Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 21. Kammer | Entscheidungsdatum | 01.03.2017 | |
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Aktenzeichen | 21 Ta 90/17 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 2 Abs 1 Nr 6 ArbGG, § 87 S 2 GWB, § 17 VTV-Bau |
Für Streitigkeiten über die Heranziehung soloselbstständiger Bauunternehmerinnen und Bauunternehmer zur Ausbildungskostenumlage nach § 17 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig.
I. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. Dezember 2016 - 62 Ca 81819/16 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
A. Die Parteien streiten vor dem Arbeitsgericht Berlin über die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung des Mindestbeitrages für die Berufsausbildung nach § 17 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) für den Zeitraum von April bis September 2015 in Höhe von 450,00 Euro und in diesem Zusammenhang über die Zulässigkeit des eingeschlagenen Rechtswegs.
Der Kläger ist die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse des Baugewerbes (ULAK), eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit Rechtsfähigkeit aufgrund staatlicher Verleihung. Er erbringt Leistungen im Urlaubs- und Berufsbildungsverfahren und zieht als gemeinsame Einzugsstelle der Sozialkassen des Baugewerbes sowohl seine eigenen Beiträge als auch die Beiträge zu den übrigen Sozialkassen ein. Der Beklagte unterhält einen Tiefbaubetrieb als sog. Soloselbstständiger. Er beschäftigt weder Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer, noch Auszubildende.
Nach § 17 des für allgemeinverbindlich erklärten VTV vom 3. Mai 2013 in der Fassung vom 10. Dezember 2014 haben zur Aufbringung der Mittel für die tarifvertraglich festgelegten Leistungen im Berufsbildungsverfahren seit April 2015 auch Baubetriebe, die keine gewerblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigten, einen jährlichen Mindestbeitrag für den Zeitraum von Oktober bis September des Folgejahres in Höhe von 900,00 Euro zu zahlen. Der erstmalig für den Zeitraum von April bis September 2015 zu zahlende Mindestbeitrag beträgt 450,00 Euro.
Der Beklagte hat die Zulässigkeit des eingeschlagenen Rechtswegs gerügt und die Auffassung vertreten, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei nicht gegeben, da er kein Arbeitgeber i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG sei, sondern von dem Kläger lediglich wie ein Arbeitgeber oder als potentieller Arbeitgeber in Anspruch genommen werde. Es handele sich auch nicht um einen sog. sic-non-Fall. Ausschließlich zuständig seien nach § 87 Satz 2 GWB die Kartellgerichte, da die streitgegenständliche Ausbildungskostenumlage auf eine Anbieterpreisverteuerung ziele und deshalb wie eine Preisabsprache soloselbstständiger Bauunternehmerinnen und Bauunternehmer wirke. Soweit Soloselbstständige betroffen seien, unterliege der VTV auch nicht der kartellrechtlichen Privilegierung von Tarifverträgen. Denn unionsrechtlich seien nur Tarifverträge der Sozialpartner von der Kartellkontrolle befreit, die diese in ihrer Eigenschaft als Sozialpartner geschlossen haben. Hinsichtlich der Einbeziehung der Soloselbstständigen in den VTV sei dies jedoch weder auf der Arbeitgeberseite, noch auf der Gewerkschaftsseite der Fall.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG seien auch Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber, die keine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen, dies aber könnten. § 87 Satz 2 GWB greife nicht. Mit der Einbeziehung von Soloselbstständigen in die Ausbildungskostenumlage hätten die Tarifvertragsparteien weder ihre Regelungsbefugnis nach dem Tarifvertragsgesetz überschritten, noch sei die Einbeziehung in wettbewerbsregelnder Absicht erfolgt. § 17 VTV diene der Förderung der Berufsausbildung in der Bauwirtschaft. Das Berufsbildungsverfahren entlaste die Ausbildungsbetriebe erheblich. Es schaffe einen Anreiz auszubilden und ermögliche es vielen Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhabern, gerade auch solchen, die keine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen, überhaupt erst, Auszubildende einzustellen. Außerdem hätten die Tarifvertragsparteien die Beiträge der Soloselbstständigen bewusst so festgesetzt, dass den Soloselbstständigen ihr Wettbewerbsvorteil gegenüber den Betrieben, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen, erhalten bleibe.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien bezüglich des Rechtswegs wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 12. Oktober 2016 (Bl. 17 - 20 d. A.) sowie den Schriftsatz des Klägers vom 30. November 2016 (Bl. 27 - 29 d. A.) nebst Anlagen Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 15. Dezember 2016 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es liege ein sog. sic-non-Fall vor. Für die Begründetheit der Klageforderung komme nur § 17 VTV und damit allein eine arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage in Betracht. Daher sei die Rechtsbehauptung des Klägers, ihm stünde gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung des Mindestbeitrages nach § 17 VTV zu, sowohl für die Rechtswegzuständigkeit als auch für die Sachentscheidung von Bedeutung und begründe bereits den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses (Bl. 42 f. d. A.) verwiesen.
