Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 06.01.2021 | |
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Aktenzeichen | 13 UF 104/15 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:0106.13UF104.15.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 23.04.2015, Az. 31 F 320/14 abgeändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin 504 € zu zahlen. Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin ist ihres Anschlussrechtsmittels verlustig.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen zu 12 % der Antragsgegner und zu 88 % die Antragstellerin.
Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 4.000 €.
I.
Der beschwerdeführende Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Trennungsunterhalt an seine seit dem 09.07.2015 von ihm geschiedene Ehefrau, von der er bereits seit Februar 2013 getrennt lebt. Die Antragstellerin, die ausgebildete Erzieherin ist, versorgt in ihrem Haushalt ihre im Jahr 1998 geborene Tochter C… aus einer anderen Beziehung. Der Antragsgegner hat ebenfalls aus einer anderen Beziehung die im Jahr 2001 geborene Tochter S…, die nicht in seinem Haushalt lebt. Während die Antragstellerin in der Ehe und auch nach der Trennung in Teilzeit arbeitete, war der Antragsgegner vollschichtig tätig. Im August 2013 wechselte er von Steuerklasse 3 in die Steuerklasse 1.
Der Antragsgegner, der von März 2013 bis Juni 2013 monatlich 250 € an die Antragstellerin zahlte, wurde von dieser am 14.05.2013 zur Auskunft über sein Einkommen aufgefordert (Bl. 65). Unter Berufung auf Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit einer Vollzeitbeschäftigung hat die Antragstellerin nach Erteilung der Auskunft und im Übrigen auf eine ihrer Ansicht nach geschlossene Vereinbarung über die Zahlung monatlichen Trennungsunterhalts über 250 € gestützt, einen Unterhaltsteilbetrag in Höhe von 250 € geltend gemacht. Sie hat behauptet, der Antragsgegner zahle nicht mehr als 334 € Unterhalt an seine Tochter.
Sie hat zuletzt beantragt (Bl. 114, 2),
den Antragsgegner zu verpflichten, an sie monatlichen Trennungsunterhalt ab Oktober 2014 in Höhe von 250 € zu zahlen, sowie rückständigen Trennungsunterhalt für den Zeitraum Juni 2013 bis 30.09.2014 in Höhe von 4.000 €.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat im Hinblick auf die Tilgung verschiedener Verbindlichkeiten, die eheprägend seien, sowie wegen einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Tochter in Höhe von 398 € Leistungsunfähigkeit eingewandt.
Mit dem angefochtenen Beschluss (Bl. 145), auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Amtsgericht den Antragsgegner zur Zahlung laufenden Trennungsunterhalts ab April 2015 in Höhe von 62 € und eines Rückstands in Höhe von 3.792 € für den Zeitraum Juli 2013 bis März 2015 verpflichtet und darüber hinausgehende Ansprüche verneint. Den zuerkannten Betrag hat es für 2014 insgesamt und für 2013 ausgehend von einem tatsächlich erzielten Nettoeinkommen des Antragsgegners bis Juli 2013 und eines von August 2013 bis Dezember 2013 bei Steuerklasse 3 erzielbaren Einkommens ermittelt. Dabei hat das Amtsgericht neben einer Unterhaltspflicht in Höhe des Tabellenbetrags für die Tochter S… einkommensmindernd einzig einen vom Antragsgegner nachgewiesenen KFZ-Kredit berücksichtigt. Bei der Berechnung des Bedarfs der Antragstellerin hat das Amtsgericht einkommensmindernd eine Unterhaltspflicht in Höhe des Tabellenbetrages für die Tochter C… berücksichtigt. Ab Februar 2014 hat das Amtsgericht wegen des infolge Steuerklassenwechsels geringeren Einkommens des Antragsgegners und nach Zurechnung eines aus zumutbarer Vollschichttätigkeit erzielbaren fiktiven Einkommens der Antragstellerin eine volle Leistungsfähigkeit des Antragsgegners verneint. Schließlich sei ein Anspruch für Juni 2013 durch Erfüllung erloschen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsgegner unter Vorlage weiterer Nachweise über von ihm getilgte Verbindlichkeiten sein erstinstanzliches Abweisungsbegehren weiter. Das Amtsgericht habe zu Unrecht den Steuerklassenwechsel erst in 2014, eine zu niedrige Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter S… sowie die Unterhaltsverpflichtung der Antragstellerin gegenüber ihrer Tochter C… berücksichtigt.
