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Entscheidung 45 Gs 48/14


Metadaten

Gericht AG Frankfurt (Oder) Entscheidungsdatum 24.03.2014
Aktenzeichen 45 Gs 48/14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

In Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft dem Verteidiger des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren vor einem Haftprüfungstermin die Akteneinsicht zwar nicht versagt, aber faktisch wegen Nichtverfügbarkeit der Akte vor dem Termin auch nicht gewährt, ist der Haftbefehl nicht allein wegen der unterbliebenen Akteneinsicht aufzuheben (anderer Ansicht wohl: Amtsgericht Halle, Beschluss vom 26.06.2012, 395 Gs 300/12, juris; Amtsgericht Halberstadt, Beschluss vom 08.04.2004, 3 Gs 12/04, Strafverteidiger 2004, S. 549).

Den Vorschriften der Strafprozessordnung, der grundrechtlichen Garantie des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) und den einschlägigen Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention ist bei Vorliegen eines derartigen Sachverhalts nicht nur Rechnung getragen, wenn der Verteidiger vor dem Haftprüfungstermin Akteneinsicht erhalten hat, sondern bereits dann, wenn der Verteidiger und der Beschuldigte im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Haftprüfungsantrag in der Weise informiert sind oder sich in zumutbaren Weise dahin hätten informieren können, dass der getroffenen gerichtlichen Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrundegelegt werden, zu denen Stellung zu nehmen dem Beschuldigten und dem Verteidiger Gelegenheit gegeben war (vorliegend bejaht).

Tenor

Der Haftbefehl vom 21.02.2014 wird aufrechterhalten.

Gründe

I.

Das beschließende Gericht hat am 21.02.2014 gegen den Beschuldigten einen Haftbefehl wegen des Verdachts des gemeinschaftlich begangenen schweren Raubes bei Annahme des Haftgrundes der Fluchtgefahr erlassen. Nach polizeilicher Festnahme ist der Haftbefehl dem Beschuldigten noch am 21.02.2014 richterlich verkündet worden. Seither wird die Untersuchungshaft vollzogen.

Mit Schriftsatz vom 10.03.2014, taggleich bei Gericht eingegangen, beantragt der Verteidiger die Aufhebung des Haftbefehls, hilfsweise die Aussetzung des Vollzugs; ihm ist, soweit ersichtlich, durch die Staatsanwaltschaft bislang keine Akteneinsicht gewährt worden.

Im Haftprüfungstermin vom 19.03.2014 macht der Verteidiger insbesondere geltend, dass der Haftbefehl in Ansehung der ihm trotz Antrags vor dem Haftprüfungstermin vom 19.03.2014 nicht gewährten Akteneinsicht aufzuheben sei; zur Begründung seines Antrages hat er mehrere Gerichtsentscheidungen zur Akte gereicht, auf die er seine Ansicht stützt. In der Sache selbst haben sich der Verteidiger und der Beschuldigte im Termin, insbesondere auch nach wörtlichem Vorhalt des wesentlichen Ermittlungsergebnisses vom 26.02.2014 und der einschlägigen Vorstrafen des Beschuldigten, nicht geäußert.

Die Staatsanwaltschaft tritt mit Verfügung vom 17.03.2014 den Anträgen des Verteidigers entgegen und beantragt die Aufrechterhaltung des Haftbefehls.

Dem Gericht liegt außer der gerichtlichen Akte noch die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft vor, die mit Blatt 175 endet.

II.

Der angefochtene Haftbefehl wird im Ergebnis des am 19.03.2014 durchgeführten Haftprüfungstermins aufrechterhalten.

Solange der Beschuldigte in Untersuchungshaft ist, kann er nach § 117 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) jederzeit die gerichtliche Prüfung beantragen, ob der Haftbefehl aufzuheben oder dessen Vollzug nach § 116 auszusetzen ist (Haftprüfung). Die sachlichen Kriterien für die gerichtliche Entscheidung gibt in Fällen der vorliegenden Art die Vorschrift des § 120 Abs. 1 Satz 1 StPO vor: Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, dass die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde.

Ausgehend von diesen Kriterien sind die Voraussetzungen für die Anordnung und den Vollzug der Untersuchungshaft weiterhin gegeben.

