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Berufskrankheit; Hautkrankheit; schwer; wiederholt rückfällig; Unterlassungszwang


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 22.09.2011
Aktenzeichen L 3 U 566/08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 9 SGB 7, Nr 5101 Anl 1 BKV

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 31. Juli 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind weder für das erstinstanzliche noch für das zweitinstanzliche Verfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt gegenüber der Beklagten die Anerkennung ihrer Hauterkrankung als Berufskrankheit Nr. 5101 (Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, BK 5101) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Die Klägerin wurde 1973 geboren. Nach Abbruch einer Ausbildung zur Restaurantfachfrau durchlief die Klägerin von September 1991 bis August 1994 eine Ausbildung als Friseurin. Ab März 1995 bis März 2000 arbeitete sie als Kaffee- und Frühstücksköchin bei der Fa. P Warenhandelsgesellschaft mbH (P). Ab April 2000 war sie arbeitsuchend gemeldet. Die Bundesanstalt für Arbeit leitete unter dem 15. März 2001 einen Reha-Antrag der Klägerin vom 05. Januar 2001 an die Beigeladene weiter, in welchem die Klägerin auf die Verschlechterung des Zustands ihres Handekzems bei Kontakt mit feuchten Gegenständen sowie mit Putzmitteln verwies. Dem Antrag war unter anderem ein Arztbrief des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. H vom 06. März 2000 beigefügt, wonach bei der Klägerin seit Jahren eine Haar-Allergie und ein Kontaktekzem der Hände auf Farbchemikalien bestehe und der Friseurberuf nicht mehr ausgeübt werden könne. Die Beigeladene leitete ein Verfahren zur Feststellung der Voraussetzungen der BK 5101 ein. Auf schriftliches Befragen der Beklagten beschrieb die Klägerin ihre Tätigkeiten als Kaffee- und Frühstücksköchin wie folgt: Kaffee kochen; Brötchen belegen; Verkauf von Kantinenartikeln, zum Beispiel Süßigkeiten, Getränke, Bockwurst; Bewirtung von Schulungen, Seminaren, Hausmessen; Gießen der Pflanzen im gesamten Gebäude; Getränkeautomaten auffüllen; Betriebskantine täglich säubern (Stühle, Tische, Boden, Müllsäcke); ständige Säuberung der Küche. Sie sei hierbei mit Spülmaschinenmitteln, Spülmittel, Allzweckreinigern, Bodenwisch- und Poliermitteln, Fensterputz- und Essigreinigern, mit Lebensmitteln wie Brötchen, Brot, Aufschnitt, Margarine, Bockwurst, Frikadellen, Kaffee, Tee etc. umgegangen. Während dieser Tätigkeiten habe sie ständig rote, rissige, juckende und brennende Haut an den Händen gehabt, ferner kurzzeitig rote, juckende, trockene Haut um die Augenpartie.

Die Beigeladene holte Auskünfte der bisherigen Krankenkassen der Klägerin (IKK Niedersachsen, K. Betriebskrankenkasse, AOK – Die Gesundheitskasse für Niedersachsen) ein, wonach Erkrankungen und Heilverfahren im Bereich der Haut unbekannt seien. Die Beigeladene holte ferner den unter dem 08. Juni 2001 erstellten Befundbericht des Facharztes für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. W ein. Er berichtete von einer einmaligen Vorstellung der Klägerin am 15. Februar 2000 mit ekzematösen Hauterscheinungen an beiden Händen, wobei Dr. W V.a. irritative Dermatitis bzw. degeneratives Handekzem diagnostizierte. Arbeitsunfähigkeit sei nicht attestiert worden. Die Beigeladene befragte den Friseurausbildungsbetrieb der Klägerin, welcher unter dem 21. Juni 2001 schriftlich angab, dass die Klägerin mit allen Friseurarbeiten befasst und allen beruflichen Chemikalien ausgesetzt gewesen sei. Die Hauterkrankung sei erstmals während der Friseurtätigkeit aufgetreten. Die Fachärztin für Dermatologie Dr. F berichtete unter Vorlage eines Allergietestblatts über eine Epicutan-Testreihe von 18. bis zum 20. April 2000 über ein differentialdiagnostisch festgestelltes allergisches Kontaktekzem (Allergie gegen 4-Phenylendiamin). Ferner berichtete die Fachärztin für Innere Medizin Dr. O unter dem 21. Juni 2001, dass sie nach einer Untersuchung der Klägerin am 13. Dezember 2000 Ekzemherde an den Handinnenflächen und Hinweise auf eine Urticaria factitia (physikalische Form der Nesselsucht) festgestellt habe. Die Beigeladene gab den Vorgang an die Beklagte zur weiteren Bearbeitung ab.

