Gericht | VG Potsdam 10. Kammer | Entscheidungsdatum | 14.03.2012 | |
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Aktenzeichen | 10 K 59/08 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Umsetzung eines verbotswidrig abgestellten Fahrzeugs aus einem mit einem Halteverbot gekennzeichneten Bereich ist gerechtfertigt, wenn die Funktion der frei-zuhaltenden Verkehrsfläche, die ungestörte Durchführung von Bauarbeiten zu ge-währleisten, beeinträchtigt wird. Die Angemessenheit der Maßnahme setzt nicht vor-aus, dass bereits eine konkrete Behinderung der Bauarbeiten eingetreten ist (An-schluss an Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. Febr. 2002 - BVerwG 3 B 149.01).
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Am 13. Februar 2007 gegen 11:00 Uhr war das von der Ehefrau des Klägers gehaltene Fahrzeug (….) in der Potsdamer ... auf Höhe des Hauses Nr. 8 abgestellt. Es befand sich in einem Bereich, der auf der Grundlage der verkehrsrechtlichen Anordnungen des Beklagten vom 17. November 2006 und vom 29. Januar 2007 zur Sicherung einer „Baustelleneinrichtung (Containeraufstellung)“ mit mobilen Halteverbotsschildern (VZ 283) auf einer Länge von etwa 14 m gekennzeichnet war. An den Verkehrszeichen waren zwei Zusatzschilder angebracht, über deren Sinngehalt die Beteiligten uneins sind.
Kurz nach dem genannten Zeitpunkt begann die Firma ... auf Veranlassung des Beklagten, das Fahrzeug umzusetzen. Da kurz darauf der Kläger eintraf, brach die Firma den Vorgang ab, machte die Aushändigung des Fahrzeugs aber von der sofortigen Zahlung eines Betrags in Höhe von 82,07 € abhängig, den der Kläger notgedrungen entrichtete.
Als der Kläger die Erstattung des Betrags von dem Beklagten verlangte, übersandte ihm dieser einen unter dem 20. Juni 2007 erstellten Kostenbescheid über den Betrag. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit dem Argument, das gegen ihn geführte Bußgeldverfahren sei eingestellt worden. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2007 zurück. Zur Begründung machte er geltend, das - allein gegen die Ehefrau des Klägers geführte - Bußgeldverfahren sei aus formellen Gründen eingestellt worden. Im Übrigen habe das abgestellte Fahrzeug eine Behinderung dargestellt.
Der Kläger hat am 10. Januar 2008 Klage erhoben mit der Begründung, die Halteverbotsschilder hätten beim Abstellen des Fahrzeugs noch nicht an dem auf den Lichtbildern des Beklagten festgehaltenen Standort befunden, auch hätten sie wegen der widersprüchlichen Zeitangaben auf den Zusatzschildern keine Geltung entfalten können. Er stelle in Abrede, dass das Fahrzeug eine Behinderung dargestellt habe.
Der Kläger beantragt,
1. den Kostenbescheid des Beklagten vom 20. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2007 aufzuheben,
2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 46,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 v. H. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor: Bei Einleitung des Abschleppvorgangs hätten die Schilder noch am selben Ort gestanden wie im Zeitpunkt ihrer Aufstellung. Die aktuelle zeitliche Einschränkung der Anordnung sei dem oberen Zusatzschild eindeutig zu entnehmen gewesen. Das abgestellte Fahrzeug habe die Abstellung eines weiteren Schuttcontainers behindert.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
Die Entscheidung ergeht aufgrund des Kammerbeschlusses vom 14. Juli 2011 durch den Berichterstatter als Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]) und mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage bleibt insgesamt ohne Erfolg.
