Gericht | LG Frankfurt (Oder) Kammer für Handelssachen | Entscheidungsdatum | 27.01.2011 | |
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Aktenzeichen | 31 O 157/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Beklagten wird bei Vermeidung eines für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Komplementärgesellschaft, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Bewerber um einen Arbeitsplatz bzw. Mitarbeiter zum Wechsel in die .... zu veranlassen, insbesondere wenn die Aufforderung zum Wechsel in die .... im Rahmen eines Einstellungsgespräches und/oder bei einer Vertragsverlängerung erfolgt und/oder unter Hinweis darauf, dass die .... dies im Hinblick auf die Bettenbelegung durch die .... erwarte und/oder wenn die Einstellung und/oder die Weiterbeschäftigung von dem Krankenkassenwechsel abhängig gemacht wird.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 208,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.07.2010 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Die Klägerin ist ein Wettbewerbsverband der Wirtschaft, zu deren Aufgabengebiet u.a. die Bekämpfung unlauterer geschäftlicher Handlungen und die Förderung des lauteren Geschäftsverkehrs gehört. Die Beklagte betreibt eine Klinik in …...
Die Beklagte kooperiert mit verschiedenen Krankenkassen, insbesondere aber eng mit der ...., über welche zu einem Großteil die Betten der Beklagten belegt werden.
Die Klägerin beanstandet ein Verhalten von Mitarbeitern der Beklagten gegenüber einer ehemaligen Arbeitnehmerin der Beklagten, der Zeugin ...., als wettbewerbswidrig. Sie mahnte die Beklagte wegen von der Zeugin geschilderter Vorkommnisse ab. Für derartige wettbewerbsrechtliche Abmahnungen entstehen der Klägerin durchschnittlich Kosten in Höhe von 279,00 €.
Die Klägerin behauptet, die Mitarbeiterinnen der Beklagten …. und …. hätten auf die Zeugin .... Druck ausgeübt, damit diese die Krankenkasse wechsele und Mitglied bei der .... werde. Der bei der …. krankenversicherten Zeugin sei bereits bei ihrem Einstellungsgespräch am 05.03.2009 mitgeteilt worden, Voraussetzung für das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses sei ihr Wechsel zur .... . Dies sei damit begründet worden, dass die .... den größten Anteil an der Bettenbelegung der Klinik habe und die .... aufgrund der „Versorgung“ der Klinik mit Patienten erwarte, dass die Mitarbeiter der Klinik in der .... versichert seien. Nachdem die Zeugin die zunächst anlässlich des Antritts des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten von ihr unterschriebene Kündigung gegenüber der …. und die Beitrittserklärung für die .... – insoweit unstreitig - widerrufen hatte, sei die Verlängerung des zeitlich befristeten Arbeitsvertrags der Zeugin im März 2010 daran gescheitert, dass die Zeugin einen Wechsel zur .... – insoweit ebenfalls unstreitig - verweigerte.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
der Beklagten bei Vermeidung eines für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Komplementärgesellschaft, zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Bewerber um einen Arbeitsplatz bzw. Mitarbeiter zum Wechsel in die .... zu veranlassen, insbesondere wenn die Aufforderung zum Wechsel in die .... im Rahmen eines Einstellungsgespräches und/oder bei einer Vertragsverlängerung erfolgt und/oder unter Hinweis darauf, dass die .... dies im Hinblick auf die Bettenbelegung durch die .... erwarte und/oder wenn die Einstellung und/oder die Weiterbeschäftigung von dem Krankenkassenwechsel abhängig gemacht wird;
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 208,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.07.2010 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie betreibe weder Werbung für die .... noch setze sie ihre Arbeitnehmer unter Druck, in die .... zu wechseln, erst recht nicht systematisch. Ihre Mitarbeiter sprächen allenfalls Empfehlungen aus hinsichtlich der Krankenkassenwahl. Die Zeugin .... betreibe einen „Rachefeldzug“ gegen sie als ihre ehemalige Arbeitgeberin.
Das Gericht hat die Zeugin .... vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 20.01.2011 verwiesen.
Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
1) Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu gemäß § 3, § 4 Nr. 1, § 8 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 UWG zu.
