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Entscheidung VK 28/10


Metadaten

Gericht Vergabekammer Potsdam Entscheidungsdatum 22.06.2010
Aktenzeichen VK 28/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Nachprüfungsantrag wird verworfen.

2. Das Verfahren auf Gestattung des Zuschlages wird wegen Erledigung eingestellt.

3. Die Antragstellerin trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwen-dungen der Auftraggeberin.

4. Die Gebühr wird auf X.XXX,XX EUR festgesetzt und mit dem eingezahlten Kostenvorschuss verrechnet.

5. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Auftraggeberin wird für notwendig erklärt.

Gründe

I.

Die Auftraggeberin schrieb im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom … 2010 Generalplanungsleistungen für den Umbau und die energetische Sanierung des Kulturhauses … im Beschleunigten Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb europaweit aus. Zuschlagskriterien waren nach Ziffer IV.2.1) der Bekanntmachung das wirtschaftlich günstigste Angebot gemäß den Kriterien Qualität (Gewichtung 70 %) und Preis (Gewichtung 30 %).

Die Antragstellerin gehörte neben vier weiteren Interessenten zu den Unternehmen, die nach erfolgreichem Teilnahmewettbewerb zur Angebotsabgabe aufgefordert wurden. Am 9. März 2010 übersandte die Auftraggeberin den fünf potentiellen Bietern die Unterlagen zur Abgabe eines Honorarangebotes, am 11. März 2010 erhielten die Unternehmen die Kostenermittlung der Baufachlichen Prüfung zum Fördermittelantrag als Grundlage für die Angebotserstellung.

Die Leistungsbeschreibung listet zu Ziffer 8 sowohl die bereits beigefügten als auch diejenigen Unterlagen auf, die bei der Auftraggeberin nach vorheriger schriftlicher Vereinbarung eines Termins eingesehen werden können, so beispielsweise die Berechnungen nach DIN 18599, welche ausweislich der Fußzeile der Berechnungen die Firma … GmbH erstellt hatte. Auf Seite 9 der Leistungsbeschreibung, Ziffer 3.4, wird darauf hingewiesen, dass bereits Vorleistungen für die Genehmigung des Fördermittelantrages von Fachplanern erbracht worden seien und diese Fachplaner die Leistungen bis LP 3 erbringen sollen.

Ausweislich der Vergabeakten übermittelte die Auftraggeberin den potentiellen Bietern mit E-Mail vom 18. März 2010 weitere Angaben und Unterlagen, die bei der Erstellung des Honorarangebotes zu beachten waren, so in Ergänzung der Verdin-gungsunterlagen drei Anhänge (PDF-Dateien), und zwar die „Bewertungsmatrix für das Bietergespräch“, die „Bewertungskriterien Honorarangebot und Fragenkatalog“ und die „Subplanerverpflichtungserklärung“; letztere, ein Formblatt, war gemäß Ziffer 3.) des Mailtextes von jedem Subplaner des jeweiligen Bieters auszufüllen. Aus dem Bewertungsschema „Bewertungsmatrix für das Bietergespräch“ gehen sämtliche Unterkriterien des Zuschlagskriteriums „Qualität“ und deren jeweils erreichbare Höchstpunktzahl nebst Wichtung hervor. Der Fragenkatalog der Datei „Bewertungskriterien Honorarangebot und Fragenkatalog“ ist im Weiteren identisch mit dem der Ziffer 7 der Leistungsbeschreibung (mit Ausnahme der dortigen Nr. 9 und 10).

Die Antragstellerin gab fristgerecht ein Angebot ab. Das Anschreiben datiert auf den 23. März 2010; in diesem nimmt die Antragstellerin unter Ziffer 1. Bezug auf die E-Mail vom 18. März 2010 und die „Subplanerverpflichtungserklärung“, von der sie die entsprechende Anzahl ausgefüllt ihrem Angebot beifügte. Abschließend bezieht sich die Antragstellerin auf die „Checkliste Bietergespräch“, deren Themen sie anlässlich einer möglichen Präsentation gern erörtern würde.

Zum Submissionstermin am 24. März 2010 lagen der Auftraggeberin vier Angebote vor.

Die Submission wurde öffentlich durchgeführt. Die vier Bieter nahmen teil.

Die Vergabegespräche fanden am 1. April 2010 statt. Die Bieter erhielten je die Gelegenheit ihr Honorarangebot zu modifizieren. Von dieser Möglichkeit machten auch die Antragstellerin und die Firma … GmbH in unterschiedlicher Größenordnung Gebrauch.

Mit Vorinformation gemäß § 101 a GWB vom 15. April 2010 teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin mit, den Auftrag am 27. April 2010 an die Firma … GmbH erteilen zu wollen. Die als Anlage zur Vorinformation beigefügte Gesamtwer-tungsmatrix „Auswertung der Vergabeverhandlung“ ist, bezogen auf die Liste der Unterkriterien zur „Einschätzung der Qualität“, identisch mit der den Bietern am 18. März 2010 per E-Mail zur Kenntnis gegebenen „Bewertungsmatrix für das Bieter-gespräch“. Durch die Anlage zur Vorinformation erhielten die vier Bieter Kenntnis über die selbst erzielte sowie über die von den Mitbietern jeweils erzielte Punktzahl. Das Hauptkriterium Preis wird als Gesamtpunktzahl mit einem Maximum von 150 gewichteten Punkten mitgeteilt, die Punktzahl für das mit 70 % gewichtete Haupt-kriterium Qualität beträgt maximal 350 Punkte und wird nach Unterkriterien und deren Einzelwichtung aufgeschlüsselt mitgeteilt. Das nach dem Bietergespräch preis-günstigste und daher mit der Maximalpunktzahl von 150 bewertete Angebot der Antragstellerin belegte nach der Gesamtwertung mit 397 Punkten Rang drei, das im Preis mit 148,54 Punkte zweitplatzierte Angebot der Zuschlagsbieterin erzielte mit insgesamt 439,54 Punkten Rang eins.