Der Antragsgegner beantragt (Bl. 175) sinngemäß,
unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Senftenberg vom 23.04.2015, Az. 31 F 320/14, die Anträge der Antragstellerin abzuweisen.
Die anschlussbeschwerdeführende Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin hält die Vorlage von Belegen zum Nachweis weiterer Verbindlichkeiten durch den Antragsgegner für verspätet. Ihre Anschlussbeschwerde, gerichtet auf Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Senftenberg vom 23.04.2015, Az. 31 F 320/14 dergestalt, dass der laufende Trennungsunterhalt in Höhe von 62€ monatlich nur geschuldet wird von April 2015 bis einschließlich 09.07.2015, hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 16.12.2020 zurückgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Korrespondenz im Beschwerderechtszug. Er entscheidet, wie angekündigt, ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war.
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragstellers hat überwiegend Erfolg.
Die Antragstellerin hat aus § 1361 BGB gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Trennungsunterhalt nur für den Zeitraum Juli 2013 bis Dezember 2013 und dies wegen verminderter Leistungsfähigkeit auch nur in geringerer Höhe, als vom Amtsgericht angenommen. Im Januar 2014 war der Antragsgegner nicht leistungsfähig. Ab Februar 2014 hatte die Antragstellerin bereits keinen Unterhaltsbedarf.
Juli 2013 bis Dezember 2013:
Zu Recht hat das Amtsgericht den Steuerklassenwechsel des Antragsgegners erst ab Januar 2014 berücksichtigt. Zwar ist bei der Ermittlung der ehelichen Lebensverhältnisse grundsätzlich von den tatsächlich erzielten Einkünften auszugehen. Anders liegt der Fall aber, wenn erreichbare Steuervorteile entgegen einer insoweit bestehenden Obliegenheit nicht in Anspruch genommen worden sind (BGH, NJW 2007, 1961, 1965). Der Wechsel der Steuerklasse war erst ab 2014 verpflichtend, sodass die Unterhaltsberechnung auf der Grundlage der Einkünfte vor dem Steuerklassenwechsel zu erfolgen hat. Da die Antragstellerin zum Einkommen über einen Zeitraum von 12 Monaten vor diesem nur unvollständig vorgetragen, nämlich zum Einkommen im Mai 2013 keine Angaben gemacht und auch keine Gehaltsbescheinigung zu den Akten gereicht hat, erfolgt die Berechnung auf der Basis des Zeitraums Mai 2012 bis April 2013. Aus den insoweit vollständigen Nachweisen ergibt sich ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen des Antragsgegners von 2.395 € (Bl. 150), wovon in Ansehung der Unterhaltspflicht des Antragsgegners gegenüber seiner Tochter S… monatlich 377 € in Abzug zu bringen sind, so dass sich ein Betrag von 2.018 € ergibt.
