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Gerichtsverfahren; überlang; Verfahrensdauer; unangemessen; Verzögerungsrüge; Schwierigkeit; Bedeutung; Verhalten; Einzelfall; Umstände des -; Gebührenstreitigkeit; Gebührenhöhe (geringfügig); Musterverfahren (unerheblich); Klage wegen späterer Erhebungszeiträume (unerheblich); Entschädigung (verneint); Feststellung der Unangemessenheit (ausreichend)


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 26.02.2013
Aktenzeichen OVG 3 A 15.12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen Art 6 Abs 1 S 1 MRK, § 198 GVG, § 201 GVG, § 173 S 2 VwGO, Art 23 ÜberlVfRSchG

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 700 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 1/4 und der Beklagte 3/4.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Rechtsschutz wegen der Dauer eines von ihr geführten, noch nicht beendeten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Gegenstand des Verfahrens ist die Festsetzung eines Herstellungsbeitrags.

Mit Bescheid vom 30. April 2009 und Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2009 zog der Z... die Klägerin für den Anschluss ihres Grundstücks in S... an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage zur Zahlung eines Herstellungsbeitrages in Höhe von 15.617,99 Euro heran. Ihr Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde abgelehnt.

Gegen die Bescheide erhob die Klägerin am 4. August 2009 vor dem Verwaltungsgericht ... Klage (VG...). Mit der Klage macht sie geltend, der Teil ihres Grundstücks, auf dem sich ein Stallgebäude befinde, liege nicht mehr im Innen-, sondern bereits im Außenbereich. Sie sei für diesen Grundstücksteil nicht beitragspflichtig, weil hinsichtlich des Stallgebäudes kein Bedarf für einen Abwasseranschluss bestehe. Der angefochtene Bescheid sei daher rechtswidrig, soweit der Herstellungsbeitrag 4.608,74 Euro übersteige. Der Beklagte vertrat in seiner Klageerwiderung vom 14. August 2009 die Auffassung, der mit dem Stall bebaute Grundstücksteil gehöre zum Innenbereich, weil er in der gemeindlichen Klarstellungs- und Abrundungssatzung als Innenbereich ausgewiesen sei. Schon aus der Belegenheit im Innenbereich ergebe sich die Beitragspflicht. Die Klägerin erwiderte am 11. September 2009. Mit Schreiben vom 15. September 2009 wies das Verwaltungsgericht die Klägerin darauf hin, die Klarstellungs- und Abrundungssatzung sei bindend für die Frage, ob das Grundstück dem Innen- oder Außenbereich zugehöre, sie möge die Fortführung des Klageverfahrens überdenken. Im Übrigen beabsichtige die Kammer, den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung zu übertragen. Auch der Erlass eines Gerichtsbescheides komme in Frage. Am 7. Oktober 2009 übersandte der Beklagte dem Verwaltungsgericht die maßgebliche Klarstellungs- und Ergänzungssatzung, die die Klägerin am 15. Oktober 2009 zur Einsichtnahme erhielt. Am 20. Oktober 2009, 17. November 2009 und 26. November 2009 nahmen die Beteiligten weiter Stellung. Nach mehrfacher Verfristung der Akte wurde durch Präsidiumsbeschluss mit Wirkung vom 11. Juli 2011 statt der bis dahin zuständigen 5. Kammer die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts ...zuständig (VG...). Am 13. September 2011 wies der Beklagte auf aktuelle Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg hin, das die Beitragserhebung des Beklagten ausdrücklich gebilligt habe. Mit Schreiben vom 2. November 2011 hörte das Verwaltungsgericht die Beteiligten erneut zu der Absicht an, den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung zu übertragen. Die Klägerin erwiderte am 11. November 2011, hiergegen bestünden keine Bedenken.

Am 22. Dezember 2011 erhob die Klägerin Verzögerungsrüge.

Am 9. Oktober 2012 äußerte sich der Beklagte schriftsätzlich zu verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung. Am 17. Oktober 2012 übertrug das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.

Am 25. Oktober 2012 hat die Klägerin vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Entschädigungsklage erhoben.

