Gericht | OLG Brandenburg 1. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 25.07.2018 | |
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Aktenzeichen | 1 AR 10/18 (SAZ) | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Zuständig ist das Amtsgericht Neuruppin.
I.
Für den zum damaligen Zeitpunkt im dortigen Gerichtsbezirk wohnhaften Betroffenen wurde am 19. Januar 2018 beim Amtsgericht Königs Wusterhausen die Einrichtung einer Betreuung angeregt. Nachdem der Betroffene zunächst in einer therapeutischen Wohngruppe in B… untergebracht war, zog er nach seiner Entlassung im April 2018 zu seiner in K… lebenden Freundin und ihrer Familie. Nach Abschluss der erforderlichen Ermittlungen richtete das Amtsgericht Königs Wusterhausen mit Beschluss vom 24. April 2018 eine Betreuung für den Betroffenen ein und gab das Verfahren sodann mit Beschluss vom selben Tag an das Amtsgericht Neuruppin ab.
Das Amtsgericht Neuruppin hat die Übernahme des Verfahrens am 9. Mai 2018 unter Hinweis auf die ausstehende Kostenprüfung abgelehnt, woraufhin das Amtsgericht Königs Wusterhausen die Sache mit Verfügung des Rechtspflegers vom 24. Mai 2018 dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt hat.
II.
Der Zuständigkeitsstreit ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5 FamFG in Verbindung mit §§ 4 Satz 1, 273 Satz 1 FamFG durch das Brandenburgische Oberlandesgericht zu entscheiden, da sich die beiden mit der Sache befassten Gerichte nicht über das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Abgabe im Sinne von § 4 Satz 1 FamFG einigen können und das Brandenburgische Oberlandesgericht das nächsthöhere gemeinsame Gericht ist.
Einer Entscheidung des Senats steht nicht entgegen, dass die Vorlage der Akten durch den Rechtspfleger des abgebenden Gerichts erfolgt ist. Der insoweit vertretenen Auffassung, nach der mit Blick auf die im Betreuungsverfahren bestehenden laufenden richterlichen Prüfungspflichten die Entscheidung über eine Abgabe, eine Übernahme des Verfahrens oder eine Vorlage an das obere Gericht stets durch den Richter zu treffen ist (vgl. OLG Zweibrücken, FGPrax 2010 169, 170; KG, FamRZ 1996, 1340; OLG München, FGPrax 2008, 67), folgt der Senat nicht. Vielmehr ist zu differenzieren, ob eine richterliche Maßnahme aktuell veranlasst ist oder das Verfahren im Rahmen der in der Zuständigkeit des Rechtspflegers liegenden allgemeinen Aufsicht über die gesamte Tätigkeit des Betreuers abgegeben wird. Insoweit obliegen ihm gemäß §§ 3 Abs. 2 Nr. 2 b), 4 Abs. 1 RPflG alle zur Erledigung der ihm übertragenen Geschäfte erforderlichen Maßnahmen. Allein der Umstand, dass bei dem um die Übernahme der Bearbeitung ersuchten Gericht künftig auch der Richter mit dem Fall befasst sein kann, macht es noch nicht erforderlich, dass die Abgabe-, Übernahme- oder Vorlageentscheidung in Betreuungssachen ausschließlich durch den Richter erfolgt. Ein entsprechender Richtervorbehalt ist in § 15 RPflG nicht vorgesehen. Eine Entscheidung durch den Richter ist daher nur in den Fällen erforderlich, in denen konkret ein dem Richtervorbehalt unterliegendes Verfahren, beispielsweise über die Bestellung eines weiteren Betreuers, ansteht (vgl. OLG Köln, FGPrax 2006, 72, 73; OLG Köln, FamRZ 2001, 939; OLG Hamm, OLGZ 1994, 343, 344; OLG Düsseldorf, FamRZ 1994, 1190; Keidel/Sternal, FamFG, 19. Auflage, § 4 Rn. 35; Münchener Kommentar/Pabst, FamFG, 2. Auflage, § 4 Rn. 37; Musielak/Borth-Borth/Grandel, FamFG, 6. Auflage, § 4 Rn. 10). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor; die richterliche Bearbeitung ist mit der noch durch das Amtsgericht Königs Wusterhausen erfolgten Betreuerbestellung derzeit abgeschlossen.
Zuständig ist das Amtsgericht Neuruppin.
Das Amtsgericht Königs Wusterhausen hat das Betreuungsverfahren zu Recht an das Amtsgericht Neuruppin abgegeben, weil ein wichtiger Grund für die Abgabe gemäß §§ 4 Satz 1, 273 Satz 1 FamFG vorliegt. Der Betroffene hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in den Bereich des Amtsgerichts Neuruppin verlegt und die Aufgaben des ebenfalls im Bezirk des Amtsgerichts Neuruppin ansässigen Betreuers sind im Wesentlichen dort zu erfüllen.
Der noch ausstehende Kostenansatz nach §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 1 Satz 1 KostVfg in Verbindung mit §§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 8 Satz 1 GNotKG steht der Übernahme des Verfahrens nicht entgegen.