Die Annahme des dringenden Tatverdachtes ergibt sich der Sache nach weiterhin aus der Begründung, wie sie in dem bereits am 21.02.2014 verkündeten Haftbefehl wörtlich wie folgt erläutert ist: Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, am 18.02.2014 gegen 20.40 Uhr in …, gemeinsam mit dem weiteren Beschuldigten S. gemeinschaftlich handelnd, unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben fremde bewegliche Sachen einem anderen in der Absicht weggenommen zu haben, die Sachen sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wobei sie bei der Tat ein gefährliches Werkzeug verwendet haben. Ihm wird im Einzelnen Folgendes zur Last gelegt: Der Beschuldigte und sein Mittäter S. begaben sich am Tattage, gegen 20.40 Uhr in die Wohnung …. In der Wohnung entschlossen sie sich, den dort aufhältigen Mietern, M. S. und W., verschiedene Gegenstände zu entwenden. Der Mitbeschuldigte S. nahm aus einem Korb ein Messer oder eine Gabel und bedrohte damit durch Vorhalten die vorgenannten Geschädigten. Einer der beiden Beschuldigten bedrohte die Geschädigten, dass sie nicht die Polizei rufen sollen, sonst würden sie umgebracht, und dass er sie in den Kopf schießen würde. Der Mitbeschuldigte S. riss dem Geschädigten W. dessen Handy aus der Hand und der Beschuldigte M. nahm eine auf dem Tisch stehende Playstation, 1 Laptop und verschiedene Spiele weg. Danach verließen die Beschuldigten die Wohnung in Richtung polnische Grenze. Das Diebesgut verbrachten sie sodann in die Wohnung der Schwester des S., wo es am 20.02.2014 beschlagnahmt werden konnte. Diese Handlung ist mit Strafe bedroht nach §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 1 Nr. 2, 25 Abs. 2 StGB. Dringender Tatverdacht ist gegeben aufgrund der Aussagen der Geschädigten, insbesondere zu Drohungen und zur Verwendung eines Messer oder einer Gabel als Tatmittel, und der Zeugen, insbesondere des Zeugen P., der teilgeständigen Einlassungen des Mitbeschuldigten S., welcher den obigen genannten Beschuldigten als Haupttäter belastet, der Tatsache, dass das Diebesgut sichergestellt wurde, und der Ermittlungen der Polizei sowie der richterlichen Anhörung des Mitbeschuldigten am 21.02.2014 im Verfahren 45 Gs 47/14.

Zur Annahme der Fluchtgefahr, wie sie auch im Zeitpunkt des Haftprüfungstermins weiterhin gegeben ist, heißt es in dem Haftbefehl, dass bei Würdigung folgender Umstände des Einzelfalls die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen wird: Er hat eine hohe Strafe zu erwarten, denn er ist in acht Fällen wegen Eigentumsdelikten vorbestraft, wurde am 11.07.2012 durch das Amtsgericht Frankfurt (Oder) zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt, die bis zum 09.06.2013 vollstreckt worden ist, ist Ausländer und nach Haftentlassung ohne Bindungen in Deutschland, insbesondere nicht zu seiner Schwester in Frankfurt (Oder). Die Straferwartung ist derart hoch (5 Jahre Mindeststrafe), dass dies allein schon einen hohen Fluchtanreiz darstellt. Der Beschuldigte hat seine Wurzeln im Ausland und kann sich jederzeit zumindest nach dort absetzen, womit sie für deutsche Behörden nicht mehr erreichbar sind, ein fester Aufenthalt in Polen ist nicht bekannt, so dass auch im Weg der Rechtshilfe nach derzeitigem Erkenntnisstand kein Zugriff möglich sein wird; es besteht nach den Akten nur eine Meldeadresse in S., wo sich der Betroffene aber mangels Platz nicht aufhalten kann.

