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Straßenrecht; Bundesstraße; Zufahrt zum Grundstück; Gemeingebrauch; Sondernutzung; Erlaubnispflicht; Ortsdurchfahrt; behördliche Festsetzung; "materielle" Ortsdurchfahrt; Straßenbaulast; geschlossene Ortslage; Erschließungsfunktion; bauplanungsrechtlicher Innenbereich


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 13.03.2014
Aktenzeichen OVG 1 B 4.13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen Art 3 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG, § 5 Abs 4 FStrG, § 8 FStrG, § 8a FStrG, § 128 Abs 3 Nr 2 BauGB

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 28. Juli 2011 geändert.

Es wird festgestellt, dass die Klägerin keiner Sondernutzungserlaubnis zum Anlegen einer Zufahrt von ihrem Grundstück Dorfstraße 1 b in R..., Ortsteil D..., zur Bundesstraße B 122 bedarf.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die rechtliche Zulässigkeit des Anlegens einer Zufahrt von der Bundesstraße B 122 auf das Grundstück der Klägerin.

Die Klägerin ist Eigentümerin des an der Bundesstraße B 122 gelegenen Grundstücks D...straße ...1 b der früheren Gemeinde D.... Die Gemeinde D... wurde im Zuge der Gemeindegebietsreform im Oktober 2003 zu einem Ortsteil der Stadt R.... Bei der Bundesstraße B 122 handelt es sich um die frühere Landesstraße L 192, die im Jahr 2005 zur Bundesstraße aufgestuft wurde. Das Grundstück der Klägerin liegt ausweislich einer 1993 auf der Grundlage von § 34 Abs. 4 Nr. 1 und 3 BauGB erlassenen Abrundungssatzung der vormaligen Gemeinde D... im bauplanungsrechtlichen Innenbereich; es befindet sich mit seiner westlichen Grenze in drei bis fünf Metern Entfernung östlich außerhalb der festgesetzten Ortsdurchfahrt des Ortsteils D... der Stadt R....

Im Jahre 2003 bemühte sich die Klägerin im Rahmen eines Bauvorhabens für ein Einfamilienhaus und Garagen auf ihrem Grundstück um die Genehmigung einer Zufahrt zu ihrem Grundstück von der damaligen Landesstraße L 192. Das damals zuständige Brandenburgische Straßenbauamt Kyritz bat die Klägerin, rückwärtig zur Verfügung stehende Erschließungsmöglichkeiten zu prüfen, um die Erschließung ihres Grundstücks zu sichern. Die Klägerin präzisierte daraufhin ihren Bauantrag dahingehend, dass das Grundstück durch einen rückwärtig gelegenen Privatweg erschlossen werden sollte. Dieser führt abknickend über etwa 500 bis 600 Meter zu einer ebenfalls außerhalb der behördlich festgesetzten Ortsdurchfahrt gelegenen Einfahrt auf die Bundesstraße B 122. Der Weg steht im Eigentum der Stadt Rheinsberg und ist nicht für den öffentlichen Verkehr gewidmet. Die Baugenehmigung wurde mit dieser Erschließung am 15. April 2003 erteilt.

Im Zuge der Bauarbeiten wurde der Klägerin im Mai 2003 eine bis Ende September 2003 befristete Sondernutzungserlaubnis für eine Baustellenzufahrt von der damaligen Landesstraße L 192 zu ihrem Grundstück erteilt. Nach Fertigstellung ihres Einfamilienhauses erschloss die Klägerin das Grundstück - anders als in der Baugenehmigung vorgesehen - über eine noch innerhalb der festgesetzten Ortsdurchfahrt gelegene Zufahrt des unbebauten Nachbargrundstücks D...straße 1 c. Dies geschah mit Duldung des benachbarten Grundstückseigentümers, der nach dem Vortrag der Klägerin diese Duldung wegen eigener Bebauungspläne nunmehr zu beenden beabsichtigt.

