Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat | Entscheidungsdatum | 22.02.2013 | |
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Aktenzeichen | OVG 5 NC 139.12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 86 VwGO, § 146 Abs 4 S 3 VwGO, § 146 Abs 4 S 6 VwGO, Art 2 KapVO BE, Art 3 KapVO BE, LVerpflV BE, Neunzehnte Verordnung zur Änderung der Kapazitätsverordnung vom 5. März 2012 |
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5 000,00 EUR festgesetzt.
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, sie nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2012 vorläufig zum Studium im Studiengang Maschinenbau (Master) im ersten Fachsemester zuzulassen. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass über die Zahl der vergebenen 28 Studienplätze hinaus keine weiteren Studienplätze für Studienanfänger vorhanden seien.
Mit der Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die Curricularnormwertermittlung, die Zuordnung des Studiengangs Human Factors (Master) zu der Lehreinheit sowie die Anteilquoten der konsekutiven Masterstudiengänge der Lehreinheit.
II.
Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur im Rahmen der fristgerechten Darlegung der Antragstellerin befindet, ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts ist bei Zugrundelegung dieses Prüfungsumfangs nicht zu beanstanden.
Das gilt zunächst, soweit die Beschwerde weitere Studienplätze anhand einer von ihr angestellten neuen Berechnung der Curricularnormwerte (CNW) für die der Lehreinheit Maschinenbau/angewandte Psychologie (Lehreinheit 3503) zugeordneten Studiengänge aufzudecken versucht, die im Wesentlichen darauf beruht, den jeweiligen CNW um den darin enthaltenen Betreuungsfaktor für die Bachelor- bzw. Masterarbeit zu reduzieren. Bei den CNW handelt es sich jedoch nicht um beliebig veränderbare Rechengrößen, sondern um Normen, die durch die Neunzehnte Verordnung zur Änderung der Kapazitätsverordnung vom 5. März 2012 (GVBl. S. 68) gesetzt worden sind. Die Festlegung der CNW beruht auf einem Meinungs- und Entscheidungsbildungsprozess des Normgebers, der komplexe Elemente des Einschätzens und Abwägens, der Vorsorge und Vorausschau, des Kompromisses zwischen gegenläufigen Interessen, Auffassungen und Gewichtungen enthält und daher nur einer beschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 7. Juli 2004 - OVG 5 NC 3.04 - [FU/Publizistik, WS 2003/2004]).
Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab vermag die Auffassung der Beschwerde nicht zu überzeugen, dass es für eine eigenständige Berücksichtigung von Betreuungsfaktoren für die Studienabschlussarbeiten bei der Currricularnorm-wertermittlung an einer Rechtsgrundlage fehle und die in Rede stehenden CNW daher entsprechend zu reduzieren seien. Daran, dass sich die Betreuung von Studienabschlussarbeiten als Lehraufwand quantitativ ausdrücken und sich bei der Ermittlung des Curricularnormwertes niederschlagen muss, bestehen aus kapazitätsrechtlicher Sicht kein Zweifel. Bereits die KapVO II und die KapVO III bestimmten in ihrer Anlage 2 Teil 1 unter der Lehrveranstaltungsart I einen kapazitätswirksamen Betreuungsfaktor für Studienabschlussarbeiten. Letzterer findet nunmehr eine ausreichende Rechtsgrundlage in der Neunzehnten Verordnung zur Änderung der Kapazitätsverordnung, die in ihrer Anlage 2 Teil B Abschnitt III für die Betreuung von Studienabschlussarbeiten einen selbständigen Lehrveranstaltungstyp G vorsieht und Betreuungsfaktoren für die Bachelorarbeit zwischen 0,2 - 0,3 sowie für die Masterarbeit zwischen 0,3 - 0,6 festlegt. Dass es sich bei den Betreuungsfaktoren um eigenständige Berechnungsgrößen handelt, die unmittelbar über das Symbol bk in die Curricularnormwertermittlung Eingang finden, ergibt sich unmissverständlich aus der normierten mathematischen Formel sowie dem Verzeichnis der Symbole in Ziffer 1 und 2 des genannten Abschnitts. Damit ist zugleich die weitere These der Beschwerde widerlegt, wonach die Studienabschlussarbeiten nur noch im Rahmen eines Abschlusskolloquiums des Lehrver- anstaltungstyps C zu berücksichtigen sein sollen. Diese Sichtweise widerspricht im Übrigen auch der vom Normgeber gewählten Beschreibung des Lehr-veranstaltungstyps G, derzufolge der Betreuungsfaktor für Abschlussarbeiten auch begleitende Veranstaltungen umfasst, mithin in Konkurrenzlagen seine (vorrangige) Eigenständigkeit behält.
