Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 20. Senat | Entscheidungsdatum | 12.06.2012 | |
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Aktenzeichen | L 20 AS 947/12 B PKH | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 44 SGB 10 |
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 23. Februar 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht (SG) hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) zu Recht abgelehnt.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung - ZPO - erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe - PKH -, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Die vom Kläger im Verfahren der Hauptsache vor dem Sozialgericht Cottbus zum Aktenzeichen S 25 AS 544/11 erhobene Klage, mit der nach dem unter dem 09. Mai 2011 erstmals angekündigten Klageantrag die Verpflichtung des Beklagten zur Überprüfung von 11 (erstmals in dem Verfahren) benannten Bescheiden ab 10. Januar 2006 unter Aufhebung des die Überprüfung nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X – ablehnenden Bescheides des Beklagten, hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Beklagte war zu einer inhaltlichen Prüfung der im Einzelnen nicht benannten Verwaltungsentscheidungen auf der Grundlage von § 44 SGB X nicht verpflichtet und durfte daher mit den angefochtenen Bescheiden den Antrag des Klägers ablehnen.
Hinsichtlich des Rücknahmeverfahrens nach § 44 SGB X gilt, dass die Behörde auf einer ersten Stufe zunächst zu prüfen hat, ob sie in eine erneute Sachprüfung eintreten muss, und zwar - mangels ausdrücklicher Regelung im SGB X - in entsprechender Anwendung von
§ 51 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) (ständige Rechtsprechung des BSG: vgl. Urteile vom 11.11.2003 - B 2 U 32/02 R - Juris; vom 3.2.1988 - 9/9a RV 18/86 = BSGE 63, 33; vom 28.1.1981 - 9 RV 29/80 = BSGE 51, 139 - jeweils m.w.N.). Ergibt sich im Rahmen eines Antrages auf Zugunstenbescheid nichts, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung berufen (BSGE 63, 33 m.w.N.). Vorliegend durfte der Beklagte mangels entsprechenden Vorbringens des Klägers von einer Sachprüfung absehen, weil weder ersichtlich ist, welche Bescheide in welchem Umfang überprüft werden sollen, noch unter welchem Gesichtspunkt "im Einzelfall" (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X) sich ein Rücknahmeanspruch des Klägers ergeben könnte. Der Kläger hat mit seinem Antrag nicht die Überprüfung eines Bescheides unter Darlegung konkreter Gründe geltend gemacht, sondern hat die Überprüfung einer nicht benannten und daher nicht bestimmbaren Anzahl von Verwaltungsakten mit Verfügungssätzen begehrt, nämlich die Nachprüfung eines Verwaltungshandelns überhaupt. Dies löst ohne weitere Mitwirkung des Klägers, die hier nicht erfolgt ist, keine Verpflichtung des Beklagten aus, von Amts wegen in die inhaltliche Prüfung einzutreten. Der Senat verweist auf die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 29.09.2011, L 29 AS 728/11, juris, (Bundessozialgericht – BSG – vom 14. März 2012, Aktenzeichen B 4 AS 239/11 B; vgl. auch: LSG Berlin-Brandenburg v. 22.11.2011, L 34 AS 2050/11 B, juris, Rn. 3 m.w.N.). Soweit das BSG mit Entscheidung vom 05. September 2006 (B 2 U 24/05 R, juris) die Auffassung vertreten hat, bei einer begehrten Überprüfung wegen falscher Rechtsanwendung (§ 44 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB X) handele es sich um eine reine Überprüfung der Rechtsmäßigkeit der Entscheidung, zu der seitens des Klägers Gesichtspunkte nicht beigesteuert werden könnten und es dafür nicht auf die Benennung von Tatsachen ankommen könne, führt dies im vorliegenden Fall jedenfalls nicht zu einem anderen Ergebnis. Vorliegend hat der Kläger durch seinen pauschalen Antrag nach § 44 SGB X nicht einmal deutlich gemacht, ob er eine Rechtsprüfung begehrt oder von einem anderen/geänderten Sachverhalt auszugehen sei. Die Prüfung der Einkommensanrechnung bzw. des Abzuges der Warmwasserpauschale kann aus beiden Gründen begehrt werden, so dass auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zumindest im Antrag anzugeben wäre, ob ausschließlich eine Rechtsprüfung begehrt wird. Ohne diese Anforderung hätte andernfalls die Behörde bei pauschalen Anträgen ohne Begründung regelmäßig eine Prüfung durchzuführen, obwohl sie entsprechend dem Umfang des Vorbringens der Betroffenen in eine erneute Prüfung eintreten soll (BSG v. 05.09.2006, B 2 U 24/05 R, a.a.O., Rn. 12).
