Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 08.11.2011 | |
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Aktenzeichen | 10 UF 286/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 8. Juli 2011 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung B..., Versicherungskonto Nr. 04 201261 ... zu Gunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 1,6330 Entgeltpunkten auf deren Versicherungskonto Nr. 04 011163 ... bei der Deutschen Rentenversicherung ..., bezogen auf den 31. August 2009, übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung B..., Versicherungskonto Nr. 04 201261 ... zu Gunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 9,4907 Entgeltpunkten (Ost) auf deren Versicherungskonto Nr. 04 011163 ... bei der Deutschen Rentenversicherung ..., bezogen auf den 31. August 2009, übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung ..., Versicherungskonto Nr. 04 011163 ... zu Gunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 0,1151 Entgeltpunkten auf dessen Versicherungskonto Nr. 04 201261 ... bei der Deutschen Rentenversicherung B..., bezogen auf den 31. August 2009, übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung ..., Versicherungskonto Nr. 04 011163 ... zu Gunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 5,8032 Entgeltpunkten (Ost) auf dessen Versicherungskonto Nr. 04 201261 ... bei der Deutschen Rentenversicherung B..., bezogen auf den 31. August 2009, übertragen.
Hinsichtlich des von der Antragstellerin bei der E… in der Ehezeit erworbenen Anrechts auf eine private Altersversorgung, Versicherungsnummer 010..., findet ein Wertausgleich nicht statt.
Hinsichtlich des von dem Antragsgegner bei der D… in der Ehezeit erworbenen Anrechts auf eine betriebliche Altersversorgung, Versicherungsnummer 706..., bleibt der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten.
Es bleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird 2.472 € festgesetzt.
In Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 8. Juli 2011 wird der Wert für das erstinstanzliche Versorgungsausgleichsverfahren auf 2.472 € festgesetzt.
I.
Auf den dem Antragsgegner am 28.9.2009 zugestellten Scheidungsantrag hin hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 8.7.2011 die am 29.7.1983 geschlossene Ehe der beteiligten Ehegatten geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, der geltend macht, das Amtsgericht habe die Versorgungsanwartschaft der Antragstellerin in der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem zu geringen Ausgleichswert bzw. hinsichtlich der Anwartschaft, der Entgeltpunkte zugrunde liegen, fehlerhaft nicht übertragen. Ferner sei der Ausgleich seiner Anwartschaft bei der Beteiligten zu 4. zu Unrecht trotz Geringfügigkeit dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten worden.
II.
Nach Anhörung der Beteiligten entscheidet der Senat gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung. Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig. Die Beschwerde ist auch begründet und führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung.
1.
Ausweislich der vom Amtsgericht eingeholten und teilweise korrigierten Auskünfte der weiteren Beteiligten zu 1. bis 4. haben die beteiligten Eheleute in der Ehezeit (§ 3 Abs. 1 VersAusglG) vom 1.7.1983 bis zum 31.8.2009 folgende dem Wertausgleich unterliegende Anrechte erworben:
Antragstellerin
- in der allgemeinen Rentenversicherung: 0,2302 Entgeltpunkte
Ausgleichswert: 0,1151 Entgeltpunkte; korrespondierender Kapitalwert: 707,28 €
- in der allgemeinen Rentenversicherung (Ost): 11,6063 Entgeltpunkte (Ost)
Ausgleichswert: 5,8032 Entgeltpunkte (Ost); korrespondierender Kapitalwert: 30.047,36 €
- aus der privaten Altersversorgung: 428,69 €; Ausgleichswert: 214,35 €.
Antragsgegner
- in der allgemeinen Rentenversicherung: 3,2659 Entgeltpunkte
Ausgleichswert: 1,6330 Entgeltpunkte; korrespondierender Kapitalwert: 10.034,66 €
- in der allgemeinen Rentenversicherung (Ost): 18,9813 Entgeltpunkte (Ost)
Ausgleichswert: 9,4907 Entgeltpunkte (Ost); korrespondierender Kapitalwert: 49.140,21 €
- aus der betrieblichen Altersversorgung 322,68 €; Ausgleichswert: 161,34 €.
2.
