Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 10.07.2018 | |
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Aktenzeichen | 10 WF 71/18 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2018:0710.10WF71.18.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Es wird festgestellt, dass die bisherige Dauer des Verfahrens betreffend die Regelung des Umgangs zwischen dem Kind …, geboren am ...08.2008, und seinem Vater (Amtsgericht Strausberg 2.2 F 72/18) nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG entspricht.
Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird auf 1.000 € festgesetzt.
I.
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist eine Beschleunigungsbeschwerde der Mutter, die im Hauptsacheverfahren die Regelung des Umgangs des in ihrem Haushalt lebenden, am … .08.2008 geborenen gemeinsamen Kindes mit seinem von ihr getrennt lebenden Vater erstrebt.
Durch Antrag vom 27.02.2018, beim Amtsgericht eingegangen am 01.03.2018, hat die Mutter beantragt zu erkennen, dass der Vater berechtigt und verpflichtet ist, das gemeinsame Kind beginnend ab dem 09.03.2018 jedes zweite Wochenende von Freitag, 14:00 Uhr, bis Sonntag, 18:00 Uhr, zu sich zu nehmen, wobei der Vater das Kind am Freitag vom Hort abholen und es am Sonntag zur Wohnung der Mutter zurückbringen soll. Zur Begründung hat die Mutter ausgeführt, der Umgang sei bisher entsprechend dem von ihr nun gestellten Antrag praktiziert worden. Dies werde vom Vater aber neuerdings infrage gestellt und die Einführung des Wechselmodells beansprucht. Hintergrund sei offensichtlich die Absicht des Vaters, keinen Unterhalt mehr zahlen zu müssen. Die bisher praktizierte Umgangsregelung entspreche dem Wohl des Kindes, welches sich daran auch gewöhnt habe und keine Veränderung wünsche. Da man sich nicht habe einigen können, begehre sie, die Mutter, nun eine gerichtliche Regelung des Umgangs.
Durch Verfügung vom 02.03.2018 hat das Amtsgericht der Mutter aufgegeben mitzuteilen, ob vor Anrufung des Gerichts (vergeblich) versucht worden sei, eine Vermittlung durch das Jugendamt in Anspruch zu nehmen und dies nachzuweisen. Mit Schriftsatz vom 13.03.2018 hat die Mutter hierauf vorgetragen, sie habe den Vater vorgerichtlich mehrfach gebeten, das Jugendamt um Vermittlung bei dem bestehenden Umgangskonflikt zu ersuchen. Dies habe der Vater rundweg abgelehnt. Mit Verfügung vom 16.03.2018 hat das Amtsgericht die Mutter um Vorlage eines geeigneten Nachweises gebeten. Hierauf hat die Mutter mit Schriftsatz vom 26.03.2018 mitgeteilt, die Ablehnung der Vermittlung durch das Jugendamt seitens des Vaters sei mündlich erfolgt, sodass ein Nachweis nicht vorgelegt werden könne. Im Übrigen sei die vorherige Inanspruchnahme des Jugendamtes keineswegs Voraussetzung für den hier gestellten Antrag, zumal nicht Verfahrenskostenhilfe beantragt worden sei. Unter Hinweis auf § 155 FamFG werde nochmals gebeten, das Verfahren zu fördern.
Durch Beschluss vom 28.03.2018 hat das Amtsgericht der Mutter „gemäß § 156 Abs. 1 S. 4 FamFG aufgegeben, zunächst die Möglichkeiten zur Vermittlung des Jugendamtes und der örtlichen Träger der Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen und dies gegenüber dem Gericht nachzuweisen.“ Das Verfahren werde bis dahin ausgesetzt.
