Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 10. Senat | Entscheidungsdatum | 15.10.2013 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | L 10 AS 1654/13 B PKH | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 40 Abs 2 Nr 2 SGB 2, § 330 Abs 1 SGB 3, § 44 SGB 10, § 26 Abs 2 SGB 2 |
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 02. Mai 2013 aufgehoben und dem Kläger für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe in Höhe von 150,00 EUR (zur Abdeckung der Selbstbeteiligung der bestehenden Rechtsschutzversicherung) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten gewährt; Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen sind nicht zu zahlen.
Die Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Sozialgerichts (SG) Frankfurt/ Oder, mit dem der Antrag des Klägers abgelehnt worden ist, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigen zu gewähren, ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat – beschränkt auf den von ihm zu tragenden Selbstbehalt, der mit seiner Rechtsschutzversicherung vereinbart ist (ausführlich Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 27. Januar 2003 – L 2 B 121/02 B, dem sich der Senat anschließt) – einen Anspruch auf Gewährung von PKH unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten, weil er nach seinen derzeitigen, hier mit Blick auf § 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 127 Abs 1 Satz 3 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht näher darzulegenden, persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten des Klageverfahrens auch nur teilweise oder in Raten aufzubringen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 115 ZPO) und die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Satz 1 ZPO).
Das SG hat den Maßstab der hinreichenden Erfolgsaussicht (ausreichend ist die „reale Chance zum Obsiegen", nicht hingegen eine „nur entfernte Erfolgschance" ) zutreffend dargestellt und es hat auch richtig ausgeführt, dass die Beschränkungen einer auf § 44 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu stützenden Rücknahme, die sich ergeben, wenn der betreffende Verwaltungsakt auf einer Rechtsnorm beruht, die das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung anders auslegt als die Bundesagentur für Arbeit (hier: anders als alle <dazu BSG, Urteil vom 01. Juni 2010 – B 4 AS 78/09 R, RdNr 17; Urteil vom 21. Juni 2011 – B 4 AS 118/10 R, RdNr 23ff> Träger der SGB II-Leistung), ausgehend von der Annahme eingreifen, das BSG habe mit dem Urteil vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 108/10 eine solche andere Auslegung des § 26 Abs 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vorgenommen. Die dagegen mit dem Beschwerdevorbringen erhobenen Einwendungen – bis zur Stellung des Überprüfungsantrages im November 2011 habe im Hinblick auf zwei Entscheidungen des LSG Nordrhein Westfalen noch keine ständige Rechtsprechung des BSG bestanden, dies sei vielmehr erstmals mit dem Urteil des BSG vom 16. Oktober 2012 – B 14 AS 11/12 der Fall gewesen –, verfangen nicht, denn die Rechtsprechung der Instanzgerichte ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Belang und die den Überprüfungsantrag des Klägers tragenden Erwägungen finden sich bereits vollständig in dem Urteil des BSG vom 18. Januar 2011 (aaO), das keinen wesentlichen Widerspruch erfahren hat (zur Relevanz dieses Gesichtspunkts BSG, Urteil vom 29. Juni 2000 – B 11 AL 99/99 R RdNr 18 –, Indiz ist insbesondere die Akzeptanz durch Änderung der Verwaltungspraxis, dazu auch Urteil vom 27. Juli 2004 – B 7 AL 76/03 R RdNr 20); das Urteil vom 16. Oktober 2012 (aaO) ist „nur“ bestätigend, ohne das es dieser Entscheidung bedurft hätte, um eine ständige Rechtsprechung zu etablieren (zur ständigen Rechtsprechung aufgrund einer Entscheidung BSG, Urteil vom 29. Juni 2000, aaO).
Die Überlegungen des SG zur „ständigen Rechtsprechung“ sind jedoch um einen Aspekt zu ergänzen, der geeignet ist, der Klage zu Erfolgsaussicht in dem für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erforderlichen Umfang zu verhelfen. Nach dem derzeitigen Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung dürfte einiges dafür sprechen, dass § 330 Abs 1 SGB III (über § 40 Abs 2 Nr 2 SGB II) nur dann Anwendung findet, wenn eine ständige Rechtsprechung sich ändert, nicht dagegen, wenn eine (von der Verwaltungspraxis abweichende) Rechtsprechung erstmals begründet wird (so BSG, Urteil vom vom 09. Dezember 2003 – B 7 AL 22/03 R RdNr 32; problematisiert und offen gelassen BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010 – B 14 AS 61/09 R RdNr 18; trotz entspr Ausgangssituation nicht thematisiert BSG, Urteil vom 21. Juni 2011, aaO). Ob diese Einschränkung besteht, wird das SG zu entscheiden haben; die Ausgangslage ist begründet, da keine dem Urteil des BSG vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 108/10 – vorhergehende ständige Rechtsprechung zum Umfang der zu übernehmenden Beiträge bestanden hatte. Die Begrenzung auf eine „echte“ Änderung ist dabei zwar nicht aus dem vorrangigen Zweck der hier ggfs anzuwendenden Alternative des § 330 Abs 1 SGB III begründet, der in der Entlastung der Verwaltung von massenhaft anfallenden Überprüfungsverfahren besteht (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010, aaO RdNr 15); die Überlegung hat aber dennoch Plausibilität, weil die (ausnahmsweisen) Restriktionen bzgl der nachträglichen Herstellung gesetzeskonformer Verhältnisse dann nur an eine durch höchstrichterliche Rechtsprechung abgesicherte Verwaltungspraxis anknüpfen. Die einzige die hier zu prüfende Alternative des § 330 Abs 1 SGB III betreffende Gesetzesänderung (durch das Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz – vom 20 April 2007, BGBl I 554 – die Formulierung „nach dem Entstehen“ wurde ersetzt durch „ab dem Bestehen“) war rein redaktioneller Natur ( so BT-Drucks 16/3794 S 45) und ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung.
Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich; Gerichtskosten werden nicht erhoben und außergerichtliche Kosten werden nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO nicht erstattet.
Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).