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Filmförderung; Filmabspielförderung; Modernisierung und Verbesserung; Neuerrichtung; Abgrenzung; Strukturverbesserung; Strukturveränderung; Einstellung des bisherigen Kinobetriebs; (vorübergehende) Schließung eines Kinobetriebes; Dauer der Schließung; Umbaumaßnahmen; Erweiterung des Kinos; Änderung des Umfelds während der Schließzeit; "Jahrhunderthochwasser"; unverschuldete Schließung; Verdrängungswettbewerb; Unterversorgung; Kinobesucher aus benachbarten Gemeinden; Kinositzplätze; Kinos in benachbarten Gemeinden


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 14.05.2014
Aktenzeichen OVG 6 B 25.13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 113 Abs 5 S 1 VwGO, § 56 Abs 1 S 1 Nr 1 FFG

Leitsatz

Zur Abgrenzung einer "Neuerrichtung" von einer "Modernisierung" im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FFG.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. November 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin beantragte im März 2012 bei der Filmförderungsanstalt eine Förderungshilfe zur Finanzierung des Vorhabens: „Komplett Renovierung und Modernisierung (3 Leinwände) sowie Einrichtung 2 neuer Leinwände“ mit fünf Sälen und 555 Sitzplätzen für ihr Kino „T...“ in B... in Höhe von insgesamt 190.000 Euro.

Das Kino wurde in dem Gebäude errichtet, in dem zuvor ein anderer Pächter das Kino „N...“ mit drei Sälen und 450 Sitzplätzen betrieben hatte. Dieses Kino war am 13. Januar 2011 wegen des sog. „Jahrhunderthochwassers“ geschlossen worden. Das geschlossene Kino wurde später von der Klägerin übernommen, die im April 2012 mit den Bauarbeiten für das Kino begonnen und es Ende Oktober/Anfang November 2012 fertig gestellt hat.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 2. Oktober 2012 ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2013 mit der Begründung zurück, das geplante Vorhaben stelle die Neuerrichtung eines Kinos dar, zumal sich während der Schließzeit auch das Umfeld verändert habe, weil das andere Kino in B..., das „U...-Kino“, um mehrere Säle erweitert worden sei. Die für die Förderung einer Neuerrichtung erforderliche Strukturverbesserung sei nicht gegeben.