Hierauf hat die Mutter mit Schriftsatz vom 26.04.2018 „Beschleunigungsrüge und Beschleunigungsbeschwerde“ erhoben. Zur Begründung hat die Mutter ausgeführt, die ihr durch Beschluss vom 28.03.2018 aufgegebene Verpflichtung verstoße gegen das Beschleunigungsgebot des § 155 FamFG. Das Amtsgericht habe den Anwendungsbereich des § 156 Abs. 1 S. 4 FamFG verkannt. Im Übrigen habe das Amtsgericht dem Verfahren trotz ihres Hinweises vom 06.03.2018 nicht Fortgang gegeben.
Durch Beschluss vom 30.04.2018 hat das Amtsgericht die Beschleunigungsrüge zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Verstoß gegen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG nicht vorliege. Denn gemäß § 156 Abs. 1 S. 1 FamFG solle das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einvernehmen der Beteiligten bei Verfahren im Sinne des § 155 Abs. 1 FamFG hinwirken; gemäß § 156 Abs. 1 S. 3 FamFG könne es anordnen, dass die Eltern an einer sonstigen Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung teilnehmen und eine Bestätigung hierüber vorlegen. Da die Beteiligten hier nicht einmal die Möglichkeit der Vermittlung bei dem zuständigen Jugendamt nachgewiesen hätten, habe das Familiengericht solche Anordnungen schon vor Bestimmung eines Termins in der Sache vornehmen können, um die Sache zu beschleunigen. Andernfalls wäre diese Anordnung aufgrund eines Termins ergangen, was zu einer weiteren Verzögerung führen würde.
Gegen den ihr am 03.05.2018 zugestellten Beschluss hat die Mutter mit Schriftsatz vom 07.05.2018, beim Amtsgericht eingegangen am 09.05.2018, Beschwerde eingelegt und sich zur Begründung auf ihren Schriftsatz vom 26.04.2018 bezogen. Durch Verfügung vom 16.05.2018 ist die Übersendung der Akten an das Oberlandesgericht angeordnet worden. Die Akte ist am 05.06.2018 beim Oberlandesgericht eingegangen und hat dem Senat seit dem 07.06.2018 vorgelegen.
II.
Die zulässige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung.
1.
Die Beschwerde ist als Beschleunigungsbeschwerde gemäß § 155 c Abs. 1 S. 1 FamFG zulässig, insbesondere innerhalb der vorgeschriebenen Frist von zwei Wochen nach der schriftlichen Bekanntgabe eingelegt worden.
Der Zulässigkeit der Beschleunigungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass die Mutter bereits ihren Rechtsbehelf vom 26.04. 2018 als „Beschleunigungsrüge und Beschleunigungsbeschwerde“ bezeichnet hat, obwohl es sich der Sache nach seinerzeit lediglich um eine Beschleunigungsrüge im Sinne von § 155 b FamFG gehandelt hat und die Mutter den Rechtsbehelf vom 07.05.2018 lediglich als „Beschwerde“ bezeichnet hat. Es gilt nämlich der allgemeine Grundsatz, dass Verfahrenshandlungen auslegungsfähig sind (vgl. BGH, NJW 2014,155). Die Wortwahl des Beschwerdeführers ist nicht entscheidend (vgl. BGH, NJW-RR 1998, 507). Bei Einführung von Beschleunigungsrüge und Beschleunigungsbeschwerde durch das Gesetz zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes, der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und des Gerichtskostengesetzes vom 11.10.2016 (BGBl. I, S. 2222) hat der Gesetzgeber entsprechend ausdrücklich hervorgehoben, dass die Beschleunigungsrüge nicht zwingend als solche bezeichnet werden müsse (BT-Drs. 18/9092, S. 17). Die Schriftsätze der Mutter vom 26.04. und 07.05.2018 sind daher bei verständiger Würdigung dahin aufzufassen, dass mit Ersterem die Beschleunigungsrüge erhoben und mit Letzterem die Beschleunigungsbeschwerde eingelegt worden ist.
