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Beseitigungsanordnung; Bestimmtheit; bauliche Anlage; Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 28.02.2012
Aktenzeichen OVG 10 S 32.11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 2 Abs 2 BauO BB, § 2 Abs 1 BauO BB, § 74 Abs 1 BauO BB, § 37 Abs 1 VwVfG

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 18. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen tragen die Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind Eigentümer eines im Außenbereich gelegenen Grundstücks, auf dem sich insbesondere vier Wohnwagen mit Vorzelten und Terrassen sowie ein Holzgebäude befinden. Das Grundstück wird als Wochenendgrundstück genutzt. Der Antragsgegner hat die vollständige Beseitigung „aller Gebäude und baulichen Anlagen auf dem Grundstück“ innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides angeordnet und ein Zwangsgeld angedroht. Zudem hat er die sofortige Vollziehung der Beseitigungsverfügung angeordnet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragsteller nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt. Hiergegen wenden sie sich mit ihrer Beschwerde.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.

1. Die Antragsteller halten die angefochtene Beseitigungsanordnung für rechtswidrig, weil sie nicht hinreichend bestimmt sei. Sie benenne nicht die einzelnen Gegenstände, die entfernt werden sollen, weshalb nicht erkennbar sei und zweifelsfrei feststehe, ob etwa Zufahrtswege, ein Zaun oder Grilleinrichtungen entfernt werden müssten.

Diese Rüge hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Beseitigungsanordnung (§ 74 Abs. 1 BbgBO), nach der alle Gebäude und baulichen Anlagen auf dem dort näher bezeichneten Grundstück zu beseitigen sind, für inhaltlich hinreichend bestimmt gehalten. Gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfGBbg muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das bedeutet, dass der Adressat in die Lage versetzt werden muss zu erkennen, was von ihm gefordert wird (BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 - BVerwG 4 C 41.87 -, BVerwGE 84, 335, juris Rz. 29; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 31. Oktober 2007 - OVG 2 S 88.07 -). Eine bauaufsichtliche Verfügung ist inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn der Inhalt der Anordnung klar ist, wobei es ausreicht, wenn dieser durch Auslegung unter Zugrundelegung des Empfängerhorizonts ermittelt werden kann (vgl. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 16. Juli 2010 - OVG 10 N 28.07 -). Aus der getroffenen Regelung, d.h. aus dem Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen muss also die Regelung, die den Inhalt des Verwaltungsakts ausmacht, erkennbar sein. Durch den Begriff „hinreichend bestimmt“ im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG wird klargestellt, dass die Bestimmbarkeit des Regelungsinhalts der bauaufsichtlichen Verfügung genügt (vgl. OVG NW, Urteil vom 11. Juni 1992 - 20 A 2485/89 -, juris Rz. 8; Stelkens/Bonk, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 37 Rz. 5). Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist es daher nicht erforderlich, dass der Bescheid die zu beseitigende bauliche Anlage wie z. B. die Wohnwagen oder das Holzgebäude im Entscheidungssatz ausdrücklich aufführt. Die Antragsteller wurden durch die Beseitigungsverfügung in die Lage versetzt zu erkennen, was von ihnen beseitigt werden muss, nämlich die auf dem bezeichneten Grundstück befindlichen Gebäude (vgl. näher § 2 Abs. 2 BbgBO) und baulichen Anlagen. Bauliche Anlagen sind nach § 2 Abs. 1 BbgBO mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Eine Verbindung mit dem Boden besteht auch dann, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Boden ruht oder wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden. Eine einheitliche bauliche Anlage kann z.B. wie bei Campingplätzen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BbgBO) aus auf dem Platz befindlichen baulichen und sonstigen Anlagen und Einrichtungen bestehen (vgl. u.a. Reimus/Semptner/Langer, BbgBO, 2. Aufl. 2004, § 2 Rz. 10). Die Antragsteller können daher aus dem Entscheidungssatz der Anordnung im Zusammenhang mit den Gründen des Bescheides und den Umständen ihres Erlasses hinreichend klar erkennen, dass sie das Holzgebäude und die überwiegend ortsfest genutzten Wohnwagen, die hier nach den Umständen als Ersatz für Wochenendhäuser dienen (vgl. dazu OVG Bbg, Beschluss vom 27. August 2004 - OVG 3 A 361/02.Z -; Wilke/Dageförde/Knuth/Meyer/Broy-Bülow, BO Bln, 6. Aufl. 2008, § 2 Rz. 27 m.w.N.), einschließlich der zu diesen baulichen Anlagen gehörenden Vorzelte und Regenschutzabdeckungen und die aus Bauprodukten hergestellten Terrassen beseitigen sollen. Auch die von den Antragstellern angesprochenen Zäune und anderen Einfriedungen im Außenbereich gehören - was auch durch § 55 Abs. 6 BbgBO verdeutlicht wird - erkennbar zu den nach der Anordnung zu beseitigenden baulichen Anlagen. Ob darüber auch die von den Antragstellern in der Beschwerde genannten Zufahrtswege oder die „Grilleinrichtung“ nach der Anordnung beseitigt werden muss, ist unter Zugrundelegung des Empfängerhorizonts der Betroffenen auf Grund der Umstände des Falles jedenfalls bestimmbar. Sie sind nur dann bauliche Anlagen im Sinne der Beseitigungsanordnung, wenn sie nach den den Betroffenen bekannten tatsächlichen Umständen mit dem Erdboden verbunden sind (was zum Beispiel bei einem tragbaren Grill nicht der Fall wäre) und aus Bauprodukten hergestellt sind. Ist der Zufahrtsweg mit einem Belag z.B. aus Kies, Splitt, Pflaster oder Teer befestigt, wäre auch dieser eine bauliche Anlage oder als Teil einer baulichen Anlage zu beseitigen.