Die Beklagte holte eine negative Auskunft von Fa. P ein, wonach es laut Aussage einiger Mitarbeiter, die damals mit der Klägerin zusammengearbeitet hätten, keine Beschwerden bzw. Erscheinungen beruflicher Natur gegeben habe. Die Klägerin habe drei Stunden täglich mit der Wurstschneidemaschine, an der Verkaufstheke, mit Messer, Schere, Konservendosen und Münzen zugebracht. Täglich eine Stunde lang habe sie die Topfblumen gepflegt und teilweise – bei vorhandenem Geschirrspüler – Geschirr gespült. Eine Stunde täglich habe sie den Arbeitsplatz und die Fußbodenfläche mit Viss Fußbodenreiniger und Meister Proper gereinigt. Sie habe Schutzhandschuhe aus Gummi getragen. Das Arbeitsverhältnis sei zum 31. März 2000 im gegenseitigen Einvernehmen beendet worden. Die Beklagte stellte der Klägerin drei medizinische Gutachter zur Auswahl, von welchen sie sich für Priv-Doz. Dr. M von der Klinik A Interdisziplinäres Therapiezentrum für Pneumologie, Allergologie, und Dermatologie GmbH entschied. Dieser führte in seinem unter dem 15. Januar 2002 aufgrund von Untersuchungen vom 13. bis zum 15. November 2001 erstatteten Gutachten aus, dass nach Angaben der Klägerin die Hauterkrankung in Form von Hautekzem an beiden Händen erstmals im Dezember 1991 aufgetreten sei. In der Folgezeit habe sie immer wieder Rückfälle erlitten. Auch während der Tätigkeit als Kaffee- und Frühstücksköchin sei es erneut zu Hauterscheinungen gekommen. Die Klägerin habe ihre Tätigkeit bei der Fa. P wegen eines familiär bedingten Ortswechsels beendet. Sie sei Raucherin. Die Hauterscheinungen seien lange ignoriert worden. Erstmals am 15. Februar 2000 sei deswegen ein Arzt aufgesucht worden. Die Klägerin leide gegenwärtig zeitweise an ekzematösen Hautveränderungen an beiden Handinnenflächen, rechts mehr als links. Gegenwärtig bestünden keine stärkeren Hauterscheinungen und keine medikamentöse Dauertherapie. Dr. M nahm Hauttestungen vor und stellte mittels eines Epikutantests eine schwach positive zellulär-bedingte allergische Spätreaktion auf Nickelsulfat und Chlorhexidingluconat fest. Die Testung auf Friseurstoffe verlief negativ. Er diagnostizierte ein rezidivierendes kontaktallergisches Handekzem und toxisch-degeneratives Handekzem. Das rezidivierende kontaktallergische Handekzem habe sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit primär außerberuflich durch die ubiquitäre Nickelexposition entwickelt. Durch private und berufliche Exposition gegenüber Kosmetika sei es zusätzlich zu einer zellulär bedingten allergischen Sensibilisierung gegen die in verschiedenen Kosmetika enthaltene Substanz Chlorhexidingluconat gekommen. Das während der Tätigkeit als Kaffee- und Frühstücksköchin in Erscheinung getretene toxisch-degenerative Handekzem habe sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch ständiges Arbeiten im Feuchtmilieu entwickelt und sei somit als dauerhafte und richtunggebende Verschlimmerung des Hautekzems zu werten. Die Klägerin habe auf eigene Veranlassung die Tätigkeit als Kaffee- und Frühstücksköchin aufgegeben, ohne dass die medizinisch indizierten Schutz- bzw. Behandlungsmaßnahmen durchgeführt worden seien (Hautschutz, Handschuhe, Unterweisung zu hautschonender Arbeitsweise, Sanierung/Überprüfung des Arbeitsplatzes, stationäres Heilverfahren).