Der gemäß § 155 c Abs. 2 S. 1 FamFG zur Entscheidung berufene Senat entscheidet in der nach dem GVG vorgesehenen Besetzung. Dass für die Beschwerdeentscheidung nicht der originäre Einzelrichter zuständig ist, ergibt sich bereits daraus, dass in § 155 c FamFG nicht – wie etwa in § 6 Abs. 2 FamFG oder § 35 Abs. 5 FamFG – auf die Vorschriften der sofortigen Beschwerde der §§ 564 bis 572 ZPO, mithin auch nicht auf § 568 ZPO, verwiesen wird (vgl. Auch Musielak/Borth, FamFG, 6. Aufl. 2018, § 155 c Rn. 2). Doch auch eine Übertragung auf den Einzelrichter scheidet aus (so auch Musielak/Borth, a.a.O., § 155 c Rn. 4). Denn bei der Beschleunigungsbeschwerde gemäß § 155 c FamFG handelt es sich um einen eigenständigen Rechtsbehelf, der in § 155 c FamFG abschließend geregelt ist. Insbesondere sind die Vorschriften der §§ 58 ff. FamFG nicht entsprechend heranzuziehen. Eine unmittelbare Anwendung scheidet schon deshalb aus, weil es sich bei der Entscheidung des Amtsgerichts über die Beschleunigungsrüge nicht um eine Endentscheidung gemäß §§ 58 Abs. 1, 38 Abs. 1 FamFG handelt. Doch auch für eine entsprechende Anwendung der §§ 58 ff. FamFG ist mangels Regelungslücke kein Raum. Form und Frist der Beschleunigungsbeschwerde sind in § 155 c Abs. 1 abschließend geregelt. Auch eine entsprechende Anwendung des §§ 68 Abs. 4 FamFG, wonach die Beschwerde durch Beschluss einem Mitglied des Beschwerdegerichts zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen werden kann, scheidet aus. Dies folgt schon daraus, dass in § 155 c Abs. 3 S. 2 die Vorschrift des § 68 Abs. 2 FamFG als entsprechend anwendbar erklärt wird, mithin das Beschwerdegericht zunächst prüfen muss, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Beschleunigungsbeschwerde gegeben sind (BT-Drs. 18/9092, S. 19). Wenn vom Gesetzgeber darüber hinaus auch die entsprechende Anwendung des § 68 Abs. 4 FamFG gewollt gewesen wäre, hätte es einer ausdrücklichen Anordnung bedurft.
Mit Rücksicht auf Urlaub und Erkrankungen von Senatsmitgliedern und damit einhergehenden Vertretungsbedarf musste die im Rahmen einer „Soll“-Vorschrift vorgesehene Regelfrist von einem Monat zur Entscheidung über die Beschleunigungsbeschwerde, § 155 c Abs. 3 S. 1 FamFG, um drei Tage überschritten werden.
2.
Die Beschleunigungsbeschwerde ist begründet. Die von der Mutter erhobene Beschleunigungsrüge war berechtigt. Mithin kann die Zurückweisung dieser Rüge durch angefochtenen Beschluss erfolgreich mit der Beschleunigungsbeschwerde angegriffen werden.
a)
Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls sind vorrangig und beschleunigt durchzuführen, § 155 Abs. 1 FamFG. Das Beschleunigungsgebot dient der Verkürzung der Verfahrensdauer in den aufgeführten, das Kindeswohl besonders berührenden Streitigkeiten und verpflichtet das Gericht in erster Linie, Verfahrensverzögerungen zu vermeiden sowie das Verfahren zu einem zügigen Abschluss zu bringen. Eine generelle Festlegung, ab wann ein Verfahren nicht beschleunigt durchgeführt wurde, ist dabei nach Auffassung des Gesetzgebers nicht möglich (BT-Drs. 18/9092, S. 19). Maßgebend ist die Orientierung am Kindeswohl, welches das Beschleunigungsgebot sowohl prägt als auch begrenzt, da Beschleunigung kein Selbstzweck ist, sondern dazu dient, dass die Entscheidung in der Sache nicht durch bloßen Zeitablauf faktisch präjudiziert wird (BT-Drs. 18/9092, S. 19; OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, Beschluss vom 18.04.2017 - 9 WF 88/17, BeckRS 2017, 128450 Rn. 2; OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.03.2017 – 17 WF 31/17, juris Rn. 51; Keuter, FamRZ 2016, 1817, 1821). Diese Gefahr besteht in den in § 155 Abs. 1 FamFG genannten Kindschaftssachen ganz besonders, weil sich während des Verfahrens Bindungs- und Beziehungsverhältnisse - einschließlich eines etwaigen Kontaktabbruchs - verfestigen oder verändern können und eine zu späte gerichtliche Entscheidung sich den geänderten tatsächlichen Bindungen und Beziehungen nur noch beschreibend anpassen, diese aber nicht mehr im Sinne des ursprünglichen Kindeswohls gestalten kann (BT-Drs. 18/9092, S. 19; OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, Beschluss vom 19.07.2017 - 9 WF 155/17, juris Rn. 3).