Am 28. November 2012 hat der Berichterstatter des Verfahrens VG... für den 15. Februar 2013 eine mündliche Verhandlung anberaumt. Nach Mitteilung des hiesigen Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat das Verwaltungsgericht die Klage am 22. Februar 2013 abgewiesen, das Urteil ist noch nicht zugestellt.

Die Klägerin ist der Auffassung, das Verfahren VG... sei bis November 2009 durch den Austausch von Schriftsätzen geprägt gewesen, wobei eine besondere Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage nicht zutage getreten sei. Rechne man sechs bis acht Monaten für die Vorbereitung einer gerichtlichen Entscheidung hinzu, ergebe sich eine angemessene Verfahrensdauer von etwa einem Jahr. Angesichts der zwischenzeitlich erheblich längeren Verfahrensdauer könne die Klägerin jedenfalls für eine Verzögerung im Umfang eines Jahres Entschädigung verlangen.

Die Klägerin hat bei Klageerhebung zunächst eine Entschädigung von 1 200 Euro beansprucht. Nunmehr beantragt sie,

den Beklagten zu verurteilen, an sie eine angemessene Entschädigung, die 1 200 Euro nicht unterschreiten sollte, für die überlange Verfahrensdauer des Rechtsstreits vor dem Verwaltungsgericht ... - VG ... - zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakten des hiesigen Verfahrens sowie des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht ... mit dem Geschäftszeichen VG... Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Senat ist gemäß § 173 Satz 2 VwGO, zuletzt geändert durch das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302), i.V.m. § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG, zuletzt geändert durch das Gesetz über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2554), zur Entscheidung berufen.

Die Klage ist zulässig. In dem Klageantrag auf eine Entschädigung, die 1.200 Euro nicht unterschreite, liegt gegenüber dem ursprünglichen, (lediglich) auf eine Entschädigung von 1.200 Euro gerichteten Begehren keine Klageänderung (vgl. § 173 Satz 1 VwGO, § 264 Nr. 2 ZPO).

Die Klage ist teilweise begründet.

Das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist auf das Begehren der Klägerin anwendbar. Gemäß Art. 23 des Gesetzes gilt es auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (vgl. Art. 24) bereits anhängig waren. Dies trifft auf das seit 4. August 2009 anhängige Verfahren der Klägerin zu.

Die Klägerin hat die Vorgabe des Art. 23 Satz 2 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eingehalten. Hiernach gilt für anhängige Verfahren, die bei Inkrafttreten des Gesetzes schon verzögert sind, § 198 Abs. 3 GVG mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach dem Inkrafttreten erhoben werden muss. In diesem Fall wahrt sie gemäß Art. 23 Satz 3 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den vorausgehenden Zeitraum. Die Klägerin hat auf das Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Dezember 2011 ohne schuldhaftes Zögern, nämlich am 22. Dezember 2011, Verzögerungsrüge erhoben.

Die Klägerin hat die Entschädigungsklage auch gemäß § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG frühestens sechs Monate nach der Verzögerungsrüge, nämlich am 25. Oktober 2012, erhoben. Auf den Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens brauchte sie mit der Klageerhebung demgegenüber nicht zu warten.

Die Dauer des von der Klägerin geführten Gerichtsverfahrens war unangemessen lang.

Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist das Verfahren ab Erhebung der Klage vor dem Verwaltungsgericht, nicht jedoch schon ab Beginn des Widerspruchsverfahrens (vgl. Senatsurteil vom 27. März 2012 - OVG 3 A 1.12 -, juris Rn. 24 f.: Roderfeld in Marx/Roderfeld, a.a.O., § 198 Rn. 187; Marx, a.a.O., § 173 VwGO Rn. 9). Der Widerspruch ist angesichts der Möglichkeit der Erhebung einer Untätigkeitsklage eine wirksame Beschwerde im Sinne von Art. 13 EMRK und die gerichtliche Behandlung der Untätigkeitsklage ist ihrerseits am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK zu messen.