Weiterhin in Abzug zu bringen sind für den Unterhalt im Zeitraum Juli bis Dezember 2013 ehebedingte Verbindlichkeiten in Höhe von 714 €, die der Antragsteller bedient. Hierzu gehören neben dem Kredit bei der … Bank in Höhe von 362 €, weitere nunmehr im Beschwerdeverfahren nachgewiesene Verbindlichkeiten für die Finanzierung der Hochzeit mit 223 €, sowie monatlich 69 € für eine Berufsunfähigkeitsversicherung, 50 € für die … BU-Rente plus und 10 € für die … Familienversicherung. Die von der Antragstellerin insoweit im Beschwerdeverfahren einzig noch gerügte Verspätung ist nicht gegeben, denn eine Zurückweisung als verspätet würde gemäß § 115 FamFG eine Verzögerung des Verfahrens durch seine Berücksichtigung voraussetzen, die in Bezug auf das Beschwerdeverfahren nicht vorliegt. Der Antragsgegner ist mit seinem als verspätet gerügten Vortrag auch nicht nach Maßgabe von § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, weil die Bestimmung in Familienstreitsachen mangels entsprechenden Verweises in § 117 FamFG bereits keine Anwendung findet (vgl. Keidel/Weber, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 113 FamFG, Rn. 10) und das Rechtsmittel der Beschwerde in Familienstreitsachen insgesamt als volle unbeschränkte Tatsacheninstanz ausgestaltet ist, auf die gemäß § 68 Abs. 3 FamFG die Vorschriften über das Verfahren in erster Instanz unter Geltung des Beibringungsgrundsatzes Anwendung finden (BeckOKFamFG/Weber, Stand 1.10.2020, § 117 FamFGRn. 5).
Schließlich sind auf Seiten des Antragsgegners 5 % berufsbedingte Aufwendungen, die sich auf gerundet 120 € belaufen, einkommensmindernd zu berücksichtigen. Diese kann der Antragsgegner neben dem KFZ-Kredit geltend machen. Die Antragstellerin verkennt hier, dass der Antragsgegner den KFZ-Kredit nicht als berufsbedingte Aufwendung geltend gemacht hat, sondern als ehebedingte Verbindlichkeit. Eine Schätzung der berufsbedingten Aufwendungen begegnet grundsätzlich und hier im Hinblick auf vom Antragsgegner angeführte Kosten für Arbeitskleidung keinen durchgreifenden Bedenken. Soweit sich die Antragstellerin auf mangelnde Abzugsfähigkeit wegen beengter Einkommensverhältnisse beruft, ist ihr entgegen zu halten, dass sie selbst für sich einen entsprechenden Abzug bei ebenfalls geringem Einkommen in Anspruch nimmt.
Nach Abzug der Verbindlichkeiten in Höhe von 714 € und berufsbedingten Aufwendungen in Höhe von 120 € verbleibt ein Einkommen in Höhe von 1.184 €. Bei einem Selbstbehalt von 1.100 € ist der Antragsgegner leistungsfähig nur in Höhe von 84 €.
Entgegen der Würdigung des Antragsgegners besteht jedenfalls in dieser Höhe ein Bedarf der Antragstellerin und zwar auch dann, wenn bei der Berechnung des Bedarfs der Antragstellerin ein Betreuungsunterhalt für die Tochter C… nicht abzuziehen wäre (vgl. insoweit aber BGH NJW 2014, 2109, Rn. 35; Brandenburgisches OLG BeckRS 2020, 5018, Rn. 12). Bei einem durchschnittlichen Nettoeinkommen entsprechend der Berechnung des Amtsgerichts von gerundet 728 € beträgt der Bedarf 232 € (1.270 - 728 = 542 x 3/7). Ob, wie die Antragstellerin meint, ihr Einkommen geringfügig geringer war (722,91 €) und sie selbst noch 5 % berufsbedingte Aufwendungen abziehen kann, kann dahinstehen.
Für den Zeitraum Juli 2013 bis Dezember 2013 ergibt sich damit eine Unterhaltsschuld in Höhe von insgesamt 504 € (6 x 84 €).