Die hiergegen am 22. April 2013 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 19. November 2013 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Klägerin stehe der Anspruch auf die begehrte Förderung nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 des Filmförderungsgesetzes - FFG - nicht zu. In Betracht komme nur eine Förderungshilfe zur Neuerrichtung von Filmtheatern, die voraussetze, dass das Vorhaben der Strukturverbesserung diene. Daran fehle es. Die unter erleichterten Voraussetzungen zu gewährende Förderhilfe zur Modernisierung und Verbesserung von Kinos scheide aus. Das Kino der Klägerin sei als „neues“ Kino anzusehen. Das ergebe sich aufgrund von Art, Umfang und Dauer der baulichen Maßnahmen. Die damit für einen Anspruch auf Förderung erforderliche Strukturverbesserung könne hier nicht angenommen werden.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung, mit der Begründung: Bei ihrem Vorhaben handele es sich um keine Neuerrichtung im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FFG. Eine Neuerrichtung setze voraus, dass der Betrieb des früheren Kinos endgültig und nach außen wahrnehmbar aufgrund einer unternehmerischen Willensentscheidung des Inhabers aufgegeben worden sei. Daran fehle es hier. Zu keinem Zeitpunkt habe der Eigentümer des Gebäudes oder der Betreiber des Kinos den Entschluss gefasst, das Gebäude nicht mehr als Kino zu nutzen. Auch Art und Umfang der durchgeführten Umbaumaßnahmen rechtfertigten nicht die Annahme, es handele sich um eine Neuerrichtung. Die Beseitigung der Hochwasserschäden hätte einzig das Ziel gehabt, den Betrieb des Filmtheaters sobald wie möglich wieder aufzunehmen. Die Umbaumaßnahmen hätten der Verbesserung des Filmtheaters gedient. Die Gebäude seien im Wesentlichen unverändert geblieben. Nur der Anbau zwischen dem Vorderhaus und dem Hinterhaus sei neu errichtet worden. 2/3 der Kubatur des Gebäudes seien unverändert, nur ca. 1/3 der Kubatur entfalle auf den neuen Kinoanbau. Die Dauer der baulichen Maßnahme sei auf das vertretbare Minimum reduziert worden. Zu keinem Zeitpunkt sei eine Unterbrechung eingetreten, die den Schluss rechtfertigen könnte, die Nutzung des Gebäudes als Filmtheater sei endgültig aufgegeben worden. Die Dauer der baulichen Maßnahme sei nicht auf die Aufgabe der Nutzung zurückzuführen, sondern auf technische Probleme bei der Sanierung der Hochwasserschäden und die notwendige Dauer des Genehmigungsverfahrens sowie der anschließenden Bauarbeiten. Die Beklagte habe das Kino der Klägerin in den Jahren 2011 und 2012 jeweils für das gesamte Jahr als Bestand geführt. Die während der Schließzeit des Kinos der Klägerin erfolgte Förderung der Umbaumaßnahmen des U...-Kinos in B... sei rechtswidrig. Bei der Vergabe dieser Fördermittel habe die Beklagte nicht von der dauerhaften Schließung des Kinos der Klägerin ausgehen dürfen. Vor diesem Hintergrund könne die Beklagte der Klägerin nunmehr nicht ein verändertes Umfeld entgegenhalten, um die Förderung zu versagen. Die Beklagte habe das veränderte Umfeld durch die rechtswidrige Förderung des Konkurrenten selbst herbeigeführt. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass die wirtschaftlich sinnvolle Modernisierung mit der Erweiterung um zwei Kinosäle für sich genommen förderfähig gewesen wäre, wie das Beispiel des geförderten Konkurrenzkinos in B... zeige. Zum anderen wäre die bloße Wiederherstellung des Kinos in seinem ursprünglichen Zustand durch Beseitigung der Hochwasserschäden für sich genommen auch förderfähig gewesen. Vor diesem Hintergrund könne die Förderung nicht versagt werden, weil beide Umstände zeitlich aufeinanderträfen. Selbst wenn man von einer Neuerrichtung ausgehe, lägen die Fördervoraussetzungen vor, weil das Vorhaben der Strukturverbesserung diene. In B... habe eine lokale Unterversorgung mit Kinositzplätzen bestanden. Die Zahlen der Beklagten, die vom Verwaltungsgericht herangezogen worden seien, würden zwar nicht bezweifelt, sie seien jedoch nicht aussagekräftig, weil das früher betriebene Kino wegen des Hochwasserschadens ab dem 13. Januar 2011 nicht mehr in Betrieb gewesen sei. Die Zahl der Besucher beziehe sich deshalb nur auf das Konkurrenzkino „U...“ und auf die Zeit vom 1. bis zum 12. Januar 2011 für das Kino der Klägerin. Wären in B... alle sechs Leinwände im ganzen Jahr 2011 betrieben worden, wäre die Zahl der Besucher deutlich höher, ebenso die Zahl der Kinokarten pro Einwohner, der Besucher pro Leinwand und der Besucher pro Sitzplatz. Die Umrechnung der Besucher pro Sitzplatz in den Jahren 2011 und 2012 sei daher ungeeignet, um die Versorgungslage in B... festzustellen. Der Einzugsbereich der Kinos in B... beschränke sich auch nicht auf die Stadt B.... Er umfasse das Umland von B..., das mit Kinos weit unterversorgt sei. Die umliegenden Städte W..., R... und M... hätten eine geringe Kinodichte. Das Verwaltungsgericht gehe auch zu Unrecht davon aus, dass keine Steigerung der Besucherzahlen zu erwarten sei. Diese resultiere u.a. aus den benachbarten Gemeinden. Bis Januar 2011 hätten außerdem 990 Kinositzplätze bestanden. Bis zum Zeitpunkt der Antragstellung der Klägerin seien nur 770 Kinositzplätze vorhanden gewesen. Die Beklagte hätte daher dem Begehren der Klägerin zumindest teilweise entsprechen müssen, zumindest bis die Zahl der Einwohner pro Kinositzplatz im Einzugsbereich der Stadt B... dem bundesweiten Durchschnitt von 103 Einwohnern pro Kinositzplatz entspreche.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. November 2013 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Förderungshilfe. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 2. Oktober 2012 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 21. März 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Für das Begehren der Klägerin ist die Regelung in § 56 Abs. 1 und Abs. 3 FFG anzuwenden in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 (BGBl. I S. 1048) - FFG 2010 -.

Nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 FFG 2009 gewährt die Filmförderungsanstalt Förderungshilfen zur Modernisierung und Verbesserung von Filmtheatern (1. Fall) sowie zur Neuerrichtung, wenn sie der Strukturverbesserung dient und keine Maßnahme nach Satz 2 darstellt (2. Fall).

a) Das Verwaltungsgericht hat hier zu Recht angenommen, dass vorliegend keine Modernisierung oder Verbesserung im Sinne des § 56 Abs. 1 Nr. 1, 1. Fall FFG 2010 vorliegt. Es handelt sich um die Neuerrichtung eines Kinos.

Dem Gesetzeswortlaut selbst lassen sich keine Hinweise dafür entnehmen, nach welchen Kriterien eine Neuerrichtung zu beurteilen ist. Die Annahme, ein Kino werde neu errichtet, ist allerdings durch den Umstand, dass im selben Ort bereits früher ein Kino betrieben worden ist, nicht ausgeschlossen. Diesen Schluss rechtfertigt die Gesetzesbegründung. Darin heißt es hierzu: „Die Förderungshilfen für Filmtheater sollen in Zukunft auch für die Neuerrichtung von Kinos gewährt werden können. Gedacht ist dabei vor allem an Orte, in denen früher ein Kino bestand, das jetzt aber eingestellt worden ist, oder sonstige `kinolose´ Orte, die vom nächsten Ort oder Ortsteil mit Kino unzumutbar weit entfernt sind“ (BT-Drucks. 10/5448, S. 15 zu Nummer 28).

Rein begrifflich verlangt eine „Neuerrichtung“ im Gegensatz zur „Modernisierung“ oder „Verbesserung“, dass bislang an einem Standort entweder kein Kino bestanden hat oder dass der Betrieb eines früheren Kinos eingestellt oder das Kino als solches beseitigt wurde. Um dies feststellen zu können, bedarf es stets einer Würdigung der gesamten relevanten Umstände des Einzelfalls. Bestimmte einzelne Kriterien, aus denen zwingend in der einen oder anderen Hinsicht Folgerungen zu ziehen sind, verbieten sich. Im Rahmen der gebotenen Gesamtschau spielen dabei regelmäßig mehrere verschiedene Aspekte gemeinsam eine tragende Rolle. Hierzu zählt beispielsweise, ob der bisherige Kinobetreiber den Betrieb des fraglichen Kinos endgültig und nach außen wahrnehmbar aufgrund einer unternehmerischen Willensentscheidung aufgegeben hat. Dieser Umstand genügt für sich genommen jedoch nicht für die Annahme, ein Kino werde neu errichtet. Denn es ist denkbar, dass auch nach der Geschäftsaufgabe ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung ein neuer Betreiber den Kinobetrieb unverändert wieder aufnimmt. Es liegt auf der Hand, dass in solcher Konstellation von einer Neuerrichtung nicht die Rede sein kann, zudem nur von einem Betreiberwechsel. Gewicht hat insoweit weiter die Dauer der Schließung eines Kinobetriebes. Dies gilt namentlich mit Blick auf die für die Gewährung von Förderhilfen bei Neuerrichtung geforderte Strukturverbesserung. Daraus wird ersichtlich, dass maßgeblich auf die im Zeitpunkt der Beantragung der Förderung bzw. deren Bewilligung bestehende Struktur, also die Kinolandschaft einer Region oder Gemeinde abzustellen ist. Das Merkmal der Neuerrichtung knüpft daher (auch) daran, ob durch die fragliche Maßnahme in die bestehende Kinolandschaft strukturverändernd eingegriffen wird. Bei der nur vorübergehenden Schließung eines Kinos von einigen Monaten wird man von einer veränderten Kinostruktur der betroffenen Gemeinde oder Region in der Regel noch nicht sprechen können. Je länger eine solche Schließung andauert, desto eher verfestigt sich demgegenüber das Fehlen des früheren Kinos im Sinne einer Strukturveränderung und desto eher können andere Veränderungen in der Kinolandschaft eingetreten sein. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang deshalb auch, ob sich während der Schließzeit des fraglichen Kinos das die regionale Kinostruktur bildende Umfeld verändert hat. Liegt eine Strukturveränderung vor, spricht dies für eine Neuerrichtung. Weitere Kriterien für die Frage einer Neuerrichtung können zudem der Umfang und die Art der durchgeführten baulichen Maßnahmen sein. Je umfangreicher die bestehende bauliche Substanz eines Kinos verändert wird und je deutlicher sich deren baulicher Charakter verändert, desto eher ist anzunehmen, dass es sich bei den baulichen Maßnahmen nicht lediglich um eine Modernisierung oder Verbesserung, sondern um eine Neuerrichtung handelt.