Ob der Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung seines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verletzt wurde, ist im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte - EGMR - zu Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG zu beurteilen (vgl. auch BT-Drs. 17/3802, S. 1, 15). Das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren stellt einen Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK dar (vgl. Senatsurteil vom 27. März 2012, a.a.O., Rn. 25). Danach reicht es nicht aus, dass ein Gerichtsverfahren lange, sehr lange oder aus der Sicht der Beteiligten zu lange dauert, sondern es muss ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 19 Abs. 4 GG vorliegen. Als Maßstab nennt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (vgl. insoweit auch EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010, Beschwerde Nr. 21423/07, Rn. 32).

Das mangels Zustellung des Urteils noch nicht abgeschlossene erstinstanzliche Verfahren ist nicht überdurchschnittlich schwierig. Gegenstand des Verfahrens ist die Zuordnung des mit einem Stall bebauten Teils des Grundstücks der Klägerin zum Innen- oder Außenbereich, weil hiervon die Zahlungspflicht abhängt. Dass das Verwaltungsgericht selbst nicht der Auffassung ist, das Verfahren sei überdurchschnittlich schwierig, zeigt sich an der Einzelrichterübertragung sowie an dem rechtlichen Hinweis vom 15. September 2009, die Klägerin möge angesichts des bindenden Charakters der Klarstellungs- und Abrundungssatzung die Fortführung des Klageverfahrens überdenken, es komme der Erlass eines Gerichtsbescheides in Betracht (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das Verfahren ist für die Klägerin angesichts des Streitwerts von über 11.000 Euro von nicht geringer Bedeutung. Die Klage gegen die Bescheide des Z... hat keine aufschiebende Wirkung, da es sich um die Anforderung öffentlicher Abgaben und Kosten im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO handelt. Der Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung wurde in dem Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2009 abgelehnt. Dies führte dazu, dass sie zur Begleichung der Forderung des Z... verpflichtet blieb. Gravierende Auswirkungen, insbesondere auf ihr tägliches Leben (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 28.März 2001 - 2/01 -, DVBl. 2001, 912 = juris Rn. 9), hat sie allerdings nicht vorgetragen. Sie hat auch kein einstweiliges Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO betrieben, in dem sie unter anderem hätte geltend machen können, die sofortige Vollziehung stelle eine unbillige Härte dar (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO).

Was das Verhalten der Beteiligten angeht, so tauschten diese von der Klageerhebung im August 2009 bis Ende November 2009 Schriftsätze aus. Später folgte im September 2011 ein weiterer Schriftsatz des Beklagten zu aktueller Rechtsprechung. Zur Verzögerung des Rechtsstreits haben die Beteiligten ansonsten nicht beigetragen.

Das Verwaltungsgericht durfte zunächst bis Ende 2009 den Austausch der Schriftsätze abwarten. Danach förderte es den Rechtsstreit im Wesentlichen bis September 2012 nicht. Zwar hörte es nach dem Wechsel der Kammerzuständigkeit die Beteiligten im November 2011 zu der Absicht an, den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung zu übertragen. Dies war allerdings schon Gegenstand der gerichtlichen Anfrage von September 2009 gewesen. Nach der umgehenden Äußerung der Klägerin, sie sei mit der Einzelrichterübertragung einverstanden, unternahm das Verwaltungsgericht keine auf die Erledigung des Verfahrens abzielenden Schritte. Dies gilt auch für die Zeit nach der Erhebung der Verzögerungsrüge im Dezember 2011. Im Oktober 2012 übertrug das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung, der im November 2012 für Februar 2013 einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt hat. Das am 22. Februar 2013 verkündete Urteil ist bislang nicht zugestellt.

Zusammenfassend beträgt die Gesamtdauer des Verfahrens bislang 3 Jahre und 7 Monate. Davon gingen etwa 4 Monate zu Verfahrensbeginn auf das Verhalten der Verfahrensbeteiligten zurück. Ungefähr ein weiteres halbes Jahr wäre selbst bei schleuniger gerichtlicher Bearbeitung notwendigerweise vergangen. Hinzuzurechnen ist ein aus Klägersicht unerfreulicher, jedoch noch nicht gegen die vom EGMR zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK entwickelten menschenrechtlichen Maßstäbe verstoßender weiterer Abschnitt der Verfahrensdauer. Es verbleibt nach Ablauf einer Verfahrensdauer von 3 Jahren ein letzter Abschnitt von 7 Monaten, der nicht mehr mit den vom EGMR zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK entwickelten menschenrechtlichen Maßstäben vereinbar ist.