Das Beschwerdegericht hat unter Zugrundelegung dieser Faktoren deshalb darüber zu entscheiden, ob die Dauer des bisherigen Verfahrens den Anforderungen des Vorrang- und Beschleunigungsgebotes entspricht, insbesondere ob das Ausgangsgericht die notwendigen verfahrensfördernden Maßnahmen getroffen hat. Dabei ist nicht von dem Maßstab eines idealen Richters auszugehen, sondern es ist anhand des konkreten Einzelfalles ein objektiver Maßstab anzulegen (BT-Drs. 18/9092, S. 19). Um individuelle Vorwürfe oder gar Fehlverhalten geht es nicht. Dass ein erkrankter Richter nicht tätig werden kann und die Vertretung eine größere Anzahl von Verfahren nicht ohne weiteres und zügig erledigen kann, ist verständlich und angesichts der Belastung der Gerichte auch nicht möglich. Gleichwohl ist ein objektiver Maßstab anzulegen, da jeder Betroffene, insbesondere die Kinder, in wichtigen Belangen einen durchsetzbaren Anspruch auf beschleunigte Behandlung besonders wichtiger Angelegenheiten haben müssen (OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.07.2017, a.a.O., Rn. 3). Für die Frage, ab wann eine Verfahrensdauer nicht mehr als angemessen anzusehen ist, ist eine Abwägung aller verfahrens- und sachbezogenen Faktoren sowie der subjektiven, personenbezogenen Umstände vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind dabei neben der Schwierigkeit des Verfahrens, seiner Bedeutung für die Verfahrensbeteiligten sowie die Verfahrensführung und -förderung durch das Gericht auch das Verhalten der Verfahrensbeteiligten im Verfahren (OLG Bremen, Beschluss vom 12.10.2017 - 4 UF 107/17, BeckRS 2017, 128827 Rn. 27; Keuter, a.a.O., S. 1821).
Allerdings ist die Überprüfung der Verfahrensführung der Beurteilung des Senats weitgehend entzogen. Denn dem Familiengericht kommt bei der Verfahrensgestaltung ein weiter Gestaltungsspielraum zu, wie es seiner Amtsermittlungspflicht, § 26 FamFG, nachkommen will. Auf einer richterlichen Sachprüfung beruhende Maßnahmen, wie etwa eine für erforderlich gehaltene Sachverhaltsaufklärung, stellen Rechtsanwendung dar und sind der Beurteilung des Beschwerdegerichts grundsätzlich entzogen (OLG Stuttgart, a.a.O.). Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nicht die Überprüfung der Richtigkeit der Verfahrensführung, sondern die Beachtung des Vorrang- und Beschleunigungsgebots des § 155 Abs. 1 FamFG durch eine daran ausgerichtete Verfahrensförderung (OLG Brandenburg, Beschluss vom 18.04.2017, a.a.O., Rn. 10; OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 67).
