Gericht | VG Frankfurt (Oder) 2. Kammer | Entscheidungsdatum | 05.10.2020 | |
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Aktenzeichen | 2 K 3911/17 | ECLI | ECLI:DE:VGFRANK:2020:1005.2K3911.17.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 74 Abs 5 S 5 BeamtVG BB |
Eine für die im Laufe des Jahres erbrachte Leistung gezahlte tarifvertragliche Jahressonderzahlung ist bei Zusammentreffen mit Versorgungsbezügen gemäß § 74 Abs. 5 Satz 5 BbgBeamtVG geteilt durch zwölf Kalendermonate anzusetzen
Der Regelungsbescheid der Zentralen Bezügestelle des Landes Brandenburg (ZBB) vom 18. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der ZBB vom 12. Oktober 2017 wird aufgehoben.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Klägerin nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Beteiligten streiten um die Rückforderung eines Teils der für Dezember 2016 an die Klägerin gezahlten Witwenbezüge.
Die Klägerin erhält seit dem 1. August 2016 Witwenbezüge aus dem Beamtenverhältnis des verstorbenen Ehemannes aufgrund des Änderungsbescheids vom 2. März 2017 in Höhe von 1336,97 Euro monatlich. Außerdem bezieht sie Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit.
Im Dezember 2016 erhielt sie eine tarifliche Sonderzahlung in Höhe von 3.569,00 Euro brutto. Ihre Entgeltabrechnung für Dezember 2016 reichte sie mit anwaltlichem Schreiben vom 11. Mai 2017 bei der Zentralen Bezügestelle des Landes Brandenburg (ZBB) ein. Dabei wies sie darauf hin, dass die tarifliche Sonderzahlung keine Einmalzahlung sei, sondern Vergütungsbestandteil, der jährlich gezahlt werde, so dass die Sonderzahlung auf das gesamte Kalenderjahr aufgeteilt werden müsse.
Die ZBB erließ am 18. Mai 2017 einen Regelungsbescheid, wonach für den Zeitraum vom 1. Dezember 2016 bis zum 31. Dezember 2016 eine Zuvielzahlung der Witwenbezüge in Höhe von 1069,58 Euro erfolgt sei. Nach Anrechnung zuviel einbehaltener Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge forderte sie von der Klägerin daher 1000,73 Euro gemäß § 7 Abs. 2 S.1 BbgBeamtVG i.V.m. § 812 BGB zurück. Die Sonderzahlung sei nach dem Zuflussprinzip in voller Höhe im Monat Dezember 2016 zu berücksichtigen.
Hiergegen erhob die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 23. Mai 2017 Widerspruch. Der Bescheid sei rechtswidrig, da es sich bei der Sonderzahlung nicht um eine Einmalzahlung, sondern um einen Vergütungsbestandteil handele und daher gemäß § 74 Abs. 5 S. 5 BbgBeamtVG eine Aufteilung auf 12 Monate vorzunehmen sei. Dies entspreche der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes. Tarifliche Sonderzahlungen wie hier seien leistungsorientiert konzipiert und stellten daher eine Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer im Laufe des Jahres erbrachte Leistung dar. Sie würden gerade nicht zweckgerichtet im Zusammenhang mit Weihnachten geleistet, sondern hätten Vergütungscharakter.