b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist mit dem Verwaltungsgericht und der Beklagten vorliegend von einer Neuerrichtung des von der Klägerin in B... betriebenen Kinos „T...“ auszugehen. Anders als die Klägerin geltend macht, betreibt sie nicht lediglich das „N...“ in neuem, modernisiertem Gewand weiter. Der von ihr betriebene „T...“ ist ein dem Charakter nach neues Kino, das mit dem bisherigen „N...“ lediglich den Standort gemeinsam hat. Dies ergibt die gebotene Gesamtschau anhand der aufgezeigten Kriterien.

Der Betrieb des N... ist am 13. Januar 2011 infolge des sog. Jahrhunderthochwassers eingestellt worden. Dass der frühere Eigentümer des Grundstücks, Herr P..., auch nach Schließung des N... die Absicht gehabt haben mag, das Grundstück wiederum für einen Kinobetrieb zu verpachten, ändert hieran nichts. Das „N...F...“ wurde seinerzeit nicht von Herrn K... als Eigentümer des Grundstücks, sondern von der Familie E... betrieben, die das Grundstück von ihm bis zur einvernehmlichen Aufhebung des Vertrages und Übergabe des geräumten Kinos im Februar 2012 gepachtet hatte. Der frühere Eigentümer, Herr K..., hat das Grundstück im Februar 2012 an die L... Immobilien Besitz- und Verpachtungs GmbH & Co. KG veräußert, die es im März 2012 an die Klägerin verpachtet hat. Bei diesem Betreiberwechsel handelte es sich nicht lediglich um den Übergang ein und desselben Kinos von einem Betreiber auf den nächsten, sondern um eine Veräußerung unter gänzlich anderen Voraussetzungen als die bisherige Gebrauchsüberlassung. Darüber hinaus waren die nach der Betriebseinstellung im Januar 2011 vorgenommenen baulichen Veränderungen ihrer Art und ihrem Umfang nach denkbar weitgehend. Das Gebäude wurde nach der Stellungnahme des von der Klägerin beauftragten Architekten vom 14. November 2013 mehr oder weniger entkernt. Von dem früheren N... ist demnach bis auf die Grundmauern des Gebäudes nichts übrig geblieben. Auch hinsichtlich des Baukörpers hat es nicht unerhebliche Änderungen gegeben. Nach dem Vortrag der Klägerin waren der frühere an der Straße gelegene und der rückwärtige Baukörper durch einen Verbindungsbau verbunden. Dieser sei abgebrochen worden und an seine Stelle ein Kinoanbau getreten. Die ursprünglich bestehenden drei Kinosäle mit 450 Sitzplätzen wurden zu fünf Kinosälen mit 555 Sitzplätzen umgebaut. Dass die Kubatur des Gebäudes nach dem Vortrag der Klägerin zu 2/3 unverändert geblieben sei, rechtfertigt vor diesem Hintergrund keine abweichende Einschätzung. Ihre bauliche Veränderung um etwa 1/3 ist in der Gesamtschau mit allen anderen Umbaumaßnahmen erheblich. Schließlich kommt hinzu, dass bei einer von Mitte Januar 2011 bis Ende Oktober 2012, also rund 21 ½ Monate währenden Einstellung des Kinobetriebs am Standort der Klägerin nicht mehr von einer lediglich vorübergehenden, typischerweise der Modernisierung dienenden Schließung ausgegangen werden kann. Es muss vielmehr angenommen werden, dass das bisherige am dortigen Standort betriebene Kino zum Zeitpunkt der Neueröffnung des von der Klägerin betriebenen Kinos von der Bildfläche verschwunden war und sich die Struktur der Kinolandschaft in Backnang entsprechend verändert hatte. Die Gründe für diesen langen Schließungszeitraum sind dabei unerheblich. Insbesondere spielt es keine Rolle, ob die Klägerin bzw. der Voreigentümer oder der frühere Betreiber alles getan haben, um die Hochwasserschäden so schnell wie möglich zu beseitigen und die baulichen Maßnahmen durchzuführen. § 56 Abs. 1 Nr. 1, 2. Fall FFG 2010 stellt allein auf das Vorliegen objektiver Umstände, nicht aber auf deren Zurechenbarkeit oder ein etwaiges Verschulden ab.