Die Beschwerde verkennt den kapazitätsrechtlichen Bilanzierungsgedanken, wenn sie meint, dass der Betreuungsfaktor „Auswirkungen auf die Berechnung der Lehrenden im Rahmen der LVVO“ habe. Die hier in Rede stehende kapazitätsrechtliche Bemessung des Lehraufwandes (Lehrnachfrage) ist nicht Aufgabe der LVVO. Deren Bedeutung erschöpft sich darin, die Berechnungsgrundlagen für das Lehrangebot zur Verfügung zu stellen. Die Quantifizierung der Lehrnachfrage und die Verteilung des Lehrangebotes erfolgen dagegen ausschließlich nach kapazitätsrechtlichen Grundsätzen und insoweit entkoppelt von den Vorschriften der LVVO (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. April 2011 - OVG 5 NC 96.10 - [TU/Wirtschaftsingenieurwesen, WS 2010/2011], juris Rn. 7).
Der Vorhalt der Beschwerde, die Antragsgegnerin habe in dem Verfahren OVG 10 N 20.12 mit Schriftsatz vom 12. November 2012 klargestellt, „dass eine Betreuung im Kontext der Bearbeitung der Abschlussarbeiten nicht vorgesehen ist und dass die Betreuung auch nicht in die Phase der Masterarbeiten (übrigens analog auch in die der Bachelorarbeiten) implementiert ist“, verfängt nicht. Die schriftsätzliche Äußerung der Antragsgegnerin in dem genannten Verfahren bezieht sich allein auf ihre Prüfungsordnung für den lehramtsbezogenen Masterstudiengang Arbeitslehre und ist, wie die Regelungen über die Betreuung der Studienabschlussarbeiten in den Studien- und Prüfungsordnungen der hier in Rede stehenden Studiengänge zeigen, auf den Streitfall nicht übertragbar. Ungeachtet dessen lässt die Antragsgegnerin in dem betreffenden Schriftsatz keinen Zweifel daran, dass die Erstellung einer Studienabschlussarbeit mit einem tatsächlichen Betreuungsaufwand verbunden ist. Dass ein solcher nicht - wie die Beschwerde meint - „in die anderen Werte der Kapazitätsberechnung“ einfließt, sondern dem Grunde nach bei dem kapazitätsrechtlich dafür vorgesehenen Curricularanteil zu erfassen ist, dürfte auf der Hand liegen. Es spricht auch nichts dafür, dass die von der Antragsgegnerin vorliegend angesetzten Curricularanteile für die Betreuung der Studienabschlussarbeiten unangemessen hoch quantifiziert sein könnten. Die bloße Behauptung der Beschwerde, der Betreuungsumfang erschöpfe sich in zwei Besprechungsterminen, ist jedenfalls nicht geeignet, die Angemessenheit der Curricularanteile in Frage zu stellen. Abgesehen davon unterschätzt die Beschwerde offenbar den erheblichen Lehraufwand, der - wie u.a. die Beschreibung von Theuerkauf/Steinmetz, Leitfaden zur Betreuung wissenschaftlicher Arbeiten an der TU Berlin, Assis Thesis, Text Labor, TU Berlin, exemplarisch zeigt - mit der individuellen Betreuung einer jeden Studienabschlussarbeit während der mehrmonatigen Bearbeitungsfrist verbunden ist. Ins Leere geht weiterhin der Einwand der Beschwerde, die Antragsgegnerin habe für denselben Betreuungsaufwand sowohl ein Abschlusskolloquium als auch eine Abschlussarbeit in ihre Berechnung eingestellt. Dass dies nicht der Fall ist, ergibt sich aus der eingehenden Darlegung der Normwertausfüllung in den von der Antragsgegnerin vorgelegten Kapazitätsunterlagen, die eine von der Beschwerde befürchtete Doppelberücksichtigung des Lehraufwandes für Studienabschlussarbeiten nicht erkennen lässt.
In Bezug auf den Dienstleistungsexport rügt die Beschwerde schließlich ohne Erfolg, dass dieser fehlerhaft sei, soweit in den Studiengängen, in die ein Dienstleistungsexport erfolge, gleichfalls ein nicht berücksichtigungsfähiger Curricularanteil für die Betreuung von Studienabschlussarbeiten enthalten sei. An der Berücksichtigungsfähigkeit von Betreuungsfaktoren für die Studienabschlussarbeiten bei der Curricularnormwertermittlung kann aus den oben genannten Gründen auch hinsichtlich der von dem Dienstleistungsexport betroffenen Studiengänge kein vernünftiger Zweifel bestehen.