Die Beklagte beschied nach Einholung einer Stellungnahme des Gewerbearztes des Niedersächsischen Landesamts für Ökologie vom 15. Februar 2002 die Klägerin dahin, dass bei ihr eine vorübergehende Verschlimmerung ihres Hautleidens bestanden habe. Ursache hierfür sei ihre Tätigkeit als Köchin gewesen. Inzwischen sei diese Erkrankung aber abgeheilt. Die Entschädigung ihrer Erkrankung als Berufskrankheit sowie die Gewährung von Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV werde abgelehnt. Zur Begründung führte die Beklagte unter anderem aus, dass der für die BK 5101 erforderliche Unterlassungszwang bei der Klägerin nicht vorliege (Bescheid vom 18. März 2002). Die Klägerin erhob am 25. März 2002 Widerspruch. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 2002 mit der weitergehenden Begründung zurück, dass es bei der Erkrankung der Klägerin auch an der für eine BK 5101 erforderlichen Schwere fehle, welche erst bei einer ununterbrochenen Behandlungsbedürftigkeit trotz angemessener Behandlung von etwa sechs Monaten gegeben sei.

Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 15. Mai 2002 zum Sozialgericht Neuruppin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Sie hat behauptet, dass ihre Ekzeme immer wieder stark auflebten, insbesondere bei Kontakt mit Putzmitteln und Kosmetika. Allein ihre Enthaltung habe dazu geführt, dass zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. M keine größeren Hauterscheinungen nachzuweisen gewesen seien. Dr. W habe sie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Hauterkrankung durch die beruflichen Feuchtarbeiten entstanden sei. Dr. W habe einen Berufswechsel angeraten. Während eines Besuchs bei ihren Eltern in B habe sich ihr Gesundheitszustand erheblich verschlimmert, weshalb sie sich von Dr. H am 26. Februar 2000 habe untersuchen lassen. Er habe sie für fünf Wochen krank geschrieben. Ihre Beziehung zu ihrem damaligen Lebensgefährten sei zerbrochen; er habe ihr Gewalt angedroht. Deshalb habe sie keine andere Wahl gehabt, als in B zu bleiben und somit notgedrungen ihr Arbeitsverhältnis mit der Fa. P zum 31. März 2000 aufzulösen.