Allgemeine Zeitvorgaben existieren nicht. Ob ein Verfahren unter Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes durchgeführt worden ist, lässt sich immer nur auf den konkreten Einzelfall bezogen feststellen (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 52; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 19. Aufl., § 155 c Rn. 8). Auch wenn Gegenstand von Beschleunigungsrügen überwiegend Verfahren mit einer Dauer von mehr als einem Jahr sind (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 57; OLG Brandenburg, Beschluss vom 18.04.2017, a.a.O., Rn. 5), kann im Einzelfall bei einer deutlich kürzeren Verfahrensdauer, etwa einer solchen von rund 4 Monaten, schon ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz gegeben sein (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 18.04.2017, a.a.O., Rn. 6).
b)
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Amtsgericht dem Beschleunigungsgebot nicht hinreichend Rechnung getragen.
aa)
Allerdings waren bei Eingang der Beschleunigungsrüge am 26.04.2018 seit der Antragseinreichung noch nicht einmal zwei Monate vergangen. Jedoch liegt die Besonderheit im vorliegenden Fall darin, dass das Amtsgericht nicht gegen das allgemeine Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG verstoßen hat, sondern eine Missachtung des speziell in § 155 Abs. 2 FamFG geregelten Gebots vorliegt, die Sache mit den Beteiligten in einem Termin zu erörtern, der spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden soll.
bb)
Auch ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 155 Abs. 2 S. 2 FamFG, wonach der Erörterungstermin spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden soll, kann Gegenstand der Beschleunigungsrüge nach § 155 b FamFG wie auch der Beschleunigungsbeschwerde nach § 155 c FamFG sein (so im Ergebnis auch KG, Beschluss vom 31. Januar 2017 – 13 WF 12/17, juris Rn. 16; OLG Bremen, Beschluss vom 12. Juli 2017 – 4 UF 72/17, juris).
Gemäß § 155 b Abs. 1 S. 1 FamFG kann ein Beteiligter in einer in § 155 Abs. 1 FamFG bestimmten Kindschaftssache geltend machen, dass die bisherige Verfahrensdauer nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot nach der genannten Vorschrift entspricht (Beschleunigungsrüge) . Anknüpfungspunkt ist also ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 155 Abs. 1 FamFG. Nicht anders verhält es sich in Bezug auf die Beschleunigungsbeschwerde. Denn in § 155 c Abs. 3 S. 3 FamFG ist ausdrücklich geregelt, dass das Beschwerdegericht festzustellen hat, ob die bisherige Dauer des Verfahrens dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG entspricht.
Die Vorschrift des § 155 Abs. 2 FamFG, welche die Anberaumung eines zeitnahen Erörterungstermins vorgibt, ist aber als spezielle Ausprägung des Beschleunigungsgebots des § 155 Abs. 1 FamFG anzusehen (Prütting/Helms/Hammer, FamFG, 4. Aufl., § 155 Rn. 31; vgl. auch Keidel/Engelhardt, a.a.O., § 155 Rn. 7). Dies hat der Gesetzgeber klargestellt, indem er hinsichtlich des Erörterungstermins eine Zeitvorgabe gemacht und eine Terminverlegung nur aus zwingenden Gründen, die glaubhaft zu machen sind, zugelassen hat, § 155 Abs. 2 S. 4, 5 FamFG (vgl. auch BT-Drs. 16/6308, S. 236). Hierfür spricht zudem, dass die amtliche Überschrift für den gesamten § 155 FamFG „Vorrang- und Beschleunigungsgebot“ lautet. Nach alledem liegt in einer Missachtung der Vorschrift des § 155 Abs. 2 FamFG zugleich ein Verstoß gegen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot des §§ 155 Abs. 1 FamFG.