Gegen diesen dem Beklagten am 2. Januar 2017 zugestellten Beschluss hat dieser mit am 3. Januar 2017 beim Arbeitsgericht vorab per Telefax eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen seine bisherigen Ausführungen wiederholt. Mit Beschluss vom 19. Januar 2017 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Wegen der Begründung der sofortigen Beschwerde wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 2. Januar 2017 (Bl. 51 - 53 d. A.) und wegen der Begründung des Nichtabhilfebeschlusses auf dessen Gründe (Bl. 58 d. A.) verwiesen.
B. Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.
I. Die Beschwerde ist nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i. V. m. § 48 Abs. 1, § 78 Satz 1 ArbGG, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zwar statthaft sowie frist- und formgerecht i. S. v. § 78 Satz 1 ArbGG, § 569 Abs. 1 und 2 ZPO eingelegt worden. Sie ist daher zulässig.
II. Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den eingeschlagenen Rechtsweg zu Recht für zulässig erachtet. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen folgt aus § 2 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen u. a. ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien, soweit nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist. Danach sind die Gerichte für Arbeitssachen für den vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich zuständig.
1. Es handelt sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen einer gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien und einem Arbeitgeber.
a) Der Streit der Parteien, ob der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger den in § 17 VTV geregelten Mindestbeitrag für die Berufsbildung zu zahlen, ist bürgerlich-rechtlicher Natur. Bei dem Kläger handelt es sich um eine in § 3 Abs. 1 VTV, § 8 Nr. 15 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV) und § 18 des Tarifvertrages über die Berufsbildung im Baugewerbe (BBTV) vorgesehene gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes i. S. v. § 2 Abs. 2 TVG und damit um eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b ArbGG. Hierrüber gibt es zwischen den Parteien auch keinen Streit.
b) Der Beklagte ist auch als Arbeitgeber i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG anzusehen. Er ist zwar kein Arbeitgeber im vertragsrechtlichen Sinne, da er gegenwärtig weder Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer noch Auszubildende beschäftigt. Darauf kommt es jedoch nicht an. Denn jedenfalls ist der Beklagte verfahrensrechtlich im Sinne der Zuständigkeitsnorm als Arbeitgeber zu behandeln. Dies ergibt sich aus der Auslegung des § 2 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG.
aa) Anders als der Arbeitnehmerbegriff in § 5 ArbGG ist der Arbeitgeberbegriff im Arbeitsgerichtsgesetz nicht definiert. Vielmehr wird der Begriff der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers allgemein aus dem Arbeitnehmerbegriff abgeleitet. Dies gilt nicht nur im Rahmen des materiellen Arbeitsrechts (dazu BAG vom 27.09.2012 - 2 AZR 838/11 - Rn. 16; AP Nr. 18 zu § 611 BGB Hausmeister; ErfK-Preis, § 611 Rn. 183) sondern auch im Rahmen des Arbeitsgerichtsgesetzes (BAG vom 15.03.2011 - 10 AZB 49/10 - Rn. 7, AP Nr. 96 zu § 2 ArbGG 1979; GMP-Schlewing, § 2 Rn. 51; ErfK-Koch, § 2 ArbGG Rn. 11). Danach ist Arbeitgeberin oder Arbeitgeber im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes, wer zumindest eine Arbeitnehmerin oder einen Arbeitnehmer oder eine arbeitnehmerähnliche Person i. S. d. § 5 ArbGG beschäftigt (BAG vom 15.03.2011
- 10 AZB 49/10 - Rn. 7, a. a. O.). Dem Arbeitgeberbegriff unterfällt also, wer Vertragspartnerin oder Vertragspartner einer Arbeitnehmerperson oder einer arbeitnehmerähnlichen Person ist (vgl. Bayreuther/Deinert, RdA 2015, 129) sowie kraft der vertraglichen Beziehung von dieser die Leistung von Arbeit oder Diensten verlangen kann und hierfür die Vergütung schuldet (vgl. ErfK-Preis, a. a. O.).