Mit Schreiben vom 19. April 2010 rügte die Antragstellerin die Nichtbewertung ihres Angebotes im Qualitäts-Unterkriterium „Persönlichkeit des Stellvertreters des Projekt-leiters“, obwohl dieser im Bietergespräch zugegen gewesen und als solcher auch präsentiert worden sei. Sie beanstandete darüber hinaus, das Auswahlkriterium „Erfahrungen der Bieter in Bezug auf die Zusammenarbeit mit der regionalen Denk-malschutzbehörde“ sei bei einer europaweiten VOF-Ausschreibung unzulässig, wenn bei der Bewertung nur auf das Kriterium „regionale Behörde“ abgestellt werde und gleichwertige allgemeine Erfahrungen nicht zählten. Daher werde die beschränkende Bewertung zugunsten der Zuschlagsbieterin gerügt, die hier die Maximalpunktzahl von 30 und damit 18 Punkte mehr als andere erhalten habe. Es werde um Gleichstellung mit dieser gebeten. Wegen des Diskriminierungsverbotes in der EU sei auch das Kriterium „Vorkenntnisse/Erfahrungen mit dem speziellen Förderprogramm … des Landes …“ unzulässig. Die Antragstellerin habe zahl-reiche analoge Förderprogramme entsprechend den hier gemachten Vorgaben be-gleitet und dies auch im Bietergespräch erläutert. Sie sei bei diesem Kriterium daher, ebenso wie die Zuschlagsbieterin, mit der Maximalpunktzahl von 20 zu bewerten. Auch sei der Antragstellerin am heutigen Tage zur Kenntnis gelangt, dass die bei Submission noch teuerste Zuschlagsbieterin im Vorfeld dieser Ausschreibung mit gutachtlichen Beratungsleistungen in das Projekt involviert gewesen sei. Treffe dies zu, werde deren Nichtausschluss von dieser Vergabe gerügt.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21. April 2010 half die Auftraggeberin der Rüge zur Nichtwertung des Unterkriteriums „Persönlichkeit des Stellvertreters des Projektleiters“ ab. Die Antragstellerin erhielt gewichtete 28 Punkte hinzu und belegt nunmehr mit 425 Gesamtpunkten Rang zwei. Im Übrigen wies die Auftraggeberin die Rügen zurück. Im Gesamtgefüge des zu erteilenden Auftrages seien Kenntnisse des Bieters im Umgang mit regionalen Denkmalschutzbehörden wichtig. Das Kriterium beziehe sich nicht allein auf die vor Ort zuständige Denkmalschutzbehörde, jedoch habe sich in der Gesamtschau der Bieter die Zuschlagsbieterin am Besten positionieren können. Diese Ermessensentscheidung sei nicht zu beanstanden. Entsprechendes gelte für die Bewertung des Kriteriums „Erfahrungen/Vorkenntnisse mit dem Förder-programm …“. Auch Bieter ohne Vorkenntnisse hätten hier Punkte erhalten; bewer-tet worden seien die unterschiedlichen Erfahrungen der verschiedenen Bieter mit unterschiedlichen Förderprogrammen. Die Zuschlagsbieterin sei hier in der Tat in die Formulierung des Fördermittelantrages für das Projekt einbezogen worden. Eine Vor-befasstheit stelle nach der Rechtsprechung des EuGH – und nachfolgend der Verga-bekammern – aber nicht ohne weiteres einen Ausschlussgrund dar; zu beanstanden sei dieser Umstand nur dann, wenn sich der im Zuge der Vorbefasstheit erlangte Vorsprung nicht durch geeignete Maßnahmen wie beispielsweise die Informa-tionserteilung zum Schutz der anderen Bieter ausgleichen lasse. Hier habe die Auftraggeberin das Wettbewerbsprinzip durch geeignete Maßnahmen gewahrt.