Das SG hat unter anderem Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt (Dr. F vom 06. Juni 2002, Hautarzt und Allergologe K vom 06. Juni 2002 mit der Diagnose dishidrosiformes atopisches Ekzem) und aufgrund Beweisanordnung durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens durch den Facharzt für Dermatologie – Allergologie – Dr. R Beweis erhoben. In seinem auf zwei Untersuchungen (mangels Mitwirkung der Klägerin ohne Testreihen) beruhenden Sachverständigengutachten vom 21. Oktober 2004 hat der Sachverständige an der rechten Hand Rötung und Infiltrat und einzelne ältere gelbliche Pusteln und an der linken Hand Rötung mit Infiltrat und Schuppung, an der gesamten rechten Ferse derbes Infiltrat mit grober Schuppung und zwei tiefen Rhagaden festgestellt. Er äußerte den Verdacht auf primär beruflich induzierte Erstmanifestation eines Ekzems an den Händen infolge beruflicher Exposition gegenüber Irritantien und Allergenen im Friseurberuf bei atopischer Hautdiathese, Verdacht auf beruflich bedingte Sensibilisierung gegenüber Allergenen im Friseurberuf, Verdacht auf Psoriasis provocata an den Händen auf der Grundlage vorgenannten, berufsbedingten Ekzems infolge fortgesetzter Exposition gegenüber Irritantien im Rahmen einer Tätigkeit als Frühstücksköchin, Verdacht auf arbeitsbedingte Atemwegsallergose. Gesichert sei, dass sowohl im Friseurberuf als auch bei der Tätigkeit als Köchin berufliche Expositionen bestanden hätten, die imstande seien, ein Kontaktekzem im Sinne einer irritativ-degenerativen Handdermatose als auch im Sinne eines allergischen Kontaktekzems hervorzurufen. Während die Exposition gegenüber Friseurchemikalien annähernd ausreichend charakterisiert sei, gelte dies nicht für die Tätigkeit als Köchin. Hier hätte der Technische Aufsichtsdienst (TAD) eingeschaltet werden müssen. Die bisherigen Ergebnisse der Epikutantestungen seien widersprüchlich, weshalb auf eine erneute Durchführung von Epikutantestungen gedrungen worden sei. Die Exposition gegenüber Reinigungsmitteln und anderen Schadstoffen am Arbeitsplatz als Frühstücksköchin sei ungeklärt. Aufgrund des aktenkundigen Ausprägungsgrads, der jetzt erhobenen klinischen Befunde und der glaubwürdigen Anamnese sei schon wegen der Dauer der Hauterscheinungen von einer schweren Hauterkrankung auszugehen. Deshalb sei der Zwang zur Aufgabe der schädigenden Tätigkeit zu unterstellen.

Die Beklagte hat eine Stellungnahme des TAD vom 17. Oktober 2005 vorgelegt, welche sich mit einem Ermittlungsbericht vom 10. Oktober 2005 auseinandersetzt. Im Bericht wird unter anderem ausgeführt, dass die Klägerin bei ihrer Tätigkeit einen erheblichen Umgang mit Feuchtigkeit durch häufige Händereinigungen und häufige Reinigungstätigkeiten gehabt und Feuchtarbeit vorgelegen habe. In einer im Anschluss eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 11. Februar 2006 hat Dr. R auch dieses Ermittlungsergebnis als unbefriedigend bezeichnet, weil weder Namen noch Hersteller benutzter Haushaltschemikalien ermittelt worden seien, was für Nachforschungen bezüglich eventueller Allergeninhalte unerlässlich sei.

