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Baugenehmigung für Windkraftanlage; Windfarm; Einvernehmen der Gemeinde; Ersetzung des Einvernehmens; Aufhebung nach Klage der Gemeinde; Zulassungsantrag des Bauherrn; sachliche Zuständigkeit; Zuständigkeitsmangel; Heilung; Verfahrensfehler; Baugenehmigung statt immissionsschutzrechtlicher Genehmigung; nachträgliche Änderung der Sachlage und der Rechtslage; (keine) ernstliche Zweifel; Divergenz; Darlegungsanforderungen; mehrere selbständig tragende Begründungen; Streitwert


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 29.06.2011
Aktenzeichen OVG 10 N 39.08 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 4 VwGO, § 67 Abs 9 BImSchG, § 2 Abs 1 Nr 1.6 BImSchV 4

Tenor

Der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 5. Februar 2008 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Beigeladene.

Der Streitwert wird unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 5. Februar 2008 für die erste und zweite Rechtsstufe auf jeweils 30.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich dagegen, dass der Beklagte der Beigeladenen eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Windkraftanlage erteilt und dabei das Einvernehmen der Klägerin ersetzt hat.

Die Beigeladene, die unter dem 20. September 2000 einen Bauvorbescheid zur Errichtung von vier Windkraftanlagen auf dem Gemeindegebiet der Klägerin östlich des Ortsteils E... erhalten hatte, beantragte am 19. Juli 2002 die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer (weiteren) Windkraftanlage auf von ihr gepachteten Flurstücken in der Gemarkung E... südöstlich der vom Bauvorbescheid erfassten geplanten Anlagen in einer Entfernung von ca. 300 bis 350 m zur nächstgelegenen Anlage. Mit Bescheid der unteren Bauaufsichtsbehörde vom 31. Juli 2003 erteilte der Beklagte die beantragte Baugenehmigung und ersetzte dabei das gemeindliche Einvernehmen der Klägerin, das diese mit der Begründung versagt hatte, die Erschließung des Vorhabens sei nicht ausreichend gesichert. Der dagegen erhobene Widerspruch der Klägerin wurde mit Bescheid der unteren Bauaufsichtsbehörde vom 8. November 2004 zurückgewiesen, woraufhin die Klägerin am 8. Dezember 2004 Klage erhoben hat.

Während des Klageverfahrens wurde in einem anderen gerichtlichen Verfahren der bezüglich der vier weiteren Windkraftanlagen erteilte Bauvorbescheid mit Urteil vom 7. Juni 2005 aufgehoben. Dieses Urteil wurde gegenüber der Beigeladenen am 21. Juli 2005 rechtskräftig.

Mit dem vorliegend angefochtenen Urteil vom 5. Februar 2008 hat das Verwaltungsgericht die Baugenehmigung und den Widerspruchsbescheid bezüglich der verbliebenen Windkraftanlage mit der Begründung aufgehoben, die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens sei rechtmäßig gewesen. Die Klägerin könne mit Erfolg geltend machen, dass die Windkraftanlage einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedurft habe und bedürfe, so dass eine Baugenehmigung für die Vorhabenszulassung nicht genüge. Es habe eine sachlich unzuständige Behörde auf der Grundlage eines unzutreffenden (baurechtlichen statt immissionsschutzrechtlichen) Verfahrens entschieden. Unabhängig davon sei die Klage auch aus materiellen Gesichtspunkten begründet, weil die ausreichende Erschließung des Vorhabens nicht gesichert sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beigeladene mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.

II.

Der auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), das Vorliegen einer Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO sowie auf Verfahrensfehler nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Das Vorbringen der Beigeladenen, das den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmt (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO), rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Maßgebend sind dabei allein die innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegten Gründe, so dass die nach dem 14. April 2008 eingegangenen Schriftsätze der Beigeladenen nur insoweit Berücksichtigung finden können, als darin fristgerecht vorgebrachte Gründe näher erläutert werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 124 a Rn. 50 m.w.N.).

1. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung auf zwei Gründe gestützt, die jeweils selbständig die Aufhebung der Baugenehmigung tragen, nämlich auf die formelle Rechtswidrigkeit des Bescheides wegen der Entscheidung einer unzuständigen Behörde in einem fehlerhaften Verfahren und auf die materielle Rechtswidrigkeit wegen des Fehlens einer ausreichenden Erschließung. Die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Beigeladene hinsichtlich jeder dieser Begründungen mit Erfolg auf einen von ihr dargelegten Zulassungsgrund berufen kann. Daran fehlt es hier, weil die Beigeladene bereits im Hinblick auf die Ausführungen zur formellen Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung keine Gründe dargelegt hat, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen.

a) Gemessen an den (fristgerecht vorgebrachten) Einwendungen der Beigeladenen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, soweit das Verwaltungsgericht darin die Baugenehmigung bereits aus formellen Gründen aufgehoben hat. Das Vorbringen der Beigeladenen ist nicht geeignet, in diesem Zusammenhang einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage zu stellen (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2009 - 1 BvR 812/09 -, NJW 2010, 1062, juris).

Den Ansatz des Verwaltungsgerichts, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten nicht die Bauaufsichtsbehörde, sondern die für eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zuständige Behörde hätte entscheiden müssen, zieht die Beigeladene nicht in Zweifel, sondern hält ihn vielmehr für richtig. Die Frage, ob für die Errichtung einer Anlage eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 4 BImSchG und die Durchführung eines entsprechenden Verfahrens erforderlich sind, beurteilt sich nach der Vierten Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (4.BImSchV), die Genehmigungsbedürftigkeit von Windkraftanlagen ergibt sich dabei aus § 2 Abs. 1 4.BImSchV in Verbindung mit Nr. 1.6 des Anhangs. Zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung im Juli 2003 sowie des Erlasses des Widerspruchs im November 2004 galt die 4.BImSchV in der am 3. August 2001 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1950). Danach bedurften Windfarmen mit sechs oder mehr Windkraftanlagen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung auf der Grundlage eines Verfahrens nach § 10 BImSchG und Windfarmen mit drei bis weniger als sechs Windkraftanlagen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG; für danach nicht erfasste Anlagen war (nur) eine baurechtliche Genehmigung erforderlich. Das Verwaltungsgericht ist - von der Beigeladenen unbeanstandet - von einem räumlichen Zusammenhang der streitgegenständlichen Windkraftanlage mit den zuvor im Bauvorbescheid vom 20. September 2000 genehmigten Anlagen und deshalb von einer Windfarm ausgegangen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 - BVerwG 4 C 9.03 -, BVerwGE 121, 182, juris Rn. 33). Da es sich um eine Windfarm mit fünf Windkraftanlagen handelte, war nach Nr. 1.6 Spalte 2 des Anhangs zur 4.BImSchV die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach Durchführung eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens im Sinne des § 19 BImSchG erforderlich, wobei sachlich zuständig das Amt für Immissionsschutz war (§ 1 Abs. 1 i.V.m. Nr. 1.1.1 der Anlage der Immissionsschutzzuständigkeitsverordnung in der damals geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 29. Mai 1997 [GVBl. II S. 686], zuletzt geändert durch Verordnung vom 29. Oktober 2002 [GVBl. II S. 618]). Danach ist die Baugenehmigung hier durch eine damals sachlich unzuständige Behörde in einem falschen Verfahren erteilt worden. Die Unterscheidung zwischen einem bauordnungs- und einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren ist auch rechtlich relevant (vgl. auch hierzu BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004, a.a.O., Rn. 37 ff.).

Ohne Erfolg macht die Beigeladene geltend, das Verwaltungsgericht habe deshalb nicht auf das Erfordernis einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung abstellen dürfen, weil nach der (rückwirkenden) Aufhebung des Bauvorbescheides bezüglich der vier weiteren Windkraftanlagen keine (geplante) Windfarm mehr vorgelegen habe. Das Verwaltungsgericht hat diesen Umstand als unerheblich angesehen, weil im für die Rechtmäßigkeitsprüfung einschließlich der Beachtlichkeit und der Gewichtung der Rechte Dritter maßgeblichen Zeitpunkt das falsche Verfahren vor der unzuständigen Behörde durchgeführt worden sei. Es gebe keinen Grundsatz, wonach eine hinsichtlich Verfahren und Zuständigkeit rechtswidrig erteilte, nicht unanfechtbare Baugenehmigung rechtmäßig werde, wenn Rechtstatsachen mit Bezug auf Verfahren und Zuständigkeit sich später, auch rückwirkend, änderten. Diese Argumentation vermag die Beigeladene im Ergebnis nicht dadurch ernstlich in Zweifel zu ziehen, dass sie auf die Rechtsprechung zur Berücksichtigungsfähigkeit nachträglicher Änderungen zugunsten eines Bauherrn verweist.