Auch der Einwand der Antragsteller, die angefochtene Entscheidung enthalte einen Wertungswiderspruch, weil sie es für die Bestimmtheit der Anordnung als ausreichend ansehe, dass ihr Regelungsgegenstand mit der Beseitigung von Gebäuden und baulichen Anlagen bezeichnet werde, sie sich aber später (EA S. 7) mit der Beseitigung von Kleber, Nägeln und Schrauben auseinandersetze, rechtfertigt keine Änderung des angefochtenen Beschlusses. Die Antragsteller verkennen insofern, dass die von ihnen verkürzt wiedergegebenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu unterschiedlichen rechtlichen Gesichtspunkten erfolgt sind. Die Frage, ob die Anordnung der Beseitigung von Gebäuden und baulichen Anlagen den Anforderungen des § 37 Abs. 1 VwVfG entspricht, ist rechtlich von der Frage zu trennen, ob im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO das Suspensivinteresse der Antragsteller hinter dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Beseitigungsanordnung zurückzutreten hat. Hinsichtlich der dabei vorzunehmenden Abwägung hat das Verwaltungsgericht zur Beseitigung des Holzgebäudes in Anlehnung an eine Entscheidung des Senates (Beschluss vom 4. Dezember 2009 - OVG 10 S 18.08 -) ausgeführt, dass das Suspensivinteresse der Antragsteller hier geringer sei, weil nicht ersichtlich sei, dass die bauliche Anlage nicht ohne wesentlichen Substanzverlust beseitigt werden könne und der Umstand, dass bestimmte Bindungsmittel wie Kleber, Nägel und Schrauben später nicht mehr verwendbar seien, mit Blick auf den Materialaufwand unbeachtlich sei (EA S. 7). Diese Ausführung steht zu der zutreffenden Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass die angefochtene Beseitigungsanordnung hinreichend bestimmt sei, nicht in Widerspruch.

2. Auch die pauschale Rüge der Antragsteller, der Antragsgegner habe das Vorliegen von Bestandsschutz nicht geprüft, rechtfertigt keine Änderung des angefochtenen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat eingehend begründet (EA S. 5 f.) dass die Antragsteller sich nicht auf einen „aus DDR-Zeiten“ herrührenden Bestandsschutz für die formell illegale bauliche Anlage berufen können. Hiermit setzen sie sich nicht den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechend substantiiert auseinander.

3. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Beseitigungsverfügung das Interesse der Antragsteller, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens von Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben, überwiegt. Soweit die Antragsteller das in diesem Zusammenhang unter anderem herangezogene Argument des Verwaltungsgerichts, dass für das Bauvorhaben im Außenbereich die Erschließung nicht ausreichend gesichert sei, weil es für die Zufahrt zu dem Grundstück keinen öffentlichen Weg und keine privatrechtlich gesicherte Zuwegung gebe, damit angreifen wollen, dass der Bescheid des Antragsgegners vom 14. März 2011 von einem bestehenden Notwegerecht ausgehe, hat diese Rüge schon deshalb keinen Erfolg, weil durch die bloße Duldung eines Notwegerechts nach § 917 BGB die ausreichende Erschließung im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB nicht hinreichend rechtlich gesichert ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26. März 1976 - BVerwG IV C 7.74 -, BVerwGE 50, 282, juris).

4. Soweit die Antragsteller erstmals in ihren Schriftsätzen vom 1. und 28. November 2011 der Sache nach vortragen, dass die Gemeinde sich auf Initiative einer „Interessensgemeinschaft“, der auch sie angehörten, mit der Aufstellung eines Bebauungsplanes für das Gebiet, in dem das Grundstück liege, beschäftige, ist dieses Vorbringen für das Beschwerdeverfahren schon deshalb unbeachtlich, weil dieser Vortrag nicht innerhalb der einmonatigen Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO erfolgt ist. Diese Frist ist war November 2011 bereits abgelaufen. Überdies kommt es für die Frage der materiellen Legalität der hier betroffenen Gebäude und baulichen Anlagen auf die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also den 28. März 2011 an. Nach allgemeinen Grundsätzen ist nämlich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung abzustellen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. August 1992 - BVerwG 4 B 161.92 -, NVwZ 1993, 476, juris Ls. 1). Selbst wenn die Gemeinde T…, wie sich aus der Anlage zum Schriftsatz der Antragsteller vom 23. Februar 2012 ergibt, voraussichtlich am 10. Mai 2012 eine Entscheidung über die Aufstellung eines Bebauungsplanes (§ 2 Abs. 1 BauGB) positiv treffen würde, würde sich die materielle Rechtslage hierdurch noch nicht verändern. Auch eine hier nicht konkret absehbare, nachträgliche Änderung der Rechtslage durch einen Beschluss über einen Bebauungsplan (§ 10 Abs. 1 BauGB) wäre für das streitgegenständliche Verfahren über die Beseitigungsanordnung unerheblich, weil es auf die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung ankommt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 Satz 1, 1.6.2, 9.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (DVBl 2004 S. 1525), wobei der Senat der erstinstanzlichen Wertfestsetzung folgt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).