Soweit der Kläger erstmals im Klageverfahren zu überprüfende Verwaltungsentscheidungen konkret bezeichnet, ändert dies nichts an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, da auch mit der Aufzählung der seit 2006 von dem Beklagten erlassenen Bescheide nicht dargelegt ist, aus welchen Gründen die einzelnen Verfügungen von dem Kläger beanstandet werden und von dem Beklagten abgeändert oder aufgehoben werden sollen. Die bloße Nennung von zehn Verwaltungsentscheidungen ohne nähere Darlegung, welche Verfügungssätze im Einzelnen aus welchen Gründen zu überprüfen sein sollen, verpflichten hier den Beklagten nicht zu einer inhaltlichen Prüfung.
Auch ist der Kläger im Antragsverfahren nicht seinen Mitwirkungsobliegenheiten im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X nachgekommen; die im Schreiben vom 21. Dezember 2010 angeführten „Stichworte“ reichten nicht aus, um den Beklagten zu einer inhaltlichen Prüfung zu verpflichten. Soweit der Kläger mit dem Antrag pauschal die Überprüfung der Kosten der Unterkunft und Heizung insbesondere hinsichtlich des Abzuges der Warmwasseraufbereitungskosten, ferner die Einkommensanrechnung, insbesondere eines Einkommensüberhangs aus Kindergeld sowie eine Überprüfung der Einkommensfreibeträge und des Werbungskostenabzugs, begehrt und weiter ausgeführt hat, er begehrte die Überprüfung der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide hinsichtlich ihrer formellen und materiellen Rechtmäßigkeit, reicht dieses Vorbringen in der Allgemeinheit nicht aus, um den Beklagten in die Lage zu versetzen, seine Verfügungen zu überprüfen.
Der Kläger verkennt, dass das Verfahren nach § 44 SGB X nicht ein Verfahren zur generellen Überprüfung eines von der Verwaltung abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens ist. § 44 SGB X kann zur Korrektur einer bestandskräftigen Regelung führen und kann damit in die grundsätzlich wirkende Bestandskraft von unanfechtbar gewordenen Verwaltungsentscheidung eingreifen. Das Verfahren betrifft damit auch die Verlässlichkeit von verwaltungsmäßig abgeschlossenen Sachverhalten. Vor diesem Hintergrund verbietet sich eine Auslegung des § 44 SGB X dahin, die Regelung als Grundlage für einen Anspruch auf ein neues Verwaltungsverfahren trotz bestandskräftiger Entscheidung heranzuziehen. Deshalb stellt der Wortlaut auch auf eine „im Einzelfall“ sich ergebende Änderung der Sach- und Rechtslage nach Erlass einer ein früheres Verwaltungsverfahren bindend abschließenden Regelung ab. Hat eine Behörde - wie hier - durch mehrere mit Begründungen versehene Verwaltungsakte in der Vergangenheit das Sozialleistungsverhältnis geregelt, genügt es jedenfalls nicht zur Darlegung eines Korrekturerfordernisses trotz eingetretener Bindungswirkung, Berechnungselemente zu benennen, die bei der Bemessung der Sozialleistung möglicherweise eingeflossen sind, ohne konkreter darzulegen, aus welchen Umständen sich eine falsche Rechtsanwendung und ein bei der früheren Entscheidung unzutreffend zugrunde gelegter Sachverhalt ergeben soll. Zu Recht hat sich daher im vorliegenden Fall der Beklagte mit Schreiben vom 04. Januar 2011 an den Verfahrensbevollmächtigten des Klägers mit der Bitte um nähere Konkretisierung gewandt. Die Beantwortung dieser Anfrage unter dem 07. Januar 2011 in der Form eines Stempelaufdrucks mit dem Inhalt „Es sollen sämtliche Bescheide auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden. Vollmacht liegt an. Rechtsanwalt …“ auf dem Anschreiben des Beklagten und Rücksendung desselben mag zwar von dem Prozessbevollmächtigten und damaligen Verfahrensbevollmächtigten als wirtschaftlich angesehen werden, reicht aber jedenfalls nicht aus, um den Beklagten in die Lage zu versetzen, eine Überprüfung „im Einzelfall“ nach § 44 SGB X vorzunehmen.
Die Erfolgsaussichten des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht sind auch nicht deshalb zu bejahen mit der Folge, dass dem Kläger Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, weil bezüglich der Anforderungen eines Antrages nach § 44 SGB X in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten werden (so aber LSG Berlin-Brandenburg v. 22.12.2011, L 34 AS 2050/11 B, a.a.O., Rn. 4). Abzustellen ist bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten auf den laufenden Prozess vor dem erkennenden Gericht, die Erfolgsprognose ist hier also vom Senat anzustellen. Danach ist hier keine Erfolgswahrscheinlichkeit gegeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.