Dem widersprach die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. April 2010. Die Zuschlagsbieterin sei in Bezug auf das Projekt nicht lediglich in die Formulierung des Fördermittelantrages einbezogen gewesen, sie habe im Sommer des Vorjahres vielmehr auf ihrer Website veröffentlicht, zur Erstellung eines Sanierungskonzeptes beauftragt worden zu sein. Ihr Kenntnisvorsprung sei damit erheblich gewesen und gegenüber den Mitbietern nicht ausgeglichen worden. Im Übrigen scheine die Auftraggeberin die beiden beanstandeten Wertungskriterien ohne Berücksichtigung gleichwertiger Bietererfahrungen ebenfalls nicht für EU-tauglich zu halten. Soweit sie ihre Entscheidung insoweit auf Ermessen stütze, sei die Wertung mit Blick auf die nachgewiesenen Qualifikationen der Antragstellerin fehlerhaft.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26. April 2010 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg gestellt. Sie trägt vor, das Büro der Zuschlagsbieterin habe bei der Vergabe nicht berücksichtigt werden dürfen. Es liege ein Verstoß gegen § 4 Abs. 3 VOF bzw. § 4 Abs. 5 VgV vor. Die Zuschlagsbieterin habe für die Auftraggeberin ein Sanierungskonzept für das hier verfahrensgegenständliche Kulturhaus gefertigt. Die Auftraggeberin habe keinerlei Maßnahmen ergriffen, um den daraus folgenden Wettbewerbsvorteil in Bezug auf die Vertrautheit mit dem Bauvorhaben und in Bezug auf die Vorkenntnisse hinsichtlich der planerischen Zielsetzungen der Auftraggeberin zu kompensieren. Dies betreffe erst recht die Vorbefassung mit dem erst im Mai 2009 im Amtsblatt bekannt gemachten Förderprogramm … des Landes … Mit diesem Wertungskriterium habe die Auftraggeberin den Wettbewerbsvorteil vertieft. Die insoweit vorbefasste Zuschlagsbieterin habe als einziger Bieter die Maximalpunktzahl von 20 erhalten. Gleiches gelte für das ebenfalls beanstandete Kriterium zu Erfahrungen mit der regionalen Denkmalschutzbehörde. Nur die vorbe-fasste Zuschlagsbieterin habe die volle Punktzahl von 30 erreichen können. Eine auf regionale Referenzen abstellende Bewertung sei bei europaweiten Ausschreibungen jedoch per se unzulässig. Auf das ihrer Entscheidung zugrunde liegende Ermessen könne sich die Auftraggeberin nicht zurückziehen. Die Beurteilungsfehler beruhten auf sachfremden Erwägungen und, im Hinblick auf die herausragenden Referenzen des Antragstellerangebotes, auf einem unvollständigen Sachverhalt.

Selbst in Bezug auf das Kriterium „Honorar“ sei der Bewertungsmaßstab nicht dargelegt worden. Die nunmehr annähernd gleich gewertete Zuschlagsbieterin sei bei Submission noch die mit Abstand teuerste Bieterin gewesen.

Die Antragstellerin beantragt,

1. die Auftraggeberin zu verpflichten, den Zuschlag zur Erteilung des in dem Verfahren 2010 … ausgeschriebenen Auftrages Gene-ralplanungsleistungen zum Vorhaben „Umbau und energetische Sanie-rung Kulturhaus …“ auf das Angebot der Antragstellerin vom 23. März 2010 nach Maßgabe des Protokolls des Bietergespräches vom 1. April 2010 zu erteilen,

hilfsweise,
die Auftraggeberin zu verpflichten, das Angebot der Antragstellerin vom 23. März 2010 nach Maßgabe des Protokolls über das Bietergespräch vom 1. April 2010 unter Beachtung der Rechsauffassung der Vergabe-kammer erneut zu bewerten,

hilfsweise,
die Auftraggeberin zu verpflichten, das Verhandlungsverfahren unter Beachtung der Rechsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen,

höchst hilfsweise,
das Vergabeverfahren aufzuheben,

2. der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakte zu gewähren,

3. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären,

4. der Auftraggeberin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung der Antragstellerin auf-zuerlegen.

Die Auftraggeberin beantragt,

1. den Antrag auf Einleitung einer Vergabenachprüfung als unzulässig, mindestens aber als unbegründet ohne mündliche Verhandlung zurück-zuweisen, da er unzulässig und offensichtlich unbegründet ist,

2. hilfsweise, den Antrag auf Erteilung des Zuschlages an die Antrag-stellerin zurückzuweisen,

3. weiterhin hilfsweise, den Antrag auf erneute Bewertung des Angebotes der Antragstellerin zurückzuweisen,

4. weiterhin hilfsweise, den Antrag auf Wiederholung des Verhandlungs-verfahrens zurückzuweisen,

5. weiterhin hilfsweise, den Antrag auf Aufhebung des Vergabeverfahrens zurückzuweisen,

6. den Antrag auf Akteneinsicht zurückzuweisen,

7. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Auftraggeberin für notwendig zu erklären,

8. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Auftraggeberin aufzuerlegen.

Sie ist der Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig sei, soweit er auf den Ausschluss der Firma … GmbH wegen wettbewerbswidriger Vorbefassung ziele. Die Antragstellerin habe spätestens bei Submission am 24. März 2010 gewusst, dass dieses Unternehmen Mitbieter sei, denn gemäß Ziffer 8 der Leistungsbeschreibung habe die Antragstellerin unter anderem die erkennbar von der Zuschlagsbieterin erarbeiteten Unterlagen, so die Berechnungen nach DIN 18599, bei der Auftraggeberin einsehen können. Diese zur Einsichtnahme bereitgehaltenen Unterlagen habe die Auftraggeberin ebenso, wie die übersandten Unterlagen, relevant für die Kalkulation des Angebotes gehalten. Da Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst aus den Verdingungsunterlagen erkennbar sind, gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB nur bis zum Ende der Angebotsfrist gerügt werden können, sei die Antragstellerin mit o.g. Vorwurf präkludiert.