Die Beklagte verstieß gegen §§ 3, 4 Nr. 1 UWG. Gegen diese Vorschrift verstößt unter anderem, wer im Rahmen geschäftlicher Handlungen die Entscheidungsfreiheit von Marktteilnehmern durch Ausübung von Druck beeinträchtigt. Danach ist es Arbeitgebern untersagt, auf Nachfrageentscheidungen von Arbeitnehmern durch Druck sachwidrig Einfluss zu nehmen. Insoweit ist anerkannt, dass ein derartiges Verhalten eines Arbeitgebers gegenüber seinem Arbeitnehmer bezüglich dessen Nachfrageentscheidung zur Krankenkassenwahl gemäß § 4 Nr. 1 UWG unlauter ist (Köhler/Bornkamm, 29. Auflage, § 4 UWG Rn. 1.63; OLG Düsseldorf, WRP 2002, 479; OLG Hamm, GRUR-RR 2006, 30; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 05.10.2006, 1 HK O 7031/06; LG München, Urteil vom 17.06.2009, 11 HK O 6351/09). Werden Zuwiderhandlungen gegen die Verbote nach §§ 3 und 4 Abs. 1 UWG in einem Unternehmen von Mitarbeitern begangen, so bestehen Unterlassungsansprüche auch gegen den Unternehmensinhaber, § 8 Abs. 2 UWG. Zuwiderhandlungen gegen die Verbote nach §§ 3 und 4 Nr. 1 UWG müssen auch nicht systematisch erfolgen, um Unterlassungsansprüche zu begründen; diese bestehen vielmehr bereits bei einem einmaligen Gesetzesverstoß, weil sich diesem regelmäßig die Gefahr einer Wiederholung des Geschehens entnehmen lässt, § 8 Abs. 1 UWG.
Im Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass die Mitarbeiterinnen der Beklagten … und …. als Vertreter der Beklagten die Zeugin .... als Arbeitnehmerin unter Druck setzten – und zwar massiv -, damit die Zeugin die Krankenkasse wechsele, und sie hierbei der Zeugin den Eindruck vermittelten, dass die Eingehung bzw. der Bestand ihres Arbeitsverhältnisses von ihrer Bereitschaft, der .... beizutreten, abhänge.
Die Zeugin .... hat über den Hergang sowohl des Einstellungsgesprächs am 05.03.2009 als auch über den Verlauf des Personalgesprächs vom 02.03.2010 glaubhaft bekundet, ihr sei ein Wechsel zur .... als zwingende Voraussetzung eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten dargestellt worden; ihr seien nicht etwa nur etwaige Vorteile der .... gegenüber anderen Krankenkassen aufgezeigt worden im Sinne einer Beratung, sondern ihr sei deutlich erklärt worden, die .... erwarte, dass sich die Arbeitnehmer der Beklagten bei der .... versicherten, weil die .... als Hauptauftraggeber der Beklagten für diese von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sei. Die Beklagte könne nicht anders als den Druck, den die .... auf sie ausübe, an ihre Mitarbeiter weiterzureichen, und der Wechsel der Zeugin zur .... sei deshalb erforderlich, wenn sie bei der Beklagten arbeiten wolle.
Dass ein Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten in der von der Zeugin mitgeteilten Weise eine unangemessene unsachliche Einflussnahme darstellt im Sinne der Ausübung unzulässigen Drucks, bedarf keiner näheren Ausführungen. Dem Arbeitnehmer steht das Recht der freien Krankenkassenwahl zu, der Arbeitgeber darf in dieses Recht nicht eingreifen (§ 173 SGB V).
Die Kammer hat an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin keine Zweifel. Die Bekundungen der Zeugin sind präzise, ausführlich, in sich widerspruchsfrei und inhaltlich nachvollziehbar.
Gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin spricht nicht, dass die Zeugin zu Beginn ihrer Vernehmung den Eindruck erweckte, teilweise auswendig vorzutragen, was sie kurz nach dem 02.03.2010 schriftlich niedergelegt hatte. Dieses Verhalten der Zeugin entspricht nämlich der Beobachtung des Gerichts, dass die Zeugin auf Ordnung in ihren Unterlagen hält in einer Weise, als dass sie sämtliche Unterlagen über ihr früheres Arbeitsverhältnisses sortiert, teilweise in Klarsichthüllen verpackt und in Ordner geheftet mitbrachte. Das Gericht geht in Anbetracht dessen davon aus, dass die Zeugin sich lediglich ihrem Charakter entsprechend in besonders gründlicher Weise auf die Zeugeneinvernahme vorbereitete; ein Indiz für einen Willen, einen unrichtigen Sachverhalt widerspruchsfrei vorzutragen, kann ihrem Aussageverhalten mithin nicht entnommen werden.