Der Klageantrag zu 1. ist unbegründet. Der angefochtene Kostenbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtmäßig, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für den Kostenbescheid ist § 11 Abs. 2 der Brandenburgischen Kostenordnung (BbgKostO). Danach hat der Vollstreckungsschuldner bzw. Pflichtige der Vollstreckungs- bzw. Vollzugsbehörde die Auslagen zu erstatten (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BbgKostO). Dazu zählen insbesondere die Beträge, die bei der Ersatzvornahme an Beauftragte – hier: an das Abschleppunternehmen – zu zahlen sind (Satz 2 Nr. 7). Eine Heranziehung des Verantwortlichen setzt voraus, dass die Ersatzvornahme im Einklang mit den Bestimmungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg (VwVGBbg) erfolgte. Das war hier der Fall.
Bei der (begonnenen) Umsetzung des streitbetroffenen Fahrzeugs handelte es sich um eine Ersatzvornahme im Sinne von § 19 Abs. 1 VwVGBbg, die der Beklagte auch im Wege des Sofortvollzugs (vgl. § 15 Abs. 2 VwVGBbg) anwenden durfte, ohne zuvor das Zwangsmittel anzudrohen und festzusetzen (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 3, § 24 Satz 2 VwVGBbg).
Gemäß § 15 Abs. 1 VwVGBbg durfte der Beklagte das sofort vollziehbare, in der Halteverbotsregelung des Zeichens 283 verkörperte Gebot, das Fahrzeug umgehend von der gekennzeichneten Stelle wegzufahren, mit Zwangsmitteln durchsetzen.
Die Verkehrsregelung entfaltete Wirksamkeit. Die beiden angebrachten Zusatzschilder konnten für einen verständigen Verkehrsteilnehmer keinen Zweifel daran lassen, dass das – temporäre – Halteverbot für den fraglichen Zeitpunkt und für den betreffenden Ort Geltung beanspruchte. Ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten enthaltenen Lichtbilder ließ sich dem oberen Zusatzschild – trotz Anzeichen von Verwitterung – unzweideutig die Geltung „ab 20.11.2006“ entnehmen. Diesem Aussagegehalt widersprach auch nicht das darunter befindliche weitere Zusatzschild. Es gab offenkundig einen früheren Geltungsbeginn an, dessen Datum sich nicht mehr zur Gänze entziffern ließ. Soweit ihm seinerzeit überhaupt noch ein Inhalt entnommen werden konnte, vermochte es jedenfalls die eindeutige Angabe des im oberen Zusatzschild geregelten späteren Geltungsbeginns nicht infrage zu stellen. Auch lässt sich der vom Kläger geäußerte Verdacht, die Verkehrsschilder seien im Zeitpunkt des Abstellens des Fahrzeugs verrückt gewesen, so dass das Fahrzeug zunächst nicht in einer Halteverbotszone gestanden habe, nicht durch konkrete Anhaltspunkte erhärten. Es besteht grundsätzlich ein Anscheinsbeweis für die ununterbrochene Anwesenheit und Wahrnehmbarkeit der Verkehrszeichen vor Ort entsprechend der verkehrsrechtlichen Anordnung in Verbindung mit dem Aufstellprotokoll (vgl. VG Köln, Urteil vom 20. Dez. 2010 - 20 K 4677/10 -, bei juris, m. w. N.).
Der Kläger war für die Störung verantwortlich. Seinem eigenen Vortrag lässt sich bei lebensnaher Betrachtung nicht entnehmen, dass er nicht zumindest die Sachherrschaft über das Fahrzeug ausübte, die ihn in den Stand versetzte, dem Wegfahrgebot rechtzeitig nachzukommen (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 Ordnungsbehördengesetz Brandenburg [OBG]).
Die Abschleppmaßnahme erweist sich auch nicht in Anbetracht des Einwands des Klägers, das Fahrzeug habe keine Behinderung dargestellt, als unverhältnismäßig. Nach dem Ablauf, wie er im Verwaltungsvorgang des Beklagten dokumentiert ist, ist zunächst davon auszugehen, dass das Fahrzeug tatsächlich das Abstellen eines Schuttcontainers behinderte. Anders wäre auch nicht erklärlich, warum bei der gerade stattfindenden Anlieferung eines weiteren Containers ein Abschleppunternehmen angefordert wurde, um Platz für ein reibungsloses und gefahrloses Abstellen des Containers zu schaffen.