Das SG hat einen Befundbericht des Hautarztes und Allergologen Dr. F vom 12. April 2005 und aufgrund Beweisanordnung vom 28. Juni 2006 das unter dem 18. Dezember 2006 erstellte schriftliche Sachverständigengutachten von Prof. Dr. N, Chefarzt der Klinik für Dermatologie und Allergologie der Klinikum E Gemeinnützige GmbH eingeholt. Prof. Dr. N hat anlässlich seiner Untersuchungen vom 13. bis zum 16. November 2006 neben so genannten Tüpfeln an den Fingernägeln der rechten Hand eine Rötung am rechten Handgelenk von einem Durchmesser von drei cm sowie dishidrosiforme trockene Bläschen nebst diffuser Rötung an der linken Fußsohle festgestellt und die übrige Haut frei von pathologischen Erscheinungen gefunden. Er hat eine ergänzende Epikutantestung veranlasst, wobei eine ausgeprägte Sensibilisierung auf Nickelsulfat, keine solche gegen Paraphenylendiamin, keine gegen Latex, keine gegen Chlorhexidingluconat sowie eine recht schwache auf Hydrochinon (Friseurstoff) festgestellt wurde. Man könne davon ausgehen, dass zur Zeit der Tätigkeit als Friseurin und als Köchin ein kumulativ-toxisches Ekzem bestanden habe, welches eine Psoriasis vulgaris (Schuppenflechte) zur Auslösung gebracht habe, welche nun berufsunabhängig weiter bestehe. Dieses – heutige – Beschwerdebild stimme nicht mit demjenigen aus den 90-iger Jahren überein, als die Klägerin als Friseurin und Kantinenkraft tätig gewesen sei. Die starke Belastung der Haut der Hände während der Tätigkeit als Friseurin (Feuchtarbeit) habe zunächst zu einem so genannten kumulativ-toxischen Handekzem geführt, welches durch die Schädigung der Hautbarriere bei Feuchtarbeit zustande gekommen sei. Wenn die Haut über lange Zeit (in Stunden pro Tag) Feuchtigkeit ausgesetzt sei, komme es zu einer Barriereschädigung im Bereich der Hornschicht, was das Eindringen von Substanzen, die sonst durchaus gut vertragen würden, erleichtere und dann zu einem Handekzem führe. Im Rahmen einer solchen starken Irritation könne dann, wenn eine genetische Veranlagung dafür vorliege, auch eine Schuppenflechte erstmalig zum Ausbruch kommen. Dies sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bei der Klägerin der Fall gewesen, was letztlich nicht nur für die Zeit Friseurin, sondern auch als Kantinenkraft zutreffe. Unabhängig von der Belastung der Hände sei es auch zum Auftreten einer Schuppenflechte im Bereich der Füße gekommen, wobei an dieser Stelle keine berufsbedingte Verursachung angenommen werden könne. Da die Schuppenflechte eine genetisch verankerte immunologische Erkrankung sei, müsse davon ausgegangen werden, dass diese Erkrankung auf Dauer bestehen bleibe, das Ausmaß jedoch in hohem Maße von einer adäquaten Therapie beeinflussbar sei. Ohne die berufsbedingte Belastung der Hände wäre es mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zum Auftreten der Schuppenflechte der Hände zu dem früheren Zeitpunkt gekommen. Nachdem die Klägerin nun schon über viele Jahre nicht mehr in einem hautbelastenden Beruf tätig sei, seien die Gesundheitsschäden der Hände so weit zurückgegangen, dass keine wesentlichen Funktionseinschränkungen mehr bestünden. Während der 90-iger Jahre seien die Hautveränderungen als schwer zu klassifizieren, weil sie von außerordentlich langer Dauer gewesen seien. Die ständige Irritation der Hände durch die berufliche Tätigkeit sei letztlich so ausgeprägt gewesen, dass andauernde Hautveränderungen resultierten, die auch in der arbeitsfreien Zeit dauernd weiter bestanden hätten. Insofern habe der objektive Zwang zur Aufgabe der seinerzeitigen beruflichen Tätigkeit als Friseurin bzw. als Kantinenkraft bestanden. Zum jetzigen Zeitpunkt bestünden keine Funktionseinschränkungen mehr. Prof. Dr. N hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21. März 2007 ausgeführt, unterstellt, dass die Klägerin keinerlei Schutzmaßnahmen oder auch therapeutische Interventionen durchgeführt habe, könne man spekulieren, dass unter einer adäquaten Behandlung vielleicht eine derartige Besserung aufgetreten wäre, dass die Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit nicht unabdingbar zu fordern gewesen wäre.