Hinzu kommt, dass sich infolge der während der Schließzeit des am Standort der Klägerin betriebenen Kinos das Umfeld insofern verändert hatte, als das U...-Kino in B... um zwei Kinosäle und 230 Sitzplätze von 540 auf 770 Sitzplätze erweitert worden war. Dass diese Erweiterung mit Fördermitteln der Beklagten unterstützt wurde, rechtfertigt keine andere Einschätzung. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Förderung des Umbaus des U...-Kinos nicht hätte erfolgen dürfen, weil die Filmförderungsanstalt hätte berücksichtigen müssen, dass eine (Wieder-) Eröffnung eines Kinos am Standort der Klägerin beabsichtigt sei. Die Mittel für den Umbau des U...-Kinos wurden am 29. September 2011 beantragt und am 11. Januar 2012 bewilligt. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Fördermitteln ging erst nach diesem Zeitpunkt, nämlich am 1. April 2012 bei der Filmförderungsanstalt ein. Unabhängig davon dürfte die Modernisierungsförderung des U...-Kinos nicht von der Frage einer Strukturverbesserung abhängig und somit nicht deshalb ablehnbar gewesen sein, weil die Klägerin plante, ihrerseits Sitzplatzkapazitäten zu schaffen bzw. zu erweitern.

Soweit die Klägerin geltend macht, der Umbau ihres Kinos mit der Erweiterung um zwei Kinosäle und Erhöhung der Sitzplatzanzahl von ursprünglich 450 auf 555 sei isoliert förderfähig gewesen, ebenso die bloße Beseitigung der Hochwasserschäden ohne die Umbaumaßnahmen, ist schon fraglich, ob dies der Sache nach zutrifft. Rein begrifflich stellt die Wiedererrichtung etwa eines komplett zerstörten Kinos keine „Modernisierung“ dar. Auch insoweit dürfte es aber letztlich auf die oben im Einzelnen dargelegten konkreten Umstände des Einzelfalls ankommen. Auf diesen Vortrag der Klägerin kommt es allerdings auch nicht entscheidend an, da er von einem Sachverhalt ausgeht, der vorliegend gerade nicht gegeben ist.

2. Die zur Bewilligung der mit der Klage begehrten Förderhilfe demnach erforderliche Strukturverbesserung im Sinne des § 56 Abs. 1 Nr. 1, 2. Fall FFG 2010 liegt nicht vor.

a) Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung des Vorliegens einer Strukturverbesserung ist - wie auch das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - nicht der Zeitpunkt der gerichtlichen, sondern der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung (zur Begründung: Senatsurteile vom 26. Februar 2014 - OVG 6 B 7.12 - und - OVG 6 B 8.12 -, jeweils Rn. 14 bei juris).

b) Zur Frage, was unter einer Strukturverbesserung im Sinne der Vorschrift zu verstehen ist, hat der Senat unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2009 - 6 C 31.08 - (NJW 2010, S. 790 f.) zusammenfassend ausgeführt: Im Falle der Neuerrichtung eines Kinos kann eine Strukturverbesserung grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn sie eine lokale Unterversorgung beseitigt und - ohne Unterversorgung - nur ausnahmsweise auch dann, wenn sie eine solche Steigerung der Besucherzahlen erwarten lässt, dass keine signifikanten Besucherverluste bei anderen Filmtheatern prognostiziert werden können. Regelmäßig zu verneinen ist eine Strukturverbesserung demgegenüber, wenn durch das neu zu errichtende Kino signifikante Zuschauerverluste bei anderen Kinos zu erwarten sind. Solche Zuschauerverluste sind umso eher anzunehmen, je geringer die Sitzplatzauslastung eines benachbarten Kinos ist. Bei Kinos mit deutlich unterdurchschnittlicher Sitzplatzauslastung kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass sie bereits an der Grenze der Wirtschaftlichkeit betrieben werden, so dass schon verhältnismäßig geringe Besuchereinbußen ihre Verdrängung nach sich ziehen können. Dabei sind die Ursachen für die unterdurchschnittliche Sitzplatzauslastung ohne Bedeutung. Dass die Erhaltung bestehender Kinos Präferenz hat, gilt unabhängig davon, um welche Art von Kinos es sich handelt, wie sie betrieben werden und in welchem sozialen, geographischen oder wirtschaftlichen Umfeld sie angesiedelt sind. Daher spielt es grundsätzlich auch keine Rolle, ob ein Kino möglicherweise deshalb wenige Besucher hat, weil sein Angebot als unattraktiv empfunden wird, da es bspw. nicht dem neuesten Stand der Technik entspricht (a.a.O., jeweils Rn. 16 bei juris).

c) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann nicht angenommen werden, dass die hier in Rede stehende Kinoneuerrichtung im maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung einer Strukturverbesserung der lokalen Kinowirtschaft diente. Die Prognose der Filmkommission, wonach eine Verdrängung der Filmtheater in B... bzw. in benachbarten Gemeinden zu befürchten sei, ist nicht zu beanstanden.

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats können neu zu errichtende Filmtheater nur dann einer Strukturverbesserung im hier erforderlichen Sinne dienen, soweit sie eine bestehende lokale Unterversorgung mit Kinoleistungen in der betroffenen Gemeinde beseitigt. Geht dagegen die Anzahl der neu zu schaffenden Sitzplätze über das zur Beseitigung der Unterversorgung erforderliche Maß hinaus, rechtfertigt dieser Umstand regelmäßig den Schluss, dass der Betrieb des neu zu errichtenden Kinos darauf angelegt ist, auch Zuschauer aus anderen Kinos der fraglichen Gemeinde oder der benachbarten Gemeinden anzuziehen. Werden in der Gemeinde selbst oder in benachbarten Gemeinden Kinos betrieben, muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass diese Kinos um dieselben Zuschauer werben. In diesem Fall ist ein Verdrängungswettbewerb vorprogrammiert. Vorliegend kann schon nicht angenommen werden, dass mit den von der Klägerin geschaffenen Kinositzplätzen lediglich eine Unterversorgung ausgeglichen wird.

bb) Das andere Kino in B... verfügte zunächst über 540 Sitzplätze und wurde im Jahr 2012 um zwei weitere Säle mit insgesamt 230 Sitzplätzen auf 770 erweitert. Danach war eine Unterversorgung der Stadt B... mit Kinositzplätzen zu verneinen. Bei rund 35.000 Einwohnern entspricht das einer Quote von rund 45,5 Einwohneren pro Kinositzplatz. Diese Quote liegt deutlich über derjenigen in den insgesamt 17 Ortschaften vergleichbarer Größe (34.500 bis 36.500 Einwohner). Dort mussten sich im Jahr 2011 nach den Feststellungen der Beklagten 54 Einwohner einen Kinositzplatz teilen, im bundesweiten Durchschnitt waren es sogar 103 Einwohner pro Kinositzplatz. Noch deutlicher wird die Überversorgung, wenn man zu den vorhandenen 770 Kinositzplätzen die von der Klägerin geschaffenen 555 Sitzplätze addiert. Dann verfügt B... über 1.325 Kinositzplätze. Das entspricht einem Kinositzplatz für rund 26 Einwohner. Die Versorgung mit Kinositzplätzen ist in B... damit praktisch doppelt so hoch wie in Ortschaften vergleichbarer Größe und nahezu viermal so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Auf die Auslastung der Sitzplätze mit Kinobesuchern kommt es vor diesem Hintergrund nicht (mehr) an. Insofern ist es unerheblich, dass die Klägerin zu Recht bemängeln mag, dass für die Sitzplatzauslastung in Backnang im Jahr 2011 die 450 Sitzplätze des N... allenfalls für die Zeit bis zu dessen Schließung am 13. Januar 2011 hätten zu Grunde gelegt werden dürfen und nicht ganzjährig, wie es die Filmförderungsanstalt bei der Berechnung der Sitzplatzauslastung getan habe.