Der Beklagte kann sich nicht auf die allgemeine Belastung der Verwaltungsgerichte in dem fraglichen Zeitraum sowie die besondere Belastung des Verwaltungsgerichts ... berufen. Die Gerichte haben sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Dezember 2011 - 1 BvR 314/11 -, WM 2012, 76 = juris Rn. 7). Der Beklagte ist verpflichtet, seine Rechtsordnung so zu organisieren, dass seine Gerichte in der Lage sind, das Recht des Einzelnen zu garantieren, innerhalb einer angemessenen Frist eine rechtskräftige Entscheidung zu erwirken, wobei ein zeitweiliger Rückstand bei der Geschäftserledigung der Gerichte nach der Rechtsprechung des EGMR nur dann nicht zur Haftung führt, wenn mit der gebotenen Schnelligkeit geeignete Abhilfemaßnahmen getroffen werden (vgl. EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010, Beschwerde Nr. 21423/07, Rn. 34). Dies war hier nicht der Fall. Zwar hat das Präsidium des Verwaltungsgerichts mit Wirkung vom 11. Juli 2011 die Zuständigkeit der 8. Kammer für das Verfahren begründet. Es war zu jenem Zeitpunkt jedoch schon knapp 2 Jahre anhängig und wurde auch von der 8. Kammer für weitere 1 ¼ Jahre nicht substanziell gefördert.

Für den aufgrund der unangemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens zu vermutenden Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist (vgl. § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG), ist eine Entschädigung auch im Hinblick auf die Subsidiaritätsklausel des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG zu gewähren. Danach kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG, also insbesondere durch die Feststellung, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, ausreichend ist. Im Falle der Klägerin genügt eine derartige Feststellung nicht. Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hat eine noch angemessen erscheinende Verfahrensdauer zwar nicht wesentlich überschritten. Es hatte für die Klägerin angesichts des Streitwerts von über 11.000 Euro jedoch eine nicht geringe Bedeutung (vgl. BT-Drs. 17/3802, S. 20). Andere hinreichende Kompensationsmöglichkeiten wie zum Beispiel im Strafverfahren (vgl. EGMR, Urteil vom 29. Juli 2004, Beschwerde Nr. 49746/99, Rn. 67 f.; BT-Drs. 17/3802, S. 20) sind nicht ersichtlich.

Der Entschädigungsbetrag für den vermuteten immateriellen Schaden beläuft sich gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG pauschal auf 1.200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung, wobei für Zeiträume unter einem Jahr eine zeitanteilige Berechnung erfolgt (vgl. BT-Drs. 17/3802, S. 20). Bei einer Unangemessenheit der Verfahrensdauer im Umfang von sieben Monaten ergibt sich hieraus ein Entschädigungsbetrag von 700 Euro. Eine Unbilligkeit im Sinne von § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG, die erforderte, von dem Regelfall der Pauschalierung abzuweichen und aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls eine höhere oder niedrigere Entschädigung festzusetzen, ist nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat hat gemäß § 201 Abs. 4 GVG die Kosten nach billigem Ermessen zu verteilen. Durch diese gesetzliche Regelung kann nicht nur - hier nicht einschlägig - vermieden werden, dass der Beklagte bei unverhältnismäßig hohem Streitwert mit unangemessen hohen Kosten zu rechnen hat (vgl. BT-Drs. 17/3802), sondern auch umgekehrt gewürdigt werden, dass die Entschädigungsvorstellungen des Klägers nicht aus der Luft gegriffen sind.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 173 Satz 2 VwGO, § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 167 Satz 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, da nach § 173 Satz 2 VwGO, § 201 Abs. 2 Satz 3 GVG, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung vorliegt.