Bereits die notwendigerweise mit der Verkündung des Haftbefehls dem Beschuldigten zur Kenntnis gebrachten Beweismittel tragen weiterhin den Haftbefehl sowohl hinsichtlich des dringenden Tatverdachts als auch hinsichtlich der Fluchtgefahr und der Verneinung milderer Maßnahmen. Das zusammengefasste Ermittlungsergebnis der Polizei vom 26.02.2014, wie es dem Beschuldigten im Haftprüfungstermin in polnischer Sprache mitgeteilt und dem Verteidiger in Ablichtung übergeben worden ist, zeigt auf, dass der abschließende Ermittlungsstand hinsichtlich der den Haftbefehl begründenden Tatsachen unverändert geblieben ist. Zur Fluchtgefahr ist der Beschuldigte im Haftprüfungstermin unter Mitteilung der Urteilsformeln in polnischer Sprache darauf hingewiesen worden, dass die Fluchtgefahr wesentlich unter anderem darauf gestützt wird, dass er mit Urteilen des beschließenden Gerichts vom 11.07.2012 und vom 27.11.2013 jeweils wegen Diebstahls zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilt worden ist, was ein Freiheitsstrafe unter Gewährung von Bewährung im vorliegenden Verfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließt, sondern vielmehr eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung erwarten lässt. Angesichts der Schwere des Tatvorwurfs bestehen an der Verhältnismäßigkeit der getroffenen Haftentscheidung weiterhin keine Bedenken. Dass der Zweck der Untersuchungshaft durch mildere Mittel erreicht werden könnte (§ 116 Abs. 2 StPO), ist weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. dazu auch den vom Verteidiger zur Akte gereichten Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 21.01.2011, 1 Ws 52/11, juris, Rn 11).

Das Gericht kann den Haftbefehl auch in Ansehung des Umstandes aufrechterhalten, dass der Verteidiger vor Beginn des Haftprüfungstermins keine Akteneinsicht erhalten hat. In Ansehung des nachstehend erläuterten Verfahrensablaufs werden Verfahrensrechte des Beschuldigten nicht entscheidungserheblich verletzt; ein Anspruch auf Aufhebung des Haftbefehls, wie er vom Verteidiger geltend gemacht wird, besteht in Ansehung des bisherigen Ablaufs des Verfahrens nicht.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat sich im Haftprüfungstermin ausweislich des Protokolls insbesondere Folgendes zugetragen: Der Verteidiger hat dem Gericht bereits kurz vor Beginn des Termins mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft ihm keine Akteneinsicht gewährt hat. Das Gericht bietet dem Verteidiger an, den Termin zu unterbrechen, damit er Akteneinsicht nehmen kann. Nach vorläufiger Auffassung des Gerichts handelt es sich um vergleichsweise überschaubare Akten, insbesondere für einen erfahrenen Strafverteidiger, wofür das Gericht den Verteidiger hält.

Der Verteidiger erklärte sodann: Die Akteneinsicht wurde mit Schriftsatz vom 10.03.2014 bei der Staatsanwaltschaft beantragt mit Hinweis auf die bevorstehende Haftprüfung. Mit Fax vom 17.03.2014 teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass sich die Akten beim Landgericht Frankfurt (Oder) befinden. Damit steht fest, dass zu der Haftprüfung am heutigen Tage der Verteidigung keine Akteneinsicht gewährt wurde. Die seitens des Gerichts angebotene Akteneinsicht wird als nicht rechtzeitig abgelehnt. Die im Rahmen der Haftprüfung angebotene Akteneinsicht ersetzt nicht die gesetzlich vorgeschriebene rechtzeitige Akteneinsicht.

Das Gericht hat dem Verteidiger sodann gegen 12.00 Uhr angeboten, den jetzigen Termin aufzuheben und neuen Termin zu bestimmen für heute 14.00 Uhr mit der Maßgabe, dass dem Verteidiger zwischenzeitlich die Akte zur Verfügung gestellt wird. Nachdem der Verteidiger das Angebot abgelehnt hatte, wurde der Termin fortgesetzt. Verteidiger und Beschuldigter lehnten unter Hinweis auf die nicht gewährte Akteneinsicht eine Einlassung zur Sache ab.

In Ansehung des erläuterten Geschehens sind die Verfahrensrechte des Beschuldigten und des Verteidigers im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Haftprüfungsantrag gewahrt.

Auf eine Verletzung von Vorschriften der Strafprozessordnung kann eine Aufhebung des Haftbefehls nicht gestützt werden, nachdem das Gericht den Anspruch des Verteidigers auf Akteneinsicht im Haftprüfungstermin hinreichend erfüllt hat.