Hinsichtlich der zu einzelnen Kriterien der Bewertungsmatrix geäußerten Beanstandungen sei die Antragstellerin gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB präkludiert. Die Antragstellerin trage selbst vor, die hier streitgegenständliche Bewertungsmatrix am 29. März 2010 überreicht bekommen zu haben, sodass das auf den 19. April 2010 datierte Rügeschreiben nicht mehr unverzüglich sei. Die Antragstellerin müsse sich insoweit vorhalten lassen, aufgrund der Submission gewusst zu haben, dass die Firma … GmbH Mitbieterin sei; sie müsse sich zurechnen lassen, dass sie die beanstandete Vorbefassung dieses Büros hätte erkennen können, wenn sie von der Möglichkeit der Einsichtnahme in die von der Auftraggeberin bereitgehaltenen Unterlagen Gebrauch gemacht hätte.

Jedenfalls liege keine wettbewerbswidrige Vorbefassung der Zuschlagsbieterin vor. Diese habe insbesondere die Berechnungen nach DIN 18599 erstellt, die wesentlicher Bestandteil des Fördermittelantrages gewesen seien. Die hierfür benötigten Unterlagen seien Bestandteil der Verdingungsunterlagen und den Bietern teils übersandt, teils zur Einsichtnahme bereit gestellt worden. Weiter habe die Auftraggeberin in Ziffer 3.4 der Leistungsbeschreibung auf die Vorleistungen der Planung der Technischen Ausrüstung hingewiesen. Die vorliegend ausgeschriebene Generalplanung umfasse weit umfänglichere Arbeiten anderen Inhalts. Werde, so die Rechtsprechung, der aus einer Vorbefassung resultierende Wissensvorsprung gegenüber den übrigen Bietern durch geeignete Maßnahmen ausgeglichen, liege keine Verfälschung des Wettbewerbes vor. Hier habe die Auftraggeberin alle Unterlagen, die dem Fördermittelantrag zugrunde lagen und in den Bereich der „Vorbefassung“ fallen könnten, offen gelegt. Nach OLG Brandenburg (Beschluss vom 22. Mai 2007 – Verg W 13/06) müsse in Fällen, in denen sich die in Betracht kommenden Informationen aus dem gesetzlichen Leistungsbild ergeben, dargelegt werden, welche Informationen nicht öffentlich gemacht worden seien und jedenfalls im Ansatz dargetan wer-den, dass diese Informationen zur Kalkulation … erforderlich sind. Diesbezüglich fehle jeglicher Vortrag der Antragstellerin.

Die beiden beanstandeten Wertungskriterien mit Regionalbezug seien vorliegend als Qualitätsmerkmale gerechtfertigt und berücksichtigten die Umstände des konkret zu vergebenden Auftrages. Bei ihrer Wertung seien zudem, über den reinen Wortlaut dieser Kriterien hinaus, auch die nicht einschlägigen Expertisen positiv bewertet worden. Im Ergebnis liege die Bewertung im Rahmen des der Auftraggeberin zu-stehenden Ermessensspielraumes.

Zu Unrecht bemängele die Antragstellerin auch, dass Bewertungskriterien für das Honorar nicht angegeben worden seien. Die Punkte seien dem Wettbewerbsprinzip entsprechend nach der Formel „Anzahl Punkte = (5 x Minimum)/Wert jeweiliger Bieter“ vergeben worden, was einer nicht zu beanstandenden mathematischen Interpolation entspreche. Die Antragstellerin habe als Günstigste die Höchstpunktzahl erhalten.

Mit Verfügung des Vorsitzenden der Vergabekammer vom 27. Mai 2010 wurde die Entscheidungsfrist bis zum 2. Juli 2010 verlängert.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 28. Mai 2010 hat die Auftraggeberin beantragt, ihr gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB zu gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung zu erteilen und der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Auftraggeberin aufzuerlegen. Zur Begründung verweist die Auftraggeberin auf den Umstand, dass sie für das Vorhaben Fördermittel des Landes bewilligt erhalten habe und aus diesem Grund einem erheblichen zeitlichen Druck unterliege. Ohne Fördermittel sei das Vorhaben nicht zu realisieren. Der im Jahr 2010 gemäß Fördermittelbescheid auszugebende Betrag sei an bestimmte Baufort-schritte geknüpft und drohe zu verfallen.

Die Antragstellerin ist dem Eilantrag mit Schriftsatz vom 4. Juni 2010 entgegen-getreten, da keine objektive Eilsituation gegeben und der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei.

In Ergänzung ihrer Antragsbegründung führt sie mit Schriftsatz vom gleichen Tage aus, dass sie mit der Rüge zu einer wettbewerbswidrigen Vorbefasstheit der Zuschlagsbieterin nicht präkludiert sei. Bei Submission habe keine Veranlassung bestanden, Nachforschungen über Mitbieter anzustellen. Auch reiche die Möglichkeit, dass die Antragstellerin die Website-Hinweise am 24. März 2010 hätte finden können, nicht für die nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB notwendige positive Kenntnis aus.

