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Elterngeld - Höhe - Berechnung - Nicht berücksichtigung von Krankengeld und Übergangsgeld - Einkommen aus Erwerbstätigkeit


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 17. Senat Entscheidungsdatum 13.11.2013
Aktenzeichen L 17 EG 3/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 2 BEEG, § 3 EStG

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. November 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des der Klägerin gewährten Elterngeldes, insbesondere die Berücksichtigung von im Bemessungszeitraum bezogenem Kranken- und Übergangsgeld.

Die 1968 geborene Klägerin war bei der P gesellschaft mbH beschäftigt (Tarif-Lohn 1.365,55 EUR monatlich) und ist Mutter des 2009 geborenen Kindes B P. Vom 14. August 2009 bis 29. November 2009 bezog sie Mutterschaftsgeld in Höhe von (i.H.v.) kalendertäglich 13,00 EUR.

Auf den Antrag der Klägerin vom 17. November 2009 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 1. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2010 Elterngeld i.H.v. 66,04 EUR ab dem 2. Lebensmonat des Kindes sowie i.H.v. monatlich 495,27 EUR für den 3. bis 12. Lebensmonat. Die Berechnung des Elterngeldes erfolgte aus den im Zeitraum vom 1. August 2008 bis 31. Juli 2009 (Bemessungszeitraum) erzielten Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit i.H.v. 6.662,90 EUR netto (Anlage zum Widerspruchsbescheid vom 22. März 2010). Die Auszahlung erfolgte entsprechend dem Antrag der Klägerin in 22 halben Monatsbeträgen. Das im Bemessungszeitraum bezogene Krankengeld (1. bis 24. August 2008, 10. Oktober bis 31. Dezember 2008) und Übergangsgeld (22. Januar bis 13. Februar 2009) wurde nicht berücksichtigt.

Hiergegen hat die Klägerin am 23. April 2010 bei dem Sozialgericht (SG) Berlin Klage erhoben mit dem Begehren, ihr weiteres Elterngeld i.H.v. monatlich 279,53 EUR zu zahlen. Sie hat Bescheinigungen der SBK vom 28. Januar 2009 über den Bezug von Krankengeld in den Zeiträumen vom 15. April bis 24. August 2008 und 10. Oktober bis 31. Dezember 2008 (insgesamt 7.287,80 EUR) und der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 20. Januar 2010 über den Bezug von Übergangsgeld vom 22. Januar bis 13. Februar 2009 (607,86 EUR) sowie ihre Einkommensteuerbescheide 2008 und 2009 vorgelegt und zur Begründung ausgeführt: Das von ihr bezogene Kranken- und Übergangsgeld i.H.v. 7.944,37 EUR sei bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen. Soweit das Kranken- und Übergangsgeld nicht als Einkommen berücksichtigt werde, liege eine Verletzung in ihren Rechten aus Art. 14 Grundgesetz (GG) vor. Eltern- und Kindergeld dienten nach der Gesetzesbegründung der Förderung von Familien und der Existenzsicherung. Es sei nicht zu verstehen, wieso das Kindergeld steuerrechtlich anders behandelt werde als das Elterngeld. Über den Progressionsvorbehalt würden Krankengeld, Arbeitslosengeld usw. der Besteuerung unterliegen. Die immer wieder zitierte angebliche Steuerfreiheit dieser Leistungen sei ein Trugschluss. Es komme durch den Progressionsvorbehalt zu einer tatsächlichen Steuerbelastung i.H.v. ca. 10% der erhaltenen Leistungen. Obwohl ihr zu versteuerndes Einkommen unterhalb des steuerlichen Existenzminimums gelegen habe, habe sie 152,00 EUR Steuern zahlen müssen. Die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung verstehe als Einkommen das, was ihnen in Geld zufließe. Aufgrund der gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungen sei es den Betroffenen überhaupt nicht möglich zu bestimmen, welche Leistungen sie im Falle der Geburt eines Kindes erhielten. Es liege ein Verstoß gegen Art. 6 GG vor.