Sollte das Verwaltungsgericht den festgestellten Verfahrens- und Zuständigkeitsmangel im Zeitpunkt der Behördenentscheidung für grundsätzlich nicht heilbar gehalten haben, dürfte dies allerdings zweifelhaft sein. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass die Heilung eines Mangels der sachlichen Zuständigkeit durch das nachträgliche Zuwachsen der Verwaltungskompetenz nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, sondern sich letztlich auf der Grundlage des einschlägigen materiellen Rechts beurteilt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 1982 - BVerwG 8 C 138.81 -, BVerwGE 66, 178, juris Rn. 15 ff.). Die materiell-rechtlichen Grundsätze dürften hier der Rechtsprechung zu baurechtlichen Nachbarstreitigkeiten und nicht dem Immissionsschutzrecht zu entnehmen sein. Diese Abgrenzung ist insoweit relevant, als es im Immissionsschutzrecht - im Gegensatz zum Baurecht - keinen Grundsatz gibt, dass einem Antragsteller eingeräumte Rechtspositionen trotz Rechtsänderung im Allgemeinen zu belassen oder nur gegen Entschädigung zu entziehen seien (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1982 - BVerwG 7 C 42.80 -, BVerwGE 65, 313, juris Rn. 16). Vorliegend geht es allerdings nicht um eine Nachbarklage gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung, sondern um eine auf § 36 BauGB gestützte und allein anhand materiellen Baurechts zu entscheidende Klage gegen die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens. Für eine derartige Klage, die nur die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens betrifft, ist bezüglich des maßgebenden Zeitpunkts für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides und der Berücksichtigungsfähigkeit nachträglicher Änderungen auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu baurechtlichen Nachbarstreitigkeiten zurückzugreifen (vgl. OVG Bln-Bbg, Urteil vom 14. Dezember 2006 - OVG 11 B 11.05 -, juris Rn. 52). Danach beurteilt sich die Frage, ob eine angefochtene Baugenehmigung den Nachbarn in seinen Rechten verletzt, grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung. Nachträgliche Änderungen zu Lasten des Bauherrn haben außer Betracht zu bleiben, während nachträgliche Änderungen zu seinen Gunsten zu berücksichtigen sind (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 8. November 2010 - BVerwG 4 B 43.10 -, BauR 2011, 499, juris Rn. 9; Beschluss vom 23. April 1998 - BVerwG 4 B 40.98 -, NVwZ 1998, 1179, juris Rn. 3, jeweils m.w.N.). Diese Grundsätze dürften entgegen der Ansicht der Klägerin auch auf den Fall anzuwenden sein, dass sich die Gemeinde als Dritte unter Berufung auf ihre Planungshoheit gegen eine Baugenehmigung wendet (vgl. etwa ThürOVG, Urteil vom 17. Juni 1998 - 1 KO 1040/97 -, BRS 60 Nr. 200, juris Rn. 105; BayVGH, Beschluss vom 13. März 1996 - 1 CS 96.638 -, BayVBl. 1996, 471). Die Beigeladene kann sich vorliegend auf diese Grundsätze aber deswegen nicht mit Erfolg berufen, weil keine nachträgliche Änderung der Sachlage und/oder Rechtslage zu ihren Gunsten eingetreten ist, die zu einer Unbeachtlichkeit des Verfahrens- und Zuständigkeitsmangels führen würde.