bb) Allerdings ist der Begriff nicht auf dieses rein vertragsrechtlich ausgestaltete Verständnis beschränkt, sondern nach dem Sinn und Zweck des Arbeitsgerichtsgesetzes sowie der jeweiligen Zuständigkeitsnorm weiter zu verstehen (BAG vom 15.03.2011 - 10 AZB 49/10 - Rn. 12, a. a. O.). Beispielsweise kann Arbeitgeberin und Arbeitgeber i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c ArbGG, wonach den Gerichten für Arbeitssachen auch Streitigkeiten aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und aus dessen Nachwirkungen zugewiesen sind (näher dazu ErfK-Koch, § 2 ArbGG Rn. 17), auch sein, wer zwar gegenwärtig keine Arbeitsnehmerinnen oder Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Personen beschäftigt, jedoch beabsichtigt oder beabsichtigt hat, solche zu beschäftigten, oder früher einmal beschäftigt hat. Ebenso werden bei drittbezogenen Personaleinsätzen nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz auch Entleihunternehmen als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber angesehen, wenn Streitigkeiten zwischen einem Entleihunternehmen und einer Leiharbeitnehmerin oder einem Leiharbeitnehmer mit dem Leiharbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen (BAG vom 15.03.2011 - 10 AZB 49/10 - Rn. 12, a. a. O.). Denn Ziel des Arbeitsgerichtsgesetzes ist es, alle bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten, die in greifbarer Beziehung zu einem Arbeitsverhältnis stehen, auch prozessual den Gerichten für Arbeitssachen zuzuweisen (vgl. BAG vom 15.03.2011 - 10 AZB 49/10 - Rn. 11, a. a. O.; vom 25.11.2014 - 10 AZB 52/14 - Rn. 8, NZA 2015, 252).
Wie sich aus der sic-non-Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 24.04.1996 - 5 AZB 25/95 -, AP Nr. 1 zu § 2 ArbGG 1979) ergibt, ist von einer solchen Beziehung auch auszugehen, wenn die bloße Rechtsbehauptung aufgestellt wird, ein Arbeitsverhältnis bestehe oder habe bestanden und die Entscheidung des Rechtsstreits von dieser Frage abhängt (vgl. zur Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit für den Fall, dass die Klage bei Bestehen eines Arbeitsverhältnisses abzuweisen ist (BAG vom 25.11.2014 - 10 AZB 52/14 - Rn. 9, a. a. O.).
cc) Anders als bei Streitigkeiten zwischen einzelnen Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern und einzelnen Arbeitgeberinnen oder Arbeitgebern geht es bei § 2 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG um die Entscheidung von Streitigkeiten aus dem Recht der gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien. Ziel dieser Zuständigkeitsnorm ist es, den Gerichten für Arbeitssachen auch alle bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten zuzuweisen, die in greifbarer Beziehung zu einem Rechtsverhältnis stehen, das sich aus der Schaffung einer gemeinsamen Einrichtung durch die Tarifvertragsparteien kraft ihrer Tarifmacht ergibt. Darunter fallen auch Streitigkeiten, bei denen es gerade darum geht, ob jemand als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber von einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien aufgrund eines Tarifvertrages in Anspruch genommen werden kann, dies von der Tarifmacht der Tarifvertragsparteien gedeckt ist und auch sonst keine Rechtsgründe entgegenstehen.