Die ZBB wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2017 als unbegründet zurück. Der Regelungsbescheid sei rechtmäßig, da das Brandenburgische Versorgungsrecht für Einmalzahlungen eine Sonderregelung geschaffen habe, die sich in dem auf Bundesebene geltenden § 53 Abs. 7 des Beamtenversorgungsgesetzes des Bundes (BeamtVG) nicht finde. Gemäß § 74 Abs. 5 S. 6 BbgBeamtVG werden Einmalzahlungen im Monat ihres Zuflusses berücksichtigt. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne daher nicht herangezogen werden. Einmalzahlungen seien Sonderzuwendungen, die aus bestimmen Anlässen zusätzlich zum laufenden Entgelt gezahlt werden. Der Begriff der Einmalzahlung sei in Abgrenzung zu laufenden Bezügen zu verstehen, ohne dass nur einmalig gezahlt werden müsse. Mit der vorliegenden Sonderzahlung solle nur die Betriebstreue des Arbeitgebers honoriert werden; dies spreche für eine Einmalzahlung
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 13. November 2017 Klage erhoben. Sie hält dem Beklagten entgegen, dass, wenn die Auffassung der ZBB richtig wäre, § 74 Abs. 5 S. 5 BbgBeamtVG keinen Anwendungsbereich hätte. Die Auffassung der ZBB, dass sich dies auf Zuschläge, Zulagen für Mehrarbeitsstunden sowie Sonntags- und Feiertagszuschläge beziehe, sei offenkundig falsch. Diese Zuschläge und Zulagen seien ohnehin Vergütungsbestandteile, die üblicherweise monatsbezogen gezahlt werden, also von vornherein unter die Regelung von § 74 Abs. 5 S. 4 BbgBeamtVG fielen.
Die Klägerin beantragt,
den Regelungsbescheid der ZBB vom 18. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchbescheids der ZBB vom 12. Oktober 2017 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und bezieht sich zur Begründung auf seine Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
Es konnte trotz Ausbleibens des Beklagten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, da auf diese Möglichkeit in der Ladung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO hingewiesen worden ist.
Die Klage ist zulässig und begründet. Sie ist gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO als Anfechtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig, namentlich innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO erhoben worden.
Der Regelungsbescheid vom 18. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 12. Oktober 2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Als Rechtsgrundlage sind § 74 Abs. 1 und Abs. 5 BbgBeamtV und für die umstrittene Rückforderung § 7 Abs. 2 S. 1 BbgBeamtVG des Brandenburgischen Beamtenversorgungsgesetzes in der Fassung vom 25. September 2015 (GVBl. I/15, (Nr. 26)) zu Grunde zu legen, da es auf den Auszahlungsmonat der streitgegenständlichen Witwenbezüge - Dezember 2016 - ankommt.
Nach § 7 Abs. 2 S. 1 Bbg BeamtVG regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ist zur Herausgabe verpflichtet, wer etwas durch Leistung eines anderen ohne rechtlichen Grund erlangt.
Gemessen an diesen Voraussetzungen ist die Klägerin nicht zur Rückzahlung der 1000,73 Euro verpflichtet, da sie die Witwenbezüge aufgrund des Bescheides der ZBB vom 2. März 2017 mit Rechtsgrund erlangt hat.
Die Neuberechnung der Bezüge im Regelungsbescheid vom 18. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2017 rechnet die Sonderzahlung im Dezember 2016 zu Unrecht gemäß § 74 Abs. 5 S. 6 BbgBeamtenVG als Einmalzahlung im Zuflussmonat an. Richtigerweise muss sie gemäß § 74 Abs. 5 S. 5 BbgBeamtVG geteilt durch 12 Kalendermonate angesetzt und berechnet werden. Gemäß § 74 Abs. 1 S. 1 BbgBeamtVG sind die Versorgungsbezüge neben dem Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen, die ein Versorgungsberechtigter erhält, nur bis zu der in § 74 Abs. 2 BbgBeamtVG bezeichneten Höchstgrenze zu zahlen. Entscheidend dafür, ob die Höchstgrenze durch die Anrechnung des Erwerbseinkommens in diesem Fall erreicht ist, ist, ob die gezahlte Sonderzahlung als Einmalzahlung und damit im Zuflussmonat angerechnet wird, oder ob sie eine Sonderzahlung mit Entgeltcharakter ist und damit wie Einkommen im Sinne des § 74 Abs. 5 S. 5 BbgBeamtVG für das Kalenderjahr gezwölftelt wird. Die Vorschrift des vom Beklagten angeführten § 74 Abs. 5 S. 6 BbgBeamtVG trat erst am 1. Januar 2017 in Kraft (vgl. Gesetz zur Änderung versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2016, GVBL I/ 27.Nr. 32). Da diese Ergänzung nur klarstellende Funktion hatte, ist die für diesen Fall entscheidende Rechtslage im Dezember 2016 jedoch identisch zu beurteilen (vgl. Gesetzesbegründung, LT- Drs. 6/5023, S. 14/15)
