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Entscheidung 10 UF 126/15


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 21.09.2015
Aktenzeichen 10 UF 126/15 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 113 Abs 1 S 2 FamFG, § 148 ZPO

Leitsatz

1. Ein Verfahren über den Trennungsunterhalt ist nicht vorgreiflich im Verhältnis zum Verfahren über den nachehelichen Unterhalt.

2. Wenn ein Aussetzungsgrund nicht gegeben ist, kommt es auf die Frage, ob sich die Prüfungsbefugnis des Beschwerdegerichts bei Vorliegen eines Aussetzungsgrund darauf beschränkt, ob dem Ausgangsgericht bei der Entscheidung zugunsten der Aussetzung ein Ermessensfehler unterlaufen ist, nicht an.

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Der Beschwerdewert wird auf zwischen 2.001 € und 3.000 € festgesetzt.

Gründe

Die gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 252 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Amtsgericht das Scheidungsverfahren unter Einschluss der Folgesachen - auch über den nachehelichen Unterhalt - ausgesetzt. Die vom Amtsgericht insoweit gegebene Begründung, die vom Rechtsmittelgericht im Trennungsunterhaltsverfahren zu entscheidende Frage, ob der Unterhaltsanspruch des Ehemannes verwirkt sei, sei auch für die Folgesache über den nachehelichen Unterhalt relevant, trägt nicht.

Gemäß § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet (…), anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anhängigen Rechtsstreits (…) auszusetzen sei. Die Aussetzung der Verhandlung setzt damit Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtsstreit zu treffenden Entscheidung im Sinne einer (zumindest teilweise) präjudiziellen Bedeutung voraus. § 148 ZPO stellt nicht auf sachliche oder tatsächliche Zusammenhänge zwischen verschiedenen Verfahren, sondern auf die Abhängigkeit vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab. Allein die tatsächliche Möglichkeit eines Einflusses genügt dieser gesetzlichen Voraussetzung nicht und wäre im Übrigen auch ein konturloses Kriterium, das das aus dem Justizgewährleistungsanspruch folgende grundsätzliche Recht der Beteiligten auf Entscheidung ihres Rechtsstreits in seinem Kern beeinträchtigen würde (BGH, NJW 2005, 1947). Somit scheidet eine Aussetzung des Verfahrens dann aus, wenn die in dem anderen Prozess oder Verfahren zu treffende Entscheidung auf das vorliegende Verfahren lediglich Einfluss ausüben kann (BGH, NJW-RR 2006, 1289, 1290 Rn. 8).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist ein Verfahren über den Trennungsunterhalt nicht vorgreiflich im Verhältnis zum Verfahren über den nachehelichen Unterhalt. Es handelt sich hierbei um unterschiedliche Streitgegenstände, wobei der Anspruch auf Trennungsunterhalt mit Rechtskraft der Scheidung endet, während der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zu diesem Zeitpunkt erst entsteht. Auch sind beide Unterhaltsansprüche in wesentlicher Hinsicht verschieden ausgestaltet, etwa im Hinblick auf den nur für den nachehelichen Unterhalt uneingeschränkt geltenden Grundsatz der Eigenverantwortung, § 1569 BGB (OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.6.2006 - 1 WF 168/06, BeckRS 2007, 01572).

An einer Vorgreiflichkeit des Trennungsunterhaltsverfahrens gegenüber dem Verfahren auf nachehelichen Unterhalt fehlt es auch dann, wenn in beiden Verfahren der Verwirkungseinwand nach § 1579 BGB, im Fall des Trennungsunterhalts i.V.m. § 1361 Abs. 3 BGB, erhoben wird. Dabei ist nicht nur zu beachten, dass § 1361 Abs. 3 BGB nicht in Gänze auf § 1579 BGB verweist (OLG Frankfurt, a.a.O.). Hinzu kommt, dass sich beispielsweise bei völlig gleicher Verwirkungshandlung eine unterschiedliche Rechtsfolge ergeben kann, je nach dem, ob es um die Kürzung eines rechnerisch sehr hohen oder eines eher niedrigen Unterhaltsanspruchs geht (Born, Urteilsanmerkung zu OLG Frankfurt, a.a.O., FD-FamR 2007, 212831).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die vom Amtsgericht in seiner Verfügung im Nichtabhilfeverfahren vom 25.8.2015 getroffene Feststellung, wonach im Rahmen der Billigkeitserwägung nach § 1578 b BGB, einer Vorschrift, auf die sich die Antragstellerin im Verfahren über den nachehelichen Unterhalt beruft, auch zu berücksichtigen ist, ob und in welchem Umfang Trennungsunterhalt gezahlt worden ist.

Wie bereits ausgeführt, ist die Aussetzung unzulässig, wenn die in dem anderen Verfahren zu treffende Entscheidung auf das vorliegende Verfahren lediglich Einfluss ausüben kann. Dies gilt etwa in Bezug auf eine Beweiswürdigung (Wendlandt in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 17. Edition, § 148 Rn. 7). Ähnlich wie mit einer Beweiswürdigung verhält es sich aber mit der vom Amtsgericht angesprochenen Billigkeitsabwägung.

Da somit ein Aussetzungsgrund nicht vorliegt, kommt es auf die Frage, ob sich die Prüfungsbefugnis des Beschwerdegerichts in dem Fall, dass ein Aussetzungsgrund gegeben ist, darauf beschränkt, ob dem Ausgangsgericht bei der Beurteilung, ob bei Bestehen eines Aussetzungsgrundes das Verfahren auszusetzen ist, ein Ermessensfehler unterlaufen ist (so Wendlandt, a.a.O., Rn. 14 unter Bezugnahme auf BGH, NJW-RR 2006, 1289, 1290), ohne sich mit der Frage auseinanderzusetzen, dass das Beschwerdegericht zweite Tatsacheninstanz ist, vgl. Gutjahr, in: Hahne/Munzig, BeckOK FamFG, 16. Edition, § 69 Rn. 31) nicht an.

Eine Kostenentscheidung kann nicht ergehen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens bilden einen Teil der Kosten des Rechtsstreits, die unabhängig von dem Ausgang des Beschwerdeverfahrens von den Beteiligten in dem Umfang zu tragen sind, in dem sie an den Kosten des Hauptsacheverfahrens zu beteiligen sind (vgl. BGH, NJW-RR 2006, 1289, 1290 Rn. 12).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.