Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat | Entscheidungsdatum | 13.01.2011 | |
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Aktenzeichen | L 13 VH 84/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 96 SGG |
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Oktober 2006 wird zurückgewiesen, soweit die Klägerin die Anerkennung von Zahn- und Kieferschäden als weitere Schädigungsfolge begehrt.
Für das Berufungsverfahren findet eine Kostenerstattung nicht statt. Für das Verfahren in erster Instanz bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung im Verfahren L 13 VH 83/09 vorbehalten, soweit nicht bereits mit Urteil vom 12. November 2009 im Verfahren L 13 VH 45/06 über die Kosten entschieden worden ist.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Nach Abtrennung vom Verfahren L 13 VH 45/06 streiten die Beteiligten im vorliegenden Verfahren über die Anerkennung weiterer Schädigungen als Folgen rechtsstaatswidriger Strafhaft in der DDR.
Die Klägerin erlitt in der DDR in der Zeit vom 12. Mai 1988 bis 15. März 1989 eine rechtsstaatswidrige Haft und wurde am 15. März 1989 in die Bundesrepublik Deutschland abgeschoben. Die Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 Häftlingshilfegesetz (HHG) wurde ihr am 24. Juli 1989 erteilt.
Im August 2003 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen. Sie habe in der Haft unter Zahnfleischbluten gelitten und sich auch einen Schneidezahn abgebrochen. Diese Leiden hätten in der Haft keine ausreichende zahnärztliche Versorgung erfahren. Der Beklagte zog daraufhin noch verfügbare Krankenunterlagen der Klägerin aus der Zahnklinik in B/H bei. Mit Bescheid vom 23. Dezember 2005 lehnte er die Feststellung von Zahn- und Kieferschäden als weitere Schädigungsfolgen ab. Zur Begründung führte er aus, bei dem abgebrochenen Zahn könne es sich nur um eine bereits bestehende Krone bzw. ein bestehendes Brückenglied gehandelt haben, da der Frontzahnbereich der Klägerin bereits vor der Inhaftierung entsprechend versorgt gewesen sei. Zahnfleischprobleme hätte die Klägerin bereits vor der Inhaftierung gehabt, so dass allenfalls eine Verschlimmerung in Betracht komme. Insofern sei aber angesichts der Haftdauer von 10 Monaten und der anschließenden Möglichkeit zu ausreichender Versorgung nicht von einer Ursächlichkeit der Haft für heutige Schäden auszugehen. Der Bescheid wurde am 27. Dezember 2005 zur Post gegeben. Mit Schreiben vom 2. April 2006, das an den Beklagten gerichtet war, jedoch beim Sozialgericht zum bereits am 3. Mai 1996 eingeleiteten Klageverfahren eingegangen ist, hat die Klägerin gegen den Bescheid vom 23. Dezember 2005 Widerspruch erhoben, bzw. dessen Rücknahme begehrt.
Das Sozialgericht Berlin hat mit Urteil vom 17. Oktober 2006 die Klage abgewiesen. Die in Bezug auf den Bescheid vom 23. Dezember 2005 erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage wegen Anerkennung der weiteren Schädigungsfolgen Zahn- und Kieferschäden sei unzulässig, weil dieser Bescheid mangels Rechtshängigkeit nicht mehr habe Gegenstand des mit der Klage vom 3. Mai 1996 eingeleiteten Klageverfahrens werden können. Jenes Verfahren sei durch übereinstimmende Erledigungserklärungen bereits erledigt gewesen.
Mit der am 27. Oktober 2006 eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, der Beklagte sei von einer „katastrophalen Ignoranz“ gegenüber den bereits unnötig angerichteten Schäden geprägt. Das angefochtene Urteil sei fehlerhaft, weil die Schöffen während der Verhandlung fest geschlafen hätten.
Das nach Abtrennung von den übrigen Streitgegenständen mit Beschluss vom 12. November 2009 noch die Geltendmachung von Zahn- und Kieferschäden als weitere Schädigungsfolgen betreffende Verfahren hat der Senat mit Beschluss vom selben Tag bis zur Entscheidung über den Widerspruch der Klägerin ausgesetzt. Der Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 2010 wegen Fristversäumung als unzulässig zurückgewiesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Oktober 2006 und den Bescheid des Beklagten vom 23. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, „Zahn- und Kieferschäden“ als weitere Schädigungsfolge ihrer Inhaftierung anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsakten des Beklagten.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage gegen den Bescheid vom 23. Dezember 2005 ist unbegründet, denn der Beklagte hat den Widerspruch der Klägerin zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Damit ist der Bescheid vom 23. Dezember 2005 in Bestandskraft erwachsen und kann nur noch Gegenstand eines auf Überprüfung nach § 44 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) gerichteten Klageverfahrens nach vorangegangenem Verwaltungsverfahren sein.
Gem. § 78 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind vor Erhebung der Verpflichtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen. So liegt es auch hier, denn es handelt sich insbesondere nicht um den Fall des § 78 Abs. 1 Satz 2 SGG, wonach es eines Vorverfahrens nicht bedarf, wenn ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt. Der Bescheid vom 23. Dezember 2005 ist nicht gem. § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, denn er hat den mit der am 3. Mai 1996 erhobenen Klage angegriffenen Verwaltungsakt des Beklagten vom 25. September 1995 weder abgeändert noch ersetzt oder eine solche Änderung bzw. Ersetzung versagt (vgl. Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 20. Juli 2005, B 13 RJ 37/04 R, Juris, Randnr. 21). Während jener Bescheid das Begehren der Klägerin nach Festsetzung einer höheren MdE aufgrund der anerkannten psychischen Haftfolgen betraf, hat der Bescheid vom 23. Dezember 2005 den Antrag auf Anerkennung von Zahn- und Kieferschäden als weitere Schädigungsfolgen zum Gegenstand.
Bedurfte es demnach der Durchführung eines Vorverfahrens, so hätte die Klägerin gem. § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG den Widerspruch binnen eines Monats nachdem ihr der Verwaltungsakt bekannt gegeben worden ist, einreichen müssen. Diese Frist hat sie versäumt. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs. 1 SGG, 136 Abs. 3 SGG auf die Begründung des Widerspruchsbescheides Bezug genommen werden, der der Senat folgt. Gründe, aus denen der Beklagte der Klägerin hätte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 67 SGG hätte gewähren müssen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Berufungsverfahrens auf § 193 SGG. Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Sozialgericht muss die Kostenentscheidung der Entscheidung in dem weiteren abgetrennten Verfahren L 13 VH 83/09 vorbehalten bleiben.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).