Als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG zu behandeln ist deshalb jede Person, die von einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien mit der Rechtsbehauptung in Anspruch genommen wird, sie werde zulässigerweise als „Arbeitgeber“ im Sinne der Tarifnorm in Anspruch genommen.
dd) Danach ist der Beklagte als Arbeitgeber i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG anzusehen. Denn der Kläger hat sich darauf berufen, die Tarifvertragsparteien des VTV hätten zur Finanzierung der Leistungen im Berufsbildungsverfahren durch ihn als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes Soloselbstständige als mögliche Arbeitgeberinnen oder Arbeitgeber zulässigerweise in die Ausbildungskostenumlage einbezogen. Auf diese Rechtsbehauptung stützt sich die Klage.
2. Es ist auch nicht die ausschließliche Zuständigkeit der Kartellgerichte gegeben.
a) Nach § 87 Satz 1 GWB sind für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die die Anwendung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) oder die Anwendung der Art. 101 oder 102 AEUV bzw. der Art. 53 oder 54 des EWR-Abkommens betreffen, ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich die Landgerichte zuständig. Nach § 87 Satz 2 GWB gilt dies auch dann, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits ganz oder teilweise von einer Entscheidung, die nach dem GWB zu treffen ist, oder von der Anwendbarkeit der Art. 101 oder 102 AEUV bzw. der Art. 53 oder 54 des EWR-Abkommens abhängt. Zweck des § 87 GWB ist, Kartellrechtsstreitigkeiten zur Sicherung der Qualität und Einheitlichkeit der Rechtsprechung bei bestimmten, in der Rechtsmaterie besonders erfahrenen und sachkundigen Gerichten zu konzentrieren (OLG Köln vom 25.09.2012 - I-7 U 89/11, 7 U 89/11 - Rn. 19 zitiert nach juris, GRUR-RR 2013, 37; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff-Dicks, § 87 GWB Rn. 1; Jaeger/Kokott/Pohlmann/Schroeder-Meyer-Lindemann, § 87 GWB Rn. 1). Nach § 89 GWB können Kartellrechtsstreitigkeiten zu diesem Zweck auch für mehrere Landgerichtsbezirke oder sogar für mehrere Länder einem bestimmten Landgericht (sog. Kartell-Landgericht) zugewiesen werden.
Um eine Kartellrechtsstreitigkeit i. S. d. § 87 Satz 1 GWB (Kartellrechtssache im engeren Sinne) handelt es sich, wenn der Streitgegenstand dem Kartellrecht zuzuordnen ist, d. h. die Hauptfrage einen kartellrechtlichen Anspruch betrifft (näher dazu Immenga/Mestmäcker-Schmidt, § 87 GWB Rn. 12 u. 15 ff.; Wiedemann-Ollerdißen, Kartellrecht, § 59 Rn. 31 ff.). Eine Kartellrechtsstreitigkeit i. S. d. § 87 Satz 2 GWB (Kartellrechtssache im weiteren Sinne) liegt vor, wenn Streitgegenstand zwar ein nichtkartellrechtlicher Anspruch ist, die Entscheidung aber ganz oder teilweise von der Beantwortung einer kartellrechtlichen Vorfrage abhängt (Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff-Dicks, § 87 GWB Rn. 14). Letzteres ist beispielweise der Fall, wenn die klagende Partei einen aus dem allgemeinen Recht abgeleiteten Anspruch geltend macht, die beklagte Partei kartellrechtliche Einwendungen erhebt, und die Einwendungen entscheidungserheblich sind (Loewenheim/Meessen/Riesenkampff-Dicks, § 87 GWB Rn. 17 f.).
b) Vorliegend geht es nicht um eine kartellrechtliche Streitigkeit im engeren Sinne. Der Kläger macht gegen den Beklagten keinen kartellrechtlichen Anspruch geltend. Gegenteiliges behauptet auch der Beklagte nicht. Das für Kartellrechtssachen zuständige Landgericht ist aber auch nicht nach § 87 Satz 2 GWB ausschließlich zuständig.