Das SG Berlin hat mit Urteil vom 25. November 2011 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf höheres Elterngeld. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. Februar 2011 (B 10 EG 20/09 R) sei das Krankengeld nicht zu berücksichtigen. Das BSG habe in dieser Entscheidung ausführlich dargestellt, dass die diesbezüglichen Vorschriften des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) verfassungskonform seien.

Gegen das ihr am 2. Januar 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30. Januar 2012 bei dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg Berufung eingelegt. Zur Begründung vertieft sie ihr Vorbringen im Klageverfahren und führt ergänzend aus, dass sie auch vom 1. bis 21. Januar 2009 Krankengeld i.H.v. 702,24 bezogen habe. Sie habe die diesbezüglichen Unterlagen dem Finanzamt vorgelegt und keine weiteren Unterlagen vorliegen. Aus der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2009 sei ersichtlich, dass sie Kurzarbeitergeld i.H.v. 383,22 EUR erhalten habe. Im streitgegenständlichen Zeitraum habe sie Lohnersatzleistungen i.H.v. 5.254,92 EUR sowie ein Nettoeinkommen i.H.v. 7.352,93 EUR erzielt. Hieraus ergebe sich ein monatlicher Elterngeldanspruch i.H.v. 665,24 EUR.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. November 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 1. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2010 zu verurteilen, der Klägerin weiteres Elterngeld für einen Leistungszeitraum von 12 Monaten in Höhe von monatlich 169,97 EUR zu gewähren,
hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, dass die Klägerin allein die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 2 Abs. 1 BEEG bezweifle. Die Frage, ob und inwieweit auf dem Sozialstaatsgedanken und sozialen Leistungssystemen beruhende Lohnersatzleistungen Arbeitseinkommen aus aktiver Tätigkeit gleichzustellen seien, sei mehrfach Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen gewesen. Das BSG habe die Verfassungsmäßigkeit der Elterngeldberechnung, die sich ausschließlich am tatsächlich erzielten Arbeitskommen orientiere, geprüft und bejaht (Bezugnahme auf BSG, Urteile vom 17. Februar 2011, B 10 EG 17/09 R, B 10 EG 20/09 R, B 10 EG 21/09 R). Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe keine verfassungsrechtlichen Bedenken (Beschluss vom 9. November 2011, 1 BvR 1853/11). Die für das Krankengeld vertretene Auffassung müsse gleichermaßen für Übergangs- und Kurzarbeitergeld gelten. Auch insoweit handele es sich um Leistungen aus Versicherungsverhältnissen und um steuerbefreite Leistungen im Sinne des § 3 Einkommensteuergesetz (EStG).

Die Klägerin hat einen Ausdruck ihrer elektrischen Lohnsteuerbescheinigung für 2009 vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) erhobene Berufung der Klägerin ist statthaft und übersteigt den Betrag von 750 EUR nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Die Klägerin begehrt die Gewährung weiteren Elterngeldes i.H.v. monatlich 169,97 EUR für 12 Monate.

Die Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 1. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. März 2010 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Gewährung von höherem Elterngeld. Bei der Bemessung des Elterngeldes ist weder das im Bemessungszeitraum bezogene Krankengeld noch das Übergangsgeld oder ein Kurzarbeitergeld zu berücksichtigen.

Die Höhe des Elterngeldes richtet sich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 BEEG in der maßgebenden und ab 2. April 2009 geltenden Fassung (aF) nach dem in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Es beträgt grundsätzlich 67 % dieses durchschnittlichen Einkommens, höchstens 1.800 EUR monatlich. § 2 Abs. 5 BEEG aF sieht ein Mindestelterngeld i.H.v. monatlich 300 EUR vor.

Hiervon ausgehend sind für das am 2009 geborene Kind B als Bemessungszeitraum die zwölf Kalendermonate (zur Berücksichtigung von Kalendermonaten siehe BSG, Urteil vom 18. August 2011, B 10 EG 7/10 R, juris) von August 2008 bis Juli 2009 zugrunde zu legen. Die Monate August und September 2010 bleiben gemäß § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG aF unberücksichtigt, weil die Klägerin in diesen Mutterschaftsgeld erhalten hatte.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 BEEG aF ist als Einkommen aus Erwerbstätigkeit die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 des Einkommensteuergesetzes nach Maßgabe der Absätze 7 bis 9 zu berücksichtigen.

