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Niederschlagsentwässerung; Bürgermeisterkanal; gemeindliche Anlage; öffentliche Anlage; Widmung; Widmungsvermutung; keine Indizien für Widmung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 12.03.2013
Aktenzeichen OVG 9 S 1.13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 123 VwGO, § 146 VwGO, § 54 WasG BB, § 64 WasG BB

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 23. November 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde tragen die Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 Euro EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 23. November 2012 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, "die Regenwasseranlage“ entlang der Dorfstraße in 1..., verlaufend über einen Einlauf vor dem Grundstück der Antragsteller und in Richtung der Flurstücke 1... insbesondere durch Öffnung des Einlaufs und Sandfangs wieder so herzustellen, dass anfallendes Regenwasser der Grundstücke der Antragsteller, Dorfstraße 4..., Flurstücke 1..., über diese entwässert werden kann.

Der Beschluss ist den Antragstellern am 28. November 2012 zugegangen. Sie haben am 12. Dezember 2012 Beschwerde erhoben und ihre Beschwerde erstmalig am 20. Dezember 2012 begründet.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Beschwerden in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sind innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der erstinstanzlichen Entscheidung zu begründen (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Die Begründung muss unter anderem die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).

Danach ist die erstinstanzliche Entscheidung nicht zu ändern.

Das Verwaltungsgericht hat zum einen die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs durch die Antragsteller verneint: Insbesondere hätten die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass die in Rede stehende Regenwasseranlage eine öffentliche Anlage sei. Das Verwaltungsgericht hat zum anderen die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes verneint: Die nunmehrige Situation sei zwischen den Beteiligten und den betroffenen Grundstückseigentümern schon seit gut einem Jahr erörtert worden, ohne dass die Antragsteller Vorkehrungen getroffen hätten. Der Antragsteller habe im Übrigen im Erörterungstermin selbst geschildert, dass die in der Antragsschrift heraufbeschworenen Folgen trotz des Regens nicht eingetreten seien.

Die Beschwerde hält dem entgegen: Die Regenwasseranlage sei eine öffentliche Anlage der Antragsgegnerin. Sie sei in den 70er Jahren auf öffentlichem Grund und mit öffentlichen Geldern durch die damalige L... Bürgermeisterin gebaut worden, um die im Zuge der Umgestaltung der Dorfstraße veränderte Entwässerung der Dorfstraße weiterhin zu ermöglichen. Im Jahr 2000 seien bei der Sanierung der Dorfstraße sowohl ein Regenwasserschacht als auch ein Sandfang mit öffentlichen Mitteln auf öffentlichem Grund umfassend saniert worden. In Bezug auf die Regenwasseranlage sei ein Grundstück mit einer Grunddienstbarkeit zu Gunsten der Antragsgegnerin belastet gewesen. In der Vergangenheit habe die Antragsgegnerin die Antragsteller und weitere Anlieger noch angehalten, die verlegten Leitungen so herzustellen, dass kein Wasser austrete. Wenn die Anlage nicht öffentlich sei, müsse die Antragsgegnerin sich fragen lassen, warum sie diese verschlossen habe. Die Antragsteller könnten das Regenwasser nicht auf ihren Grundstücken versickern lassen, weil diese weitgehend versiegelt seien. Bei Starkregen drohten die befürchteten Folgen. Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2013 haben die Antragsteller ergänzt, dass derzeit Regenwasser in die Keller anliegender Nachbargrundstücke dringe.

Dies greift nicht. Auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens ist das - für den Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendige - Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO) nicht glaubhaft gemacht.