Der Berücksichtigungsfähigkeit nachträglicher Änderungen zugunsten des Bauherrn liegt die Erwägung zugrunde, dass es mit der nach Maßgabe des einschlägigen Rechts gewährleisteten Baufreiheit nicht vereinbar wäre, eine zur Zeit des Erlasses rechtswidrige Baugenehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung wieder erteilt werden müsste (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998, a.a.O., Rn. 3). Im Zusammenhang mit der Heilung eines Zuständigkeitsmangels ist die (entsprechende) Überlegung anzustellen, ob der von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassene Verwaltungsakt Bestand haben soll, nachdem der Behörde die sachliche Zuständigkeit nachträglich zugewachsen ist und sie den Verwaltungsakt nunmehr auch formell rechtmäßig erlassen könnte (BVerwG, Urteil vom 29. September 1982, a.a.O., Rn. 16). Eine Aufhebung des Verwaltungsakts könnte sich in diesem Fall als reine Förmelei darstellen, weil jedenfalls zum Zeitpunkt des Zuwachsens der Zuständigkeit eine vom Willen der (dann) zuständigen Behörde getragene Entscheidung vorliegt (vgl. auch zur Heilung eines Zuständigkeitsmangels, wenn die in Wirklichkeit zuständige Behörde den von der unzuständigen Behörde erlassenen Verwaltungsakt nachträglich inhaltlich billigt und als eigene Entscheidung bestätigt, BVerwG, Urteil vom 3. November 1972 - BVerwG IV C 106.68 -, BayVBl. 1973, 189, juris Rn. 18). Eine solche Konstellation ist vorliegend jedoch nicht gegeben, weil die untere Bauaufsichtsbehörde zu keinem Zeitpunkt als zuständige Behörde eine Entscheidung über den Antrag der Beigeladenen hätte treffen können.

Solange der Bauvorbescheid vom 20. September 2000 zu den vier weiteren Windkraftanlagen in der Gemarkung E... existierte, war die beantragte Windkraftanlage als Teil einer Windfarm mit mehr als drei, aber weniger als sechs Windkraftanlagen zu beurteilen, so dass - wie dargelegt - das Amt für Immissionsschutz zur Entscheidung zuständig war. Mit der Aufhebung des Bauvorbescheides stellte sich die streitgegenständliche Windkraftanlage zwar nunmehr als isolierte Anlage dar. Auch wenn die Aufhebung des Bauvorbescheides grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes zurückwirkt, dieser also rückwirkend entfällt, ändert dies jedoch nichts an dem Umstand, dass eine Entscheidung über die Windkraftanlage als isoliertes Vorhaben ohne Bezug zu einer Windfarm tatsächlich erst zu dem Zeitpunkt erfolgen konnte, zu dem das Anfechtungsurteil in Rechtskraft erwachsen ist, also mit Ablauf der Rechtsmittelfrist (§ 173 VwGO i.V.m. § 705 ZPO). Bei Eintritt der Rechtskraft des Urteils gegenüber der Beigeladenen am 21. Juli 2005 war die untere Bauaufsichtsbehörde jedoch für die Genehmigung der beantragten Windkraftanlage (außerhalb einer Windfarm) nicht (mehr) zuständig. Denn am 1. Juli 2005 ist die Verordnung zur Änderung der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen und zur Änderung der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20. Juni 2005 (BGBl. I S. 1687) in Kraft getreten, durch die eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung im vereinfachten Verfahren für (alle) Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m eingeführt wurde. Damit unterlag auch die hier beantragte Windkraftanlage mit einer Gesamthöhe von 138,5 m dem Erfordernis einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, für die das Amt für Immissionsschutz zuständig war. Die untere Bauaufsichtsbehörde hätte daher seit dem Erlass der Baugenehmigung zu keinem Zeitpunkt als zuständige Behörde über den Antrag der Beigeladenen entscheiden können. Für die Annahme einer Heilung des Zuständigkeitsmangels besteht in dieser Fallkonstellation keine Veranlassung.

Soweit sich die Beigeladene auf eine Heilung des Verfahrensfehlers nach § 67 Abs. 9 BImSchG in der ab dem 1. Juli 2005 geltenden Fassung beruft, ist dieser Gesichtspunkt erstmals im Schriftsatz vom 3. Juli 2008 und damit nach Ablauf der Frist zur Begründung des Berufungszulassungsantrags vorgetragen worden, so dass er unbeachtlich ist. Im Übrigen dürfte es an der erforderlichen Auseinandersetzung mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts fehlen, dass dem Betreiber einer Windkraftanlage mit der Übergangsregelung des § 67 Abs. 9 BImSchG eine erreichte Verfahrens- und Rechtsposition erhalten werden solle und Voraussetzung eine (bei Inkrafttreten der Übergangsregelung) rechtmäßige oder bestandskräftige Baugenehmigung sei. Es erscheint durchaus plausibel, dass § 67 Abs. 9 BImSchG nur vorhandene Rechtspositionen bewahren, nicht aber neue dadurch schaffen soll, dass Baugenehmigungen, die sich sowohl nach dem früheren als auch nach dem neuen Recht als rechtswidrig erweisen, legalisiert werden (vgl. im Zusammenhang mit Klagen auf Erteilung einer Baugenehmigung BVerwG, Beschluss vom 2. Juni 2008 - BVerwG 4 B 32.08 -, juris Rn. 12, wonach § 67 Abs. 9 BImSchG Rechtsunsicherheiten für vor dem 1. Juli 2005 immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Windkraftanlagen beseitigen solle; siehe zu § 67 Abs. 9 BImSchG auch OVG Nds., Urteil vom 28. November 2007 - 12 LC 70/07 -, BauR 2009, 784, juris Rn. 41; OVG NW, Beschluss vom 14. September 2005 - 8 B 96/05 -, BauR 2006, 78, juris Rn. 9 ff.).

