Gericht | VG Potsdam 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 07.10.2010 | |
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Aktenzeichen | VG 3 L 372/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 9 RAVersorgG BB, § 123 VwGO, § 732 ZPO, § 766 ZPO |
Aufgabe der früeren Rechtsprechung der 3. Kammer im Anschluss an OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 05.07.2010 - 12 S 1.10
1.) Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
2.) Der Streitwert wird festgesetzt auf 8.973,68 Euro.
I.
Der Antragsteller, Mitglied des antragsgegnerischen Versorgungswerkes, wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung gemäß Beitreibungsbescheid vom 10.11.2009 aus dem Festsetzungsbescheid vom 06.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2009.
Am 17.06.2009 setzte der Antragsgegner die monatlichen Beiträge fest für das Jahr 2009 in Höhe von 905,45 €, für 2008 in Höhe von 895,50 €, für das Jahr 2007 in Höhe von 905,45 € und für das Jahr 2006 in Höhe von 858,00 €. Beigefügt war eine Beitragsübersicht für die genannten Jahre, die ein Gesamtsollsaldo von 31.461,32 € auswiesen. Die Bescheide wurden dem Antragsteller am 22.06.2009 zugestellt. Er legte hiergegen am 17.07.2009 Widerspruch ein, den er nicht begründete.
Am 06.10.2009 mahnte der Antragsgegner einen Rückstand von 33.638,07 € an und setzte Säumniszuschläge von 672,76 € und Verzugszinsen von 476,30 € fest, gesamt 1.149,06 €, so dass sich ein Gesamtbetrag von 34.787,13 € ergab. Der Antragsteller legte hiergegen am 10.11.2009 Widerspruch ein, den er nicht begründete.
Am 10.11.2009 erließ der Vorsitzende des Vorstands einen Beitreibungsbescheid über Beiträge von 34.543,52 €, „bereits festgesetzte SZ/VZ“ in Höhe von 1.149,06 € und „hiermit festgesetzte“ Säumniszuschläge von 18,11 € und Verzugszinsen von 184,02 €, gesamt 35.894,71 €. Er versah die Ausfertigung mit dem Vermerk über die vorläufige Vollstreckbarkeit und übersandte sie dem Gerichtsvollzieher am 25.12.2009. Dieser übergab am 28.12.2009 eine beglaubigte Abschrift hiervon der Post zum Zwecke der Zustellung beim Antragsteller, welche am 29.12.2009 erfolgte. Widerspruch wurde hiergegen nicht erhoben.
Am 04.12.2009 wies der Vorstand des Antragsgegners die Widersprüche des Antragstellers gegen die Bescheide vom 17.06.2009 und gegen die Mahnung vom 06.10.2009 zurück. Der Antragsteller hat unter dem 27.02.2010 Klage erhoben gegen den ihm vermeintlich am 27.01.2010 zugegangenen Widerspruchsbescheid, zum Az. VG 3 K 333/10, über die noch nicht entschieden ist.
Im Juni 2010 betrieb der Antragsgegner die Zwangsvollstreckung aus dem Beitreibungsbescheid. Mit Schreiben vom 21.06.2010 bestimmte der Obergerichtsvollzieher … aus …. auf Antrag des Antragsgegners Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.
Mit Datum 07.09.2010 wurde der Rechtsanwalt … zum Kanzleiabwickler des Antragstellers berufen.
Der Antragsteller ist – unter impliziter Bezugnahme auf den Beschluss der Kammer vom 15.12.2009 zum Az. VG 3 L 314/09 – der Auffassung, die Zwangsvollstreckung sei deshalb unzulässig, weil nicht alle Vollstreckungsvoraussetzungen vorlägen. Insbesondere sei ihm der Beitreibungsbescheid nicht gesondert zumindest zwei Wochen vor dem Beginn der Zwangsvollstreckung zugestellt worden.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Zwangsvollstreckung aus dem mit einer Vollstreckbarkeitserklärung versehenen Beitreibungsbescheid vom 10.11.2009 aufgrund des Festsetzungsbescheides über Säumniszuschläge und Verzugszinsen vom 06.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2009 vorläufig einzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er ist – unter Bezugnahme auf den den genannten Beschluss abändernden Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 05.07.2010 zum Az. OVG 12 S. 1.10 – der Auffassung, eine gesonderte Zustellung des Beitreibungsbescheides sei nicht erforderlich. Ebenfalls sei – in Abgrenzung zum genannten Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg – kein weiterer Bescheid zur Festsetzung der Säumniskosten und Zinsen erforderlich.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1.
a)
Der Antrag, mit dem der Antragsteller Einwände gegen die Zwangsvollstreckung erhebt, ist statthaft gemäß § 123 Abs. 1 VwGO.