Die Schilderungen der Antragsteller lassen erkennen, dass es sich bei der in Rede stehenden Regenwasseranlage um einen zu DDR-Zeiten hergestellten sogenannten "Bürgermeisterkanal" handelt, der jedenfalls zu einem erheblichen Teil über privaten Grund verläuft und jedenfalls Niederschlagswasser ohne weitere Behandlung in einen Graben ableiten sollte (vgl. zu "Bürgermeisterkanälen": Cosack, LKV 2000, S. 384; Nisipeanu, Städte- und Gemeinderat 1992, S. 27). Aus Sicht der Antragsteller dürfte es im Wesentlichen darum gehen, denjenigen Teil dieser Regenwasseranlage wieder funktionsfähig zu machen, der von ihren Grundstücken aus gesehen rechtwinklig zum Verlauf der Dorfstraße belegen ist und in Richtung R...kanal verlaufen dürfte. Dafür dürfte ein bloßes Wiederherstellen des Einlaufs in der Nähe ihres Grundstücks nicht ausreichen. Vielmehr müsste die Antragsgegnerin die sich daran anschließende Leitung wohl erst einmal auf voller Länge kontrollieren und so abdichten, dass das gesammelte Niederschlagswasser nirgendwo unbeabsichtigt austritt, unter Umständen aber auch ihren Querschnitt erhöhen. Zudem müsste die Antragsgegnerin sich wohl auch darum bemühen, von den privaten Grundstückseigentümern, über deren Grundstücke die alte Regenwasseranlage verläuft, eine (erneute) Zustimmung zu den Erneuerungsarbeiten und zum Leitungsverlauf zu erhalten. Schließlich müsste die Gemeinde auch etwa notwendige Schritte zur wasserrechtlichen Legalisierung der Anlage vornehmen. Die genannten Maßnahmen sind aufwendig und laufen letztlich auf die Schaffung einer entsprechenden Dauerlösung hinaus. Das schließt den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung nicht per se aus, erfordert aber, dass den Antragstellern mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf das Ergreifen der genannten Maßnahmen zusteht und dass ihnen ohne sofortiges Handeln mit hoher Wahrscheinlichkeit ein erheblicher Schaden droht. Für beides gibt das Beschwerdevorbringen nichts her.

1. Die zu DDR-Zeiten erfolgte Herstellung der Regenwasseranlage durch die seinerzeitige L... Bürgermeisterin und die zu Gunsten der Antragsgegnerin vorhanden gewesene Grunddienstbarkeit lassen es als äußerst naheliegend erscheinen, dass die Regenwasseranlage im Eigentum der Antragsgegnerin steht und damit eine gemeindliche Anlage ist. Indessen ist auch im Lichte des Beschwerdevorbringens nicht anzunehmen, dass die Anlage eine öffentliche gemeindliche Anlage ist. Eine gemeindliche Einrichtung wird dadurch zur öffentlichen Einrichtung, dass die Gemeinde sie in Erfüllung einer gemeindlichen Aufgabe der Allgemeinheit (oder einem nach abstrakten Merkmalen abgegrenzten Einwohnerkreis) zur Benutzung zur Verfügung stellt. Dies geschieht durch Widmung. Nur in den Grenzen der Widmung besteht ein öffentlich-rechtlicher Benutzungsanspruch des Einzelnen. Die Widmung ist vorbehaltlich gesetzlicher Regelungen nicht formgebunden. Sie kann insbesondere konkludent erfolgen; dazu müssen der Widmungszweck und der Widmungswille der Gemeinde durch Indizien nach außen erkennbar sein. Obliegt einer Gemeinde eine bestimmte gemeindliche Aufgabe und verfügt die Gemeinde über eine Einrichtung, durch deren Zurverfügungstellung die Gemeinde diese Aufgaben gegenüber ihren Einwohnern erfüllen kann, so besteht eine Widmungsvermutung (vgl. m. w. N. zu allem Vorstehenden: Kluge, in: Becker u. a, KAG Bbg, Rdnr. 133 ff. zu § 6 KAG). Diese Widmungsvermutung speist sich aus mehreren Überlegungen. Zunächst wäre es widersinnig, wenn eine Gemeinde den Aufwand für die Herstellung und Unterhaltung einer zur Erfüllung einer gemeindlichen Aufgabe geeigneten Einrichtung betriebe, diese Einrichtung der Allgemeinheit dann aber nicht zur Verfügung stellte (vgl. März, BayVBl. 1992, S. 97). Weiter ist bei solchen Einrichtungen, die besonders wichtigen Gemeinwohlzwecken zu dienen geeignet sind (wie etwa bei Anlagen der Energieversorgung), schon mit Blick auf die Wichtigkeit des Gemeinwohlzwecks eine Widmung zu vermuten (BayVGH, Urteil vom 21. Juni 1954, BayVBl. 1955, S. 59, 61). Schließlich speist sich die Widmungsvermutung aus dem Gedanken, dass Leistungseinrichtungen der Gemeinde dem Gemeinwohl zu dienen und der Allgemeinheit offenzustehen haben (vgl. m. w. N.: OVG NRW, Urteil vom 16. September 1975, III A 1279/75, NJW 1976, 820; Ossenbühl, DVBl. 1973, S. 289, 290).