Es wäre aber letztlich auch nicht anders zu bewerten, wenn in jenem Zeitpunkt noch keine konkrete Behinderung eingetreten wäre. Denn für die Angemessenheit einer Abschleppmaßnahme ist grundsätzlich keine konkrete Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch das verbotswidrig im Halteverbot abgestellte Fahrzeug erforderlich. In der Rechtsprechung wird – im Anschluss an die vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entwickelten Grundsätze (vgl. z. B. Beschluss vom 18. Febr. 2002 - BVerwG 3 B 149.01 -, Rdnr. 4 in der amtlichen Entscheidungsdatenbank: http://www.bverwg.de/enid/311?e_view=detail&con_id=1994) – durchgängig die Auffassung vertreten, dass schon die Beeinträchtigung der Funktion einer Verkehrsfläche die Umsetzung eines Fahrzeugs rechtfertigt, ohne dass eine konkrete Verkehrsbehinderung bereits eingetreten sein muss (vgl. VG Aachen, Urteil vom 23. Febr. 2007, Aktenzeichen: 6 K 78/07, bei juris, Rdnr. 21 ff. mit Nachweisen aus der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung). Das abgestellte Fahrzeug stellte eine solche Funktionsbeeinträchtigung des Baustellenbereichs dar. Das Halteverbot sollte sicherstellen, dass dieser stets für die Durchführung von Bauarbeiten zur Verfügung stand. Deshalb wäre es auch angemessen gewesen, hätte der Beklagte die Freihaltung der betroffenen Verkehrsflächen zum Zwecke des Hantierens und Rangierens im Baustellenbereich durchgesetzt, ohne den Eintritt einer aktuellen Behinderung abzuwarten. Ein solcher Ansatz entspricht auch den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur zwangsweisen Räumung von Behindertenparkplätzen. Auch in jenen Fällen hält die Rechtsprechung einhellig ein Entfernen eines rechtswidrig dort abgestellten Fahrzeugs für angemessen, auch wenn im fraglichen Moment noch kein Berechtigter den Parkplatz aufsucht (vgl. etwa jüngst VG Neustadt, Urteil vom 13. Sept. 2011 - 5 K 369/11.NW -, Abschnitt 2 e mit ausführlichen Rechtsprechungsnachweisen).
Auch das Absehen von einer vorherigen Benachrichtigung des Klägers bzw. seiner Ehefrau ist nicht zu beanstanden. Die Behörde ist nicht gehalten, zunächst den Aufenthaltsort des Verantwortlichen zu ermitteln. Eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kommt nur in Betracht, wenn – wofür hier nichts ersichtlich ist – der Führer oder Halter des Fahrzeugs ohne Schwierigkeiten und ohne Verzögerung festgestellt und zur Beseitigung des verbotswidrigen Parkens veranlasst werden kann. Einer Verpflichtung zu Halteranfragen oder sonstigen Nachforschungsversuchen stehen sowohl die ungewissen Erfolgsaussichten als auch nicht abzusehende weitere Verzögerungen regelmäßig entgegen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2002 - 3 B 67.02 - Rdnr. 6 bei http://www.bverwg.de/enid/311?e_view=detail&con_id=1855).
Schließlich kommt es auch nicht darauf an, ob das verkehrswidrige Abstellen des Fahrzeugs als Ordnungswidrigkeit geahndet wurde.
Der Klageantrag zu 2., mit dem der Kläger offenkundig allein die Erstattung von Kosten für seine Vertretung im Vorverfahren geltend macht, ist unzulässig, da eine Entscheidung hierüber nach Einleitung des Klageverfahrens nur im Rahmen der gerichtlichen Kostenentscheidung gemäß § 162 Abs. 1 VwGO in Betracht kommt (vgl. Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: 22. Ergänzungslieferung 2011, § 162 Rdnr. 11 f.).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
B e s c h l u s s
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) auf 128,48 Euro festgesetzt.