Unmittelbar an das Grundstück der Klägerin angrenzend liegt - gemeindeauswärts - ein weiteres nach der Abrundungssatzung zum Innenbereich zählendes Grundstück (D...straße 1 a), das seit den 1990iger Jahren mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Dieses Grundstück verfügt über eine direkte Zufahrt zur Bundesstraße B 122, die auf der Erteilung einer unbefristeten Sondernutzungserlaubnis beruht. Hierzu hatte sich der Beklagte in einem vor dem Oberverwaltungsgericht geschlossenen Vergleich in einem Rechtsstreit mit der Stadt R... um die Neufestsetzung der Ortsdurchfahrt verpflichtet (Vergleich vom 26. September 2006 im Verfahren O...).

Unter dem 24. September 2007 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zum Anlegen einer Ausfahrt ihres Grundstückes zur Bundesstraße B 122. Sie verwies zur Begründung darauf, dass auch dem benachbarten Grundstück im Nachgang zu dem vorgenannten, durch Vergleich beendeten Rechtsstreit eine solche Erlaubnis erteilt worden sei. Im Übrigen werde die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch die mit rund 7 m sehr geringe Entfernung der geplanten Ausfahrt zum Ortsausgangsschild nicht beeinträchtigt.

Mit Bescheid vom 7. März 2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Er begründete dies damit, dass eine Zufahrt den fließenden Verkehr beeinträchtigen würde. Die besondere Behandlung des Grundstücks D...straße 1 a sei eine Einzelfallentscheidung gewesen, weil den Eigentümern dieses Grundstücks seinerzeit eine Baugenehmigung unter Erschließung durch eine direkte Zufahrt zur Landesstraße L 192 erteilt worden sei; der Klägerin hingegen sei der Bau jedoch von vornherein nur unter Erschließung mittels des rückwärtigen Privatweges genehmigt worden.

Den am 4. April 2008 erhobenen Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2008, zugestellt am 8. Juli 2008, zurück.

Am 8. August 2008 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat beantragt festzustellen, dass sie keiner Sondernutzungserlaubnis zum Anlegen einer Zufahrt von ihrem Grundstück zur Bundesstraße B 122 bedürfe. Hilfsweise hat sie beantragt, den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, ihr eine entsprechende Sondernutzungserlaubnis zu erteilen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 28. Juli 2011 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die mit dem Hauptantrag erhobene Feststellungsklage sei zulässig, aber unbegründet. Die von der Klägerin beabsichtigte Zufahrt sei genehmigungspflichtig. Die Klägerin bedürfe einer Sondernutzungserlaubnis, denn die geplante Zufahrt liege außerhalb der nach § 5 Abs. 4 Satz 4 FStrG festgesetzten und vor Ort entsprechend gekennzeichneten Ortsdurchfahrt. Die Festsetzung einer Ortsdurchfahrt sei ein konstitutiver Verwaltungsakt, dem Tatbestandswirkung zukomme und den die Klägerin gegen sich gelten lassen müsse. Auf eine materiell-rechtliche Überprüfung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 FStrG komme es nicht an. Auch der hilfsweise verfolgte Verpflichtungsantrag sei zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis noch auf erneute und ermessenfehlerfreie Entscheidung.

Zur Begründung ihrer mit Beschluss des Senats vom 15. März 2013 zugelassenen Berufung trägt die Klägerin vor: Dem auch in der Berufung aufrecht erhaltenen Hauptantrag sei stattzugeben, weil sie für den Bau der Zufahrt keine Genehmigung des Beklagten benötige. Aus § 5 Abs. 4 FStrG ergebe sich in Verbindung mit Art. 14 GG und Art. 19 Abs. 4 GG, dass es nicht auf die (bestandskräftige) formelle Regelung der Ortsdurchfahrt, sondern auf das „materielle“ Ende der Ortsdurchfahrt ankomme. Insoweit müsse berücksichtigt werden, dass ihr Grundstück innerhalb einer „materiellen“ Ortsdurchfahrt liege. Bei Änderung der materiell-rechtlichen Verhältnisse habe die zuständige Behörde nachfolgend mit der entsprechenden formellen Änderung der Neufestsetzung der Ortsdurchfahrt zu reagieren. Eine solche nachträgliche Änderung des Sachverhalts liege hier wegen der Bebauung der Nachbargrundstücke und deren rechtlich gesicherter Zufahrt zur Bundesstraße außerhalb der festgesetzten Ortsdurchfahrt vor. Andernfalls sei wenigstens dem Hilfsantrag stattzugeben. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass ihr ein Anspruch auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) mit dem Nachbargrundstück D...straße 1 a zustehe.

Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 28. Juli 2011 zu ändern und festzustellen, dass die Klägerin keiner Sondernutzungserlaubnis zum Anlegen einer Zufahrt von ihrem Grundstück D...straße 1 b in R..., Ortsteil D..., zur Bundesstraße B 122 bedarf,

hilfsweise,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 28. Juli 2011 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 7. März 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2008 zu verpflichten, der Klägerin eine Sondernutzungserlaubnis zur Anlegung einer Zufahrt vom Grundstück D...straße 1 b in R..., Ortsteil D..., zur Bundesstraße B 122 zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt ergänzend aus: Seinerzeit hätten bei Festsetzung der Ortsdurchfahrt die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 FStrG vorgelegen. Die einzelne Bebauung, welche sich ca. 100 m hinter der festgesetzten Ortsdurchfahrt befinde, stelle keinen baulichen Zusammenhang mit der geschlossenen Ortslage dar und werde auch nicht direkt von der Bundesstraße erschlossen. Bestehende weitere Zufahrten seien solche von Alters her und keine Sondernutzungen. Die jetzige tatsächliche Situation vor Ort habe sich aus dem Fehlverhalten der Gemeinde und der Klägerin selbst ergeben. Soweit eine Erschließung über den rückwärtigen Privatweg faktisch nicht möglich sei, sei die der Klägerin von der Gemeinde erteilte Baugenehmigung rechtswidrig; die Gemeinde sei gemäß § 123 BauGB für die Erschließung zuständig, so dass sie diesen Zustand zu korrigieren habe. Insofern treffe den Beklagten keine Pflicht, eine Zufahrt durch Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zu ermöglichen. Es sei zwar zutreffend, dass sich die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Ortsdurchfahrt durch die Änderung der tatsächlichen Gegebenheiten ändern könnten; doch sei es nicht im Sinne des Gesetzgebers, eine festgesetzte Ortsdurchfahrt ohne Abstimmung mit dem Straßenbaulastträger durch die Erteilung von (rechtswidrigen) Baugenehmigungen in Frage zu stellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten (2 Bände nebst Anlagen), den von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang sowie die Gerichtsakten des Verfahrens O... (2 Bände), die vorgelegen haben und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obgleich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Denn die Klägerin ist ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen und in der Ladung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO darauf hingewiesen worden, dass im Falle ihres Ausbleibens auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Sie ist als Feststellungsklage zulässig und begründet.

1. Der Feststellungsantrag der Klägerin ist zulässig. Er ist auf Klärung eines konkreten Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO gerichtet, nämlich auf die Feststellung, dass eine Erlaubnispflicht für das Anlegen einer Zufahrt nach dem Bundesfernstraßengesetz nicht besteht. Dafür liegt auch das erforderliche Feststellungsinteresse vor, weil die Erlaubnispflicht zwischen den Beteiligten streitig ist. Eine andere Klageart steht der Klägerin für ihr Klageziel nicht zur Verfügung, so dass der Grundsatz der Subsidiarität gemäß § 43 Abs. 2 VwGO nicht eingreift.

