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Entscheidung Verg W 2/10


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg Vergabesenat Entscheidungsdatum 08.04.2010
Aktenzeichen Verg W 2/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 3 ZPO, § 50 Abs 2 GKG, § 3 Abs 3 VgV

Leitsatz

1. Es ist zweifelhaft, ob die für die Ermittlung des Schwellenwertes geltenden Vor-schriften zur Bemessung des Streitwertes im Verfahren der sofortigen Beschwerde gegen Entscheidungen der Vergabekammer entsprechend herangezogen werden können.

2. Läuft ein zu vergebender Dienstleistungsauftrag länger als 48 Monate, ist eine feste Vertragszeit vorgesehen und kann ein Gesamtpreis angegeben werden, ist die volle Vergütung für die gesamte Vertragslaufzeit für die Streitwertbemessung zugrunde zu legen.

3. Der für die Streitwertfestsetzung maßgebliche Auftragswert ist nicht um durch-laufende Kosten zu kürzen.

4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren und für das Verfahren der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde ist einheitlich festzusetzen. Wegen des Wortlauts des § 50 Abs. 2 GKG kann für das Verfahren der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Streitwert nicht mit einem Bruchteil der Hauptsache bemessen werden.

Tenor

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde und des Verfahrens gemäß § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zu tragen, nachdem sie die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 26.1.2010 – VK 54/09 - zurückgenommen hat.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 383.268,85 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 2.2.2010 gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 26.1.2010 sofortige Beschwerde eingelegt, die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels beantragt und mit Schriftsatz vom 22.1.2010 das Rechtsmittel zurückgenommen, nachdem der Senat mit Beschluss vom 18.2.2010 den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung zurückgewiesen hat.

II.

Nachdem die Antragstellerin die sofortige Beschwerde zurückgenommen hat, waren ihr gemäß den §§ 120 Abs. 2, 78 Satz 2 GWB, 516 Abs. 3 ZPO analog die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Danach beträgt der Streitwert bei einer sofortigen Beschwerde gegen eine Entscheidung der Vergabekammer fünf Prozent der Bruttoauftragssumme. In diesem pauschalisierten Gewinnanteil manifestiert sich das für die Streitwertbemessung wesentliche wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin entsprechend § 3 ZPO.

1.) Hier ist die Bruttoangebotssumme des letzten Angebotes der Antragstellerin zugrunde zu legen, weil die Antragstellerin ein Angebot vorgelegt hat, um dessen Bewertung es ihr im Beschwerdeverfahren ging.

a.) Nach § 2 Abs. 1 des Management-Vertrages sollte der erfolgreiche Bieter eine Managementgebühr erhalten, die sich für die Jahre 2009 (ab Dezember 2009) bis 2015 aus einem zu vereinbarenden Prozentsatz des Fondsvolumens von 20 Mio. € berechnet, für die Jahre 2016 bis 2020 aus einem zu vereinbarenden Prozentsatz des investierten Kapitals.

Die Antragstellerin verlangte in ihrem endgültigen Angebot vom 24.11.2009 für die Investitionsphase von 2010 bis 2015 eine Managementgebühr in Höhe von 3,5 % bezogen auf das Fondsvolumen in Höhe von jeweils 700.000 €; für die Desinvestitionsphase von 2016 bis 2010 Jahresvergütungen von 3 % des investierten Kapitals in Höhe von 427.500 €, 375.000 €, 322.500 €, 277.500 € und 202.500 €.

Hieraus ergibt sich eine Gesamtvergütung von 2010 bis 2020 in Höhe von 5.805.000 €. Hinzu kommt die anteilige Vergütung für Dezember 2009 in Höhe von 58.333,33 €, die als Verlustvortrag gebucht und erst in 2010 ausgezahlt werden sollte. Insgesamt beträgt die von der Antragstellerin geforderte Vergütung mithin 5.863.333,33 €.

b.) Neben der festen Managementgebühr nach § 2 Abs. 1 des Managementvertrages erhält der erfolgreiche Bieter eine erfolgsabhängige Vergütung in Abhängigkeit von dem Liquidationserlös, abzüglich der ursprünglichen Fondseinlage einschließlich einer Verzinsung (sog. Hurdle Rate). Verbleibt nach dieser Rechenoperation ein Überschuss, beträgt die erfolgsabhängige Vergütung 20 %.

Die Antragstellerin ist in ihrem Businessplan für die Auftraggeberin davon ausgegangen, dass sie einige der durch die Fondsmittel erworbenen Beteiligungen so gewinnbringend verkaufen kann, dass die Fondsmittel einschließlich einer von ihr angebotenen Verzinsung an den Fördermittelgeber zurückgezahlt werden können und noch ein Überschuss von 11.890.800 € verbleibt. Hiervon ist die von der Antragstellerin angebotene Verzinsung abzuziehen, die die Auftraggeberin unwidersprochen mit 9 Mio. € angesetzt hat. Es verbleibt ein Betrag von 2.890.800 €, der Grundlage für die Berechnung der Erfolgsvergütung ist. 20 % hiervon entsprechen 578.160 €.

c.) Aus der regelmäßigen Managementvergütung und der erfolgsabhängigen Vergütung ergibt sich eine Gesamtvergütung in Höhe von 6.441.493,33 € netto, mithin 7.665.377 € brutto. 5 % hiervon sind 383.268,85 €.