Das SG hat mit Urteil vom 31. Juli 2008 unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide das Vorliegen einer BK 5101 ab 15. Februar 2000 festgestellt und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 01. April 2000 Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV zu gewähren. Es hat sich hinsichtlich des feststellenden Teils im Wesentlichen auf die Ausführungen Prof. Dr. N bezogen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 15. August 2008 zugestellte Urteil am 01. September 2008 Berufung eingelegt. Grundsätzlich sei eine Ursächlichkeit der beruflichen Tätigkeit für die Hauterkrankung der Klägerin gegeben. Insoweit sei Prof. Dr. N zu folgen. Gleichwohl sei die BK 5101 abzulehnen, weil es am objektiven Unterlassungszwang fehle, weil andere Mittel zur Verfügung gestanden hätten, durch die hätte sichergestellt werden können, dass ein Versicherter die betreffende Tätigkeit weiter ausüben könne. Insofern sei auf die – beigefügte – Stellungnahme des Hautschutzzentrums B vom 02. September 2008 zu verweisen, wonach nicht zu erkennen sei, dass Arbeitsschutzmaßnahmen oder eine adäquate Therapie in ausreichender Weise zum Einsatz gekommen seien. Gleichfalls lasse sich nicht mit der nötigen Sicherheit die Schwere der Hauterkrankung beurteilen, die in keinem Fall differenziert zeitnah in Bezug auf die beklagte Hauterkrankung beschrieben worden sei. Auch könne nach Aktenlage eine Rückfälligkeit nicht belegt werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 31. Juli 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie behauptet, dass sie von 1991 bis 2000 wegen der Hauterkrankung in keiner ärztlichen Behandlung gewesen sei, weil die Schuppenflechte erstmalig im November 1999 aufgetreten sei. Von 1991 bis zum Ausbruch der Schuppenflechte habe sie immer wieder Hautveränderungen in Form von Rötung, Trockenheit und Juckreiz gehabt, die durch herkömmliche Hand-pflegemittel zu behandeln gewesen seien.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat zu Unrecht das Vorliegen einer BK 5101 festgestellt und die Beklagte zu Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV verurteilt. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der BK 5101 liegen nicht vor.

Nach § 9 Abs. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) sind Berufskrankheiten solche Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet hat und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Dazu gehören die unter der Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV genannten schweren oder wiederholt rückfälligen Hauterkrankungen, welche zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Hierbei ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – ausreicht (BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 15).

Hieran gemessen lässt sich die BK 5101 im Fall der Klägerin nicht bejahen, auch wenn bei der Klägerin eine Hauterkrankung vorliegt. Es fehlt am erforderlichen Vollbeweis der geforderten Schwere der Hautveränderungen bzw. der wiederholten Rückfälligkeit sowie des Zwangs zur Unterlassung aller Tätigkeiten.

Beurteilungskriterien für die Schwere der Hauterkrankung sind das klinische Bild (bei akutem Ekzem Bläschenschübe, Ödem, Rötung, Erosionen und Superinfektionen bzw. bei chronischem Ekzem tiefe Rhagaden, Erosionen, Licheninfikationen), das Beschwerdebild (Schmerzhaftigkeit, Bewegungseinschränkung, Juckreiz, Brennen, Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens), die Ausdehnung (über Kontaktorgan hinaus oder bei Exposition großer Areale Z. Bsp. aerogenes allergisches Kontaktekzem oder bei Typ-I-Reaktionen z. Bsp. generalisierte Urtikaria), der Verlauf (schlechte Heilungstendenz - trotz Therapie und Hautschutz - bei Notwendigkeit stationärer Heilbehandlung oder Einsatz systemischer Corticoide bzw. Rezidivneigung und zeitliche Ausdehnung, auch mehrfach über ein halbes Jahr hinweg) und die Dauer der Erkrankung (mindestens sechs Monate) (Merkblatt für die ärztliche Untersuchung bei der BK-Nr. 5101, BArbBl. 6/1996 S. 22; Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Kap. 11.3.5.5, S. 872 ff.). Es kann auch eine nicht schwere Erscheinungsform in diesem Sinne schwer sein, wenn sie über längere Zeit ununterbrochen bestanden hat und behandlungsbedürftig war (Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, a.a.O., S. 872).