Auch mit Blick hierauf ist indessen nicht davon auszugehen, dass vorliegend auch nur mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Widmung gegeben wäre. Die in Rede stehende Regenwasseranlage ist nicht mit Mitteln der Antragsgegnerin oder ihrer Rechtsvorgängerin, der im Jahr 1990 auf Grund der Kommunalverfassung der DDR neu entstandenen Gemeinde L... hergestellt worden, sondern dieser gewissermaßen "zugefallen" (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 1. März 2012, OVG 9 S 9.12, juris, Rdnr. 3). Die Regenwasseranlage ist auch nicht ernsthaft von der Antragsgegnerin unterhalten worden. Die Antragsgegnerin hat nach eigenen Angaben noch nicht einmal Kenntnis vom genauen Verlauf der gesamten Anlage. Die im Jahr 2000 im Zuge des Kreisstraßen(aus)baus vorgenommenen Maßnahmen hatten nur eine äußerst beschränkte Reichweite, sollen durch den Landkreis durchgeführt worden und im Übrigen nur der Unsicherheit im Hinblick auf etwa bestehende Rechte Dritter geschuldet gewesen sein. Die Antragsgegnerin hat die Anlage erst im Jahr 2008 (teilweise) benebeln lassen, um überhaupt einen Überblick über die angeschlossenen Grundstücke zu erlangen. Eine teilweise Reparatur ist im Jahr 2010 sogar durch die Angeschlossenen selbst erfolgt. Darüber hinaus wäre die Anlage, selbst bei einer Instandsetzung technisch lediglich für eine Niederschlagswasserbeseitigung geeignet. Die Niederschlagswasserbeseitigung im ländlichen Raum ist indessen - jedenfalls in der Breite - nicht eine existentielle Aufgabe der Daseinsvorsorge (wie etwa die Sicherstellung der Energieversorgung), sondern eine Aufgabe, die für Gemeinden in erheblichem Umfang disponibel ist (§ 54 Abs. 4 Satz 2 BbgWG a. F. und n. F.), wobei bis zur Änderung des § 64 BbgWG durch das Zweite Gesetz zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften vom 19. Dezember 2011 (GVBl. I Nr. 33 S. 1) die Vorschriften über Abwasserbeseitigung ohnehin nicht für Niederschlagswasser von Dachflächen gegolten haben, welches ohne Beeinträchtigung des Wohles der Allgemeinheit versickert, verregnet, verrieselt oder unmittelbar in ein Gewässer eingeleitet werden kann (§ 64 Abs. 2 Nr. 3 BbgWG a. F.). Viele, wenn nicht die meisten Grundstückseigentümer im ländlichen Raum werden wenig Wert darauf legen, dass die Gemeinde ihnen eine - dann auch beitrags- oder gebührenfinanzierte - öffentliche Niederschlagswasserbeseitigung zur Verfügung stellt. Vorliegend trägt auch nicht der Gedanke, dass Leistungseinrichtungen der Gemeinde gleichsam generell dem Gemeinwohl dienen und der Allgemeinheit offen zu stehen haben; denn tatsächlich handelt es sich bei der in Rede stehenden Regenwasseranlage um eine Anlage, an deren Benutzbarkeit ersichtlich nicht einmal alle Eigentümer der anschlussfähigen anliegenden Grundstücke, sondern nur die Eigentümer ganz weniger tatsächlich angeschlossener Grundstücke ein Interesse haben. Greifen danach nicht die Überlegungen, die eine Widmungsvermutung speisen, so liegen auch sonst keine Indizien für eine Widmung vor. Insbesondere hat die Antragsgegnerin keine Gebühren für die Benutzung der Anlage erhoben. Wie bereits erwähnt, haben die Angeschlossenen die Anlage sogar schon einmal selbst repariert. Darüber hinaus haben die Angeschlossenen im Vorfeld des vorliegenden Rechtsstreits versucht, einen weiteren Anlagenbetrieb über Absprachen mit den "Unterliegern" der Anlage zu vereinbaren, sind danach mithin - vor entsprechender rechtanwaltlicher Beratung - noch nicht einmal selbst davon ausgegangen, dass ihnen ein von der Gemeinde ohne weiteres zu erfüllender Benutzungsanspruch zusteht.

2. Ebenfalls nicht glaubhaft gemacht ist die hohe Wahrscheinlichkeit der von den Antragstellern befürchteten Schäden; abgesehen davon, dass es insoweit an echten Glaubhaftmachungsmitteln fehlt, dürfte die Lage beim Nachbarn auch andere Ursachen als gerade die Anlagenschließung haben können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).