblicher Marktpreis nicht zu ermitteln sei, könne es von Belang sein, welche Kosten der Heimträger bei wirtschaftlicher Betriebsführung habe. Letzteres stelle jedoch nach Ansicht des Bundessozialgerichts (Urteil vom 14. Dezember 2000, B 3 P 19/00 R a.a.O.) wegen der weitgehend standardisierten Pflegeleistungen die Ausnahme dar. Ohnehin sei an keiner Stelle konkret ausgeführt worden, welche beurteilungsrelevanten Sachangaben der Beklagten nicht zur Verfügung gestanden hätten.
Im Übrigen sei die geltend gemachte Budgetsteigerung auch angemessen. Wie sich der eingereichten gutachterlichen Stellungnahme des Rechtsanwaltes W vom Juli 2007 ergebe, sei die beantragte Durchschnittsvergütung im externen Vergleich mit anderen Einrichtungen unterdurchschnittlich. Es gäbe nur 13 Einrichtungen die preiswerter gewesen seien, während 21 Einrichtungen höhere Vergütungen hätten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. September 2006 und den Beschluss der Beklagten vom 14. November 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Schiedsstellenantrag vom 10. Juli 2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Am 27. April 2009 haben die Klägerin und die Beigeladenen eine Pflegesatzvereinbarung betroffen, die für die Zeit ab 1. Juni 2009 folgende Sätze vorsieht:
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Pflegesatz pro Tag in der Pflegestufe I: |
34,64 € |
Pflegesatz pro Tag in der Pflegestufe II: |
50,78 € |
Pflegesatz pro Tag in der Pflegestufe III: |
67,50 € |
Unterkunft und Verpflegung pro Tag: |
23,10 € |
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, insbesondere des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die in Kopie beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.