Der Verteidiger ist nach § 147 Abs. 1 StPO, von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen, befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen. Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet nach § 147 Abs. 5 Satz 1 StPO im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im Übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts. Aus den Akten ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft keine Entscheidung zur Versagung der Akteneinsicht getroffen, sondern mit der vom Verteidiger beantragten Einsicht einverstanden ist. Der zuständige Staatsanwalt konnte allerdings die Akte vor dem Haftprüfungstermin nicht Verteidiger zur Verfügung stellen konnte, weil sich die Akte zeitweise zur Bearbeitung einer Haftbeschwerde des Mitbeschuldigten beim Beschwerdegericht befand. Bei dieser Sachlage durfte und musste das Gericht dem Verteidiger die Akte im Rahmen der Haftprüfung zur Einsicht anbieten. Mit dem Angebot ist der Anspruch auf Akteneinsicht zunächst erfüllt; die Akteneinsicht ist als Recht ausgestaltet, das, auch nach vorherigem Einsichtsantrag, ausgeübt werden darf, aber nicht muss; das Gericht besitzt auch kein Mittel, einen Verteidiger, der sich weigert, eine greifbare Akte einzuziehen, zur Einsicht anzuhalten.

Höherrangiges Recht wird mit der vorliegenden Entscheidung über den Haftprüfungsantrag weder nach dem Grundgesetz noch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt.

Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) garantiert dem Beschuldigten grundsätzlich rechtliches Gehör vor jeder gerichtlichen Entscheidung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verlangt das Recht auf Gehör, dass einer gerichtlichen Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrundegelegt werden, zu denen Stellung zu nehmen den Beteiligten Gelegenheit gegeben war. Dies gilt grundsätzlich auch für richterliche Entscheidungen im Ermittlungsverfahren. Nur wo die Sicherung gefährdeter Interessen eine vorherige Anhörung verbietet, um den Beschuldigten nicht zu warnen, kann ausnahmsweise davon abgesehen werden. Im Bereich der Anordnung der Untersuchungshaft wirkt das Gesetz durch besondere Vorschriften auf die Verwirklichung des Verfassungsgebots des Art. 103 Abs. 1 GG hin, insbesondere bei der Verkündung eines Haftbefehls durch § 114 a, § 115 Abs. 2 und 3 StPO. Im Rahmen der mündlichen Haftprüfung ist der Beschuldigte zu hören (§ 118a Abs. 3 Satz 1 StPO). Dabei sollen die wesentlichen Ermittlungsergebnisse, wie sie sich nach dem letzten Stand des Verfahrens darstellen und soweit der Untersuchungszweck dem nicht entgegensteht, mit ihm erörtert werden. Wenn die Tatsachen und insbesondere das Beweismaterial, auf das das Gericht seine Haftentscheidung stützt, mündlich nicht (mehr) mitteilbar sind, müssen dem Beschuldigten weitere Informationsquellen etwa durch ein Akteneinsichtsrecht eröffnet werden. Aus dem Recht des Beschuldigten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren und seinem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt mithin ein Anspruch des inhaftierten Beschuldigten auf Einsicht seines Verteidigers in die Akten, wenn und soweit er die sich darin befindenden Informationen benötigt, um auf die gerichtliche Haftentscheidung effektiv einwirken zu können und eine mündliche Mitteilung der Tatsachen und Beweismittel, die das Gericht seiner Entscheidung zugrundezulegen gedenkt, nicht ausreichend ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 11.07.1994, 2 BvR 777/94, juris).

Unter Zugrundelegung der dargestellten Kriterien ist der verfassungsrechtliche Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör gewahrt.

Der Haftbefehl ist dem Beschuldigten am 21.02.2014 ordnungsgemäß verkündet worden, er hat sich im Verkündungstermin auch bereits (kurz) zur Sache eingelassen und sinngemäß den Tatvorwurf bestreitend ausgeführt, dass er „nichts gemacht“ habe. Mit der Bestellung ist dem Verteidiger der oben zitierte Haftbefehl übersandt worden. Nach dem Termin ist der Haftbefehl in die polnische Sprache übersetzt und an den Beschuldigten übermittelt worden; der Verteidiger hat den Haftbefehl ebenfalls durch das Gericht erhalten.