Ebenso wenig greife § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB. Als Vergabeunterlagen im Sinne dieser Vorschrift seien allein die übersandten Unterlagen anzusehen, denn nur diese seien für die Honorarkalkulation relevant gewesen, enthielten jedoch weder einen Hinweis auf das Büro der Zuschlagsbieterin noch auf deren Vorbefassung. Die Auftraggeberin verkenne die Reichweite der Rüge, die sich insbesondere darauf beziehe, dass keinerlei geeignete Maßnahmen zum vollständigen Ausgleich des mit der Vorbefassung zusammenhängenden Wettbewerbsvorsprunges unternommen worden seien. Im Gegenteil habe die Auftraggeberin durch Bewertung der Vorbefassung den Wettbewerbsvorsprung noch vertieft. Zwar habe die Antragstellerin die Bewertungsmatrix am 29. März 2010 erhalten, die Rüge beziehe sich jedoch nicht auf die Bewertungmatrix selbst, sondern auf ihre rechtswidrige Anwendung, die der Antragstellerin erst mit der Vorinformation vom 15. April 2010 bekannt geworden sei.

Der Nachprüfungsantrag sei begründet. Aus dem Umstand, dass die Berechnungen nach DIN 18599 von der Zuschlagsbieterin stammten, derartige Berechnungen aber nur im Falle der Beauftragung mit wesentlichen Grundleistungen der Leistungsphasen 1 bis 3 der HOAI zu erstellen seien, folge die umfassende und vergaberechtlich schädliche Vorbefassung dieses Büros. Hinzu kämen die das Projekt betreffen-den Vorkenntnisse der Zuschlagsbieterin aus der laut Website erfolgten Beauftragung zur Erstellung eines Sanierungskonzeptes, das weit über vorgenannten Berechnungen hinausgehe. Diesem Vortrag sei die Auftraggeberin bisher nicht entgegengetreten. Aus alledem folge, dass die Auftraggeberin den Wettbewerbsvorsprung gegenüber den Mitbietern, die lediglich ausgewählte Arbeitsresultate bei ihr haben einsehen können, gerade nicht ausgeglichen habe. Insbesondere bei den mit der Vorbefassung verknüpften Wertungskriterien, den Erfahrungen mit der regionalen Denkmalschutzbehörde und mit dem Förderprogramm … des Landes … fehle eine Kompensation des Vorsprunges – beispielsweise durch Berücksichtigung eines Malus zulasten der Zuschlagsbieterin bei der Wertung, die im Gegenteil hier allein die volle Punktzahl erhalten habe. Die Darlegungs- und Beweislast für einen vergaberechtskonformen Ausgleich des streitigen Wettbewerbsvorsprunges obliege der Auftraggeberin.

Die Auftraggeberin verkenne, dass die Antragstellerin nicht die generelle Bewertungsmatrix, sondern die konkrete Anwendung und Bewertung beanstande. Aus dem konkret zu beplanenden Vorhaben folge, dass Erfahrungen und Referenzen bezüg-ich Denkmalschutz und Fördermittelprogrammen in die Bewertung einfließen; insoweit, so auch das Verständnis der Auftraggeberin gemäß Schreiben vom 21. April 2010, bestehe zwischen den Verfahrensbeteiligten Übereinstimmung, dass der Wort-laut der beiden Kriterien zu eng gefasst sei und gleichwertige Referenzen in gleicher Weise zu bewerten seien. Das habe die Auftraggeberin bei ihrer Wertung entgegen ihren Ausführungen im Stellungnahmeschriftsatz tatsächlich aber nicht berücksich-tigt. Damit liege der klassische Fall einer sachfremden Erwägung vor, sodass die Bewertung auch unabhängig von der Projektantenproblematik rechtswidrig sei.

Die Gesamtwertung des Honorars über eine pauschale Interpolation überrasche und ergebe sich aus keiner der Antragstellerin übermittelten Bewertungsmatrizen, sodass zugleich von einer Rechtswidrigkeit der Honorarwertung auszugehen sei.

Auf die Vergabeakten sowie die eingereichten Schriftsätze der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig.

Die angerufene Vergabekammer ist für die Entscheidung über den Nachprüfungs-antrag zuständig. Bei den ausgeschriebenen Planungsleistungen handelt es sich um freiberufliche Dienstleistungen nach §§ 99 Abs. 1, 4 GWB, die dem Land … zuzurechnen sind und den maßgeblichen Schwellenwert übersteigen (§§ 104 Abs. 1, 100 Abs. 1, 127 Nr. 1 GWB i.V.m. Artikel 2 der VERORDNUNG (EG) Nr. 1177/2009 DER KOMMISSION vom 30. November 2009).

Die Auftraggeberin ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts auch öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB.

Allerdings ist die Antragstellerin mit der Beanstandung, zwei mit Regionalbezug ausgestattete Unterkriterien des Zuschlagskriteriums „Qualität“ seien in europaweiten VOF-Ausschreibungen unzulässig und damit vergaberechtswidrig, gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert – nicht nach Nr. 1 der Vorschrift, wie die Auftraggeberin meint. Die Antragstellerin hat erstmals im Rügeschreiben vom 19. April 2010 die Kriterien „Erfahrungen der Bieter in Bezug auf die Zusammenarbeit mit der regionalen Denkmalschutzbehörde“ und „Vorkenntnisse zum speziellen Förderprogramm … des Landes …“ angegriffen, nachdem sie die Vorinformation vom 15. April 2010 gemäß § 101 a GWB erhalten und aus der als Anlage beigefügten Gesamtwertungsmatrix „Auswertung der Vergabeverhandlung“ erkennen konnte, welche Punktzahlen sie bzw. ihre Mitbieter hinsichtlich jedes einzelnen Unterkriteriums des Zuschlagskriteriums „Qualität“ erhalten hatten.

