I.
Der jetzt 40jährige Kläger ließ über seinen Prozessbevollmächtigten am 10. Februar 2009 Klage gegen seinen damaligen Arbeitgeber wegen einer Kündigung vom 19. Januar 2009 sowie wegen angestrebter Weiterbeschäftigung vor dem Arbeitsgericht Berlin erheben. Gleichzeitig mit der Klage wurde Prozesskostenhilfe und eine Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt. Die nach § 117 Abs.2 und 4 ZPO notwendige Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse reichte er am 19. Februar 2009 ein.
Im Gütetermin am 5. März 2009 schlossen die Parteien einen verfahrensbeendenden Vergleich mit einer Abfindungszahlung von 8.500,-- EUR. Zugleich wurde dem Kläger aufgegeben, zu erklärungsbedürftigen Punkten seiner Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Stellung zu nehmen.
Nachdem entsprechende Unterlagen eingegangen waren, bewilligte das Arbeitsgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten mit Beschluss vom 18. Mai 2009 mit der Maßgabe, dass kein eigener Beitrag zu den Prozesskosten zu leisten sei.
Unter dem 9. Juli 2009 teilte die Rechtspflegerin beim Arbeitsgericht Berlin dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, den Kläger mit 850,-- EUR zur Deckung der Prozesskosten heranzuziehen, weil eine Prozesspartei in aller Regel mit 10% des Nennwertes einer Abfindung entsprechend herangezogen werden könne. Das Schonvermögen von 2.600,-- EUR entsprechend § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII sowie der gleiche Betrag von 2.600,-- EUR für die typischerweise mit dem Verlust des Arbeitsplatzes einhergehenden Kosten stehe dem angesichts der Abfindungshöhe nicht entgegen. Über die Abänderung des Beschlusses ist bislang nicht entschieden.
Unter dem 10. Juli 2009 legte die Landeskasse sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 18. Mai 2009 ein und beantragte, diesen Beschluss aufzuheben. Denn der Kläger verfüge über eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufwert von ca. 12.300,-- EUR, bei der es sich offenbar nicht um eine geschützte staatlich geförderte Altersvorsorge, sondern vielmehr um eine Kapitallebensversicherung handele. Unter Berücksichtigung des Schonvermögens verbleibe ein einzusetzender Betrag von 7.100,-- EUR, der die Prozesskosten bei weitem übersteige.
Auf diese sofortige Beschwerde hob das Arbeitsgericht Berlin mit Beschluss vom 18. August 2009 den Beschluss vom 18. Mai 2009 auf und wies den Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe zurück. Zur Begründung bezog es sich auf die Ausführungen der Landeskasse. Gegen diesen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 31. August 2009 zugestellten Beschluss legte dieser am 28. September 2009 mit Schriftsatz vom 24. September 2009 sofortige Beschwerde ein. Der Kläger begründete diese mit Schriftsatz vom 21.10.2009. Der Kläger verwies auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe in einem früheren Rechtsstreit gegen einen anderen Arbeitgeber (76 Ca 19293/06), in welchem ihm bei entsprechender Sachlage Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt worden sei. Deshalb habe er darauf vertraut, dass ihm auch hier Prozesskostenhilfe bewilligt werde. Hätte er rechtzeitig gewusst, dass ihm Prozesskostenhilfe versagt werde, hätte er einer außergerichtlichen Einigung mit seinem Arbeitgeber zugestimmt, da jetzt die Prozesskosten die über das außergerichtliche Angebot der Beklagten hinausgehende Abfindungszahlung deutlich übersteigen würden. Da er nach wie vor arbeitslos sei, sei er auf die Abfindung dringend zum Lebensunterhalt angewiesen, da bei ihm monatlichen Einnahmen von 1.314,-- EUR feste monatliche Ausgaben von 1.537,-- EUR zuzüglich Lebenshaltungskosten entgegenstünden. Die Abfindung sei bereits restlos verbraucht und das Konto überzogen. Die Lebensversicherung sei zwar nicht staatlich gefördert, aber über zehn Jahre ohne staatliche Unterstützung aufgebaut. Er fühle sich zum Einen massiv benachteiligt, dass er staatliche Zuschüsse nicht in Anspruch genommen habe und dafür nun staatlich benachteiligt werde und zum Anderen sei der vorzeitige Verkauf der Lebensversicherung aufgrund des damit verbundenen Verlustes wirtschaftlich völlig unsinnig. Der Rückkaufwert betrage zum 31.12.2009 ca. 13.900,-- EUR, die eingezahlten Beträge würden bislang 16.836,90 EUR betragen. Damit würde der Kläger nicht nur seine Altersversorgung, sondern zusätzlich noch ca. 3.000,-- EUR verlieren. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass das Schonvermögen beim Arbeitslosengeld II nach Verlautbarungen der Bundesregierung in Kürze angehoben werden solle.
Die Landeskasse nahm im Beschwerdeverfahren ebenfalls Stellung.
II.
Die gem. §§ 46 Abs. 2 S. 3 ArbGG, 127 Abs. 2 ZPO zulässige, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet. Denn die Verwertung der Lebensversicherung ist unwirtschaftlich und muss deshalb nicht erfolgen.
1.
Nach § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO hat die Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit ihr dieses zumutbar ist. Hierbei gilt § 90 SGB XII gem. § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO entsprechend.
Regelmäßig zählt der Rückkaufswert einer Lebensversicherung zum verwertbaren Vermögen, soweit dieser das sogenannte Schonvermögen übersteigt (vgl. BAG, Beschluss v. 25. November 2008 - 3 AZB 55/08; BAG, Beschluss v. 5. Mai 2006 - 3 AZB 62/04; BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 1997). Anderes gilt im Einzelfall, soweit sich eine Auflösung des noch nicht fälligen Lebensversicherungsvertrages als nicht zumutbar darstellt (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Oktober 2009 - 3 Ta 638/09).
2.
Dem Rückgriff auf die Lebensversicherung steht vorliegend § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII zwar nicht entgegen. Hiernach muss Kapital, das der zusätzlichen Altersvorsorge im Sinne des § 10 a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes dient, nicht eingesetzt werden, wenn seine Ansammlung staatlich gefördert wurde ("Riester-Rente"). Die Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGV XII sind im Entscheidungsfall nicht erfüllt; der Kläger hat einen gesetzlich geförderten Altersvorsorgevertrag nicht abgeschlossen.
3.
Allerdings steht dem Rückgriff auf die Lebensversicherung vorliegend die gesetzliche Regelung in § 90 Abs. 3 SGB XII entgegen. Hiernach ist eine Partei zum Einsatz ihres Vermögens dann nicht verpflichtet, wenn dies eine „Härte“ bedeutet. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn hierdurch die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert wird. Über die Anwendung des § 90 Abs. 2 SGB XII hinaus können von daher auch weitere Vermögensteile zum Schonvermögen gehören. § 90 Abs. 3 S. 1 u. 2 SGB XII wiederholen den Zumutbarkeitsgesichtspunkt des § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO und konkretisieren ihn. Eine Härte liegt hiernach u.a. dann vor, wenn die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Mit dieser Regelung wird der Aufbau einer angemessenen, nicht staatlich geförderten Lebensversicherung gesichert.
Was als angemessene Alterssicherung eines 40jährigen anzusehen ist, ist allerdings denkbar unbestimmt. Von einer angemessenen Altersversorgung ist zwar nach den Entscheidungen einiger Gerichte auszugehen, wenn die Partei ihren Lebensunterhalt bei Erreichen des Rentenalters voraussichtlich ohne Inanspruchnahme von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt bestreiten kann (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11. Mai 2005 - 2 WF 51/05; OLG Stuttgart, Beschluss vom 31. Juli 2009 - 11 WF 147/09; OLG München, Beschluss vom 27. Januar 2009 - 33 Wx 197/08; vgl. auch Sächsisches LAG, Beschluss vom 27. September 2005 - 4 Ta 163/05; LAG Köln, Beschluss vom 27. Mai 2009 - 9 Ta 199/09). Aber es bestehen durchaus Zweifel, ob man mehr als 25 Jahre vor dem Erreichen der Altersgrenze schon auf ein absolutes Minimum der Altersversorgung verwiesen werden kann.
Eine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII liegt jedenfalls deshalb vor, weil die Verwertung der Lebensversicherung unwirtschaftlich gewesen wäre, da der Rückkaufwert von 13.900 EUR zum 31. Dezember 2009 hinter den bis zu diesem Zeitpunkt eingezahlten Beiträgen in Höhe von 16.836,90 EUR zurückblieb. Zwar ist nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit der Verwertung von Kapitallebensversicherungen im Rahmen der Arbeitslosenhilfe und seit 2005 im Rahmen des SGB II eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit erst dann anzunehmen, wenn der mit der Verwertung zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des Vermögensgegenstandes steht (BSG, Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7b AS 66/06 R). Dabei hat es das Bundessozialgericht bisher vermieden, eine absolute Grenze für die offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung einer Lebensversicherung festzulegen. Allerdings ist den bisherigen Entscheidungen einerseits zu entnehmen, dass diese Grenze jedenfalls dann noch nicht erreicht ist, wenn der Rückkaufwert um 12,9 % hinter den eingezahlten Beiträgen zurückbleibt, und dass andererseits bei einem Verlust von 18,5 % Zweifel an der Wirtschaftlichkeit bestehen können (BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 68/06 R).
Da vorliegend der Rückkaufwert zum 31. Dezember 2009 um 17,44 % hinter der Summe der eingezahlten Beiträge zurück blieb, ist auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Grenze der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit eher erreicht sein.
Um zu vorhersehbaren Ergebnissen zu gelangen, ist eine Pauschalierung der Unwirtschaftlichkeit des Rückkaufs einer Lebensversicherung zur Alterssicherung vorzunehmen. Diese ist im Regelfall anzunehmen, wenn der Rückkaufwert um mehr als 15% hinter den eingezahlten Beträgen zurückbleibt. Anhaltspunkte, dass hier der Regelfall nicht gegeben wäre, sind nicht ersichtlich.
Der sofortigen Beschwerde war daher stattzugeben.
4.
Ein Grund, der die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG rechtfertigen könnte, besteht nicht.