Ebenso ist die Aussage der Zeugin nicht deshalb weniger glaubhaft, weil die Zeugin bis heute emotional von dem von ihr beschriebenen Geschehen bewegt wird. Verlief insbesondere das Gespräch der Mitarbeiterin der Beklagten …. mit der Zeugin am 02.03.2010 in der von der Zeugin geschilderten Weise, so ist eine emotionale Beteiligung der Zeugin allerdings naheliegend. Bereits die Formulierung „Erpressung“, die nach Bekundung der Zeugin von der Mitarbeiterin der Beklagten …. verwendet wurde, zeigt, in welcher Atmosphäre das Personalgespräch beendet worden sein muss; hierzu passt die Bekundung der Zeugin, im Verlauf dieses Gesprächs in Tränen ausgebrochen zu sein. Ein solcher Gesprächsverlauf erklärt jedoch nicht nur die bis heute erkennbare Bewegung der Zeugin, sondern auch ihr damaliges Vorgehen, sich an Mitarbeiter ihrer Krankenkasse zu wenden, um zu versuchen, die von ihr für unrecht gehaltene Vorgehensweise der Beklagten und/oder der .... für die Zukunft zu unterbinden.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Zeugin aus Verärgerung über die unterbliebene Verlängerung ihres Arbeitsvertrags die Unwahrheit gesagt hätte. Zum einen spricht hiergegen schon der Umstand, dass die Zeugin nach ihren Bekundungen alsbald nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten in ihrem Beruf anderweitig Arbeit fand, die unterbliebene Verlängerung des Arbeitsverhältnisses sie mithin jedenfalls nicht in wirtschaftliche Not brachte. Ebenso spricht es gegen einen „Rachefeldzug“ der Zeugin, dass die Zeugin auf anwaltlichen Rat hin ein arbeitsrechtliches Vorgehen gegen die Beklagte in Anbetracht der Beweissituation unterließ, sie mithin keineswegs blind gegen die Beklagte vorgeht. Vor allem aber ließ das Aussageverhalten der Zeugin keine Belastungstendenzen erkennen. Während die Zeugin einerseits offen einräumte, seinerzeit wütend und enttäuscht gewesen zu sein, und sich erpresst gefühlt zu haben, erklärte die Zeugin schon in ihrer schriftlichen unmittelbar nach dem 02.03.2010 gefertigten und ihrer Krankenkasse übergebenen Erklärung, sie wisse, dass bei anderen Mitarbeitern Verträge verlängert worden seien, obwohl diese nicht in die .... gewechselt seien. Wenn die Zeugin sich davon hätte leiten lassen wollen, der Beklagten möglichst zu schaden, wäre ein solcher Zusatz nicht erklärlich. Über Rechtskenntnisse dahingehend, ob ein einmaliges wettbewerbsrechtlich zu beanstandendes Verhalten der Beklagten ausreiche oder ob nur systematische Einwirkungen auf Arbeitnehmer unzulässig sein könnten, verfügt die Zeugin nämlich nach Einschätzung des Gerichts nicht.
2) Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 208,65 € ergibt sich aus § 12 Abs. 1 UWG. In Anbetracht der unstreitigen Ausführungen der Klägerin zu ihren Aufwendungen für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen, die noch über dem geforderten Betrag liegen, können die erforderlichen Aufwendungen gemäß § 287 ZPO entsprechend geschätzt werden.
3) Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
Der Streitwert beträgt 20.000,00 €. Dies entspricht dem im Geschäftsbereich des Brandenburgischen Oberlandesgericht regelmäßig angesetzten Gegenstandswert für wettbewerbliche Unterlassungsansprüche in Hauptsacheverfahren mittlerer Schwierigkeit, in welchen keine Umstände erkennbar sind, aus denen sich ein konkret bezifferbares wirtschaftliches Interesse an der Rechtsverfolgung ermitteln lässt, § 3 ZPO.