Der Äußerung der Antragstellerin, sie greife nicht die generelle Bewertungsmatrix an, sondern deren Anwendung (vgl. Stellungnahme vom 4. Juni 2010, Seite 10), kann nicht gefolgt werden. Der gesamte Vortrag der Antragstellerin basiert auf der im Rügeschriftsatz vom 19. April 2010 vorgebrachten Vergaberechtswidrigkeit der strei-tigen Wertungskriterien. Hier greift sie sowohl die beiden o.g. Bewertungskriterien als unzulässige Kriterien an, als auch die Bewertung ihres Angebotes in Bezug auf diese beiden Kriterien. Die Antragstellerin trägt durchweg vor, die Auftraggeberin habe das Angebot der Antragstellerin ermessensfehlerhaft bewertet, weil die zwei streitigen Kriterien durch ihren Regionalbezug unzulässig seien und deshalb nicht zugunsten der Zuschlagsbieterin – die den jeweiligen Regionalbezug hat bejahen können – hätten gewertet werden dürfen. Die Kriterien hätten über ihren eindeutigen Wortlaut hinaus ausgelegt und angewendet werden müssen, sodass die Antragstellerin aufgrund ihrer dem „fehlenden Regionalbezug“ gleichwertigen Qualifikationen gleich hoch wie die Zuschlagsbieterin hätte bewertet werden müssen; mit daraus resul-tierenden 30 Punkten (12 plus 18) würde sie, die Antragstellerin, auf Platz 1 der Wer-tung rangieren.

Die Antragstellerin setzt die beanstandete Anwendung der beiden Kriterien jeweils in Bezug zu ihrem regionalen Aspekt. Der regionale Aspekt dürfe bei der Wertung im Grunde nicht punktewirksam beachtet werden. Damit greift die Antragstellerin aber den Kerngehalt der streitigen Kriterien an und mit diesem wiederum auch die gene-relle Bewertungsmatrix in Bezug auf die beiden streitigen Kriterien.

Nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ist ein Antrag unzulässig, wenn Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber gerügt worden sind. Die Frist zur Angebotsabgabe lief gemäß Schreiben der Auftraggeberin vom 9. März 2010 am 24. März 2010 um 10.00 Uhr ab. Bereits sechs Tage zuvor, mit E-Mail vom 18. März 2010 (Seiten B 304 bis B 308 der Vergabeakte), hatte die Auftraggeberin den Bietern ergänzend zu den am 9. März 2010 übersandten Verdingungsunterlagen unter anderem das Wertungsschema „Bewertungsmatrix für das Bietergespräch“ mit den nunmehr zum Teil beanstandeten Wertungskriterien als E-Mail-Anhang im PDF-Format übermittelt. Diese Matrix ist ergänzender Bestandteil der Verdingungsunterlagen. Sie beinhaltet die Unterkriterien mit den jeweiligen Einzelwichtungen des insgesamt auf 70 % veranschlagten Hauptzuschlagskriteriums „Qualität“ und ist insoweit mit der Gesamtwertungsmatrix „Auswertung der Vergabeverhandlung“ identisch. Die Unterkriterien sind geeignet, die Angebotserstellung zu beeinflussen.

Die Bieter haben die E-Mail vom 18. März 2010 auch vor Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe am 24. März 2010, 10.00 Uhr erhalten. Schriftverkehr mit anderen Bietern bestätigt dies ebenso wie die Antragstellerin gemäß Anschreiben zu ihrem Angebot vom 23. März 2010. Sie hat unter Ziffer 1. des Anschreibens sowohl die E-Mail vom 18. März 2010 als auch die als deren Anhang übersandte Subplanerverpflichtungserklärung erwähnt – und die erforderliche Anzahl dieser Erklärung ihrem Angebot beigefügt. Im letzten Absatz des Anschreibens weist sie auf die „weiteren Themen gemäß Ihrer Checkliste >Bietergespräch<“ hin. Damit ist erkennbar der weitere Anhang der E-Mail vom 18. März 2010 gemeint, die „Bewertungsmatrix für das Bietergespräch“. Eine anderweitige Aufstellung der im Bietergespräch zu erörternden Themen lag den Unternehmen nicht vor.

Diesen historisch korrekten Sachverhaltsablauf berücksichtigend lagen der Antragstellerin die maßgeblichen Verdingungsunterlagen sechs Tage vor Ablauf der Angebotsfrist vor. Die zum Ablauf der Angebotsfrist normierte Präklusionswirkung des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB stellt darauf ab, dass die geltend gemachten Verstöße gegen Vergabevorschriften erkennbar sein müssen. „Erkennbar“ ist das, was sich bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt erschließt. Dabei muss der Vergabefehler sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht erkennbar gewesen sein (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Oktober 2008 – Verg 48/08, VK Bund, VK 3-30/10 vom 30. März 2010). Die beiden im Rügeschreiben vom 19. April 2010 als unzulässig beanstandeten Unterkriterien sind nicht derart unverständlich formuliert, dass die Bieter nicht bereits beim Lesen hätten erkennen können, dass ein Regional-bezug des Auftrages besteht und bei der Wertung eine Rolle spielen wird. Die streiti-gen Kriterien sind klar und eindeutig formuliert und zweifelsohne im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB „erkennbar“. Eine positive Kenntnis ist bei dieser Präklu-sionsnorm nicht relevant. Maßgeblich ist allein der Zeitpunkt, bis zu dem zulässig gerügt werden konnte. Das war hier der 24. März 2010. Die Antragstellerin ist mit ihrem die beanstandeten Wertungsunterkriterien betreffenden Vortrag daher im Nachprüfungsverfahren gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert.