Vorliegend fehlt es schlichtweg an objektiven Befunden für eine schwere Erkrankungsform aus der Zeit der angeschuldigten beruflichen Exposition. Die Klägerin selbst berichtet hinsichtlich der Zeit von 1991 bis November 1999 lediglich über Hautveränderungen in Form von Rötung, Trockenheit und Juckreiz, die durch herkömmliche Handpflegemittel zu behandeln gewesen seien, weshalb sie nicht zum Arzt gegangen sei. Die ab Februar 2000 erstellten ärztlichen Befunde geben ebenfalls nichts für eine Schwere im vorstehenden Sinne her. Dem Arztbrief des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. H vom 06. März 2000 lässt sich kein objektiver Befund entnehmen. Dr. W berichtete lediglich von einer einmaligen Vorstellung der Klägerin am 15. Februar 2000 mit ekzematösen Hauterscheinungen an beiden Händen und diagnostizierte damals lediglich V.a. irritative Dermatitis bzw. degeneratives Handekzem, ohne dies zum Anlass zu nehmen, der Klägerin Arbeitsunfähigkeit zu attestieren. Dr. M führt in seinem unter dem 15. Januar 2002 aufgrund von Untersuchungen vom 13. bis zum 15. November 2001 für die Beklagte erstatteten Gutachten aus, dass nach Angaben der Klägerin die Hauterkrankung in Form von Hautekzemen an beiden Händen erstmals im Dezember 1991 auftrat, ohne selbst gegenwärtig stärkere Hauterscheinungen festzustellen. Zwar lassen sich dem Befundbericht vom Hautarzt und Allergologen K vom 06. Juni 2002, bei welchem die Klägerin vom 28. Juni 2000 bis zum 07. September 2000 in Behandlung war, Anhaltspunkte für eine klinische Symptomatik entnehmen, indem dort nach Angaben der Klägerin ab Dezember 1999 Rötung und Krusten beschrieben sowie Rötung, Schuppen, Bläschen befundet werden. Der Befundbericht gibt indes nichts für ein ausgeprägtes Beschwerdebild, den Grad der Ausdehnung, den Verlauf oder die Dauer her. Auch der Behandlungszeitraum von weniger als zweieinhalb Monaten spricht gegen eine schwere Verlaufsform. Der Sachverständige Dr. R hat am 09. und 16. Dezember 2002 lediglich an der rechten Hand Rötung und Infiltrat und einzelne ältere gelbliche Pusteln und an der linken Hand Rötung mit Infiltrat und Schuppung befundet; er hat lediglich an der rechten Ferse eine schwere, berufsunabhängige Verlaufsform feststellen können, indem er auf ein derbes Infiltrat mit grober Schuppung und zwei tiefen Rhagaden hingewiesen hat. Prof. Dr. N hat anlässlich seiner Untersuchung vom 13. bis zum 16. November 2006 neben so genannten Tüpfeln an den Fingernägeln der rechten Hand lediglich eine Rötung am rechten Handgelenk von einem Durchmesser von drei cm festgestellt und die übrige Haut bis auf den linken Fuß frei von pathologischen Erscheinungen gefunden. Vor diesem Hintergrund vermag auch die Vermutung Prof. Dr. Ns, wonach während der 90-iger Jahre die Hautveränderungen als schwer zu klassifizieren seien, weil sie von außerordentlich langer Dauer gewesen seien, nicht den erforderlichen Vollbeweis zu erbringen, weil es insofern an einem geeigneten, objektiv bewiesenen Befund fehlt.

Auch das Merkmal „wiederholt rückfällig“, welches mindestens drei gleichartige Krankheitsschübe voraussetzt, wobei in der Zwischenzeit über einige Zeit weder Behandlungsbedürftigkeit noch Arbeitsunfähigkeit bestanden haben dürfen (vgl. Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, a.a.O., Kap. 11.3.5.5.2, S. 874), lässt sich bei der Klägerin nicht im Sinne des Vollbeweises feststellen. Es finden sich hierfür nur zwei valide Befunde. Hierzu zählt der Befund Dr. Ws indes von vornherein nicht, welcher von einer einmaligen Vorstellung der Klägerin am 15. Februar 2000 mit ekzematösen Hauterscheinungen an beiden Händen berichtet. Diese Feststellungen erscheinen nicht hinreichend stichhaltig, weil schon nicht deutlich wird, woran Dr. W die medizinische Wertung als ekzematös festmacht. Demgegenüber lässt sich für die Frage der wiederholten Rückfälligkeit zunächst nur der Befundbericht des Hautarztes und Allergologen K vom 06. Juni 2002 heranziehen, bei welchem die Klägerin vom 28. Juni 2000 bis zum 07. September 2000 in Behandlung war. Hier wird in der Tat ein eindeutiger Befund beschrieben (Rötung, Schuppen, Bläschen). Davon abgesehen lässt sich für das Kriterium „wiederholt rückfällig“ wohl nur noch auf den am 09. und 16. Dezember 2002 erhobenen Befund des Sachverständigen Dr. R verweisen, welcher an der rechten Hand Rötung und Infiltrat und einzelne ältere gelbliche Pusteln und an der linken Hand Rötung mit Infiltrat und Schuppung festgestellt hat. Bei alldem steht dem Merkmal „wiederholt rückfällig“ entgegen, dass sich den vorstehenden Befunden Dr. Ws und des Arztes K jedenfalls nicht entnehmen lässt, ob in der Zwischenzeit über einige Zeit weder Behandlungsbedürftigkeit noch Arbeitsunfähigkeit bestand.