2. Die Feststellungsklage ist auch begründet. Die Klägerin bedarf zum Anlegen einer Zufahrt von ihrem Grundstück D...straße 1 b in R..., Ortsteil D..., zur Bundesstraße B 122 keiner Sondernutzungserlaubnis. Das Anlegen der Zufahrt ist keine Nutzung der Straße, die über den Gemeingebrauch im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 FStrG hinausgeht. Sie ist deshalb erlaubnisfrei. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 FStrG ist die Benutzung der Bundesfernstraßen über den Gemeingebrauch hinaus Sondernutzung. Sie bedarf der Erlaubnis der Straßenbaubehörde, in Ortsdurchfahrten der Erlaubnis der Gemeinde (Satz 2). Gemäß § 8 a Abs. 1 Satz 1 FStrG gelten Zufahrten und Zugänge zu Bundesstraßen außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten als Sondernutzung im Sinne des § 8, wenn sie neu angelegt oder geändert werden. Demgegenüber unterfällt das Anlegen von Zufahrten dem Gemeingebrauch, wenn es Grundstücke innerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten betrifft; nur innerhalb dieses Bereichs gilt eine Zufahrt zu einer Bundesstraße nach § 8 a Abs. 1 Satz 1 FStrG nicht als Sondernutzung (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1997 - 8 A 96.40081 u.a. - juris Rn. 31; Urteil vom 30. Juni 1989 - 4 C 40.88 - juris Rn. 15). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Das Grundstück der Klägerin liegt innerhalb der Ortsdurchfahrt der Stadt R..., Ortsteil D... (dazu a). Dieser Teil der Ortsdurchfahrt ist auch zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmt (dazu b).

a) Der Begriff der Ortsdurchfahrt ist in § 5 Abs. 4 Satz 1 bis 3 FStrG im Zusammenhang mit der Regelung der Straßenbaulast für die Bundesfernstraßen gesetzlich festgelegt. Danach ist eine Ortsdurchfahrt der Teil einer Bundesstraße, der innerhalb der geschlossenen Ortslage liegt und auch der Erschließung der anliegenden Grundstücke oder der mehrfachen Verknüpfung des Ortstraßennetzes dient.

Für die Frage, ob im Rahmen des § 8 a Abs. 1 Satz 1 FStrG ein Grundstück innerhalb der Ortsdurchfahrt oder auf freier Strecke liegt, ist der materielle Begriff der Ortsdurchfahrt maßgebend. Auf die von der obersten Landesstraßenbaubehörde nach § 5 Abs. 4 Satz 4 FStrG vorzunehmende Festsetzung der Ortsdurchfahrt kommt es in diesem Zusammenhang dagegen nicht an. Diese von den tatsächlichen Verhältnissen möglicherweise abweichende behördliche Festsetzung der Ortsdurchfahrt hat zwar Bedeutung für die Verwaltung und die Abgrenzung der Straßenbaulast; für die Auslegung des § 8 a Abs. 1 Satz 1 FStrG, der Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmt (vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG), ist sie indes nicht maßgeblich (vgl. so schon BVerwG, Urteil vom 3. September 1963 - I C 156.60 - BVerwGE 16, 309, 312; Netter, in: Marschall, Bundesfernstraßengesetz, 6. Aufl. 2012, § 5 Rn. 28 und Grupp, a.a.O., § 8 a Rn. 6; Sauthoff, in: Müller/Schulz, Bundesfernstraßengesetz, 2. Aufl. 2013, § 8 a Rn. 7). Für diese Auslegung spricht auch, dass § 5 Abs. 4 Satz 4 FStrG systematisch in Zusammenhang mit den die Verteilung der Straßenbaulast regelnden Absätzen 1 bis 3 des § 5 FStrG steht und durch die amtliche Überschrift dieser Vorschrift („Träger der Straßenbaulast“) klargestellt wird, dass die Funktion der behördlichen Festsetzung der Ortsdurchfahrt auf die Verteilung der Straßenbaulast gerichtet ist.

Das vom Verwaltungsgericht für seine hiervon abweichende Auffassung in Bezug genommene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. April 2000 (- 11 C 11.99 - juris) steht dem nicht entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat darin ausgeführt, dass es für die Frage des Erschließungsaufwandes nach § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB und den dort verwendeten Begriff der Ortsdurchfahrt auf die behördliche Festsetzung der Ortsdurchfahrt gemäß § 5 Abs. 4 Satz 4 FStrG ankomme, welcher „für das vorliegende Verfahren Tatbestandswirkung“ zukomme (vgl. a.a.O., Rn. 22). Danach hat die Festsetzung der Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße gemäß § 5 Abs. 4 Satz 4 FStrG zwar Tatbestandswirkung für die Anwendung des § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB im Erschließungsbeitragsverfahren; für die Auslegung der hier in Rede stehenden Vorschrift des § 8 a Abs. 1 Satz 1 FStrG lässt sich daraus aber nichts gewinnen. Insbesondere stellt die vorgenannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts die gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs „Ortsdurchfahrt“ in § 8 a Abs. 1 Satz 1 und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FStrG, die an die materiellen Merkmale des Begriffs anknüpft, nicht in Frage.