Die Präklusion schlägt auch auf die in diesem Zusammenhang weiter erhobene Be-anstandung durch, die auf den gerügten Kriterien beruhende Wertung sei fehlerhaft mit der Folge, der Antragstellerin stünde aufgrund ihrer nachgewiesenen gleichwerti-gen Qualifikationen eine gleich hohe Wertungspunktzahl (die Maximalpunktzahl) zu, wie sie die Zuschlagsbieterin erreicht habe. Die Antragstellerin will erreichen, dass die zwei streitigen Kriterien ohne den Regionalbezug, der den Bietern am 18. März 2010 vor Angebotsabgabe zum 24. März 2010 zur Kenntnis gebracht worden war, bei der Wertung verwendet werden. Das kann sie nicht mit Erfolg durchsetzen.

Die Wertung anhand der mitgeteilten Kriterien ist von der Auftraggeberin so vorzu-nehmen, wie sie den Bietern zur Kenntnis gegeben worden sind. Die Wertung hat demgemäß unter Berücksichtigung des aus den Kriterien bereits ablesbaren Regio-nalbezuges zu erfolgen. Sie ist gleichsam der „Vollzug“ der den Bietern mit den Ver-dingungsunterlagen bekannt gegebenen Vorgaben. Die Bieter haben aus Gründen der Transparenz des Vergabeverfahrens und der Gleichbehandlung einen Anspruch darauf, dass sich der öffentliche Auftraggeber an seine zuvor gesetzten Vorgaben hält (VK Bund, Beschluss vom 3. Februar 2010 – VK 1-236/09, S. 19 ff). Ein Handeln des öffentlichen Auftraggebers gegen seine den Verdingungsunterlagen zu entneh-menden Vorgaben, beispielsweise im Sinne der hier von der Antragstellerin begehr-ten Auslegung der Wertungskriterien, diese unter Missachtung ihres Regionalbe-zuges anzuwenden, stellte sich als vergaberechtswidriges Verhalten des Auftrag-gebers im Wertungsstadium dar. Werden die Vorgaben eines Auftraggebers von einem Bieter für vergaberechtswidrig erachtet, muss der Bieter seiner Rügeobliegen-heit gemäß § 107 Abs. 3 GWB genügen. Hat er dies, wie hier, versäumt, ist es ihm verwehrt, über die Nachprüfungsinstanzen die Grundlage der beanstandeten Wer-tung und die Wertung in Vollzug dieser Grundlage materiell überprüfen zu lassen.

Vorliegend den Erfolg der den Regionalbezug der streitigen Kriterien betreffenden Beanstandungen unterstellt – sei es in Bezug auf die Kriterien an sich, sei es ihre An-wendung betreffend, wäre das Vergabeverfahren in ein sehr frühes Stadium zurück-zuversetzen, voraussichtlich in den Stand vor Abgabe der Angebote mit der Ver-pflichtung des Auftraggebers, die Bieter unter Übersendung (gegebenenfalls teils korrigierter) vergaberechtskonformer Wertungskriterien, an denen sie ihre Angebote ausrichten können, erneut zur Angebotsabgabe aufzufordern. Das Verfahren wäre mit erheblicher zeitlicher Verzögerung ab diesem Zeitpunkt neu durchzuführen. Dieser Umstand deutet darauf hin, dass die Auffassung der Antragstellerin, (zumin-dest) die Wertungsentscheidung sei als rechtzeitig gerügt anzuerkennen, der Inten-tion des Gesetzgebers widerspricht, der vergleichbare Situationen mit der Änderung des GWB in der seit April 2009 geltenden Fassung gerade hat vermeiden wollen: sind Vergabefehler aus den Verdingungsunterlagen erkennbar, müssen sie bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe zwecks frühestmöglicher Korrektur durch den Auftraggeber gerügt werden (1. VK Bund, a.a.O.).

Soweit die Antragstellerin im Hinblick auf die Zuschlagsbieterin weiter beanstandet hat, diese sei mit dem Projekt vorbefasst gewesen, der daraus erwachsene Wettbe-werbsvorteil sei gegenüber den Mitbietern nicht ausgeglichen worden, daher hätte die Auftraggeberin die Zuschlagsbieterin von der hier streitigen Vergabe aus-schließen müssen, ist dieses Vorbringen ebenfalls im Lichte der Rügepräklusion zu beurteilen. Die Antragstellerin stützt ihr Vorbringen darauf, dass die Auftraggeberin die der Zuschlagsbieterin aus ihrer Vorbefasstheit zugute kommenden Wettbewerbs-vorteile nicht nur nicht ausgeglichen, sondern im Gegenteil diese Wettbewerbs-vorteile durch die zwei streitigen Wertungskriterien zum alleinigen Vorteil der Zuschlagsbieterin vertieft habe. Aus dem Wertungsergebnis folgt insoweit, dass der erste Rang der Zuschlagsbieterin entscheidend auf der Bewertung der in Rede stehenden Kriterien mit Regionalbezug beruht. Die diese Kriterien und ihre Wer-tungsrelevanz betreffenden Beanstandungen unterliegen jedoch der Präklusion des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB, sodass sich die Antragstellerin auch nicht darauf berufen kann, die Auftraggeberin habe durch Anwendung dieser Zuschlagskriterien das Angebot der vermeintlich in wettbewerbswidriger Weise vorbefassten Zuschlags-bieterin besser bewertet, als ihr eigenes.