Schließlich scheitert der Anspruch auf Anerkennung einer BK 5101 der Anlage zur BKV daran, dass kein Unterlassungszwang der gefährdenden Tätigkeiten gegeben ist. Ein Zwang zum Unterlassen der bisher ausgeübten hautbelastenden Tätigkeiten ist nur zu bejahen, wenn andere Möglichkeiten der Abhilfe objektiv nicht genügen oder nicht realisierbar sind. Als solche Möglichkeit der Abhilfe sind insbesondere Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 BKV zu prüfen, weil die Unfallversicherungsträger der Gefahr, dass eine BK entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken haben. Dasselbe Ergebnis folgt aus dem allgemeinen Grundsatz „Rehabilitation statt Rente“. Als geeignete Maßnahmen gemäß § 3 Abs. 1 BKV kommen in Betracht: technische und organisatorische Maßnahmen, persönliche Schutzmaßnahmen wie Schutzkleidung und Hautpflegemittel, medizinische Maßnahmen durch vorbeugende, ambulante oder stationäre Heilbehandlung, Aufklärung, Beratung, Unterweisung zum Beispiel über hautschonende Arbeitsweisen (Dr. Becker, in: Neue Zeitschrift für Sozialrecht 2004, S. 617, 620; vgl. auch Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, a.a.O., Kap. 11.3.5.6.1, S. 875 ff.).

Hieran gemessen schöpfte die Klägerin die zu Gebote stehenden medizinischen Maßnahmen nicht einmal ansatzweise aus, indem sie sich erstmals im Februar 2000 und damals - unmittelbar vor tatsächlicher Aufgabe ihrer Tätigkeit als Kantinenkraft – auch nur einmal bei Dr. W in ärztliche Behandlung begab, ohne sich fortan einer konsequenten Therapie zu unterziehen, sondern sich dann nur noch einmal bei Dr. H vorzustellen. Auch Prof. Dr. N konnte sich in seiner ergänzenden Stellungnahme nicht dazu durchringen, auszuschließen, dass etwa medizinische Maßnahmen keine Abhilfe hätten schaffen können. Dr. M verwies in seinem unter dem 15. Januar 2002 erstatteten Gutachten ausdrücklich darauf, dass die medizinisch indizierten Schutz- bzw. Behandlungsmaßnahmen - Hautschutz, Handschuhe, Unterweisung zu hautschonender Arbeitsweise, Sanierung/ Überprüfung des Arbeitsplatzes, stationäres Heilverfahren - nicht durchgeführt wurden.

Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Frage, ob sich die Hauterscheinungen der Klägerin überhaupt auf ihre beruflichen Tätigkeiten zurückführen lassen, nicht mehr an.

Eine Entschädigung nach § 3 Abs. 2 BKV – wie vom SG im angefochtenen Urteil dem Grunde nach ausgeworfen – kommt mangels Feststellbarkeit einer BK 5101 von vornherein nicht in Betracht, und zwar unabhängig davon, ob insofern überhaupt eine gerichtlich überprüfbare, sich auf eine konkrete Entschädigungsleistung beziehende Verwaltungsentscheidung vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG vorliegen.