Für die Zeit vor Einführung der Beschleunigungsrüge ist die Rechtsprechung zunächst davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen das Gebot, einen Termin spätestens binnen eines Monats nach Beginn des Verfahrens stattfinden zu lassen, isoliert in der Rechtsmittelinstanz nur mit der Untätigkeitsbeschwerde gerügt werden könne (OLG Schleswig, FamRZ 2011, 1085; vgl. auch Keidel/Engelhardt, a.a.O., § 155 Rn. 8). Nachdem am 3.12.2011 (vgl. Zimmermann FamRZ 2011, 1905) das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24.11.2011 (BGBl. I 2302) in Kraft getreten ist, durch das die Verzögerungsrüge, § 198 Abs. 3 S. 1 GVG, eingeführt wurde, muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass eine Untätigkeitsbeschwerde, durch welche die Dauer des Verfahrens vor einem Gericht durch die nächsthöhere Instanz geprüft wird, nicht mehr statthaft ist (BT-Drs. 17/3802, S. 16; BGH, FamRZ 2014, 1285 Rn. 2; OLG Düsseldorf, NJW 2012, 1455 f.; OLG Jena, FamRZ 2012, 728; OLG Brandenburg, 4. Familiensenat, FamRZ 2012, 1076; Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 5). Dies kann aber auf sich beruhen (vgl. hierzu auch Zorn, in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 2. Aufl., § 155 Rn. 7). Denn mit Inkrafttreten der §§ 155 b, 155 c FamFG ist nun ein spezieller Rechtsbehelf geschaffen worden, mit dem ein betroffener Beteiligter einen Verstoß gegen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 FamFG – unter Einschluss auch des frühen Terminierungsgebots des § 155 Abs. 2 S. 2 FamFG – rügen kann.
cc)
Das Amtsgericht hat die Vorschrift des § 155 Abs. 2 S. 2 missachtet. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass es sich bei dem Gebot, den Erörterungstermin spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden zu lassen, um eine „Soll“-Vorschrift handelt. Der Gesetzgeber hat eine grundsätzlich verpflichtende Zeitvorgabe für das Gericht gemacht, die nur in Ausnahmefällen überschritten werden darf. Ein Ausnahmefall kann sowohl in der Sphäre des Gerichts (z.B. öffentliche Zustellung der Antragsschrift, keine Vertretung in Krankheitsfällen) als auch in der Sache selbst begründet sein (z.B. der Hauptsache ist ein Verfahren auf einstweilige Anordnung in derselben Sache mit mündlicher Verhandlung unmittelbar vorausgegangen). Das Vorliegen eines Ausnahmefalls ist vom Gericht jeweils im Einzelfall zu prüfen. Im Zweifel gilt das Beschleunigungsgebot (BT-Drs. 16/6308, S. 236).
Geht es um die Einhaltung der Vorschrift, den Erörterungstermin spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden zu lassen, § 155 Abs. 2 S. 2 FamFG, liegt es nahe, dass ein Verstoß nicht erst dann gegeben ist, wenn das Verfahren schon viele Monate anhängig ist. Denn schon dann, wenn nach Ablauf der gesetzlich vorgegebenen Frist von einem Monat ein Termin ohne sachlichen Grund nicht stattgefunden hat, ist der besonderen Ausprägung des Beschleunigungsgrundsatzes nicht Rechnung getragen worden. Jedenfalls im vorliegenden Verfahren ist ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz schon im Zeitpunkt der Einreichung der Beschleunigungsrüge am 26.04.2018 festzustellen.
Das Amtsgericht hat durch seine Äußerungen zu erkennen gegeben, dass es nicht etwa wegen (vertretungsbedingter) Überlastung gehindert war, die Monatsfrist einzuhalten. Vielmehr muss aufgrund der Verlautbarungen des Amtsgerichts angenommen werden, dass es überhaupt nicht beabsichtigt, den vom Gesetz geforderten Erörterungstermin anzuberaumen. Dafür spricht, dass das Amtsgericht, bevor es einen solchen Termin abgehalten hat, das Verfahren durch Beschluss vom 28.03.2018 ausgesetzt hat. Dann aber ist es auch schon sogleich nach Ablauf der Monatsfrist gerechtfertigt und sogar geboten, einen Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz festzustellen.
dd)
Die rechtlichen Erwägungen, die das Amtsgericht in seinem Aussetzungsbeschluss vom 28.03.2018 und in dem angefochtenen Beschluss, durch den die Beschleunigungsrüge zurückgewiesen worden ist, angestellt hat, rechtfertigen es nicht, die Anberaumung eines frühen Erörterungstermins zu unterlassen.