Soweit die Antragstellerin darüber hinaus die Honorarwertung der Angebote angreift, ist sie nicht antragsbefugt, § 107 Abs. 2 GWB.

Antragsbefugt ist gemäß § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB jedes Unternehmen, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung der Bestimmungen über das Vergabe-verfahren geltend macht. Die Antragstellerin hat zwar ihr Interesse an dem zu verge-benden Auftrag durch die Teilnahme am Vergabeverfahren dargetan. Sie macht auch die Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften und eine daraus resultierende Verletzung ihrer Rechte aus § 97 Abs. 7 GWB geltend, indem sie u.a. vorgetragen hat, der Angebotspreis der Zuschlagsbieterin sei nicht nachvollziehbar, denn von dieser habe zur Submission am 24. März 2010 das bei weitem teuerste Angebot vorgelegen, jetzt liege sie in der Preiswertung auf Rang zwei.

Die Antragstellerin hat nicht im Sinne des § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB darzulegen vermocht, dass ihr hierdurch ein Schaden zu entstehen droht. Die Antragstellerin ist nach dem Bietergespräch Bestbieterin mit dem günstigsten Angebotspreis. Sie hatte ihr Ursprungsangebot im Zuge der im VOF-Verhandlungsverfahren unstreitig zu-lässigen Verhandlungen geändert und ein modifiziertes preisgünstigeres Honoraran-gebot in die Wertung gegeben. Sie hat die Maximalpunktzahl von 150 für das zu 30 % in die Wertung einfließende Kriterium „Preis“ erhalten. Die Zuschlagsbieterin hat nach dem Bietergespräch ebenfalls ein modifiziertes, im Vergleich zum Submis-sionstermin preisgünstigeres Honorarangebot abgegeben. Die Wertung der jewei-ligen Endangebote durch die Auftraggeberin erfolgte anhand eines objektiven Maß-stabes, der mathematisch nachvollziehbar ist und der geringen Differenz der Hono-rarangebote im Wertungszeitpunkt Rechnung trägt.

III.

Der Antrag auf Akteneinsicht durch die Antragstellerin gemäß § 111 Abs. 1 GWB ist abzulehnen. Das Akteneinsichtsrecht ist nur in dem Umfang gegeben, in dem es zur Durchsetzung der Rechte der Antragstellerin aus § 97 Abs. 7 GWB erforderlich ist. Das ist bei einem unzulässigen Nachprüfungsantrag nicht der Fall.

IV.

Hinsichtlich des Antrages der Auftraggeberin auf Gestattung des Zuschlages ist die Erledigung infolge des Erlasses der Entscheidung der Vergabekammer in der Hauptsache eingetreten (Boesen, Vergaberecht, § 115 Rz. 22). Gemäß § 115 Abs. 1 GWB kann der Zuschlag grundsätzlich mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist, also binnen zwei Wochen nach Zustellung der Hauptsacheentscheidung, ergehen. Der Antrag auf Zuschlagsgestattung nach § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB ermöglicht dem-gegenüber in dem vorliegenden Nachprüfungsverfahren keine schnellere Zuschlags-gestattung, da nach der gesetzlichen Regelung auch in dem Fall der Zuschlag erst binnen zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung ergehen kann. Mögliche Verzögerungen hinsichtlich der Zuschlagserteilung infolge eines sich eventuell an-schließenden Beschwerdeverfahrens sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt hypothe-tischer Natur und nicht zu berücksichtigen (vgl. Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 30. Juni 1999 – VK 2-14/99, sowie Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 4. Dezember 2001 – VK 1-43/01). Der Antrag auf Zuschlagsgestattung läuft seit Erlass der Hauptsacheentscheidung ins Leere und hat sich damit erledigt.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter die Kosten zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt.

Die Vergabekammer hält die Festsetzung der …gebühr von X.XXX,XX EUR gemäß § 128 Abs. 2 Satz 1 GWB bei Abwägung des Aufwandes einerseits und der wirtschaftlichen Bedeutung des dem Vergabeverfahren zugrunde liegenden Auftra-ges für die Antragstellerin andererseits für angemessen, zumal keine Beiladung erfolgt ist und eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat.

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Auftraggeberin war notwendig. In dem Nachprüfungsverfahren stellten sich im Zusammenhang mit den von der Antragstellerin erhobenen Beanstandungen Rechtsfragen, die eine anwalt-liche Vertretung erforderlich gemacht haben, § 128 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, 3 Satz 2 VwVfG.

VI.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Brandenburgischen Oberlandesgericht, Gertrud-Piter-Platz 11, 14770 Brandenburg, einzulegen.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 117 Abs. 3 GWB).

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten (§ 117 Abs. 4 GWB).

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die auf-schiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern (§ 118 Abs. 1 GWB).

Gemäß § 6 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Vergabekammern des Landes Brandenburg vom 26. Mai 2009, Amtsblatt für Brandenburg S. 1225, ist die Unterzeichnung des Beschlusses durch den ehrenamtlichen Beisitzer nicht erforderlich.