2.) § 3 Abs. 3 Satz 3 VgV, der für die Ermittlung des Schwellenwertes den Vertragswert bei unbefristeten Verträgen oder bei nicht absehbarer Vertragsdauer aus der monatlichen Zahlung multipliziert mit 48 errechnet, kann hier nicht entsprechend zur Streitwertbemessung herangezogen werden. Es ist schon zweifelhaft, ob § 3 VgV, der nicht den Streitwert, sondern die Voraussetzungen für die Anwendung des Vergaberechtsregimes der §§ 97 ff. GWB regelt, im Rahmen von § 50 Abs. 2 GKG zur Anwendung gelangen und streitwertbegrenzende Wirkung haben kann (zweifelnd auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3.7.2003, VII-Verg 22/00). Selbst wenn man jedoch § 3 Abs. 3 Satz 3 VgV für anwendbar hält, bemisst sich hier der Streitwert nicht nach der 48fachen Monatsvergütung.

Denn § 3 VgV trifft für den Fall eines länger als 48 Monate laufenden, aber nicht unbefristeten Dienstleistungsauftrages keine Regelung. In derartigen Fällen kann zwar Art. 9 Abs. 8 b ii der RL 2004/18/EG unmittelbar anzuwenden sein, wonach bei Dienstleistungsaufträgen, für die kein Gesamtpreis angegeben wird, mit einer Laufzeit von mehr als 48 Monaten der geschätzte Auftragswert auf der Basis des Monatswerts multipliziert mit 48 zu berechnen ist (OLG München, Beschluss vom 12.8.2008, Verg 6/08, zitiert nach Juris Rn 16). Die Richtlinie regelt den Auftragswert jedoch nur für solche Dienstleistungsaufträge, für die ein Gesamtpreis nicht angegeben wird. Kann dagegen ein Gesamtpreis angegeben werden, ist auf die gesamte Vertragszeit, auch wenn sie länger als 48 Monate ist, abzustellen (OLG München, Beschluss vom 13.8.2008, Verg 8/08, zitiert nach Juris, Rn 15 ff.).

Hier kann ein Gesamtpreis angegeben werden. Außerdem ist der Vertrag weder unbefristet, noch von nicht absehbarer Vertragsdauer. Vielmehr war eine feste Vertragszeit vereinbart. Deshalb ist hier die volle Vergütung für die gesamte Vertragslaufzeit für die Streitwertbemessung zugrunde zu legen (so auch Senat, Beschluss vom 11.12.2008, Verg W 5/08, unveröffentlicht; Senat, Beschluss vom 30.8.2004, Verg W 2/04, zitiert nach Juris; so auch Willenbruch/Bischoff-Bischoff, Vergaberecht, Rn. 13 zu § 3 VgV).

Die übrigen Entscheidungen, auf die sich die Antragstellerin zur Stützung ihrer Auffassung einer Deckelung des Streitwerts auf den 48fachen Monatsbetrag beruft, stammen aus der Zeit vor Inkrafttreten der VgV und sind noch zu § 1 a Nr. 4 Abs. 2 S., 1 VOL/A a. F. ergangen. Sie können die Ansicht der Antragstellerin, es sei hier auf die Vergütung für 48 Monate abzustellen, schon deshalb nicht stützen. Unter der Geltung der VgV hat – soweit ersichtlich - kein Oberlandesgericht bei länger als 48 Monate laufenden Verträgen mit bestimmtem Vertragsende und bei der Möglichkeit der Angabe eines Gesamtpreises eine Streitwertbegrenzung auf 48 Monatsvergütungen für richtig gehalten.

3.) Der Auftragswert ist auch nicht um durchlaufende Kosten zu kürzen. Eine solche Vorgehensweise ist in § 50 Abs. 2 GKG nicht vorgesehen.

Soweit einmal ein Oberlandesgericht die Auffassung vertreten hat, der Auftragswert sei um die Mehrwertsteuer als durchlaufenden Posten zu kürzen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3.7.2003, VII-Verg 22/00, zitiert nach Juris, Rn 28), so ist diese Entscheidung noch zu § 12a Abs. 2 GKG a. F. ergangen. Danach war maßgeblich für die Streitwertfestsetzung die "Auftragssumme". Nach nunmehr geltenden § 50 Abs. 2 GKG ist dagegen auf die "Bruttoauftragssumme" abzustellen, so dass eine Kürzung des Streitwertes um Mehrwertsteuerbeträge angesichts der klaren gesetzlichen Vorgaben ausscheidet.

4.) Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren und das Verfahren der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung war einheitlich festzusetzen. Insbesondere konnte der Streitwert des Verfahrens der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung nicht mit einem Bruchteil der Hauptsache gewertet werden. Dem steht der ausdrückliche Wortlaut des § 50 Abs. 2 GKG entgegen, wonach im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer einschließlich des Verfahrens über den Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB der Streitwert 5 % der Bruttoauftragssumme beträgt.

Soweit das OLG Stuttgart in einer Entscheidung (Beschluss vom 15.1.2003, 2 Verg 17/02) ohne jede Begründung eine im Widerspruch zum Gesetzwortlaut (damals noch § 12a Abs. 2 GKG) stehende Auffassung vertreten hat, kann dem nicht beigetreten werden.