Nach §§ 766 und 732 Abs. 2 ZPO entscheidet über Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen, das Vollstreckungsgericht; es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 ZPO bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Es kann insbesondere anordnen, dass die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen oder nur gegen Sicherheitsleistung fortzusetzen sei. Mit der Vollstreckungserinnerung sind Fehler bei der Zwangsvollstreckung zu rügen, die nicht den materiellen Anspruch betreffen, sondern die Art und Weise der Zwangsvollstreckung, wozu insbesondere auch das Betreiben oder Fortsetzen der Zwangsvollstreckung trotz Fehlens ihrer Voraussetzungen gehört, darunter die ordnungsgemäße Zustellung des Titels und der Klausel (Zöller/Stöber, Zivilprozessordnung, 27. Aufl., § 766 ZPO Rdnr. 15).
Die Vorschrift ist vorliegend anwendbar.
Nach § 9 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über das Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Land Brandenburg (Brandenburgisches Rechtsanwaltsversorgungsgesetz, BbgRAVG) werden rückständige Beiträge zum Versorgungswerk, Säumniszuschläge und Zinsen aufgrund des von dem Vorsitzenden des Vorstandes ausgestellten, mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehenen Bescheides nach den Vorschriften beigetrieben, die für die Vollstreckung von Urteilen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gelten. Das Gesetz eröffnet daher dem Versorgungswerk als Körperschaft des öffentlichen Rechts ein gesondertes Verfahren der Vollstreckung der von ihnen erlassenen Bescheide. Das Verfahren richtet sich, mit Abweichungen, nach den Vorschriften über die Vollstreckung zivilrechtlicher Urteile. Das schließt die zwangsvollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe ein.
Diese müssen vor dem Verwaltungsgericht geltend gemacht werden. Nach § 9 Abs. 3 Satz 4 BbgRAVG ist für Klagen, durch die Einwendungen gegen den Anspruch selbst geltend gemacht werden, das Verwaltungsgericht zuständig, bei dem der Zahlungspflichtige im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Diese Zuständigkeit in der Hauptsache ist zur Vermeidung von Rechtswegspaltungen auch auf Anträge in der Zwangsvollstreckung zu erstrecken. Die erforderliche Umsetzung der zwangsvollstreckungsrechtlichen Rechtsmittel gewährleistet verwaltungsprozessual insoweit § 123 VwGO (vgl. zum Ganzen VG Potsdam, Beschl. v. 15.12.2009 zum Az. VG 3 L 314/09; dem folgend OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 05.07.2010 zum Az. OVG 12 S. 1.10).
b)
Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Der Antragsgegner hat die Zwangsvollstreckung eingeleitet; diese ist noch nicht beendet (hierzu Zöller/Stöber, a. a. O., Rdnr. 33 vor § 704 ZPO). Der Antragsteller behauptet das Fehlen essentieller Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung.
Die Bestellung von Rechtsanwalt Schröder zum Kanzleiabwickler des Antragstellers hat keinen Einfluss auf das laufende Verfahren. Er ist nicht zum Vertreter des Antragstellers bestellt, sondern soll nur im Dienste der Mandanten des ehemaligen Rechtsanwalts die Abwicklung der laufenden Verfahren sicherstellen, die dieser als Rechtsanwalt übernommen hat, § 55 BRAO (mit Anm. Kleine-Cosack Rdnr. 1).
Das Verfahren ist schließlich nicht unterbrochen gemäß § 240 ZPO. Hierfür kann dahinstehen, ob das dafür erforderliche Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers eröffnet ist, was derzeit nicht ersichtlich ist. Denn die Vorschrift findet keine Anwendung auf das Verfahren der Zwangsvollstreckung. Das Verhältnis zwischen der Einzelzwangsvollstreckung zum Insolvenzverfahren ist in den §§ 88 ff. InsO abschließend geregelt (BGHZ 172, 16 = NJW 2007, 3132).
2.
Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist unbegründet.
a)
Der erforderliche Anordnungsanspruch ist nicht gegeben und die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor, soweit rückständige Beiträge und bereits festgesetzte Säumniszuschläge und Zinsen betroffen sind. Nach § 9 Abs. 3 Satz 1 BbgRAVG werden rückständige Beiträge, Säumniszuschläge und Zinsen aufgrund des von dem Vorsitzenden des Vorstandes ausgestellten, mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehenen Bescheides nach den Vorschriften beigetrieben, die für die Vollstreckung von Urteilen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gelten.
Erforderlich ist danach zunächst ein von dem Vorsitzenden des Vorstandes des Antragsgegners ausgestellter Bescheid zur Beitreibung rückständiger Beiträge, Säumniszuschläge und Zinsen, ein so genannter Beitreibungsbescheid (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.07.2007, Az. OVG 12 S 40.07). Dieser muss zudem von dem Vorsitzenden des Vorstandes mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehen sein; diese Bescheinigung ersetzt die bei bürgerlich-rechtlichen Urteilen gemäß § 724 Abs. 1 ZPO erforderliche Vollstreckungsklausel. Der Bescheid muss dem Zahlungspflichtigen nach den allgemeinen Regeln zugestellt worden sein, § 750 ZPO. Weiter erforderlich ist das Abwarten einer Frist von zumindest zwei Wochen vor Beginn konkreter Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. § 9 Abs. 3 Satz 2 BbgRAVG.
Diese Voraussetzungen liegen vor.
Der erforderliche Beitreibungsbescheid ist am 10.11.2009 durch den Vorsitzenden des Vorstandes des Versorgungswerks erlassen und für vollstreckbar erklärt worden.
