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Asylrechts (Dublin Verfahren Polen)


Metadaten

Gericht VG Potsdam 6. Kammer Entscheidungsdatum 25.02.2015
Aktenzeichen VG 6 K 1344/14.A ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 27a AsylVfG, § 34a AsylVfG, Art 29 Abs 2 EUV 604/2013, § 43 Abs 2 VwVfG

Leitsatz

Der Ablauf der Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Dublin III VO zieht die Wirkungslosigkeit des Dublin Bescheides nach sich, wenn der Asylantragsteller nicht innerhalb der Frist ausreist oder in den Drittstaat überstellt wird.

Tenor

Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache insgesamt erledigt hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der am 16. Dezember 1994 geborene Kläger ist russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Am 18. November 2012 reiste er aus Polen kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 3. Dezember 2012 einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) in Eisenhüttenstadt am selben Tage gab er an, schon einmal in Polen einen Asylantrag gestellt zu haben und dort erkennungsdienstlich behandelt worden zu sein. Der Asylantrag sei in Polen abgelehnt worden.

Am 9. Januar 2013 richtete die Beklagte ein Übernahmeersuchen an Polen. Dem stimmte Polen am 11. Januar 2013 zu.

Mit Bescheid vom 5. Februar 2013 entschied das Bundesamt: „1. Der Asylantrag ist unzulässig. 2. Die Abschiebung nach Polen wird angeordnet.“ Der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Polen gemäß Art. 16 Abs. 1 e Dublin II-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Die sofort vollziehbare Anordnung der Abschiebung beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Eine für den 7. März 2013 vorgesehene freiwillige Ausreise wurde storniert, weil die polnische Grenzpolizei an diesem Tag in ein anderes Gebäude umzog.

Am 1. April 2014 wurde der Kläger in Berlin von der Bundespolizei angetroffen und vorläufig festgenommen. Am 2. April 2014 stellte er erneut einen Asylantrag. Der Kläger machte schriftliche Ausführungen auf einem Formular zum Folgeantrag bzw. Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Frage, was er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland befürchte.

Am 15. April 2014 richtete das Bundesamt nochmals ein Wiederaufnahmeersuchen an Polen. Darauf teilte Polen mit Schreiben vom 18. April 2014 mit: „Your request for transfer of responsiblility for the above named from Germany to Poland ist not met in accordance with article 18(1)d of Regulation (EU) No 604/2013 of the European Parliament and of the Council.“ Weiterhin führt die polnische Stelle aus, man wolle die Bundesrepublik Deutschland informieren, dass man eine Anfrage aus Deutschland den Kläger betreffend am 9. Januar 2013 erhalten und am 11. Januar 2013 eine positive Entscheidung getroffen habe. Am 14. März 2013 habe die Bundesrepublik Deutschland mitgeteilt, das „time limit“ für den Transfer habe sich wegen „abscondance“ verlängert. Ein Transfer sei bis heute nicht durchgeführt worden. Auch gebe es keine Informationen, dass der Kläger freiwillig nach Polen zurückgekehrt sei. Daher sei die frühere Entscheidung immer noch in Kraft.

Mit Bescheid vom 20. Mai 2014 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers im Tenor zu 1. als unzulässig ab und ordnete im Tenor zu 2. seine Abschiebung nach Polen an. Der Kläger habe bereits am 3. Dezember 2012 in der Bundesrepublik Deutschland Asyl beantragt. Dieses Verfahren sei seit dem 13. März 2013 unanfechtbar abgeschlossen. Die polnischen Behörden hätten mit Schreiben vom 18. April 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO erklärt. Der erneute Antrag auf Durchführung eines Asylverfahrens werde gemäß § 71 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. Nr. 1 bis 3 VwVfG abgelehnt. Die Anordnung der Abschiebung nach Polen beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 und 3 AsylVfG.

Auf den am 28. Mai 2014 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 4. Juni 2014 Anfechtungsklage erhoben und machte er zur Begründung zunächst gesundheitliche Gründe geltend.