Das Grundstück der Klägerin befindet sich innerhalb einer geschlossenen Ortslage. Geschlossene Ortslage ist der Teil des Gemeindebezirks, der in geschlossener oder offener Bauweise zusammenhängend bebaut ist, wobei einzelne unbebaute Grundstücke oder einseitige Bebauung den Zusammenhang nicht unterbrechen (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 2 und 3 FStrG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich der für die Feststellung einer geschlossenen Ortslage maßgebliche Bebauungszusammenhang gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 FStrG im allgemeinen schon aus der einfachen Gegenüberstellung des örtlichen Bereichs baulicher oder gewerblicher Nutzung und des davon freien, zumeist der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung dienenden Geländes (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. April 1981 - 4 C 41.77 - BVerwGE 62, 143, 145). Ob ein Gebiet zusammenhängend bebaut ist, lässt sich nur anhand einer weiträumigen, an objektiven Kriterien ausgerichteten Betrachtung der gesamten durch die Bebauung geprägten Situation in der Umgebung der Bundesfernstraße entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1983 - 4 C 10.80 - BVerwGE 67, 79, 80).

Nach diesem Maßstab liegt das Grundstück der Klägerin in geschlossener Ortslage. Es grenzt westlich an das ebenfalls mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück D...straße 1 a an. Jenseits des derzeit noch unbebauten Grundstücks D...straße 1 c ist östlich der Anschluss an eine regelmäßige Bebauung des Ortes gegeben. Dass insofern östlich eine einzelne Baulücke besteht, hindert den Zusammenhang nach § 5 Abs. 4 Satz 3 FStrG nicht. Gleiches gilt für die ab dem Grundstück D...straße 1 c in westlicher Richtung lediglich einseitige Bebauung der Straße (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18. März 1983, a.a.O., S. 80). Nach dem Gesamteindruck stellt sich der Teil der Bundesstraße, der sich in westlicher Richtung unmittelbar an die behördlich festgesetzte Grenze der Ortsdurchfahrt anschließt, bis zu dem hinter dem Grundstück D...straße 1 nördlich abzweigenden Feldweg als eine geschlossene Ortslage im Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 2 FStrG dar. Sie ist durch eine gleichartige Bebauung (Wohnbebauung) gekennzeichnet und steht in Kontrast zu der westlich des Grundstücks D...straße 1 vorherrschenden land- und forstwirtschaftlichen Nutzung des Geländes.

b) Der in Rede stehende Abschnitt der Bundesstraße B 122 westlich der behördlich festgesetzten Ortsdurchfahrt des Ortsteils D... dient im Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 1 FStrG der Erschließung der anliegenden Grundstücke. Dieses Merkmal beschreibt - ebenso wie die in § 8 a Abs. 1 Satz 1 FStrG gebrauchte Formulierung „zur Erschließung bestimmt“ - die Erschließungsfunktion der Ortsdurchfahrt. Ob ein Teil der Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmt ist, beantwortet sich sowohl nach tatsächlichen als auch rechtlichen Gesichtspunkten. Eine Ortsdurchfahrt ist im Sinne von § 8 a Abs. 1 Satz 1 FStrG dann zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmt, wenn das Vorhandensein der Straße den anliegenden Grundstücken die Qualität der (verkehrlichen) Erschließung vermittelt, wenn also ihretwegen eine von der Erschließung abhängige Nutzung der anliegenden Grundstücke sowohl tatsächlich möglich als auch rechtlich zulässig ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. Juni 1981 - 4 C 73.78 - juris Rn. 23; Urteil vom 4. April 1975 - IV C 55.74 - BVerwGE 48, 123, 126). Der Ortsdurchfahrt kommt insoweit eine Erschließungsfunktion für die anliegenden Grundstücke zu (vgl. Witting, in: Müller/Schulz, a.a.O., § 5 Rn. 39). Allerdings führt eine nur tatsächliche und rechtliche Bebaubarkeit nicht notwendig dazu, dass die Bundesstraße gleichzeitig die planerische Aufgabe besitzt, die ihr anliegenden Grundstücke auch zu erschließen; vielmehr muss die Bundesstraße innerhalb der geschlossenen Ortslage neben der überörtlichen Funktion einer Bundesstraße zugleich Merkmale einer den Ortsbereich erschließenden Funktion besitzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 1997 - 4 B 91.97 - juris Rn. 5). Diese Voraussetzungen sind bei der gebotenen umfassenden Gesamtwürdigung der Situation (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1983, a.a.O., S. 81) hier gegeben.