aa) Ob § 87 Satz 2 GWB auch die Rechtswegzuständigkeit betrifft, ist streitig. Zum Teil wird vertreten, nach § 87 Satz 2 GWB seien die Kartellgerichte auch dann originär zuständig, wenn sich eine kartellrechtliche Vorfrage in einem Rechtsstreit stelle, der hinsichtlich der Hauptfrage vor den Arbeits- Finanz-, Sozial- oder Verwaltungsgerichten auszutragen wäre, und dies mit dem Konzentrationszweck des § 87 GWB begründet (Jaeger/Kokott/Pohlmann/Schroeder-Meyer-Lindemann, § 87 GWB Rn. 49 f.). Andere lehnen eine Anwendung des § 87 Satz 2 GWB auf rechtswegsfremde Streitigkeiten ab (Immenga/Mestmäcker-Schmidt, § 87 GWB Rn. 23; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff-Dicks, § 87 GWB Rn. 18). Dass der Gesetzgeber die Rechtswege habe getrennt halten wollen, zeige nicht zuletzt die Gesetzgebung zum Kartellrecht der gesetzlichen Krankenkassen (Immenga/Mestmäcker-Schmidt, a. a. O.; a. A. Jaeger/ Kokott/Pohlmann/Schroeder-Meyer-Lindemann, § 87 GWB Rn. 49). Die Kartellgerichte könnten und sollten nicht wegen kartellrechtlicher Vorfragen über genuine Arbeits-, Verwaltungs- oder Finanzstreitigkeiten entscheiden (Immenga/Mestmäcker-Schmidt, a. a. O.).
bb) Dahingestellt bleiben kann, welcher Ansicht zu folgen ist. Denn die Entscheidung hängt nicht von einer kartellrechtlichen Vorfrage ab.
(1) Die Entscheidung eines Rechtsstreits hängt ganz oder teilweise von einer kartellrechtlichen Vorfrage ab, wenn die mehr als entfernte Möglichkeit besteht, dass für die Entscheidung eine Frage vorgreiflich ist, die nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu entscheiden ist, oder in den Anwendungsbereich von Art. 101 oder 102 AEUV fällt (vgl. BAG vom 27.06.1989 - 1 AZR 404/88 - Rn. 45 zitiert nach juris,
AP Nr. 113 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Dafür ist es erforderlich, einen kartellrechtlich relevanten Sachverhalt aufzuzeigen (OLG Köln vom 24.10.2013 - 18 U 2/13 - Rn. 92 zitiert nach juris). Der Zweck des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen rechtfertigt die Zuständigkeit der Kartellgerichte, wenn eine Partei durch entsprechenden Tatsachenvortrag einen kartellrechtlich relevanten, entscheidungserheblichen Sachverhalt dargelegt hat (OLG Hamm vom 29.07.2011 - I-32 SA 57/11, 32 SA 57/11 - Rn. 14 zitiert nach juris). Die Kartellgerichte sollen ernst zu nehmende Fragen des Kartellrechts entscheiden. Es obliegt ihnen aber nicht, allein wegen der ganz entfernten Möglichkeit einer kartellrechtlichen Frage über Angelegenheiten zu entscheiden, die der Zuständigkeit anderer Gerichte unterliegen. Deshalb setzt die Zuständigkeit der Kartellgerichte voraus, dass eine Partei ernsthaft Rechte aus kartellrechtlichen Vorschriften geltend machen kann (OLG Celle vom 23.10.2010 - 13 AR 9/10 (Kart) -Rn. 7 zitiert nach juris).
(2) Einen kartellrechtlich relevanten Sachverhalt in diesem Sinne hat der Beklagte nicht aufgezeigt. Ein Recht des Beklagten aus kartellrechtlichen Vorschriften kommt nicht ernsthaft in Betracht. Er hat keine hinreichende Möglichkeit aufgezeigt, dass § 17 VTV eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs i. S. d. § 1 GWB bezweckt oder bewirkt.