In seinem Aussetzungsbeschluss hat sich das Amtsgericht auf die Vorschrift des § 156 Abs. 1 S. 4 FamFG bezogen und der Antragstellerin aufgegeben, „zunächst die Möglichkeiten zur Vermittlung des Jugendamtes und der örtlichen Träger der Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen und dies gegenüber dem Gericht nachzuweisen“. Im angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht dann noch auf die Vorschrift des § 156 Abs. 1 S. 1 FamFG verwiesen, wonach es in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinwirken soll, ferner auf die in § 156 Abs. 1 S. 3 FamFG eingeräumte Möglichkeit anzuordnen, dass die Eltern an einer sonstigen Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung teilnehmen und eine Bestätigung hierüber vorlegen. Die zuletzt genannten Vorschriften mögen eher als die ursprünglich in Bezug genommene Bestimmung des § 156 Abs. 1 S. 4 FamFG eine Grundlage für die im Beschluss vom 28.03.2018 getroffene Anordnung bieten. Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, ob eine solche Entscheidung schon vor Durchführung des frühen Erörterungstermins ergehen kann. Dies ist zu verneinen. Es ist nämlich nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber ein Abweichen von dem speziellen Terminierungsgebot des § 155 Abs. 2 S. 1, 2 FamFG immer schon dann ermöglichen wollte, wenn das Gericht von den ihm allgemein in § 156 Abs. 1 FamFG eingeräumten Möglichkeiten Gebrauch macht. Vielmehr ist der Gesetzgeber – wie bereits ausgeführt – davon ausgegangen, dass eine Terminierung innerhalb eines Monats nur in absoluten Ausnahmefällen unterbleiben kann. Die in den Gesetzesmaterialien genannten Ausnahmefälle rechtfertigen im Übrigen ohnehin nur eine Terminierung außerhalb der Monatsfrist, nicht jedoch eine Aussetzung des Verfahrens, bevor überhaupt ein früher Erörterungstermin stattgefunden hat.
Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, dass sich das Amtsgericht mit dem Vorbringen der Mutter, der Vater habe eine Vermittlung durch das Jugendamt „rundweg abgelehnt“, was aber, weil die Ablehnung mündlich erfolgt sei, nicht nachgewiesen werden könne, nicht auseinandergesetzt hat. Die Richtigkeit des Vortrags der Mutter unterstellt, wäre die Erfolgsaussicht des Ansatzes des Amtsgerichts, das Jugendamt zum Zwecke der Vermittlung einzuschalten, nur eingeschränkt gegeben. Das Terminierungsgebot in § 155 Abs. 2 S. 1, 2 FamFG soll aber gerade eine einvernehmliche Konfliktlösung fördern (BT-Drs. 16/6308, S. 236). Insbesondere in Fällen, in denen eine Zuspitzung des Konflikts droht, sollen die Eltern nicht längere Zeit alleingelassen werden (BT-Drs. 16/6308, S. 236). Nach alledem kann das Terminierungsgebot nicht unter Hinweis auf allgemeine Ausführungen dazu, dass in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinzuwirken sei, umgangen werden.