cc) Die demnach anzunehmende Überversorgung mit Kinodienstleistungen in B... könnte nur dann einer Strukturverbesserung dienen, wenn sie durch Besucher aus den benachbarten Gemeinden kompensiert würde. Berücksichtigt man das Kinopublikum aus benachbarten Gemeinden, gilt indessen nichts anderes. Auch dann ist eine erhebliche Überversorgung anzunehmen.

Das ergibt sich aus der von der Klägerin selbst im Widerspruchsverfahren vorgelegten „Potenzialanalyse Standort B...“. Danach besteht im gesamten Einzugsgebiet des T... B... ein Bedarf von 1.035 Kinositzplätzen. Dieser Bedarf wird schon allein durch die in B... bestehenden Kinositzplätze um mehrere Hundert überschritten. Noch deutlicher wird die Diskrepanz, wenn man die Kinositzplätze des von der Klägerin beschriebenen Einzugsgebiets insgesamt berücksichtigt. Dann kommen 280 Kinositzplätze in W... und 180 Kinositzplätze in R... hinzu. Insgesamt würde das Einzugsgebiet dann über 1.785 Kinositzplätze verfügen.

dd) Schließt damit das streitbefangene Kino nicht lediglich eine in B... vorhandene Versorgungslücke, sondern geht hierüber hinaus, tritt das Kino der Klägerin nicht nur mit dem U...-Kino in B... in unmittelbare Konkurrenz, sondern auch mit denjenigen in den benachbarten Gemeinden, auf deren Einwohner als potenzielle Kinobesucher das Vorhaben abzielt. Insoweit konnte für das im rund elf Kilometer entfernt liegenden Nachbarort W... betriebene Kino im maßgeblichen Zeitpunkt ein Verdrängungswettbewerb prognostiziert werden. Das Kino in W... verfügt über 280 Sitzplätze und hatte nach den Ermittlungen der Beklagten im Jahr 2011 eine Auslastung von lediglich 48 Besuchern pro Sitzplatz. Diese Feststellungen legen schon für sich genommen den Schluss nahe, dass das Kino am Existenzminimum operierte. Dieser Befund wird weiter dadurch bestätigt, dass diese Sitzplatzauslastung deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 164 Besuchern pro Sitzplatz liegt. Unter Berücksichtigung der geographischen Nähe zwischen B... und W... liegt es auf der Hand, dass damit im maßgeblichen Zeitpunkt von einem Verdrängungswettbewerb ausgegangen werden konnte. Schon dieser Umstand genügt für sich genommen, um die erforderliche Strukturverbesserung zu verneinen.

Ob auch hinsichtlich des Kinos im rund zwölf Kilometer von B... entfernt liegenden R... von einem Verdrängungswettbewerb auszugehen ist, der der Annahme einer Strukturverbesserung im Sinne des § 56 Abs. 1 Nr. 1, 2. Fall FFG 2010 entgegensteht, oder ob dies deshalb anders zu beurteilen ist, weil die Klägerin auch dieses Kino betreibt, kann vor dem dargelegten Hintergrund auf sich beruhen. Dasselbe gilt für das Kino im rund 15 km entfernten M..., das als kommunales Kino betrieben wird, in dem der Eintritt regelmäßig frei ist.

3. Auf das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 30. April 2014 und die darin vorgetragenen Tatsachen, soweit sie die bis dahin aktenkundigen Tatsachen ergänzen oder hiervon abweichen, kommt es vor dem dargelegten Hintergrund nicht an. Des von der Klägerin insoweit begehrten Schriftsatznachlasses bedurfte es daher nicht.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Der Senat hat die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zur Klärung des Merkmals „Neuerrichtung“ in § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FFG zugelassen.