Januar 2014
Im Januar 2014 fiel der eheprägende Kredit für die Finanzierung der Hochzeit weg, sodass die neben dem Kindesunterhalt von 377 € abzugsfähigen Verbindlichkeiten nur noch 491 € betrugen. Gleichzeitig ist nun das verringerte tatsächliche Gehalt des Antragsgegners nach Steuerklassenwechsel ab August 2013 in der Berechnung zu berücksichtigen. Der Berechnung zugrunde zu legen ist entgegen der Verfahrensweise der Antragstellerin nicht das Einkommen bereits ab Juni 2013, sondern erst dasjenige ab August 2013, denn nur dieses spiegelt die Einkommensreduzierung durch den Steuerklassenwechsel wieder. Mangels Vortrags der Antragstellerin zum Einkommen des Antragsgegners nach März 2014 kann ein durchschnittliches Einkommen nur aus dem vorgetragenen und nachgewiesenen Einkommen von August 2013 bis März 2014 gebildet werden. Dieses belief sich auf 2.024 € netto monatlich (Bl. 150). Nach Abzug von 5 % berufsbedingten Aufwendungen (101 €) sowie den Verbindlichkeiten über 377 € und 491 € verbleibt ein Einkommen des Antragsgegners von 1.055 €, welches unter dem Selbstbehalt von 1.100 € liegt, sodass der Antragsgegner der Antragstellerin mangels Leistungsfähigkeit keinen Unterhalt schuldet.
Ab Februar 2014
Ab Februar 2014 ist eine Bedürftigkeit der Antragstellerin nicht festzustellen. Nach Ablauf des Trennungsjahrs trifft die Antragstellerin nämlich eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit (vgl. allgemein hierzu BeckOGK BGB/ Preisner, Stand: 1.11.2020, § 1361 BGB Rn. 134; MüKoBGB/ Weber-Monecke, 8. Aufl., 2019, § 1361 BGB Rn. 62, jeweils m.w.Nach.), was die Antragstellerin auch nicht grundsätzlich in Abrede stellt. Bei einer 15 Stunden-Woche hat die Antragstellerin lt. Gehaltsbescheinigung (Bl. 63) im Juli 2014 ohne Sonderzahlungen bereits 1.013,70 € brutto monatlich verdient, was einem Stundenlohn von gerundet 15,60 € entspricht. Selbst bei einer 38-Stunden-Woche hätte die Antragstellerin gerundet 2.569 € brutto verdienen können. Bei Steuerklasse II und einem halben Kinderfreibetrag hätte die Antragstellerin in 2014 nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge netto gerundet 1.723 € verdienen können (Brutto-Nettolohnrechner). Tragfähige Gründe, die einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit und der Anrechnung fiktiven Einkommens entgegenstehen, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Irgendwelche Bemühungen um eine bedarfsdeckende Erwerbstätigkeit hat die Antragstellerin unstreitig in keiner Form getätigt. Im Jahr 2014 liegt das fiktive Einkommen der Antragstellerin selbst nach Abzug eines Betreuungsunterhalts für C… und 5 % berufsbedingter Aufwendungen von gerundet 90 €damit noch über dem Einkommen des Antragsgegners.
III.
Der Beschluss zum Verlust der Anschlussbeschwerde beruht auf §§ 117 Abs. 2 S. 1 FamFG, 516 Abs. 3 S. 1 ZPO, nachdem die Antragstellerin auf Hinweis des Senats ihre Anschlussbeschwerde mit dem Schriftsatz vom 16.12.2020 zurückgenommen hat (§ 67 Abs. 4 FamFG).
Die Kostenentscheidung beruht auf §243 FamFGi.V.m. dem Rechtsgedanken von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Kosten durch die Anschlussbeschwerde wurden nicht verursacht, da sie im Ergebnis nicht über den bloßen Antrag auf Zurückweisung hinausging und keinen eigenen Mehrwert hatte.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 55 Abs.2, 51 Abs. 1 FamGKG und erfasst den gesamten Unterhaltszeitraum von Juli 2013 bis zur Scheidung im Juli 2015.
Anlass die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht (§ 70 Abs. 2 FamFG).