Bei der bundesbeamtenversorgungsrechtlichen Berechnung (§ 53 Abs. 7 BeamtVG) ist nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. November 2013 (2 C 17/12, juris) die Anrechnung allein im Zahlungsmonat nur gerechtfertigt, wenn die geleistete Zahlung gerade auf diesen Monat bezogen ist - wie etwa bei einer zusätzlichen Vergütung für eine in diesem Monat erbrachte Dienstleistung. Maßgeblich ist für diese Abgrenzung nicht der Zeitpunkt der Zahlung, sondern der Zeitraum, für den die betreffende Zahlung eine Vergütung darstellt. Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Jahressonderzahlung nach § 20 TV-L festgestellt, dass diese weder für den Monat November bestimmt sei noch, dass sie zweckgerichtet im Zusammenhang mit Weihnachten geleistet worden sei. Vielmehr sei die Jahressonderzahlung nach § 20 TV-L leistungsorientiert konzipiert und stelle eine Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer im Laufe des Jahres erbrachte Leistung dar. Hierfür spreche auch, dass das Durchschnittsgehalt der Monate Juli bis September zu Grunde zu legen sei und sich der Anspruch um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat ohne Entgeltanspruch vermindere.
In diesem Sinne ist auch die an die Klägerin gezahlte Sonderzahlung nach § 10 des Manteltarifvertrages des Bankengewerbes als Gegenleistung für die von ihr im Laufe des Jahres erbrachte Leistung anzusehen. Die Sonderzahlung hängt gemäß § 10 Abs. 3 dieses Tarifvertrages nämlich davon ab, welche Gehalts- und anderen Ansprüche ihr in dem Kalenderjahr zustehen. Die Zahlung wurde daher nicht für den Monat Dezember gezahlt, sondern sie ist leistungsorientiert als Zahlung auf das gesamte Kalenderjahr konzipiert.
Die mit Wirkung ab dem 1. Januar 2017 eingeführte landesrechtliche Regelung zur Einmalzahlung in § 74 Abs. 5 S. 6 BbgBeamtVG, die im Bundesrecht keine Entsprechung hat, führt zu keiner anderen Rechtslage. Nach der Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Änderung besoldungsrechtlicher und versorgungsrechtlicher Vorschriften 2016 (a.a.O.) sollte hiermit lediglich eine klarstellende Ergänzung erfolgen ohne rechtliche Änderung: „In Absatz 5 wird eine klarstellende Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass bei der Anrechnung von Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen auf Versorgungsbezüge Einmalzahlungen (z. B. Weihnachtsgeld) im Monat ihres Zuflusses berücksichtigt werden.“ Die Rechtslage war auf Bundes- und Landesebene vor dieser Gesetzesänderung inhaltlich gleich. Der Wortlaut wurde auf Bundesebene zwar aufgrund des angeführten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts ab dem 1. Januar 2016 anders gestaltet; die Nichtumsetzung dieser Änderung in Brandenburg hat jedoch keine Auswirkungen auf diesen Fall.
An der inhaltlich identischen Rechtslage hat sich also mit der Klarstellung in § 74 Abs. 5 S. 6 BbgBeamtVG nichts geändert. Das in der Gesetzesbegründung angeführte „Weihnachtsgeld“ stellt eine Einmalzahlung für die anlässlich des Weihnachtsfestes entstandenen Aufwendungen des Arbeitnehmers (vgl. BAG, Urteil vom 12. Oktober 2005 – 10 AZR 640/04 -, juris Rn. 17) und damit keine Gegenleistung für eine laufend erbrachte Arbeitsleistung dar. Die hier umstrittene Sonderzahlung ist darauf angelegt, die Arbeitsleistung der Klägerin im gesamten Jahr zu honorieren; es ist daher nicht gerechtfertigt, sie wegen der Auszahlung in einem bestimmten Monat nur auf diesen bezogen anzurechnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO
Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird gem. §§ 52 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Höhe des Rückforderungsbetrages in Höhe von 1069,58 Euro festgesetzt.