Schließlich verhilft es dem Zulassungsantrag auch nicht zum Erfolg, dass die Beigeladene geltend macht, die Erteilung einer Baugenehmigung statt einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sei unerheblich, weil der Klägerin in beiden Verfahren das gleiche Beteiligungsrecht nach § 36 Abs. 1 BauGB zustehe und sie daher nicht in ihrer Planungshoheit verletzt sei. Auch dieses Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 3. Juli 2008 ist bereits wegen Verspätung unbeachtlich. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die von der Beigeladenen zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Unbeachtlichkeit der Wahl des falschen Verfahrens (Beschluss vom 10. Januar 2006 - BVerwG 4 B 48.05 -, BauR 2006, 815, juris Rn. 4 f.) nur Mängel im gewählten Verfahren, nicht aber den hier vorliegenden Fall des Mangels der sachlichen Zuständigkeit betrifft. Zudem spricht einiges dafür, dass die Gemeinde Eingriffe in ihre Planungshoheit durch Ersetzung ihres Einvernehmens nur dann zu dulden braucht, wenn diese durch die hierzu befugte Behörde vorgenommen werden, zumal die Ersetzung auch eines rechtswidrig versagten Einvernehmens der Gemeinde in das Ermessen der jeweils zuständigen Behörde gestellt ist (vgl. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 9. September 2005 - OVG 11 S 14.05 -, juris Rn. 22; a.A. aber offenbar OVG Nds., Beschluss vom 7. Oktober 2004 - 1 ME 169/04 -, juris LS 3).

b) Soweit die Beigeladene eine Divergenz zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. April 1998 (a.a.O.) rügt, dürfte es bereits an einer hinreichenden Darlegung dieses Zulassungsgrundes fehlen. Eine die Berufungszulassung begründende Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz benannt wird, mit dem die Vorinstanz einem abstrakten Rechtssatz eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die divergierenden Rechtssätze müssen dabei einander präzise gegenübergestellt werden. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendungen von Rechtssätzen, die eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte aufgestellt hat, genügt insoweit nicht (vgl. zum Revisionsrecht etwa BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2010 - BVerwG 8 B 38.10 -, ZOV 2011, 45, juris Rn. 15 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen kaum gerecht. Im Übrigen geht der Hinweis der Beigeladenen, das verwaltungsgerichtliche Urteil weiche von der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab, weil die infolge der rechtskräftigen Aufhebung des Bauvorbescheides nachträglich zu ihren Gunsten eingetretene Änderung nicht berücksichtigt worden sei, auch in der Sache fehl, weil - wie dargelegt - gerade keine berücksichtigungsfähige nachträgliche Änderung zu ihren Gunsten eingetreten ist.

2. Da hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht angenommenen formellen Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung kein Grund für die Zulassung der Berufung vorliegt, bedarf es keiner näheren Prüfung der Zulassungsgründe, die die Beigeladene im Zusammenhang mit der materiellen Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung vorgebracht hat.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat orientiert sich dabei an der Empfehlung in Nr. II.9.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Fassung Juli 2004, NVwZ 2004, 1327), die für Klagen einer Nachbargemeinde gegen eine Baugenehmigung einen Streitwert von 30.000 EUR vorsieht und auch für den Fall, dass sich die Gemeinde gegen eine unter Ersetzung ihres verweigerten gemeindlichen Einvernehmens erteilte Baugenehmigung wendet, entsprechend heranzuziehen ist (vgl. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 5. Juli 2006 - OVG 10 S 5.06 -, juris Rn. 18). Die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung war gemäß § 63 Abs. 3 GKG von Amts wegen entsprechend zu ändern.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).