Hiernach hat der Beklagte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise das im Bemessungszeitraum von der Klägerin erzielte Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit (abhängiger Beschäftigung) zugrunde gelegt. Die Höhe des zu berücksichtigten Brutto- und Nettoeinkommens ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig (siehe dazu die Erklärung des Bevollmächtigten der Klägerin im Termin am 13. November 2013). Nach Anwendung des § 2 Abs. 7 BEEG aF errechnet sich ein Nettoeinkommen i.H.v. 6.692,90 EUR aus nichtselbstständiger Arbeit. Der Senat nimmt insoweit auf die Berechnung in der Anlage 1 zum Widerspruchsbescheid vom 22. März 2010 Bezug und sieht gemäß § 136 Abs. 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Einkünfte aus Kurzarbeitergeld sind im Bemessungszeitraum nicht nachgewiesen und schon aus diesem Grund nicht bei der Bemessung des Elterngeldes zu berücksichtigten. Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf die elektronische Lohnsteuerbescheinigung für 2009 (Spalte 15) von der Zahlung eines Kurzarbeitergeldes i.H.v. 383,22 EUR ausgegangen war, hatte sie offenbar übersehen, dass es sich bei diesem Betrag um einen vom Arbeitgeber außerhalb des Bemessungszeitraums gezahlten Zuschuss zum Mutterschaftsgeld handelt (siehe dazu die Verdienstabrechung 08/09 und die Erklärung des Bevollmächtigten der Klägerin im Termin am 13. November 2013).

Das von der Klägerin im Bemessungszeitraum bezogene Kranken- und Übergangsgeld ist bei der Bemessung des Elterngeldes nicht zu berücksichtigen. Es handelt sich dabei nicht um Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Das BSG hat bereits mehrfach entschieden, dass das BEEG bei der Einkommensermittlung an den steuerrechtlichen Einkünftebegriff anknüpft (vgl. nur BSG, Urteil vom 21. Februar 2013, B 10 EG 12/12 R zum Insolvenzgeld, Urteil vom 18. August 2011, B 10 EG 8/10 R zum Verletztengeld, Urteil vom 17. Februar 2011, B 10 EG 20/09 R zum Krankengeld, alle juris). Steuerfreie Leistungen - wie Kranken- und Übergangsgeld (§ 3 Nr. 1 a und c EStG) - werden daher unabhängig von ihrer „Nähe“ zum Arbeitsentgeltanspruch bei der Berechnung des Elterngeldes nicht berücksichtigt. Die von der Klägerin aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Senat insbesondere auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG und den Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 9. November 2011 (1 BvR 1853/11, juris) nicht. Der Gesetzgeber hat seinen Gestaltungsspielraum in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dahin ausgestaltet, dass er die nach dem EStG steuerfreien Einkünfte nicht in die Bemessung des Elterngeldes einfließen lässt. Zu den verfassungsrechtlichen Ausführungen der Klägerin sei lediglich angemerkt, dass sich die Einkommensbegriffe im Sozial- und Steuerrecht unterscheiden. Anders als von der Klägerin angedeutet, führt der Progressionsvorbehalt auch nicht dazu, dass steuerfreie Einkünfte (indirekt) besteuert würden. Die in den Einkommensteuerbescheiden 2008 und 2009 gegenüber der Klägerin festgesetzten Steuern i.H.v. 152,00 EUR und 72,00 EUR beruhen nicht darauf, dass sie steuerfreie Einkünfte erzielt hatte, sondern auf der Tatsache, dass sie in beiden Veranlagungsjahren auch steuerpflichtiges Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit erzielt hatte, das für sich gesehen unter dem steuerrechtlichen Existenzminimum lag. Erst unter Einbeziehung der steuerfreien Einkünfte (Kranken- und Übergangsgeld) hatte sie in der Summe steuerrechtliche Einkünfte oberhalb des steuerrechtlichen Existenzminimums erzielt. Der Steuergesetzgeber trägt diesem Sachverhalt durch Anwendung eines besonderen Steuersatzes Rechnung (Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Satz 1 EStG). Dies stellt aber keine indirekte Besteuerung der steuerfreien Einkünfte dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.