Im Haftprüfungstermin hat das Gericht hinreichend dafür Sorge getragen, dass der nun getroffenen gerichtlichen Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrundegelegt werden, zu denen Stellung zu nehmen dem Beschuldigten und dem Verteidiger Gelegenheit gegeben war. Das Gericht hat substantiiert über den erhobenen Vorwurf, die Beweislage und den in Rede stehenden Haftgrund informiert und die Möglichkeit zu weiterer Information und Erörterung gegeben. Das wesentliche Ermittlungsergebnis im Zeitpunkt der Haftprüfung und wesentliche Umstände für die Annahme der Fluchtgefahr sind ausdrücklich mitgeteilt worden; insbesondere wurde der einschlägige Aktenvermerk dem Beschuldigten in die polnische Sprache übersetzt, der Verteidiger hat Ablichtung hiervon erhalten. Dem Verteidiger ist umfassende Akteneinsicht unter Hinweis darauf angeboten, dass es sich um eine für einen erfahrenen Strafverteidiger, insbesondere auf der Grundlage der Kenntnis des Haftbefehls, vergleichsweise problemlos und schnell zu erschließende Akte handelt. Es handelt sich, wie sich aus der obigen Sachverhaltsdarstellung ergibt, um einen schnell zu erfassenden Tatvorwurf. Zur hinreichenden Beweiswürdigung sind in wesentlicher Hinsicht die Aussagen der beiden Geschädigten, des Mitbeschuldigten und zweier weiterer Zeugen sowie der Nachweis über sichergestellte Beute auszuwerten. Das hätte der Verteidiger, der Fachanwalt für Strafrecht ist und vom beschließenden Gericht häufig als Pflichtverteidiger bestellt wird, sich unter Inanspruchnahme des entsprechenden Angebots des Gerichts innerhalb von höchstens 45 Minuten erschließen können. Sodann hätte er die Möglichkeit gehabt, die Angelegenheit mit Beschuldigten vertraulich zu erörtern und die Verteidigungsstrategie für den weiteren Verlauf des Haftprüfungstermins abzustimmen.

Mehr können der Beschuldigte und der Verteidiger nach dem Grundgesetz nicht verlangen. Der Garantie des rechtlichen Gehörs ist nicht nur Rechnung getragen, wenn der Verteidiger vor dem Haftprüfungstermin Akteneinsicht erhalten hat, sondern bereits dann, wenn der Verteidiger und der Beschuldigte im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Haftprüfungsantrag in der Weise informiert sind oder sich in zumutbaren Weise dahin hätten informieren können, dass der getroffenen gerichtlichen Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrundegelegt werden, zu denen Stellung zu nehmen dem Beschuldigten und dem Verteidiger Gelegenheit gegeben war. Entsprechende Gelegenheit war gegeben, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt. Indem der Verteidiger und der Beschuldigte, trotz wiederholter Hinweise des Gerichts zur aus gerichtlicher Sicht gebotenen Verfahrensweise, in geschehener Weise vorgegangen sind, haben sie sich aus eigenem Entschluss der Möglichkeit begeben, sich über den gesamten Akteninhalt umfassend zu informieren. Bei bewusster Nichtinanspruchnahme der in Rede stehenden Möglichkeiten ist das rechtliche Gehör in Form Gelegenheit zur Information gewahrt, so dass vorliegend nicht gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör verstoßen wird (anderer Ansicht wohl: Amtsgericht Halle, Beschluss vom 26.06.2012, 395 Gs 300/12, juris; Amtsgericht Halberstadt, Beschluss vom 08.04.2004, 3 Gs 12/04, Strafverteidiger 2004, S. 549). Die „Waffengleichheit“ zwischen den Strafverfolgungsbehörden und dem Beschuldigten bzw. Verteidiger, um die es in vorliegendem Zusammenhang geht (vgl. auch den bereits zitierten gereichten Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 21.01.2011, a. a. O., Rn 24), ist gewahrt.

Mit der Vorgehensweise des Gerichts sind ferner die Rechte des Beschuldigten nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gewahrt, insbesondere auch das vom Verteidiger herangezogene Recht aus Art. 5 Abs. 4 EMRK, wonach jede Person, die festgenommen oder ihrer Freiheit entzogen ist, das Recht hat, zu beantragen, dass ein Gericht innerhalb kurzer Frist über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung entscheidet und ihre Entlassung anordnet, wenn die Freiheitsentziehung nicht rechtmäßig ist (vgl. dazu Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 5. Kammer, Entscheidung vom 02.06.2009, Nr. 29705/05 S. K. vs. Deutschland, StRR 2009, S. 433). Mit der Wahrung der sich aus Art. 103 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen sind auch die hier in Rede stehenden Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention eingehalten.