ee)
Das Vorgehen des Amtsgerichts scheint von der Vorstellung getragen zu sein, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für die Einleitung eines Verfahrens erst gegeben sei, wenn Versuche der Vermittlung durch das Jugendamt gescheitert sind. Dies trifft aber nicht zu. Zwar wird, wenn ein Beteiligter für das Umgangsverfahren Verfahrenskostenhilfe beantragt, erwogen, es sei mutwillig im Sinne von § 114 Abs. 2 ZPO, dieses Verfahren durchzuführen, ohne vorher das Jugendamt eingeschaltet zu haben (vgl. hierzu näher OLG Brandenburg, 5. Familiensenat, Beschluss vom 1.10.2012 – 3 WF 85/12, BeckRS 2013, 14980 Zöller/Geimer, ZPO, 32.Aufl., ZPO § 114 Rn. 31 sowie FamFG § 76 Rn. 9). Ob diese Auffassung zutrifft, kann dahinstehen. Denn auch eine etwa mutwillige Verfahrensführung ist von einem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis, das zur Unzulässigkeit der Verfahrenseinleitung führen könnte (vgl. BeckOK ZPO/Bacher, 28. Ed. 1.3.2018, ZPO § 253 Rn. 28 ff.), zu unterscheiden (vgl. Verfahrenshandbuch Familiensachen/Gutjahr, 2. Aufl., § 1 Rn. 183). Ein Rechtsschutzbedürfnis ist hier aber gegeben. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass als Antragsteller hier nicht der umgangsberechtigte Vater, sondern die Mutter, in deren Haushalt das Kind lebt, aufgetreten ist. Beim Umgangsverfahren handelt es sich ohnehin um ein Amtsverfahren (vgl. BGH, NJW-RR 1991, 1346; OLG Schleswig, NJOZ 2012, 1245; Senat, Beschluss vom 3.7.2015 - 10 UF 173/14, BeckRS 2015, 12386; Beschluss vom 27.1.2015 - 10 WF 37/14, BeckRS 2015, 17599). Das Gericht ist somit an Anträge nicht gebunden. Die Mutter könnte hier zwar dem Vater einen erweiterten Umgang bzw. das Wechselmodell auch einfach verwehren, indem sie das Kind nicht für längere Zeit an ihn herausgibt. Andererseits besteht aber auch die Gefahr, dass der Vater, weil er einen erweiterten Umgang haben möchte, das Kind am Ende eines Wochenendbesuchs nicht an die Mutter zurückgibt. Es kann daher auch im Sinne des Kindeswohls geboten sein, dass es zu einer eindeutigen gerichtlichen Regelung des Umgangs kommt.
c)
Nach alledem ist ein Verstoß des Amtsgerichts gegen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot des §§ 155 Abs. 1 FamFG festzustellen, § 155 c Abs. 3 S. 3 FamFG. An diese rechtliche Beurteilung ist das Amtsgericht gebunden (BT-Drs. 18/9092, S. 19). Das Beschwerdegericht kann allerdings das Ausgangsgericht mit Rücksicht auf dessen richterliche Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) weder zum Erlass einer einstweiligen Anordnung noch zum Treffen einer anderweitigen verfahrensbeschleunigenden Maßnahme anweisen oder ihm eine verbindliche Frist zum Treffen bestimmter Entscheidungen im Ausgangsverfahren setzen (BT-Drs. 18/9092, S. 19).
3.
Die Kostenentscheidung in Bezug auf die Beschleunigungsbeschwerde ist den §§ 81 ff. FamFG zu entnehmen (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 18.04.2017, a.a.O., Rn. 15; OLG Bremen, a.a.O., Rn. 34;K OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 86) und beruht hier auf § 81 FamFG (vgl. auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.07.2017, a.a.O., Rn. 7)
Als Beschwerdewert ist ein Bruchteil des aus § 45 Farm GKG abzuleitenden Werts anzusetzen (vgl. Musielak/Borth, a.a.O., § 155 c Rn. 8; Keidel/Meyer-Holz, a.a.O., § 155 c Rn. 12 i.V.m. § 155b Rn. 12; siehe auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.07.2017, a.a.O., Rn. 7; OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 86).
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof findet auch auf Zulassung nicht statt. § 70 FamFG ist nicht anzuwenden (Keidel/Meyer-Holz, a.a.O., § 155 c Rn. 8; Musielak/Borth, a.a.O., § 155 c Rn. 2).