Nachdem er mit Anwaltsschreiben vom 20. Oktober 2014 beim Bundesamt beantragt hatte, den angefochtenen Bescheid vom 20. Mai 2014 aufzuheben, weil die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO abgelaufen sei, trägt er zuletzt vor, die auf Grundlage der §§ 34a Abs. 1, 27a AsylVfG ausgesprochene Unzulässigkeit seines Asylantrags und damit auch die angeordnete Überstellung nach Polen sei rechtswidrig. Dies verletze ihn auch in seinen Rechten. Er könne sich auf den Zuständigkeitsübergang Kraft Ablaufs der Überstellungsfrist berufen. Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausgehen sollte, dass die Dublin III-VO dem Asylbewerber kein subjektives Recht auf Durchführung eines Asylverfahrens in einem bestimmten Mitgliedstaat einräume, führe der Ablauf der Überstellungsfrist nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO zu einer Beendigung der Verpflichtung des ersuchten Mitgliedstaates zur Aufnahme des Antragstellers zwecks Durchführung des Asylverfahrens und zu einem Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte. Mit der Berufung auf Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO mache er damit keinen Anspruch auf Prüfung seines Asylantrages in einem von ihm bevorzugten anderen als den nach den Zuständigkeitskriterien des Kapitels III der Dublin III-VO an sich zuständigen Mitgliedstaates geltend, sondern vielmehr nur die Prüfung des Asylbegehrens in dem einzigen, zu dem gegenwärtigen Zeitpunkt nach der Dublin III-VO gewährleisteten zuständigen Mitgliedstaat.

Nachdem der Kläger zunächst in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit in der Hauptsache einseitig für erledigt erklärt hat, beantragt er nunmehr,

festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache insgesamt erledigt hat.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, auch nach ihrer Rechtsauffassung sei die Überstellungsfrist im Dublin-Verfahren abgelaufen. Eine Überstellung nach der Dublin-Verordnung komme damit nicht mehr in Betracht. Aufgrund einer bundesamtsinternen Weisungslage, wegen deren Einzelheiten auf Blatt 42 der Gerichtsakten verwiesen wird, könne eine Aufhebung des Dublin-Bescheides zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erfolgen und das Klageverfahren derzeit nicht für erledigt erklärt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die dazu vom Bundesamt als Verwaltungsvorgänge vorgelegten Ausdrucke elektronisch gespeicherter Daten (2 Hefter) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht kann trotz des Fernbleibens eines Vertreters der Beklagten von der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beklagte mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, § 102 Abs. 2 VwGO.

Die zulässige Erledigungsfeststellungsklage (1.) hat in der Sache Erfolg (2.)

Bei dem Erledigungsfeststellungsantrag handelt es sich um eine auf der Änderung des Klagegrundes beruhenden Klageänderung (vgl. dazu: Ortloff/Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO Kommentar, Stand: März 2014, Anm. 95 zu § 91 VwGO). Das Gericht hält diese gemäß § 91 Abs. 1 VwGO für sachdienlich. Denn der Streitstoff bleibt im Wesentlichen gleich und die Entscheidung über die geänderte Klage fördert die endgültige Beilegung des Rechtsstreites (vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO Kommentar, 20. Aufl. 2014, Anm. 19 zu § 91 VwGO).

1. Die Klage ist als Erledigungsfeststellungsklage zulässig.

Die gegen den Bescheid vom 20. Mai 2014 erhobene Klage war zunächst als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig (vgl. zur Bedeutung der Zulässigkeit der ursprünglichen Klage für die Zulässigkeit der Erledigungsfeststellungsklage: Clausing in Schoch/Schneider/Bier, a. a. O., Anm. 28 zu § 161 VwGO; ausführlich und instruktiv mit zahlreichen weiteren Nachweisen zum Streitstand: Neumann, a. a. O., Anm. 143-161 zu § 161 VwGO). Die Kammer wertet dabei den ursprünglich streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes vom 20. Mai 2014 bereits aufgrund seines Tenors zu 1. als sogenannten Dublin-Bescheid nach § 27a i. V. m. § 34a AsylVfG. Hiergegen bietet die Anfechtungsklage den erforderlichen und ausreichenden Schutz, so dass es einer weitergehenden Klage auf Verpflichtung der Beklagten etwa zur Durchführung des Asylverfahrens oder gar zum Durchentscheiden nicht bedurfte. Die Anfechtungsklage war statthaft, weil sie ausreichte, um das Ziel einer Durchführung des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat zu erreichen (vgl. VG Regensburg, Urteil vom 21. Oktober 2014 - RO 9 K 14.30 217 -, zit. nach Juris, Rn. 17), da die Beseitigung des angefochtenen Dublin-Bescheides grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages führt (vgl. etwa VG Augsburg, Urteil vom 11. September 2014 - AU 7 K 14.50016 -, zit. nach Juris, Rn. 20 m. w. N.).

2. Die Erledigungsfeststellungsklage hat auch in der Sache Erfolg.

Der Kläger hat einen Anspruch auf die Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, denn er hat sich objektiv erledigt (vgl. zum Prüfungsmaßstab: Bader in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO Kommentar, 6. Aufl. 2014, Anm. 28 zu § 161 VwGO). Es ist nämlich nach Erhebung der Anfechtungsklage ein erledigendes Ereignis eingetreten, aufgrund dessen diese Klage unzulässig geworden ist. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage ist entfallen, weil der Kläger sein Ziel wegen Erledigung des angefochtenen Bescheides vom 20. Mai 2014 bereits erreicht hat. Dies bestand darin, wegen der umstrittenen Zuständigkeit nicht nach Polen in das polnische Asylverfahren überstellt zu werden. Deshalb hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung durch Abgabe einer Hauptsachenerledigungserklärung folgerichtig reagiert. Weil diese einseitig geblieben ist, verfolgt der Kläger sein Begehren zu Recht als auf Feststellung der Erledigung gerichtet fort. Denn nur so kann er die ihn bei Stellung des ursprünglichen Sachantrages treffende Kostenlast vermeiden (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch Neumann, a. a. O., Anm. 120 zu § 161 VwGO).

Der Rechtsstreit hat sich objektiv insgesamt erledigt, denn der Bescheid des Bundesamtes vom 20. Mai 2014 ist wirkungslos geworden. Nach § 43 Abs. 2 VwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder durch andere Weise erledigt ist. Das Gesetz knüpft den Wirksamkeitsverlust eines Verwaltungsakts im Fall des Zeitablaufs an einen eindeutig bestimmbaren Tatbestand (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2012 - 6 C 3/11 -, in NVwZ 2012,1547,1548, Rn. 19). Ob der Zeitablauf zur Erledigung führt, muss dem Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes aufgrund des jeweiligen materiellen Rechts entnommen werden (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG Kommentar, 8. Aufl. 2014, Anm. 206 zu § 43 VwVfG). In Anwendung dessen ist der Bescheid vom 20. Mai 2014 aufgrund Zeitablaufs gegenstandslos geworden und entfaltet keine Wirksamkeit mehr. Die Beschwer durch diesen Bescheid ist damit nachträglich entfallen.

Entscheidend ist dabei die Überlegung, dass ein Asylantrag nach der Dublin III-VO nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft wird, nämlich demjenigen Mitgliedstaat, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Mitgliedstaat bestimmt wird, Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO, es sei denn, die Zuständigkeit ergibt sich aus anderen Vorschriften der Dublin III-VO. Insoweit besteht kein Unterschied zur Dublin II-VO.

Zwar hat das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid vom 20. Mai 2014 im Tenor zu 1. den Asylantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat als die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Aber weil der Kläger während der Überstellungsfrist nicht selbständig nach Polen ausgereist ist und die Beklagte den Kläger nicht ihrerseits nach Polen überstellt hat, sind diese Voraussetzungen in dem nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht (mehr) erfüllt. Vielmehr ist kraft Gesetzes die Zuständigkeit für den Asylantrag des Klägers auf die beklagte Bundesrepublik Deutschland übergegangen und die Ablehnung des Asylantrages als unzulässig ist damit gegenstandlos geworden. Dies folgt aus Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO und Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO unmittelbar.

Sogenannte Dublin-Bescheide lassen sich als Verwaltungsakte qualifizieren, die für die Bundesrepublik Deutschland eine unter zeitlichem Vorbehalt stehende Dauerwirkung im Hinblick auf deren Unzuständigkeit entfalten. Macht die Bundesrepublik Deutschland innerhalb des gesetzlich bestimmten zeitlichen Rahmens von der Möglichkeit, einen Dublin-Bescheid auch zu vollziehen, keinen Gebrauch, wächst bei ihr die Zuständigkeit für das Asylverfahren des jeweiligen Asylantragstellers aufgrund fruchtlosen Zeitablaufs an. Der Zuständigkeitsübergang beruht allein darauf, dass sowohl die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO als auch diejenige des Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO verstrichen, ohne dass der Kläger nach Polen überstellt worden oder selbständig nach dorthin ausgereist ist.

Der Fristbeginn bestimmt sich nach der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat, Art. 20 Abs. 1 d Dublin II-VO, 29 Abs. 1 Dublin III-VO.

Nach jedweder Betrachtungsweise sind hier die in Lauf gesetzten Überstellungsfristen abgelaufen.

Legt man den ersten Asylantrag des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland zugrunde, lassen die Erklärung der polnischen Behörden und die Begründung des Bescheides vom 20. Mai 2014 darauf schließen, dass der Kläger bis zum Aufgriff am 1. April 2014 flüchtig war. Auch wenn sich deshalb die auf Grund der Zustimmungserklärung der polnischen Behörden vom 11. Januar 2013 ausgelöste Rücknahmefrist auf 18 Monate verlängert haben sollte, so ist diese Frist spätestens am 11. September 2014 abgelaufen.

Seit seiner weiteren Asylantragstellung am 2. April 2014 war der Kläger nicht flüchtig, so dass eine Verlängerung der Überstellungsfrist für diesen Asylantrag nicht in Betracht kommt. Daher ist die Überstellungsfrist für diesen Asylantrag spätestens am 18. Oktober 2014 abgelaufen (vgl. zur Fristberechnung Art. 42 Dublin III-VO), und zwar auch dann, wenn man in dem Schreiben Polens vom 18. April 2014 eine uneingeschränkte Übernahmeerklärung sehen würde, die nochmals eine erneute Überstellungsfrist von sechs Monaten nach sich zieht.

Der Bescheid vom 20. Mai 2014 hat mithin spätestens mit Ablauf des 18. Oktober 2014 seine Wirksamkeit verloren. Die Zuständigkeit für die Prüfung des vom Kläger gestellten Asylantrages ist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO auf die beklagte Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Diese Regelung entspricht der Vorgängerregelung des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO und stellt darüber hinaus noch klar, dass der bis zum Fristablauf zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme des Asylantragstellers verpflichtet ist.

Es entspricht nicht nur dem Wortlaut der Vorschrift, sondern auch ihrem Sinn und Zweck, dass sich der Dublin-Bescheid bei fruchtlosem Fristablauf erledigt. Mit Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO wird ein Zuständigkeits(-rück)übergang bei Fristüberschreitung normiert. Die Regelung stützt sich auf die Überlegung, dass der Mitgliedstaat, der die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat nicht fristgemäß durchführt, gegenüber den Partnerstaaten die Folgen tragen muss. Es wohnt Fristenregelungen grundsätzlich inne, dass derjenige, der Fristen versäumt, für sein Versäumnis regelmäßig die rechtlichen Konsequenzen zu tragen hat. Außerdem soll durch Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO vermieden werden, dass eine Kategorie sogenannter „refugees in orbit“ entsteht, deren Asylantrag über einen langen Zeitraum nicht oder überhaupt nicht materiell geprüft wird. Deshalb stellt der Zuständigkeitsübergang nach Fristablauf keinen fingierten Selbsteintritt, sondern eine besondere Zuständigkeitsnorm dar, die letztlich lediglich vom Ablauf der Frist abhängig ist (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, Das Europäische Asylzuständigkeitssystem, Wien-Graz, Stand: 1. Februar 2014, Anm. K9. zu Art. 29).

Auch die Abschiebungsanordnung im Tenor zu 2. ist damit gegenstandslos geworden und hat sich ebenfalls erledigt. Die Abschiebungsanordnung ist nämlich untrennbar - und zwar akzessorisch - mit der Ablehnung des Asylantrages als unzulässig gemäß § 27a AsylVfG verbunden. Die Abschiebungsanordnung hat gemäß § 34a AsylVfG zwingend zur Voraussetzung, dass der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 27a AsylVfG zuständigen Staat abgeschoben werden soll. Da Polen aufgrund Zeitablaufs nicht mehr zuständiger Staat ist, hat die Abschiebungsanordnung mithin ebenfalls durch fruchtlosen Fristablauf ihre Rechtswirkungen verloren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beklagte unterlegen ist, hat sie die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylVfG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.