Der Bescheid ist dem Antragsteller ordnungsgemäß zugestellt worden. Erforderlich, doch auch genügend ist die Übergabe einer Kopie des Beitreibungsbescheides an den Gerichtsvollzieher jedenfalls dann, wenn diese Kopie die handschriftlich unterzeichnete Vollstreckungsbescheinigung trägt und der Gerichtsvollzieher die hiervon gefertigte beglaubigte Abschrift zustellt (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 05.07.2010, Az. OVG 12 S. 1.10). Hier wurde dem Obergerichtsvollzieher … aus … sogar eine entsprechende Ausfertigung übergeben, deren Vollstreckungsbescheinigung vom Vorsitzenden des Vorstandes handschriftlich unterzeichnet worden war.
Die gesetzliche Zwei-Wochen-Frist ist jedenfalls jetzt abgelaufen. Sie war es auch bei Einleitung der Zwangsvollstreckung im Juni 2010.
Weitere Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung bestehen nicht.
Soweit die Kammer im Beschluss vom 15.12.2009, Az. VG 3 L 314/09 angenommen hat, der Antragsgegner müsse vor Zustellung eines Beitreibungsbescheides mit Vollstreckungsbescheinigung gesondert einen Beitreibungsbescheid ohne eine solche Bescheinigung zugestellt haben, gibt sie ihre Auffassung auf und folgt der Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg (Beschl. vom 05.07.2010, Az.: OVG 12 S 1.10).
Soweit § 9 Abs. 3 Satz 2 BbgRAVG vorschreibt, dass die Zwangsvollstreckung jedoch erst zwei Wochen nach Zustellung des vollstreckbaren Bescheides beginnen dürfe, liegt darin kein Erfordernis einer erneuten Zustellung eines Bescheides mit einer Vollstreckbarkeitsbescheinigung. Denn diese Zustellung ist Voraussetzung, nicht Einleitung der Zwangsvollstreckung. Als solche können nur die konkreten Mittel der Zwangsvollstreckung verstanden werden, wie sie das Gesetz in den §§ 803 ff. ZPO normiert.
Der Schutz des Zahlungspflichtigen fordert die zweimalige Zustellung des Beitreibungsbescheides ebenso wenig. Er soll vor Einleitung der Zwangsvollstreckung die Möglichkeit haben, die ihm auferlegten Beiträge zu leisten, und damit die Zwangsvollstreckung abzuwenden. Deswegen schließt § 9 Abs. 3 Satz 2 BbgRAVG die Einleitung der Zwangsvollstreckung bei gleichzeitiger Zustellung des Titels aus, wie § 750 Abs. 1 ZPO sie ermöglicht. Vielmehr darf die Zwangsvollstreckung nach dieser Vorschrift erst zwei Wochen nach Zustellung des vollstreckbaren Bescheides beginnen. Das genügt zum Schutz des Zahlungspflichtigen. Er muss ab der Zustellung des Beitreibungsbescheides mit Vollstreckbarkeitserklärung mit der Einleitung von Zwangsmaßnahmen rechnen. Zu ihrer Abwendung räumt ihm der Gesetzgeber eine zweiwöchige Zeit ein, während der er die Zahlung bewirken kann (vgl. zum Vorstehenden OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 05.07.2010, Az. OVG 12 S 1.10).
b)
Die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen auch vor, soweit der Antragsgegner die Vollstreckung betreibt hinsichtlich der im Beitreibungsbescheid erstmals festgesetzter Säumniskosten und Zinsen in Höhe von 18,11 € bzw. 184,02 €.
Zwar fehlt insoweit die nach § 9 Abs. 2 Satz 5 BbgRAVG erforderliche vorherige Festsetzung auch dieser Positionen in einem gesonderten Bescheid (vgl. Beschluss des OVG vom 16.07.2007, Az. OVG 12 S 40.07).
Nach § 9 Abs. 2 BbgRAVG werden die Beiträge „vom Versorgungswerk“ durch Bescheid festgesetzt. Das betrifft nach dem systematischen Zusammenhang auch die weiteren in diesem Absatz genannten Festsetzungsbescheide. Dem gegenüber findet die Zwangsvollstreckung nach Absatz 3 der Vorschrift statt aufgrund des „von dem Vorsitzenden des Vorstandes ausgestellten, mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehenen Bescheides“. Die Norm differenziert in diesen beiden Absätzen daher schon nach dem Aussteller der Bescheide.
Hierauf kommt es vorliegend aber nicht an, weil der Beitreibungsbescheid mangels Widerspruchs bestandskräftig ist und auf seiner Grundlage die weiteren Säumniszuschläge und Verzugszinsen, ungeachtet des Fehlens eines vorangegangenen Festsetzungsbescheides, vollstreckt werden können.
c)
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 52 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 GKG.
Das Gericht hat der Streitwertberechnung die Höhe der zu vollstreckenden Gesamtkosten zugrunde gelegt und das Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung in Anlehnung an Nr. 1.6.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (GewArch 2005, S. 67) mit ¼ des streitigen Betrags bewertet.