Zwar ist das abgebende Gericht unter dem Gesichtspunkt der Abgabereife grundsätzlich gehalten, zunächst alle Verfügungen zu treffen, die im Zeitpunkt der Abgabe von Amts wegen oder auf Antrag ergehen müssen (Senat, Beschluss vom 14. Juli 2015, Az.: 1 (Z) Sa 15/15; Senat, NJWE-FER 2000, 322; KG, FGPrax 2012, 19; OLG München, FGPrax 2008, 67; Keidel/Budde, FamFG, 19. Auflage, § 273 Rn. 13; Münchener Kommentar/Schmidt-Recla, FamFG, 2. Auflage, § 273 Rn. 13). Dabei handelt es sich aber nicht um eine Frage der verfahrensrechtlichen Zulässigkeit der Abgabe, sondern um die Beurteilung des Vorliegens eines wichtigen Grundes, bezogen auf den konkreten Stand des Betreuungsverfahrens zum Zeitpunkt der Abgabe (Senat, Beschluss vom 14. Juli 2015, Az.: 1 (Z) Sa 15/15; Senat, Beschluss vom 19. April 2013, Az.: 1 (Z) Sa 37/13; Keidel/Budde, a.a.O.). Dem liegt zu Grunde, dass anstehende Entscheidungen in aller Regel leichter, schneller und zweckmäßiger von dem Gericht getroffen werden können, das mit dem Verfahren befasst und folglich vertraut ist (Senat, Beschluss vom 19. April 2013, Az.: 1 (Z) Sa 37/13; BayObLG, FamRZ 1997, 439). Liegt hingegen eine Fallgestaltung vor, in der eine anstehende Tätigkeit wesentlich leichter durch das übernehmende Gericht ausgeführt werden kann, steht deren Verrichtung der Abgabe des Verfahrens nicht entgegen (OLG Brandenburg, FamRZ 1999, 1299; Münchener Kommentar/Schmidt-Recla, a.a.O.). Bei alledem richtet sich die Abgabereife nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten, für die insbesondere der Stand der notwendigen Ermittlungen und der Aufwand für das übernehmende Gericht von Bedeutung sind (vgl. Jürgens/Kretz, Betreuungsrecht, 5. Auflage, § 273 Fam FG, Rn. 9). Dabei ist es nach den maßgeblichen Interessen und dem Wohl des Betroffenen in der Regel vorzugswürdig, dass ein ortsnahes Gericht die Betreuung führt (vgl. OLG München, FGPrax 2008, 67; OLG Karlsruhe, FamRZ 1994, 449).
Nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand ist das Betreuungsgericht, nachdem die Betreuung mit Beschluss vom 24. April 2018 eingerichtet und ein Betreuer bestellt wurde, zunächst nur gehalten, die gemäß § 8 Satz 1 GNotKG erstmals bei der Anordnung und in der Folge jährlich fälligen Gebühren anzusetzen. Die entsprechende Jahresgebühr richtet sich gemäß Nr. 11101 KV GNotKG nach dem zu berücksichtigenden Vermögen, zu dem sich der Betroffene und sein Betreuer zunächst erklären müssen. Diese Ermittlungen können sinnvollerweise von Anfang an durch das Gericht durchgeführt und der zu treffenden Entscheidung zugrunde gelegt werden, das das Verfahren auch zukünftig führen wird. Hingegen ist weder ersichtlich, dass das – insoweit gleichermaßen noch nicht mit dem Verfahren befasste Amtsgericht Königs Wusterhausen – diese Aufgabe mit einem geringeren Aufwand erledigen könnte, noch ergeben sich konkrete Umstände, die im Interesse und zum Wohl des Betroffenen eine Fortsetzung der Bearbeitung des Betreuungsverfahrens durch dieses Gericht angezeigt erscheinen lassen. Daher ist dem objektiven Interesse des Betreuten an der Führung des Betreuungsverfahrens durch ein ortsnahes Gericht vorliegend der Vorrang einzuräumen.
Der Abgabe des Verfahrens steht auch nicht entgegen, dass das Amtsgericht Königs Wusterhausen entgegen der Regelung des § 4 Satz 2 FamFG auf die Anhörung des Betroffenen und seines Betreuers verzichtet hat. Das Erfordernis einer vorherigen Anhörung ist lediglich als Sollvorschrift konzipiert, um dem Gericht gerade in Betreuungssachen im Falle einer besonderen Eilbedürftigkeit die Möglichkeit zu eröffnen, dem Verfahren ohne eine vorherige Anhörung Fortgang zu geben (vgl. Entwurf des FGG-Reformgesetzes vom 7. September 2007, BT-Drucks. 16/6308, Seite 176; Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 11. Auflage, § 4 Rn. 10; Musielak/Borth-Borth/Grandel, FamFG, 6. Auflage, § 4 Rn. 7). Gegen die den Verfahrensbeteiligten mit dem Beschluss 24. April 2018 bekannt gegebene Abgabe wurden im Übrigen keine Bedenken erhoben, die im Rahmen der hiesigen Entscheidung zu berücksichtigen wären.