Soweit die Beschwerde moniert, dass die Zuordnung des Studiengangs Human Factors (Master) zu der Lehreinheit 3503 nicht nachvollziehbar sei, weil „nach der Übersicht der Berechnung der Curricularanteile dieses Studienganges fast das gesamte Lehrangebot der Lehreinheit 3504 zugeordnet ist“, übersieht sie, dass die Lehreinheit 3504 (ehemals Psychologie) seit dem Jahr 2009 mit der Lehreinheit 3503 fusioniert ist und einer vollständigen Berücksichtigung des Lehraufwandes für den Studiengang Human Factors (Master) daher nichts im Wege steht. Abgesehen davon ergäben sich auch bei Nichtberücksichtigung dieses Studiengangs nur 21 Studienplätze (334,561 x 2 : 1,3651 x 0,155 = 75,97 : 0,9396 [Schwundquote] = 80,85 x 0,26 [Sommersemester]), sodass bei insgesamt 28 zugelassenen Studierenden kein freier Studienplatz mehr zur Verfügung stünde.
Der Einwand der Beschwerde, die gebildeten Anteilquoten für die drei konsekutiven Masterstudiengänge der Lehreinheit unterschritten die Mindestquote, zu der sich die Antragsgegnerin gegenüber dem Land Berlin im Rahmen einer „Zusicherung und Vereinbarung“ verpflichtet habe, verfängt nicht. Das Beschwerdevorbringen genügt insoweit bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO: Die behauptete „Zusicherung und Vereinbarung“ ist weder substanziiert, geschweige denn belegt. Anders als die Beschwerde meint, ist eine solche auch nicht gerichtsbekannt. Ihre Ankündigung, „die rechtsumfangreichen Dokumente einschließlich der entsprechenden Festlegungen aus den Hochschulverträgen dann zu vervielfältigen“, hat sie bis zum heutigen Tage nicht umgesetzt, sondern vielmehr unter dem 28. November 2012 eine vergebliche Anfrage an die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft gerichtet, „ob es irgendeine Vereinbarung zwischen dem Land Berlin und den Hochschulen hinsichtlich der Übergangsquoten vom Bachelor-Studienabschnitt zur Master-Phase gibt“. Angesichts dieses widersprüchlichen Verhaltens der Beschwerde hat sich der Senat zu einer weiteren Sachaufklärung, insbesondere zu der von der Beschwerde beantragten zeugenschaftlichen Vernehmung des Staatssekretärs, nicht veranlasst gesehen. Denn § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO führt in der Beschwerdeinstanz des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auch in Hochschulsachen zu einer Amtsermittlung nach § 86 VwGO nur, soweit die Darlegungen des Beschwerde gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO dazu Anlass geben (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. August 2006 - OVG 5 NC 72.06 - [Zahnmedizin, WS 2005/2006], juris Rn. 23). Davon kann mit Blick auf die ausgeführten Darlegungs- und Glaubhaftmachungsdefizite indes nicht die Rede sein. Unbeschadet dessen hat für eine weitere Amtsermittlung auch deshalb keine Notwendigkeit bestanden, weil die Antragsgegnerin auf Anfrage des Senats unmissverständlich mitgeteilt hat, dass es keine zugesicherte Übergangsquote gebe. Der Senat darf dieser Angabe eines Trägers öffentlicher Gewalt im Hinblick auf dessen Pflicht zu wahrheitsgemäßem und vollständigem Vortrag grundsätzlich Vertrauen entgegenbringen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. November 2009 - OVG 5 NC 72.09 - [FU/Tiermedizin, SS 2009], juris Rn. 4).
Soweit die Beschwerde möglicherweise auf den „Qualitätspakt für die Lehre“ aus dem Jahre 2006 anspielt, in dessen Rahmen mit den drei Berliner Universitäten vereinbart worden war, dass die Ausbildungskapazität im Zuge der Umstellung auf die neue Studienstruktur so aufgeteilt werden sollte, dass für die Hochschulen insgesamt eine durchschnittliche rechnerische Übergangsquote von 50% bezogen auf die Eingangszahlen im Bachelor erreicht wird (vgl. Antwort des Staatsekretärs Dr. Nevermann vom 22. Dezember 2010 auf eine Kleine Anfrage vom 1. Dezember 2010, Abghs.-Drs. 16/14 962), kann sie daraus nichts für sich herleiten. Zum einen entbehren solche Vereinbarungen zwischen öffentlich-rechtlichen Körperschaften einer verbindlichen Außenwirkung zugunsten der Studienbewerber (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Beschluss vom 17. April 2012 - OVG 5 NC 49.12 u.a. - [FU/Tiermedizin, WS 2011/2012], juris Rn. 21, m.w.N.). Zum anderen ist eine durchschnittliche rechnerische Übergangsquote vereinbart worden, was bedeutet, dass sich die Antragsgegnerin mit der hier in Rede stehenden Übergangsquote von 28% im Masterstudiengang Maschinenbau noch innerhalb der Vereinbarung bewegt, solange sie in der Summe aller Masterstudiengänge die durchschnittliche Quote von 50% nicht unterschreitet. Bereits angesichts der Tatsache, dass es auch an der Antragsgegnerin noch zulassungsfreie Masterstudiengänge gibt (vgl. die Übersicht unter ), kann ein Unterschreiten der 50%-Quote nicht unterstellt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).