(a) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist nicht ersichtlich, dass § 17 VTV auf eine Anbieterpreisverteuerung abzielt, um dadurch soloselbstständige Bauunternehmerinnen und Bauunternehmer vom Markt zu drängen, (so aber Rieble, ZWeR 2016, 165, 176 ohne Begründung). Abgesehen davon, dass schon nicht plausibel ist, wie eine Ausbildungskostenumlage von 900,00 Euro pro Jahr geeignet sein soll, Soloselbstständige generell und nicht nur einzelne auf einem besonders prekären Niveau tätige Soloselbstständige vom Markt drängen, gibt es auch sonst keine Anhaltspunkte, die diese These stützen.
Der Mindestbeitrag zur Berufsbildung, der Soloselbstständigen nach § 17 VTV abverlangt wird, dient - wie sich schon aus dem Wortlaut der tariflichen Regelung ergibt - der Aufbringung der Mittel für die Leistungen im Berufsbildungsverfahren nach dem Tarifvertrag über die Berufsbildung im Baugewerbe (BBTV) und damit der Förderung der Berufsausbildung im Baugewerbe. Betriebe, die selbst ausbilden, erhalten bei einer dreijährigen Ausbildung nach den §§ 19 ff. BBTV bis zu 28.000,00 Euro von den Ausbildungskosten erstattet (Bayreuther/Deinert, RdA 2015, 128, 139) und werden dadurch finanziell erheblich entlastet. Die Einbeziehung soloselbstständiger Bauunternehmerinnen und Bauunternehmer in die Finanzierung der Leistungen der gemeinsamen Einrichtung gewährleistet die Effektivität dieser Einrichtung und schließt unerwünschte Mitnahmeeffekte aus, die entstehen würden, wenn sich eine Soloselbstständige oder ein Soloselbstständiger entschließt, selbst jemand auszubilden, eine bereits ausgebildete Person einzustellen oder sich auch nur mit einer ausgebildeten Person zu einem Unternehmen zusammenzuschließen (Bayreuther/Deinert a. a. O). Die Regelung vermeidet geradezu Wettbewerbsverfälschungen.
(b) Die Ausbildungskostenumlage wirkt auch nicht wie eine Preisabsprache der soloselbstständigen Bauunternehmerinnen und Bauunternehmer. Es handelt sich lediglich um einen weiteren Kostenfaktor, den soloselbstständige Bauunternehmerinnen und Bauunternehmer bei ihrer Preiskalkulation sinnvollerweise berücksichtigen sollten, der sie aber nicht daran hindert, ihre Preise unabhängig voneinander und in Konkurrenz zueinander sowie in Konkurrenz zu den übrigen Bauunternehmen festzulegen. Insbesondere kann nicht unterstellt werden, dass sämtliche Soloselbstständige ihre Preise bisher einheitlich so kalkuliert haben, dass sie gezwungen sind, den Mindestbeitrag zur Berufsbildung in vollem Umfang an ihre Kunden weiterzureichen. Es ist im Gegenteil davon auszugehen, dass der zusätzliche Kostenfaktor auf eine ganz unterschiedliche Preisstruktur trifft und - wie auch sonst bei einer Erhöhung der Fixkosten - einige Unternehmen die Erhöhung an ihre Kunden vollständig, andere nur teilweise und wieder andere überhaupt nicht weitergeben, sondern sich mit einem geringeren Gewinn begnügen. Die Regelung dieses einzelnen Kostenfaktors hat dabei letztlich nur marginalen und mittelbaren Einfluss auf die Endkosten der von den Soloselbstständigen angebotenen Dienst- oder Werkleistungen (zu diesem Gesichtspunkt siehe auch EuGH vom 12.09.2000 - C-180/98 u.a. - Pavlov - Rn. 94 f., EAS Teil C EG-Vertrag Art. 85 Nr. 7). Eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung scheidet von vornherein aus (zu diesem Erfordernis Bayreuther, NJW 2017, 357, 361; Immenga/Mestmäcker-Zimmer, § 1 GWB Rn. 139 ff.; Jaeger/Kokott/ Pohlmann/Schroeder-Roth/Ackermann, § 1 GWB Rn. 91 ff.).
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 Satz 1 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO.
D. Die Rechtsbeschwerde wird nach § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.