Gericht | VG Cottbus 1. Kammer | Entscheidungsdatum | 27.04.2012 | |
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Aktenzeichen | VG 1 K 253/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 13 Abs 5 S 2 Nr 1 HSchulG BB |
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat.
Der Exmatrikulationsbescheid des Beklagten vom 6. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2010 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und der Beklagte jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger wendet sich gegen die vom Beklagten ausgesprochene und auf endgültig nicht bestandene Prüfungen gestützte Exmatrikulation.
Der 1974 geborene Kläger ist seit dem Wintersemester 2006/2007 bei der Hochschule im Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen im Fernstudium mit dem Diplom-Abschluss immatrikuliert.
Der Sachbereich Studentische Angelegenheiten - Bereich Fernstudium forderte den Kläger mit Schreiben vom 10. Oktober 2009 auf, die fehlenden Leistungen aus dem Wintersemester 2007/2008 im Fach "Technische Mechanik I" sowie aus dem Sommersemester 2008 u.a. "Technische Mechanik II" bis zum Ende des laufenden Semesters zu erfüllen.
Mit Bescheid vom 6. Januar 2010 erklärte der Beklagte die Exmatrikulation des Klägers zum 15. Januar 2010, da die Prüfung im Studienfach "Technische Mechanik II" endgültig nicht bestanden worden sei.
Zur Begründung seines mit Schreiben vom 29. Januar 2010 erhobenen Widerspruchs führte der Kläger aus, dass er den Prüfungstermin zur "Technischen Mechanik II" vom 12. Dezember 2009 nicht habe wahrnehmen können, da er zu dieser Zeit krank gewesen sei.
Unter dem 30. Januar 2010 reichte er beim Fachbereich Ingenieurwesen/Wirtschaftsingenieurwesen eine Prüfungsverhinderungsanzeige für die am 9. Januar 2010 erfolgte Prüfung im Fach "Technische Mechanik I" ein und legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 7. Januar 2010 vor, nach der er vom 7. bis 11. Januar 2010 arbeitsunfähig sei. Die Vorsitzende des Prüfungsausschusses des Fachbereichs entschied am 1. Februar 2010, den Verhinderungsnachweis nicht anzuerkennen.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2010 zurück. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien vom Prüfungsausschuss nicht anerkannt worden. Da er an weitaus mehr Prüfungsmöglichkeiten hätte teilnehmen können, als aufgeführt worden seien, sei festzustellen, dass das Fach "Technische Mechanik I und II" endgültig nicht bestanden worden sei. Im Fach "Technische Mechanik I" sei am 5. Januar 2008 die erste Prüfung mit der Note 5,0 durchgeführt worden. Die zweite Prüfung sei am 24. August 2008 mit der Note 5,0 erbracht worden. Die dritten und weiteren Prüfungsmöglichkeiten seien am 4. April 2009, 16. Mai 2009 und am 9. Januar 2010 gewesen. Zu diesen liege keine Prüfungsbefreiung vor. Deshalb müsse die Bewertung ebenfalls mit der Note 5,0 erfolgen. Im Studienfach "Technische Mechanik II" sei der erste Prüfungsversuch am 28. Juni 2008 mit der Note 5,0 abgeschlossen worden. Die zweiten und weiteren Prüfungstermine seien am 13. Dezember 2008, 11. Juli 2009 und am 12. Dezember 2009 gewesen. Zu diesen habe keine Prüfungsbefreiung vorgelegen, somit müsse auch diese Bewertung mit der Note 5,0 erfolgen. Da keiner dieser Prüfungstermine vom Kläger genutzt worden sei, er sich auch nicht entschuldigt habe und der Prüfungsausschuss am 15. Februar 2010 mitgeteilt habe, dass es keine weitere Prüfungsmöglichkeit mehr gebe, müsse das gesamte Fach Technische Mechanik mit der Note 5,0 bewertet werden. Der Prüfungsanspruch in diesem Fach sei damit erloschen.
Mit Schreiben vom 8. März 2010 wandte sich der Kläger an den Prüfungsausschuss und widersprach unter ausführlicher Begründung der Ablehnung seines Verhinderungsantrags.