Tatsächlich ermöglicht die Bundesstraße B 122 im fraglichen Abschnitt die Nutzung der anliegenden Grundstücke. Sie ist weder durch Gräben oder Wälle von den anliegenden Grundstücken getrennt, noch stehen dem Befahren der betroffenen Grundstücke sonstige faktische Hindernisse entgegen. Das wird schon dadurch bestätigt, dass das Nachbargrundstück der Klägerin D...straße 1 a über eine tatsächlich genutzte Zufahrt zur Bundesstraße B 122 verfügt und auch der seinerzeitige Baustellenverkehr für die Wohnbebauung auf dem Grundstück der Klägerin auf der Grundlage einer befristeten Sondernutzungserlaubnis über eine unmittelbare Zufahrt zur Bundesstraße B 122 abgewickelt wurde.

Eine von der Erschließung abhängige Nutzung des Grundstücks der Klägerin ist auch rechtlich zulässig. Die rechtliche Zulässigkeit folgt dabei entweder aus den Festsetzungen eines Bebauungsplans oder aus der Lage der Straße in einem nach § 34 BauGB zu beurteilenden Gebiet. Grenzt die Straße an Grundstücke an, die im Sinne des § 34 BauGB „innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile“ liegen und auf denen deshalb nach Bebauungsrecht Vorhaben grundsätzlich zulässig sind, so folgt daraus für die Straße, dass an ihr in dem hier verstandenen Sinn gebaut werden darf (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1981, a.a.O., Rn. 23).

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Baus der Klägerin unterliegt angesichts der bestandskräftig erteilten Baugenehmigung sowie im Hinblick auf die von der Gemeinde D... im Januar 1993 beschlossene Abrundungssatzung gemäß § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 3 BauGB, welche die Grundstücke D...straße 1 bis 1 c zum bauplanungsrechtlichen Innenbereich erklärt hat, keinem Zweifel. Ebenso lässt sich feststellen, dass die Bundesstraße B 122 in dem hier betroffenen Abschnitt neben der überörtlichen Funktion einer Bundesstraße zugleich Merkmale einer den Ortsbereich erschließenden Funktion besitzt und in beachtlichem Umfang auch dem innerörtlichen Verkehr dient. Sie verbindet die Grundstücke D...straße 1 bis 1 c mit dem östlich der behördlich festgesetzten Ortsdurchfahrt liegenden Ortsteil D.... Der Bereich der Bundesstraße zwischen der behördlich festgesetzten Ortsdurchfahrt und dem hinter dem Grundstück D...straße 1 einmündenden Feldweg ist insgesamt von der Abrundungssatzung umfasst und durch einseitige gleichartige Wohnbebauung gekennzeichnet, die bis zur Einmündung des Feldweges fortschreitet. Die Straße wird auch tatsächlich von den Anliegern der Grundstücke D...straße 1, 1 a und 1 b genutzt, um in die Gemeinde zu gelangen. Die von der Klägerin hergereichten Fotos dieses Streckenabschnitts vermitteln auch optisch den Eindruck einer Ortsdurchgangsstraße. Der Straßenverlauf ist auch jenseits des Ortsausgangsschildes - ebenso wie der Straßenverlauf innerhalb der behördlich festgesetzten Ortsdurchfahrt - durch einen straßenbegleitenden Gehweg hinter Bäumen und nahe an der Straße stehende Häuser gekennzeichnet.

3. Hat danach der Hauptantrag der Klägerin auf Feststellung der Erlaubnisfreiheit bereits Erfolg, kommt es auf den hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrag nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.