Der Ausgleich bezüglich der beiderseitigen Anrechte in der allgemeinen Rentenversicherung ist in Form der internen Teilung nach § 10 Abs. 1 VersAusglG vorzunehmen, indem für den jeweils ausgleichsberechtigten Ehegatten zulasten des Anrechts des jeweils ausgleichspflichtigen Ehegatten ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts bei dem Versorgungsträger übertragen wird, bei dem das Anrecht des Ausgleichspflichtigen besteht. Der Ausgleichswert der Anrechte entspricht jeweils der Hälfte ihres Ehezeitanteils (§ 1 Abs. 1 S. 2 VersAusglG).
Dabei sind Anrechte, denen Entgeltpunkte bzw. Entgeltpunkte (Ost) zugrunde liegen, aufgrund ihrer unterschiedlichen Wertigkeit als verschiedene Bezugsgrößen im Sinne des § 5 Abs. 1 VersAusglG zu behandeln und getrennt voneinander auszugleichen (vgl. hierzu z.B. OLG München, Beschluss vom 20.12.2010 – 12 UF 1715/10, juris; OLG Dresden, Beschluss vom 9.9.2010 – 23 UF 478/10, juris; OLG Celle, FamRZ 2010, 979; OLG Jena, FamRZ 2011, 38; Borth, Versorgungsausgleich, 5. Aufl., Rn. 525). Eine Verrechnung von Entgeltpunkten beider Ehegatten findet erst im Vollzug der Entscheidung durch die Versicherungsträger statt (§ 10 Abs. 2 S. 1 VersAusglG).
Vom Amtsgericht ist dabei zu Recht zunächst eine sogenannte Geringfügigkeitsprüfung durchgeführt worden. Gemäß § 18 Abs. 1 und 2 VersAusglG sollen beiderseitige Anrechte gleicher Art von geringer Ausgleichswertdifferenz und einzelne Anrechte von geringem Ausgleichswert nicht ausgeglichen werden. Die Geringfügigkeitsgrenze bemisst sich bei Anrechten, deren maßgebliche Bezugsgröße - wie bei den hier vorliegenden - kein Rentenbetrag ist, nach dem Kapitalwert, den der Ausgleichswert des Anrechts am Ende der Ehezeit hatte (§ 18 Abs. 3 VersAusglG). Gemäß § 18 Abs. 3 VersAusglG beträgt die Geringfügigkeitsgrenze als Kapitalwert 120 % der am Ende der Ehezeit (hier: 31.8.2009) maßgebenden monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV. Für das Jahr 2009 galt eine Bezugsgröße in Höhe von 2.520 €. 120 % davon ergibt 3.024 € (vgl. Ruland, Versorgungsausgleich, 3. Aufl., Rn. 502). Eine Differenzierung für die neuen Bundesländer ist nicht vorzunehmen (vgl. z.B. OLG Dresden, Beschluss vom 9.9.2010 – 23 UF 478/10, juris; OLG Jena, Beschluss vom 4.11.2010 – 2 UF 349/10, juris; Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 5. Aufl., § 18 VersAusglG, Rn. 12; Borth, FamRZ 2010, 1210; a. A. OLG Jena, FamRZ 2011, 38). Die Geringfügigkeitsprüfung nach § 18 Abs. 1 und 2 VersAusglG ist dabei grundsätzlich jeweils gesondert für die beiderseitigen Anwartschaften der beteiligten Ehegatten, denen Entgeltpunkte bzw. Entgeltpunkte (Ost) zugrunde liegen, durchzuführen. Denn Entgeltpunkte und Entgeltpunkte (Ost) sind nicht gleicher Art i. S. der Vorschrift (§ 120 f Abs. 2 Nr. 1 SGB VI). Vielmehr handelt es sich bei Entgeltpunkten um regeldynamische, bei Entgeltpunkten (Ost) um angleichungsdynamische Anwartschaften. Beide unterliegen einer unterschiedlichen Wertentwicklung. Sie können deshalb insbesondere im Rahmen des § 18 Abs. 1 VersAusglG nicht miteinander verrechnet werden (vgl. hierzu z. B.OLG Celle, Beschluss vom 04.03.2010, 10 UF 282/08, juris).