Der Kläger hat am 6. April 2010 Klage erhoben. Er sei wegen Erkrankung bei den fraglichen Prüfungsterminen in den Fächern "Technische Mechanik I und II" entschuldigt. Seine nachgereichten Krankenbescheinigungen seien ohne nähere Angaben nicht anerkannt worden. Weder aus dem angegriffenen Bescheid noch aus dem Widerspruchsbescheid ergebe sich hierzu Genaueres. Die Prüfungstermine zur "Technischen Mechanik I" vom 4. April 2009 und 16. Mai 2009 seien ihm nicht bekannt gewesen. Für seine Studiengruppe seien in der im Internet veröffentlichten Veranstaltungsübersicht zu diesen Terminen keine Prüfungen ausgewiesen worden. Gleiches gelte für das Fach "Technische Mechanik II". Der Prüfungstermin vom 12. Dezember 2009 sei für ihn zwar vorgesehen gewesen; er sei an diesem Tag jedoch krankgeschrieben gewesen. Für den 11. Juli 2009 seien für ihn bereits Prüfungen in zwei weitere Fächern ("Logistik I", "Arbeitswissenschaften") vorgesehen. Mehr als zwei Prüfungen an einem Tag seien nicht zulässig. Zur Prüfung im Fach „Technische Mechanik I“ vom 9. Januar 2010 habe er ebenfalls eine Krankschreibung vorgelegt. Die Krankschreibungen seien von ihm unmittelbar nach seiner Genesung, also innerhalb der Drei-Tage-Frist, persönlich beim Büro für Studentische Angelegenheiten vorbeigebracht worden. Er sei darauf hingewiesen worden, dass dies erst im Fall einer Exmatrikulation erforderlich sei. Die ursprünglich im Klageverfahren anhängig gemachten Begehren auf Verpflichtung des Beklagten, ihm Prüfungstermine in den Fächern "Technische Mechanik I und II" anzubieten und ihn zum Sommersemester 2010 zu immatrikulieren, hat der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 6. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, dass der Kläger im Studienfach "Technische Mechanik I" an zwei Prüfungen teilgenommen und diese nicht bestanden habe. In den Folgesemestern seien mehrere Prüfungstermine angeboten worden, an denen er jedoch unentschuldigt nicht teilgenommen habe, obwohl die einschlägige Prüfungsordnung eine Pflicht zur Teilnahme festlege. Im Studienfach "Technische Mechanik II" habe der Kläger die Erstprüfung vom 28. Juni 2008 nicht bestanden. An den Prüfungsterminen in den Folgesemestern habe er unentschuldigt nicht teilgenommen. Nach § 3 Abs. 7 der Rahmenprüfungsordnung würden den Studierenden für die Durchführung Termine in den folgenden, gegebenenfalls bis zu drei Prüfungsperioden angeboten. Nach Ablauf dieser Frist erlösche der Prüfungsanspruch. Nach dieser auch für den Studiengang des Klägers geltenden Grundsatzregelung sei der Prüfungsanspruch des Klägers ebenfalls erloschen. Auf die für den 9. Januar 2010 vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung komme es nicht mehr an. Nach § 10 Abs. 2 der Rahmenprüfungsordnung sei der für den Rücktritt oder das Versäumnis geltend gemachte Grund unverzüglich (innerhalb von drei Tagen) dem Fachbereich schriftlich anzuzeigen und glaubhaft zu machen. Dies folge auch bereits aus der Mitwirkungspflicht des Prüflings. Die erst am 30. Januar 2010 nachgereichte Bescheinigung genüge den Anforderungen nicht.
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 8. Juni 2011 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen, wird auf die Gerichtsakte und den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang (Beiakte I) Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
1. Das Verfahren war nach § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen, soweit der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung die ursprünglich anhängig gemachten Begehren auf Verpflichtung des Beklagten, ihm Prüfungstermine für die Studienfächer „Technische Mechanik I und II“ anzubieten und ihn im Sommersemester 2010 zu immatrikulieren, fallengelassen und damit konkludent zurückgenommen hat.
2. Die verbleibende zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 6. Januar 2010 über die Exmatrikulation des Klägers in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die ausgesprochene Exmatrikulation des Klägers ist § 10 Abs. 4 der Immatrikulationsordnung der Fachhochschule vom 8. Februar 2001 (Amtliche Mitteilungen Nr. 1/2001), in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Sach- und Rechtslage einer Exmatrikulation maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) behördlichen Entscheidung (vgl. Urteil der Kammer vom 18. Februar 2011 - 1 K 1054/08 -, juris Rn. 27 m.w.N.), zuletzt geändert durch die 3. Änderung vom 28. März 2006 (Amtliche Mitteilungen Nr. 1/2006). Danach erfolgt die Exmatrikulation eines Studierenden ohne Antrag unter anderem dann, wenn dieser die Leistungsbewertung eines Studienfaches im vorgesehenen Studienzeitraum nicht abgeschlossen bzw. endgültig nicht bestanden oder den Prüfungsanspruch nach der entsprechenden Prüfungsordnung verloren hat. Die Voraussetzungen dieser Norm, die der Regelung in § 13 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Hochschulgesetz - BbgHG) vom 18. Dezember 2008 (GVBl. I S. 318), geändert durch Gesetz vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26), entspricht, sind vorliegend nicht erfüllt, da der Kläger die Leistungsbewertung in den Studienfächern "Technische Mechanik I und II" entgegen der Auffassung des Beklagten nicht endgültig nicht bestanden hat (a.) und auch den Prüfungsanspruch nicht verloren hat (b.).
a. Maßgeblich für den vorliegenden Fall ist die Prüfungsordnung für den grundständigen Fernstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen an der FH (im Folgenden PO) vom 30. August 2006 (Amtliche Mitteilungen Nr. 14/2006). Gemäß § 5 Abs. 1 PO werden in jedem Fach von der aktuell anbietenden Lehrkraft eine Erstprüfung und zwei Wiederholungsprüfungen angeboten. Nach § 8 Abs. 1 PO können nicht bestandene Fachprüfungen bzw. studienrelevante Prüfungsleistungen höchstens zweimal wiederholt werden; ist die zweite Wiederholungsprüfung nicht bestanden, so ist die Prüfung endgültig nicht bestanden.
aa. Diese Bestimmungen sind mit höherrangigem Recht insbesondere dem Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wonach alle Deutschen das Recht haben, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen, und die Berufsausübung durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden kann. Insbesondere ist nicht festzustellen, dass diese Bestimmungen zum angestrebten Zweck der Prüfungen, nur qualifizierten Bewerbern den Beruf zu eröffnen, außer Verhältnis stehen. Mindestens eine Wiederholungsmöglichkeit ist verfassungsrechtlich geboten, damit das Grundrecht nicht übermäßig eingeschränkt wird. Da Prüfungen immer nur begrenzte Ausschnitte aus dem Leistungsvermögen erfassen können, dürfen Prüfungsordnungen sich nicht darauf beschränken, den einmaligen Nachweis von Mindestkenntnissen zu fordern (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 766; vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 1989 - 1 BvR 1033/82, 1 BvR 174/84 -, BVerfGE 80, 1, juris Rn. 95 f.). Keinen Bedenken unterliegt es, dass die Prüfungsordnung die Zahl der Wiederholungsmöglichkeiten auf zwei beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 1989 - 1 BvR 1033/82, 1 BvR 174/84 -, BVerfGE 80, 1, juris Rn. 93; BVerwG, Beschluss vom 7. März 1991 - BVerwG 7 B 178.90 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 285, juris Rn. 14), denn eine unbeschränkte Wiederholbarkeit von Prüfungen ist verfassungsrechtlich nicht gefordert (Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, Rn. 769; vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. März 1991 - BVerwG 7 B 178.90 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 285, juris Rn. 14; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. September 2001 - 9 S 1549/01 -, NVwZ-RR 2002, 354, juris Rn. 3; Bayerischer VGH, Beschluss vom 6. Mai 1999 - 7 ZB 99.388 -, juris Rn. 15), schließlich gibt die Zahl der Prüfungsversuche Aufschluss über die Qualifikation des Bewerbers und es ist nicht ohne Aussagewert, nach wie vielen vergeblichen Versuchen erstmals das erforderliche Mindestwissen nachgewiesen werden kann. Die Zahl der Prüfungsmisserfolge erlaubt demnach Rückschlüsse auf die individuellen Fähigkeiten des Prüflings (BVerfG, Beschluss vom 14. März 1989 - 1 BvR 1033/82, 1 BvR 174/84 -, BVerfGE 80, 1, juris Rn. 95).
Auch die Anknüpfung der Exmatrikulation an endgültig nicht bestandene Prüfungen ist mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG zu rechtfertigen, denn die Beschränkung der Möglichkeiten zur Wiederholung einer Prüfung soll verhindern, dass ungeeignete Studierende die Hochschule weiterhin belasten, deren Anforderungen sie nicht genügen können, und die begrenzten Ausbildungskapazitäten in Anspruch nehmen (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 6. Mai 1999 - 7 ZB 99.388 -, juris Rn. 15).
bb. Der Beklagte hat jedoch zu Unrecht die Exmatrikulation des Klägers auf das endgültige Nichtbestehen der Fachprüfungen in den Studienfächern "Technische Mechanik I und II" gestützt, denn er durfte jedenfalls die Versäumung der Klausurtermine vom 4. April 2009, 16. Mai 2009, 20. August 2009, 9. Januar 2010 und 23. Januar 2010 ("Technische Mechanik I") bzw. 11. Juli 2009 und 12. Dezember 2009 ("Technische Mechanik II") durch den Kläger nicht auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 PO mit der Note "nicht ausreichend" und damit als "nicht bestanden" (vgl. § 10 Abs. 1 PO) bewerten.
(1) Es unterliegt grundsätzlich keinen Bedenken, wenn der Beklagte in § 9 Abs. 1 Satz 1 PO an das unentschuldigte Fernbleiben von einer Prüfung die Sanktion des Nichtbestehens der Prüfungsleistung knüpft. Jedoch ist die Gleichstellung einer Nichtleistung mit einer nicht bestandenen Prüfung mit Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn für den Studierenden zum Zeitpunkt der Prüfung eine Pflicht zur Teilnahme an dieser Prüfung bestand, deren Nichterfüllung der Entschuldigung bedarf (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Oktober 2009 - OVG 10 S 23.09 -, juris Rn. 7, 9; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. August 1993 - 22 E 403/93 -, juris Rn. 3; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. November 1987 - 22 B 3064/87 -, DÖV 1988, 743; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. November 1988 - 9 S 748/88 -, juris Rn. 21). Diese vorliegend ungeachtet einer fehlenden ausdrücklichen Normierung zu bejahende Pflicht folgt aus dem Prüfungsrechtsverhältnis, das mit der Einschreibung zum Semester und der nach § 5 Abs. 2 Satz 1 PO damit verbundenen Anmeldung zu den Fachprüfungen der für dieses Semester nach dem Studienplan vorgeschriebenen Studienfächer (vgl. § 18 PO) begründet wird. Dieses Prüfungsrechtsverhältnis besteht nach der in der Prüfungsordnung angelegten Konzeption solange fort, bis geklärt ist, ob die Fachprüfung bestanden oder endgültig nicht bestanden ist. Dieses Fortwirken des Prüfungsrechtsverhältnisses folgt insbesondere aus den Regelungen des § 5 Abs. 1 PO, wonach in jedem Fach von der aktuell anbietenden Lehrkraft eine Erstprüfung und zwei Wiederholungsprüfungen angeboten werden, und § 5 Abs. 4 Satz 3 PO mit den konkreten Vorgaben, wann die zwei Wiederholungsmöglichkeiten nach Satz 1 in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Erstprüfung durchzuführen sind, sowie § 8 Abs. 4 PO, der die Wiederholung bestandener Prüfungen ausschließt. Hierfür spricht auch der Umstand, dass das hier einschlägige Satzungswerk der Hochschule eine Regelung nicht aufweist, dass sich ein Studierender für jede (Wiederholungs-)Prüfung einzeln anmelden muss. Ist für den Regelfall, dass Erstprüfung und Wiederholungsprüfungen unmittelbar aufeinander folgen, der Fortbestand des Prüfungsrechtsverhältnisses nach den maßgeblichen Bestimmungen der Prüfungsordnungen nicht zweifelhaft, kann für den Fall, dass der Prüfling zu der Erstprüfung und/oder einer Wiederholungsprüfung aus in seiner Sphäre liegenden Gründen entschuldigt nicht angetreten ist, nichts anderes gelten. Ein anderes Verständnis würde auch zu dem erkennbaren Bestreben der Hochschule im Widerspruch stehen, die Studierenden zur zügigen Durchführung des Studiums anzuhalten.
(2) Die Sanktion der Bewertung der Prüfung als "nicht bestanden" wegen nicht gerechtfertigter Versäumung des Prüfungstermins setzt aber eine ordnungsgemäße Ladung zu diesem Termin voraus; diesen hat die Prüfungsbehörde nachzuweisen (Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, Rn. 415). Daran fehlt es hier für die Klausurtermine vom 4. April 2009, 16. Mai 2009, 20. August 2009, 9. Januar 2010 und 23. Januar 2010 ("Technische Mechanik I") bzw. 11. Juli 2009 ("Technische Mechanik II").
Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, welche Folgen daraus zu ziehen sind, dass die nach § 5 Abs. 6 Satz 2 PO vorgeschriebene Zweitveröffentlichung ("bzw." nicht "oder") durch Aushang am Immatrikulations- und Prüfungsamt nach den Erklärungen des Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht mehr erfolgt (mit Blick darauf, dass sich die Hochschule an den in der Prüfungsordnung selbst gesetzten Vorgaben festhalten lassen muss und dem Studierenden nicht vorgeschrieben werden kann, welchen der nach der Prüfungsordnung zur Verfügung stehenden Informationswege über Prüfungstermine er nutzt, spricht bereits viel dafür, dass sich daraus ein erheblicher Ladungsfehler ergibt).
Ein Mangel der Ladung folgt indes nicht bereits daraus, dass der Kläger nicht individuell und schriftlich zu den genannten Klausurterminen durch den Beklagten geladen worden ist. Denn eine solche förmliche Ladung schreibt weder das Brandenburgische Hochschulgesetz noch die Verordnung über die Gestaltung von Prüfungsordnungen, zur Gewährleistung der Gleichwertigkeit von Studium, Prüfungen und Abschlüssen (Hochschulprüfungsverordnung - HSPV) vom 7. Juni 2007 (GVBl. II S. 134), geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2008 (GVBl. I S. 318), vor. Auch § 5 Abs. 4 und 6 PO bieten für die Forderung einer individualisierten und förmlichen Information des Studierenden über Prüfungstermine keine Grundlage, vielmehr sehen sie lediglich eine Bekanntgabe bzw. Veröffentlichung der Prüfungstermine vor. Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, sofern auch dadurch gewährleistet ist, dass der Prüfling zumutbar, zuverlässig und zweifelsfrei Kenntnis davon erlangt, dass und wann ein für ihn relevanter Prüfungstermin ansteht, an dem er teilnehmen oder sich entschuldigen muss. Dem kann prinzipiell auch eine Bekanntgabe von Prüfungsterminen im Internet, wie sie der Beklagte praktiziert, genügen. Jedoch wird die vom Beklagten gehandhabte konkrete Ausgestaltung der Information der Studierenden über anstehende Prüfungen den dargestellten Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Kenntnisnahmemöglichkeit nicht gerecht.
Nach den Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist das Auffinden eines Prüfungstermins auf der Internetseite der Hochschule durch die dort vorgehaltene Suchmaske nur dergestalt möglich, dass in dieser eine Studiengruppe, der jeder Studierende zugeordnet ist, eingegeben wird. Sodann erfolgt die Anzeige der für diese Studiengruppe vorgesehenen Prüfungstermine bzw. Lehrveranstaltungen. Für gewöhnlich werden in die Aufstellungen nur die jeweils für die maßgebliche Studiengruppe vorgesehen Prüfungstermine angegeben. Bei besonderen Situationen werden zu einzelnen Prüfungsterminen aber auch weitere Studiengruppen mit aufgeführt. Ein Studierender muss sich nach Auffassung des Beklagten um die aktuellen Termine einer noch von ihm zu absolvierenden Prüfung selbst bemühen und dafür sich auch in die Studiengruppen der nachfolgenden Jahrgänge in die Suchmaske einwählen. Dies deckt sich mit den vom Beklagten mit dem Verwaltungsvorgang (Blatt 14 bis 16 der Beiakte I) vorgelegten Prüfungslisten für das Sommersemester 2009 sowie das Wintersemester 2009/2010, die die Klausurtermine für den 4. April 2009, 16. Mai 2009 und 20. August 2009 ("Technische Mechanik I") sowie 11. Juli 2009 ("Technische Mechanik II") unter der Studiengruppe WFG/07 und den Prüfungstermin vom 23. Januar 2010 ("Technische Mechanik I") unter der Studiengruppe WFG/08 auswies (der Kläger gehört der Studiengruppe WFG/06 an).
Die Kombination der Bekanntgabe von Prüfungsterminen für die Studierenden, die eine noch offene Wiederholungsprüfung zu absolvieren haben, die jedoch nicht in der unmittelbar aufeinander folgenden Reihe von Erstprüfung und erster und zweiter Wiederholungsprüfung liegt, sondern verschoben ist, unter den für die Studiengruppen der Folgesemester maßgeblichen Kennzeichen mit den Beschränkungen der Suchmöglichkeiten durch die Ausgestaltung der Internetsuchmaske wird - jedenfalls sofern es an einer unmissverständlichen und jeden Studierenden zweifelsfrei erreichenden Aufklärung des Beklagten über diese Handhabung fehlt - den Anforderungen an die Bekanntgabe von Prüfungsterminen nicht gerecht. Denn ein Studierender wird stets nur (oder jedenfalls vorrangig) unter seiner Studiengruppe suchen und somit von den Prüfungsterminen für andere Studiengruppen keine Kenntnis erhalten. Dass dem Beklagten aufgrund der Vielzahl der zu organisierenden Prüfungen nicht möglich sei, zu absolvierende Wiederholungsprüfungen auch für die begrenzte Gruppe der unter die vorstehend beschriebene Konstellation fallenden Studierenden aus früheren Fachsemestern zu veröffentlichen, kann nicht angenommen werden, da er sich - wie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt wurde - in der Lage sieht, in Einzelfällen, die auch erst einmal (nach welchen Kriterien auch immer) herausgefiltert werden müssen, eine konkrete Bekanntgabe auch für frühere Studiengruppen vorzunehmen.
Der Beklagte hat nicht nachweisen können, dass es eine - in seine Verantwortungssphäre fallende - im beschriebenen Sinne konkrete Aufklärung der Studierenden und insbesondere des Klägers vor den hier fraglichen Prüfungsterminen gegeben hat. Seine Ausführungen hierzu im Rahmen der mündlichen Verhandlung, diese Praxis sei an der Hochschule "allgemein bekannt", das Verfahren werde den Studierenden bei der Immatrikulation bekanntgegeben und es habe entsprechende Rundmails an Studierende gegeben, bleiben im Allgemeinen und lassen einen Bezug zum Kläger nicht erkennen.
Auch der Hinweis des Beklagten auf die Mitwirkungspflicht des Studierenden vermag eine andere Bewertung nicht zu rechtfertigen. Zwar kann ein Prüfling im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht gehalten sein, Vorkehrungen für den Empfang einer Ladung zu treffen, wenn er mit dem Zugang einer solchen für einen bereits in Auge gefassten oder absehbaren Prüfungstermin rechnen musste (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. April 1996 - 2 A 11716/95 -, NVwZ 1997, 593; Bayerischer VGH, Urteil vom 31. Mai 2001 - 7 B 00.2774 -, juris Rn. 19; Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 3. Aufl. 2007, Rn. 198). Für die hier vorliegende Konstellation, in der gerade nicht festzustellen ist, dass der Prüfling mit der Bekanntgabe eines für ihn bindenden Prüfungstermins zu rechnen hatte, würde es indes eine Überspannung der Mitwirkungspflicht bedeuten, dem Studierenden aufzubürden, zum Ausgleich der unklaren Bekanntgabepraxis des Beklagten sich auf die Suche nach "passenden" Prüfungsterminen zu begeben und daran die einschneidende Folgen des (endgültigen) Nichtbestehens der Prüfung und der Exmatrikulation zu knüpfen.
(3) Hinsichtlich der Klausurtermine vom 12. Dezember 2009 (Technische Mechanik II") und 9. Januar 2010 ("Technische Mechanik I") steht einer Bewertung mit "nicht ausreichend" aufgrund der Nichtteilnahme des Klägers der Umstand entgegen, dass er aus einem wichtigen Grund aufgrund Krankheit an der Teilnahme gehindert war. Dies hat der Kläger durch die Vorlage ärztlicher Atteste vom 10. Dezember 2009 und 7. Januar 2010 nachgewiesen. Soweit der Beklagte dagegen einwendet, dass die Geltendmachung der krankheitsbedingten Versäumung nicht fristgerecht nach § 10 Abs. 2 Satz 1 der Rahmenprüfungsordnung (RPO) für die Fachhochschule, zuletzt geändert am 16. Juli 2001 und nach der Präambel für alle Studiengänge (mit einer hier nicht einschlägigen Ausnahme) verbindlich, erfolgt sei, vermag er damit vorliegend nicht durchzudringen. Nach der zitierten Vorschrift muss der Grund für einen Rücktritt von einer angetretenen Prüfung oder für die Versäumung eines bindenden Prüfungstermins unverzüglich (innerhalb von drei Tagen) dem Fachbereich schriftlich angezeigt werden. Zwar ist diese Bestimmung als solche nicht zu beanstanden. Der Beklagte verhält sich jedoch treuwidrig, wenn er sie hier dem Kläger entgegen hält. Denn nach der substantiierten Darstellung des Klägers im Schriftsatz vom 27. Juli 2010, für die der Kläger auch die Bestätigung weiterer Studierender angeführt hat und der der Beklagte nicht entgegen getreten ist, hat sich der Kläger unmittelbar nach seiner Genesung innerhalb der drei Tage Frist beim Büro für Studentische Angelegenheiten - Bereich Fernstudium - begeben, um die genannten Krankschreibungen vorbeizubringen. Beide Male sei er durch die Mitarbeiterinnen des Beklagten darauf hingewiesen worden, dass die Krankschreibungen erst dann vorzulegen seien, wenn es zu einer Exmatrikulation komme.
Soweit der Beklagte anführt, dass die vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen inhaltlich unzureichend seien, ist darauf hinzuweisen, dass solche konkreten Anforderungen an den notwendigen Mindestinhalt des nach § 10 Abs. 2 RPO vorzulegenden ärztlichen Attestes, wie sie der Beklagte im Schriftsatz vom 7. Mai 2010 nennt, in den maßgeblichen Bestimmungen der Rahmenprüfungsordnung oder der Prüfungsordnung nicht normiert wurden. Zudem ist nicht ansatzweise zu erkennen, dass der Beklagte diese (in der Literatur vertretenen, vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, Rn. 275, 277) Anforderungen auch zuvor seiner Entscheidungspraxis zugrunde gelegt hat.
b. Die streitgegenständliche Exmatrikulationsverfügung vom 6. Januar 2010 über die Exmatrikulation des Klägers in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2010 kann entgegen der vom Beklagten in der Klageerwiderung vom 7. Mai 2010 vertretenen Auffassung auch nicht auf das Erlöschen des Prüfungsanspruchs nach § 3 Abs. 7 RPO gestützt werden. In dieser Norm wird bestimmt, dass für die Durchführung der Fachprüfung den Studierenden durch die Lehrenden Termine in den folgenden, gegebenenfalls bis zu drei Prüfungsperioden angegeben werden. Nach Ablauf dieser Frist erlischt der Prüfungsanspruch.
Der Wertung des Beklagten steht schon entgegen, dass diese Regelung Zweifeln an ihrer Bestimmtheit unterliegt, wenn vorgegeben wird, dass "in den folgenden, gegebenenfalls bis zu drei Prüfungsperioden" Termine bestimmt werden. Danach ist im Einzelfall nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit zu bestimmen, wann der Prüfungsanspruch erlischt. Zudem steht die Regelung im Widerspruch zu § 20 Abs. 2 Satz 2 und 3 BbgHG - "Dies (d.h. der Verweis auf § 13 Abs. 5 Nr. 1 BbgHG, wenn ein Studierender eine Prüfungsleistung nicht innerhalb einer in der Prüfungsordnung zu bestimmenden Frist erfolgreich abgelegt hat) gilt nicht, wenn die Überschreitung einer Prüfungsfrist vom Studierenden nicht zu vertreten ist. Die Prüfungsordnungen legen darüber hinaus fest, in welchen Fällen eine angemessene Verlängerung der Prüfungsfrist zu gewähren ist." -, der aus Art. 12 Abs. 1 GG fließende Anforderungen der Verhältnismäßigkeit konkretisiert, nach denen sichergestellt sein muss, dass eine unverschuldete Säumnis zur Möglichkeit der Fristverlängerung führt (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, Rn. 767), was in § 3 Abs. 7 RPO jedoch nicht vorgesehen ist. Schließlich sieht auch § 3 Abs. 7 Satz 1 RPO vor, dass die Lehrenden Prüfungstermine in den Prüfungsperioden bestimmen. Die Norm knüpft somit an die Ansetzung von Prüfungsterminen durch die Prüfer an, die indes nur dann zulasten der Studierenden herangezogen werden können, wenn sie den Prüflingen in der gebotenen Form bekannt gegeben worden sind, womit auch hier die oben genannten Bekanntgabemängel durchschlagen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.