Die Geringfügigkeitsprüfung führt hier zu dem Ergebnis, dass der Versorgungsausgleich auch hinsichtlich der Anwartschaft der Antragstellerin, der Entgeltpunkte zugrunde liegen, durchzuführen ist. Die Differenz der (Kapital-) Ausgleichswerte der gleichartigen auf Entgeltpunkten (Ost) basierenden Anwartschaften der beteiligten Ehegatten beträgt vorliegend (49.140,12 € - 30.047,36 € =) rund 19.093 €. Die Differenz der (Kapital-) Ausgleichswerte der gleichartigen auf Entgeltpunkten basierenden Anwartschaften der beteiligten Ehegatten beläuft sich auf (10.034,66 € - 707,28 € =) rund 9.327 €. Die Ausgleichswertdifferenzen übersteigen damit jeweils den Grenzwert in Höhe von 3.024 €, sodass ein Ausgleich in Form der internen Teilung nach § 10 Abs. 1 VersAusglG - wie aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtlich - zu erfolgen hat. Von den genannten Kapitalwerten fällt zwar einer, nämlich derjenige hinsichtlich der von der Antragstellerin erworbenen Entgeltpunkte mit 707,28 € unter die Wertgrenze. Dieses Anrecht ist dennoch auszugleichen.
Das Verhältnis des § 18 Abs. 1 VersAusglG zu § 18 Abs. 2 VersAusglG ergibt sich aus der Gesetzessystematik. Die Geringfügigkeitsprüfung nach § 18 Abs. 1 VersAusglG ist absolut vorrangig (vgl. hierzu Hauß, FPR 2009, 214, 218; Götsche, in: Kaiser/Schnitzler/Frederici, NK-BGB, 2. Aufl., § 18 VersAusglG, Rz. 6; Johannsen/Henrich/Holzwarth, a.a.O. § 18 VersAusglG, Rz. 14) mit der Folge, dass nach Abs. 1 geprüfte Anrechte nach Abs. 2 nicht mehr zu prüfen sind.
3.
Das Amtsgericht hat das Anrecht der Antragstellerin der E… zu Recht wegen Geringfügigkeit gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG nicht ausgeglichen. Das Anrecht der Antragstellerin auf eine private Altersversorgung ist geringwertig im Sinne dieser Vorschrift, denn der Ausgleichswert (von 214,35 €) überschreitet die Höhe des in § 18 Abs. 3 VersAusglG festgelegten Grenzwerts von 3.024 € bei Ehezeitende am 31.8.2009 nicht. Das Anrecht mit geringem Ausgleichswert unterliegt auch nicht späteren Ausgleichsansprüchen bei der Scheidung (vgl. hierzu Johannsen/Henrich/Holzwarth, a.a.O. § 18 VersAusglG, Rz. 13).
Entsprechendes gilt allerdings entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht für sein Anrecht auf betriebliche Altersversorgung bei der D…. Das Amtsgericht hat dieses Anrecht des Antragstellers zu Recht als nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG nicht ausgleichsreif behandelt. Die betriebliche Versorgungsanwartschaft des Antragsgegners ist ausweislich der erstinstanzlichen Auskunft der D… noch nicht unverfallbar. Das Arbeitsverhältnis muss noch bis zum 1.1.2014 andauern, damit Unverfallbarkeit eintritt. Daher findet gemäß § 19 Abs. 1 VersAusglG ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht statt.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 150 FamFG, 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG. Bei der Wertfestsetzung ist zu berücksichtigen, dass dem Versorgungsausgleich hier nur vier Anrechte unterliegen. Anrechte im Sinne des § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG sind alle Anrechte, die eine Versorgungsart des Ehegatten darstellen, gleich, ob sie im In- oder Ausland erworben worden sind (Thiel, in: Schneider/Wolf/Volbert, FamGKG, § 50, Rn. 10). Somit besitzt jeder der beiden Ehegatten nur ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie ein weiteres aus einer betrieblichen bzw. privaten Altersversorgung. Der Umstand, dass die beteiligten geschiedenen Eheleute sowohl Entgeltpunkte als auch Entgeltpunkte (Ost) erworben haben, die mit Rücksicht auf §§ 10 Abs. 1 VersAusglG, 120 f Abs. 2 Nr. 1 SGB VI gesondert zu beurteilen sowie auszugleichen sind, ändert nichts daran, dass es sich insoweit nur um ein einheitliches Anrecht handelt und auf der Grundlage dieses Anrechts ein Anspruch auf eine Rente erworben wird (vgl. hierzu auch Senat, Beschluss vom 26. 7.2010 – 10 UF 78/10).
Die Rechtsbeschwerde wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen, § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG.