Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 8. Senat | Entscheidungsdatum | 28.07.2011 | |
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Aktenzeichen | L 8 R 437/05 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 5 EntschRG, § 2 VersRuhG, Art 3 GG, Art 14 GG, Art 20 GG |
Die Berufung der Berufungsklägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. März 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Im Streit ist die Aberkennung einer Entschädigungsrente.
Die Berufungsklägerin ist die Witwe und Sonderrechtsnachfolgerin des am 9. November 2006 verstorbenen M W (im Folgenden Kläger); die Eheschließung erfolgte im August 1987.
Der Kläger war 1923 in H geboren worden. Um der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen, verließen seine Eltern mit ihm im Jahre 1933 Deutschland und emigrierten über die Schweiz und Frankreich in die UdSSR. Nach Kriegsende kehrte er nach Deutschland zurück und war zunächst beim (Ost-)Berliner Rundfunk und seit 16. Oktober 1949 beim Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten im Diplomatischen Dienst beschäftigt. Im September 1951 wurde er Mitarbeiter des Instituts für wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF), wie der Auslandsnachrichtendienst der DDR zunächst genannt wurde, der anfangs eine Abteilung des Außenministeriums der DDR war. 1953 wurde er stellvertretender Staatssekretär im damaligen Staatssekretariat für Staatssicherheit (SfS), ab November 1955 einer der Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit. Von 1953 bis 1986 leitete er im SfS bzw. später dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA). Er wurde 1955 zum Generalmajor, 1965 zum Generalleutnant und 1980 zum Generaloberst ernannt. In seiner Funktion als Stellvertreter des Ministers und als Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung gehörte er dem Kollegium des MfS an. 1986 schied er aus dem aktiven Dienst des MfS aus.
Ab 1. Januar 1983 bezog der Kläger eine Altersrente aus der Versorgungsordnung des Ministeriums für Staatssicherheit (Sonderversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 2 zum Anwartschafts- und Überführungsgesetz [AAÜG]) von zunächst 4.313,- Mark monatlich und außerdem eine Ehrenpension aufgrund der Anordnung über Ehrenpensionen für Kämpfer gegen den Faschismus und für Verfolgte des Faschismus sowie für deren Hinterbliebene vom 20. September 1976 (abgedruckt in Aichberger II Nr. 127) in Höhe von anfangs 1.200,- Mark zuzüglich eines Kinderzuschlages von 150,- Mark. Die Ehrenpension erhöhte sich ab 1. Dezember 1985 auf 1.700,- Mark und ab 1. Januar 1989 auf 1.900,- Mark, jeweils inklusive eines Kinderzuschlages von 200,- Mark. Die Altersrente aus dem Sonderversorgungssystem erhöhte sich ab 1. Dezember 1989 auf 4.363,- Mark. In Anwendung des DDR-Gesetzes über die Aufhebung der Versorgungsordnung des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit vom 29. Juni 1990 wurden seit dem 1. Juli 1990 die Leistungen in Höhe von (990 + 1700 + 200 =) 2.890,- DM gezahlt. Sie wurden wegen des Auslandsaufenthaltes des Klägers zum 30. April 1991 eingestellt und (nur) die Zahlung der Altersrente nach Rückkehr nach Deutschland am 24. September 1991 wieder aufgenommen, nunmehr in Höhe von 802,- DM in Anwendung von § 10 Abs. 2 AAÜG. Die Ehrenpension wurde nach der Wiedervereinigung weitergezahlt aufgrund der nach dem Einigungsvertrag bis zum 31. Dezember 1991 weiterhin geltenden Anordnung über Ehrenpensionen vom 20. September 1976. Die zwischenzeitlich ausgesprochene Feststellung, dass der Anspruch auf die Ehrenpension wegen Auslandsaufenthaltes ab 1. Mai 1991 erloschen sei (Bescheid der Beklagten vom 25. April 1991, Widerspruchsbescheid vom 27. November 1991), hatte keinen Bestand (rechtskräftiges Urteil des LSG Berlin vom 25. Juni 1996 – L 2 An 41/93). Die Beklagte zahlte in Ausführung des LSG-Urteils vom 25. Juni 1996 u. a. die Ehrenpension bis zum 31. Dezember 1991 weiter (Bescheid vom 1. November 1996). Für die Zeit ab 1. Januar 1992 übernahm die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) , die aufgrund des am 1. Mai 1992 in Kraft getretenen Entschädigungsrentengesetzes (ERG) zuständig geworden war, als Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. die Zahlung zunächst der Ehrenpension für Kämpfer gegen den Faschismus in bisheriger Höhe von 1.700 DM zuzüglich eines Kinderzuschlages von 200 DM, und ab 1. Mai 1992 einer an die Stelle der Ehrenpension tretenden Entschädigungsrente von 1.400 DM zuzüglich des Zuschlages von 200 DM; die Zahlung wurde im Hinblick auf den Aberkennungsbescheid vom 8. Oktober 1992 – vgl. nachfolgende Darstellung – bis zum 31. Oktober 1992 befristet (BfA-Bescheid vom 20. Januar 1997, Nachzahlung 17.200 DM).
Im Hinblick auf die in § 5 Abs. 1 ERG u. a. geregelte Kürzung oder Aberkennung einer Entschädigungsrente erließ die beklagte Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesversicherungsamt, auf den Beschluss der Kommission der Bundesrepublik Deutschland zum Versorgungsruhens- und Entschädigungsrentengesetz (Beigeladene zu 1.) vom 8. September 1992 den Bescheid vom 8. Oktober 1992, mit dem die Entschädigungsrente des Klägers „mit sofortiger Wirkung vorläufig aberkannt“ wurde. Zur Begründung verwies die Beklagte unter anderem darauf, dass der Kläger als stellvertretender Minister für Staatssicherheit gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen habe und nahm ergänzend Bezug auf die Ausführungen der Beigeladenen zu 1.
Das Verfahren zu der dagegen vor dem Sozialgericht Berlin (SG) anhängig gemachten Klage ist mehrfach zum Ruhen gebracht worden.
Mit Beschluss vom 22. Februar 1999 wurde das Verfahren bezüglich der vorläufigen Aberkennung der Entschädigungsrente zur gesonderten Entscheidung abgetrennt (S 35 RA 3631/92 W 97-1); mit Urteil vom 16. September 1999 entsprach das SG dem klägerischen Begehren und hob unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. Januar 1997 (4 RA 23/96, in Entscheidungssammlung Sozialrecht [SozR] 3-8850 § 5 Nr. 1) die „vorläufige“ Aberkennung der Entschädigungsrente auf.
Nachdem Unterlagen der Gauck-Behörde insbesondere zu Sitzungen des MfS-Kollegiums am 25. April und 11. November 1966, an denen der Kläger teilgenommen hatte, bekannt geworden waren, schlug die Beigeladene zu 1. nach deren Auswertung mit Beschluss vom 19. Februar 1997 der Beklagten die endgültige Aberkennung der Entschädigungsrente vor; dabei stützte sie sich im wesentlichen auf Beschlüsse des Kollegiums in den genannten Sitzungen zu Vorlagen des Ministers für Staatssicherheit betreffend „Maßnahmen zur Verstärkung der operativen Sicherung der Staatsgrenze“ sowie über „politisch-operative Maßnahmen zur Bekämpfung feindlicher Einflüsse unter Kreisen von Jugendlichen“. Mit Bescheid vom 12. Mai 1997 hob die Beklagte anschließend nach Anhörung des Klägers die Bewilligung der Entschädigungsrente endgültig auf (ab wann die Aufhebung gelten sollte, ist darin offen geblieben).
Nachdem das Bundessozialgericht in der Folgezeit in Parallelverfahren eine nicht ordnungsgemäße Anhörung der Betroffenen und eine darauf beruhende Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide gerügt hatte, wandte sich die Kommission mit Schreiben vom 15. April 2002 an den Kläger und teilte ihm zu einer für erforderlich gehaltenen nochmaligen Anhörung mit, dass beabsichtigt sei, der Beklagten einen erneuten Entscheidungsvorschlag über die Kürzung oder Aberkennung der Entschädigungsrente zu unterbreiten; sie verwies zur Begründung auf die Befugnisse kraft seiner ihm eingeräumten herausragenden Stellung, seine Teilnahme an den bereits früher genannten Sitzungen des MfS-Kollegiums und außerdem auf näher bezeichnete, von ihm als Leiter der HVA in den Jahren 1955, 1959 und 1962 begangene, durch Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 27. Mai 1997 rechtskräftig abgeurteilte Straftaten.
Dazu äußerte sich der Kläger mit Schreiben vom 7. Mai 2002 und verneinte erneut die Voraussetzungen einer Aberkennung seiner Entschädigungsrente. Mit Beschluss vom 1. November 2002 schlug die Kommission der Beklagten vor, den Bescheid über die Aberkennung der Entschädigungsrente vom 12. Mai 1997 durch einen neuen Aberkennungsbescheid zu ersetzen.
Unter Hinweis darauf teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 3. Dezember 2002 mit, dass sie beabsichtige, dem Beschluss der Kommission vom 1. November 2002 zu folgen. Gleichzeitig wurde dem Kläger Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen. Dieser meinte, neue Gesichtspunkte hätten sich nicht ergeben, so dass eine Aberkennung weiter rechtswidrig sei.
Mit Bescheid vom 7. Januar 2003 erkannte die Beklagte den Anspruch auf Entschädigungsrente mit sofortiger Wirkung ab. Der Kläger habe gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen, wie sich aus folgenden Sachverhalten ergebe:
In der Sitzung am 25. April 1966 habe das Kollegium MfS unter anderem über folgende Tagesordnungspunkte beraten:
TOP 4 „Vorlagen über Maßnahmen zur operativen Sicherung der Staatsgrenze“
TOP 5 „Vorlagen über politisch-operative Maßnahmen zur Bekämpfung feindlicher Einflüsse unter Kreisen von Jugendlichen“
In dieser Sitzung habe das Kollegium im Beschluss 4/66 unter Ziffer 1 „die Vorlagen über Maßnahmen zur Verstärkung der operativen Sicherung der Staatsgrenze grundsätzlich bestätigt“. Mit Beschluss 5/66 habe das Kollegium unter Ziffer 1 „den Vorlagen über Maßnahmen zur politisch-operativen Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen grundsätzlich zugestimmt“. Auf der Grundlage des Beschlusses 5/66 sei am 15. Mai 1966 die Dienstanweisung (DA) 4/66 „zur Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen in der DDR“ ergangen.
Auf der Kollegiumssitzung am 11. November 1966 sei unter Ziffer 4 des Beschlusses 9/66 festgelegt worden, dass die DA 4/66 „hinsichtlich ihrer Erfüllung und konsequenten Durchsetzung zur überprüfen“ sei.
Durch das (rechtskräftige) Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. Mai 1997 sei der Kläger wegen in seiner Eigenschaft als Leiter der HVA im MfS in Mittäterschaft begangener Freiheitsberaubungen in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Nötigung und in zwei weiteren Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden sei.
Dazu führte die Beklagte unter anderem aus, sie schließe sich der Auffassung der Kommission an, dass die genannten Unrechtshandlungen als erhebliche Verstöße gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit zu werten seien. Unter Berücksichtigung der Schwere der vorgeworfenen Verstöße sei auch der vollständige Entzug der Entschädigungsrente nicht unverhältnismäßig. Die vom Kläger mitgetragenen Maßnahmen hätten die einzelnen Menschen in der DDR in vielen Persönlichkeitsbereichen einschneidend getroffen und sich auf einen Großteil der Bevölkerung der DDR erstreckt. Die Rechte der von den Straftaten des Klägers Betroffenen, die willkürlich ihrer Freiheit beraubt und in zwei Fällen auch körperlich verletzt worden seien, seien nach dem Motto, der Zweck heilige die Mittel, dem Sieg im „Klassenkampf“ untergeordnet worden.
Ergänzend hat die Beklagte auf Nachfrage mit Schriftsatz vom 2. September 2003 erklärt, dass der vorangegangene Bescheid vom 12. Mai 1997 zur endgültigen Aberkennung mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werde. Die BfA hat die Entschädigungsrente anschließend für Zeiträume bis zum 31. Januar 2003 an den Kläger nachgezahlt.
Der Kläger hat auch die Aberkennung der Entschädigungsrente durch den Bescheid vom 7. Januar 2003 ab 1. Februar 2003 angegriffen, da auch dieser Bescheid rechtswidrig sei. Er hat die Auffassung vertreten, dass der Bescheid bereits aus formalen Gründen rechtswidrig sei. Denn die Beklagte habe sowohl zu den Tatsachenfeststellungen als auch zur rechtlichen Würdigung des Sachverhaltes keine eigenständige Entscheidung getroffen. Sie sei ausschließlich den Feststellungen der Kommission gefolgt, was sich auch an den Formulierungen in dem Bescheid ablesen lasse. Damit sei die von der Beklagten durchgeführte Anhörung zur substanzlosen Formalität geworden.
Die Anhörung durch die Beklagte habe keiner eigenen Entscheidung, sondern der fortgeltenden Entscheidung eines Dritten gedient und sei daher keine Erfüllung der gesetzlichen Anhörungspflicht.
Der Bescheid sei aber auch in der Sache nicht berechtigt und materiell rechtswidrig. Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit liege nicht vor. Das Kollegium sei kein Entscheidungsgremium gewesen, sondern lediglich ein Beratungsorgan. Die dort gefassten Beschlüsse seien tatsächlich nur Ratschläge gewesen. Das Kollegium habe nur Entscheidungen, Anweisungen und Befehle des Ministers entgegen genommen. Der Minister habe unabhängig von den im Kollegium gefassten Beschlüssen gehandelt. In zahlreichen Fällen habe der Minister Dienstanweisungen erlassen, ohne vorher das Kollegium angehört zu haben. Daher seien die fraglichen Beschlüsse nicht kausal für einen etwaigen Verletzungserfolg. Die Beschlüsse stellten auch keine Verstöße gegen die in § 5 ERG enthaltenen Grundsätze dar.
Zum Beschluss 4/66 hat der Kläger unter anderem ausgeführt, dass allein die Grenztruppen der DDR und nicht das MfS für die Sicherung der Staatsgrenze zuständig gewesen seien. Das MfS sei hier lediglich vorbeugend tätig gewesen. Insoweit trage er auch keine Verantwortung für das Grenzregime, und er habe es weder durch Rat noch durch Tat beeinflussen können.
Zum Beschluss 5/66 hat er ausgeführt, dass die Dienstanweisung 4/66 von Minister Mielke 28 Seiten umfasst habe. Davon seien viele Seiten der Schilderung der Jugendpolitik der DDR gewidmet gewesen und könnten daher hier kaum von Relevanz sein. Die Beklagte lege nicht dar, was an diesem Beschluss menschenrechtswidrig sei. Es sei nun einmal so, dass Geheimdienste auf vielfältige Weise die Tätigkeiten vermuteter Gegner des Staates, dem sie dienten, zu erforschen versuchten. So sei bekannt, dass auch der bundesdeutsche Verfassungsschutz in dieser Richtung aktiv sei. Dass in diesem Zusammenhang mit informellen Mitarbeitern (IM) gearbeitet worden sei, liege im Wesen von Geheimdiensten. Auch der Verfassungsschutz beobachte Großveranstaltungen nicht mit Beamten, die als solche gekennzeichnet seien.
Auch fehle es zumindest an seiner persönlichen Mitwirkung an etwaigen Verstößen. Aus dem Vermerk, dass er bei den fraglichen Beratungen des Kollegiums anwesend gewesen sei, könne nicht geschlossen werden, dass er bei den fraglichen Beschlüssen auch stets anwesend, aufmerksam und wach gewesen sei. Ob er sich während des Verlaufs der Sitzung aus menschlichen oder anderen Gründen vorübergehend entfernt habe, könne er nach einem solchen Zeitablauf selbst nicht mehr sagen, aber die Beklagte könne es auch nicht ausschließen. Die Art der Protokollierung sei auf solche Details nicht ausgerichtet gewesen. Nach der Lebenserfahrung könne auch davon ausgegangen werden, dass einige Teilnehmer sich vorübergehend von solchen Sitzungen entfernen würden. Bei den fraglichen Beschlüssen handele es sich nicht um Gebiete, für die er zuständig gewesen sei. Er habe dabei nicht zuhören müssen. Es sei von ihm nicht erwartet worden, dass er sich zu Fragen der Jugendpolitik oder Grenzsicherung äußere.
Soweit es die Verurteilung durch das OLG Düsseldorf vom 27. Mai 1997 betreffe, könne damit gleichfalls kein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit begründet werden. Dies ergebe sich unter anderem wegen der lange zurückliegenden Ereignisse. Im Übrigen habe es sich dabei um typische geheimdienstliche Begleitdelinquenz gehandelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Straffreiheit der innerdeutschen Spionage von DDR-Bürgern dürften diese Fälle bei der Bewertung nach § 5 ERG nicht herangezogen werden. Schließlich sei angesichts der lange zurückliegenden fraglichen Handlungen der Entzug der Entschädigungsrente jedenfalls nicht verhältnismäßig.
Im Übrigen sei die Vorschrift des § 5 ERG auch verfassungswidrig, da sie mit dem Abstellen auf die Begriffe der Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit zu unbestimmt sei.
Der Kläger ist im Erörterungstermin am 26. Mai 2004 persönlich gehört worden. Wegen seiner Äußerungen im Einzelnen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Sodann hat das SG mit Urteil vom 21. März 2005 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei bezüglich des Bescheides vom 7. Januar 2003 und der damit streitigen Zeit ab 1. Februar 2003 unbegründet. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, die Entschädigungsrente ab diesem Zeitpunkt abzuerkennen. Der Bescheid sei formell rechtmäßig, denn entgegen der Auffassung des Klägers sei eine nach § 24 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) erforderliche Anhörung wirksam erfolgt. Dem Kläger sei von der Kommission Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt worden. Sie habe ihm auch mitgeteilt, welchen Sachverhalt sie für ihren Vorschlag für relevant halte. Auch die Anhörung durch die Beklagte sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagte habe zum Einen mitgeteilt, dass sie beabsichtige, dem Beschluss der Kommission vom 1. November 2002 zu folgen und zum Anderen dargelegt, auf welche zugrunde liegenden Tatsachen die Entscheidung gestützt werden solle. Die Beklagte sei damit den vom Bundessozialgericht formulierten Anforderungen gerecht geworden (Hinweis auf Urteil vom 31. Oktober 2002 – B 4 RA 15/01 – in SozR 3-1300 § 24 Nr. 22). Die Beklagte sei nicht gehindert gewesen, auf derselben Tatsachengrundlage zu entscheiden, die die Kommission ihrem Beschluss zugrunde gelegt habe. Die Beklagte habe auch die Antwort des Klägers (Schreiben vom 17. Dezember 2002) zum Anlass genommen, die beabsichtigte Entscheidung daraufhin zu überprüfen, ob weitere Ermittlungen erforderlich seien oder ob der Entscheidungsinhalt zu verändern sei. So habe die Beklagte sich mit dem Hinweis des Klägers auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Strafverfolgungshindernis bei Spionagetaten (dem sogenannten Spionageprivileg) auseinandergesetzt. Die Beklagte sei auch auf den Vorwurf des Klägers eingegangen, der Entzug der Entschädigungsrente verstoße gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die Beklagte habe mit dem streitigen Bescheid vom 7. Januar 2003 ihre gesetzliche Entscheidungsbefugnis auch rechtmäßig ausgeübt. Sie habe in dem Bescheid unter anderem ausgeführt, dass sie von dem Vorschlag der Kommission nur abweichen dürfe, „wenn besondere Gründe dies rechtfertigten“. Die Beklagte sei damit von der Rechtslage ausgegangen, wie sie vom Bundessozialgericht im Urteil vom 31. Oktober 2002 (B 4 RA 43/01 R, zitiert nach juris) festgestellt worden sei. Danach müsse die Beklagte die Bundesrechtskonformität des Vorschlags der Kommission prüfen und dürfe aus besonderen Gründen, insbesondere soweit dies aufgrund des konkreten Einzelfalles durch das Übermaßverbot geboten sei, auch dem Vorschlag nicht folgen oder einen minderschweren Eingriff vornehmen. Dies habe die Beklagte bei ihrer Entscheidung beachtet, wie sich aus ihren Ausführungen ergebe. Die Beklagte habe damit eine konkrete Entscheidung darüber getroffen, dass aus ihrer Sicht keine besonderen Gründe vorlägen, um von der Kommissionsentscheidung abzuweichen. Sie habe an anderer Stelle des Bescheides außerdem geprüft, ob die vorgeschlagene Regelung im konkreten Fall des Klägers dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche.
Der Bescheid vom 7. Januar 2003 sei auch materiell rechtmäßig; die Voraussetzungen von § 5 Abs. 1 ERG zur Aberkennung der Entschädigungsrente seien erfüllt. Der insoweit erforderliche Tatbestand (Hinweis auf Urteil des BSG vom 30. Januar 1997 – B 4 RA 23/96 – in SozR 3-8850 § 5 Nr. 1) sei vorliegend gegeben. Die vollständige Aberkennung der Entschädigungsrente sei (bereits) durch das folgende Verhalten des Klägers gerechtfertigt:
- die Zustimmung des Klägers zu dem Beschluss 5/66 in der Sitzung des Kollegiums des MfS am 25. April 1966 (Ziffer 1: „den Vorlagen über Maßnahmen zur politisch-operativen Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen wird grundsätzlich zugestimmt“)
- die Zustimmung des Klägers zu dem Beschluss 9/66 in der Sitzung des Kollegiums des MfS am 11. November 1966 (Ziffer 4: „… die DA 4/66 über die operativen Maßnahmen zur Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen der DDR …, sind hinsichtlich ihrer Erfüllung und konsequenten Durchsetzung zu überprüfen“).
Es handele sich hierbei um einen konkreten, sachlich und zeitlich eingegrenzten Sachverhalt, der dem Beweis zugänglich sei. Die Teilnahme an diesen Sitzungen und die Zustimmung zu den Beschlüssen ergebe sich aus den Protokollen und den Angaben des Klägers, insbesondere im Erörterungstermin am 26. Mai 2004, wie das SG näher dargelegt hat.
Mit der Zustimmung zu den Beschlüssen 5/66 und 9/66 habe der Kläger gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Das Kollegium und damit der Kläger persönlich hätten „den Vorlagen über Maßnahmen zur politisch-operativen Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen grundsätzlich zugestimmt.“ Auf der Grundlage dieses Beschlusses habe der Minister des MfS Erich Mielke am 15. Mai 1966 die Dienstanweisung (DA) 4/66 „zur Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen in der DDR“ erlassen. Dabei habe es sich entgegen der Auffassung der Klägers nicht etwa um eine Dienstanweisung gehandelt, die lediglich der „Schilderung der Jugendpolitik gewidmet war“ oder etwa der „Absicherung von Großveranstaltungen, Laienmusikgruppen u. ä.“. Sie sei auch nicht auf die Bekämpfung der allgemeinen Jugendkriminalität ausgerichtet gewesen. Allgemeine Delikte wie Einbruch oder Brandstiftung würden im Rahmen der Dienstanweisung in den Zusammenhang mit der „psychologischen Kriegsführung“ durch den „Bonner Staatsapparat, westliche Geheimdienste und Zentren der ideologischen Diversion“ gestellt. Die näher dargestellten Maßnahmen und Zielsetzungen in den angeführten Beschlüssen hätten entgegen der Auffassung des Klägers nicht „im Wesen der Geheimdienste“ gelegen und insbesondere auch die durch die Verfassung der DDR auch Jugendlichen und jungen Menschen eingeräumten Rechte missachtet. Die persönliche Würde der betroffenen Jugendlichen sei in einem besonders schweren Ausmaß bereits dadurch verletzt worden, dass sie in Schule/Beruf und Freizeit einer umfassenden Bespitzelung ausgesetzt waren. Da gezielt inoffizielle Mitarbeiter aus ihrem höchstpersönlichen Umfeld angeworben worden seien, hätten selbst Minderjährige kein Vertrauen zu den Personen in ihrer Umgebung fassen können, sondern hätten stets damit rechnen müssen, dass sie einer Ausspähung durch das MfS ausgesetzt gewesen seien.
Mit der Zustimmung zu den Beschlüssen 5/66 und 9/66 habe der Kläger in Ausübung ihm übertragener und eingeräumter Gewalt gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Dass das Kollegium des MfS, wie der Kläger geltend gemacht habe, „kein Entscheidungsgremium“ gewesen sei, stehe dieser Beurteilung nicht entgegen. Ein Verstoß liege nicht nur dann vor, wenn dieser „eigenhändig“ ausgeführt worden sei. Es reiche aus, wenn er einen derartigen konkret festgestellten Verstoß anderer durch Rat und Tat oder durch sonstige Handlungen im Rahmen der ihm eingeräumten Gewalt oder seiner Dienstleistung gefördert habe (Hinweis auf Urteil des BSG vom 23. Oktober 2003 – B 4 RA 52/02 R – in SozR 4-8850 § 5 Nr. 1). Dem genüge die Zustimmung des Klägers zu den Beschlüssen 5/66 und 9/66 als Mitglied des MfS-Kollegiums. Dass es sich entgegen der Auffassung des Klägers insofern keinesfalls um eine bedeutungslose „Formsache“ gehandelt habe, ergebe sich bereits aus der Verordnung über die Bildung von Kollegien vom 17. Juli 1952. Dies werde im Übrigen auch durch die Äußerungen des Klägers bei seiner persönlichen Befragung bestätigt.
Unabhängig von seiner sachlichen Zuständigkeit habe der Kläger die Tatsachen gekannt, aus denen sich die Unvereinbarkeit seines Verhaltens mit den Grundsätzen der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit ergeben habe. Er sei bereits seit Jahren im MfS tätig gewesen. Zum streitigen Zeitraum sei er im Rang eines Generalleutnants Leiter einer Hauptabteilung und stellvertretender Minister für Staatssicherheit gewesen. Daher habe er ausreichende Kenntnisse über die Arbeitsweise des Ministeriums für Staatssicherheit besessen, um sich vor Augen führen zu können, dass die Dienstanweisung 4/66 in der oben festgestellten Weise gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen habe. Im Übrigen beschreibe bereits der Wortlaut der Dienstanweisung ausführlich und unmissverständlich die Tatsachen, aus denen sich die Unvereinbarkeit mit den Grundsätzen der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit ergeben habe. Umstände, die die Zurechnungsfähigkeit oder die Fähigkeit zur freien Willensbetätigung des Klägers in diesen Sitzungen ausgeschlossen hätten, seien nicht ersichtlich.
Die festgestellten Verstöße rechtfertigten eine vollständige Aberkennung der Entschädigungsrente. Insoweit habe zwar eine umfassende Würdigung zu erfolgen. Denn Beurteilungsmaßstäbe seien einerseits das objektive Ausmaß an Verantwortlichkeit und Gestaltungsmöglichkeiten des Berechtigten im staatlichen System der DDR und andererseits die Schwere des ihn persönlich treffenden Schuldvorwurfs (Hinweis auf Urteil des BSG vom 23. Oktober 2003 – B 4 RA 52/02 R – in SozR 4-8850 § 5 Nr. 1). Der Kläger als Stellvertreter des Ministers und einer der ranghöchsten Generäle des MfS sei der obersten Verantwortungsebene zuzuordnen. Es seien keine Hinweise vorhanden bzw. vom Kläger vorgetragen worden, die zu einer verringerten Kürzung oder gar zum Ausschluss einer Kürzung führen könnten.
Die Aberkennung der Entschädigungsrente sei auch nicht aus sonstigen Gründen rechtswidrig. Hinsichtlich des dargelegten Vorwurfs greife auch nicht das sogenannte „Spionageprivileg“, wie es vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner Entscheidung vom 15. Mai 1995 (2 BvL 19/91 u. a. in Amtlicher Entscheidungssammlung [BVerfGE] 92, 277) dargelegt worden sei, denn andere aus Anlass oder im Zusammenhang mit der Spionagetätigkeit verwirklichte eigenständige Straftatbestände blieben unberührt. Die Zustimmung des Klägers zu den Beschlüssen 5/66 und 9/66 sei nicht mit der rechtlichen Ambivalenz behaftet gewesen, wie sie vom Bundesverfassungsgericht zu Spionagetätigkeiten beschrieben worden sei.
Die Aberkennung der Entschädigungsrente sei auch nicht mit Blick auf die Dauer des Verfahrens unzulässig. Soweit der Kläger dadurch Rechtsnachteile erlitten hätte, seien diese durch die Nachzahlung der Entschädigungsrente bis zum 31. Januar 2003 ausgeglichen.
Schließlich bestünden auch keine Zweifel an der Wirksamkeit von § 5 ERG. Die Kammer schließe sich insoweit der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts an, wie sie in der bereits zitierten Entscheidung vom 30. Januar 1997 zum Ausdruck komme.
Hiergegen richtet sich die Berufung, mit der weiterhin die Aufhebung des zuletzt ergangenen Aberkennungsbescheides begehrt wird.
Zur Begründung hat der Kläger in Fortführung seines bisherigen erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen vorgetragen:
Eine ordnungsgemäße Anhörung liege bereits nicht durch die Kommission vor. Diese stelle wesentlich auf seine Stellung als stellvertretender Minister und Mitglied im MfS-Kollegium ab, ohne aber den wahren Vorwurf erkennen zu lassen. Auch die Beklagte habe mit ihrer Bezugnahme auf den Beschluss der Kommission den letztlich entscheidenden Vorwurf nicht deutlich gemacht.
Aber auch mit dem Abstellen auf die genannten Beschlüsse im Jahre 1966 werde den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Anhörung nicht genügt. Von der Verletzung der Würde der Betroffenen sei in den dazu formulierten Vorwürfen keine Rede. Schließlich sei auch die Schlussfolgerung, er habe in eklatanter Weise gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen, unrichtig. Die Beobachtung von möglichen Straftätern, das nämlich seien Flüchtlinge nach dem Recht der DDR gewesen, durch einen Nachrichtendienst sei weder ein Verstoß gegen Grundsätze der Menschlichkeit noch der Rechtsstaatlichkeit. Auch die Beobachtung Oppositioneller sei durch die politische Strafgesetzgebung der DDR legitimiert gewesen. Die Beschlüsse des Kollegiums des MfS hätten das Ziel verfolgt, Grenzdurchbrüche bereits im Vorfeld zu verhindern.
Mit der Berufung wird weiterhin die Auffassung vertreten, die Beklagte habe die ihr durch § 5 Abs. 2 ERG übertragene Entscheidungsbefugnis nicht ausgeübt, sondern sie der Kommission überlassen. Sie habe sich strikt an den Vorschlag der Kommission gebunden gefühlt, wie sich aus den Formulierungen in dem angefochtenen Bescheid ergebe, mit denen auf die Feststellungen der Kommission Bezug genommen werde. Konkrete eigene Feststellungen seien durch die Beklagte nicht getroffen worden. Die Vorwürfe zu den besagten Beschlüssen stellten strafrechtlich gesehen nicht strafbare Vorbereitungshandlungen dar.
Unabhängig von diesen formellen Bedenken sei der angefochtene Bescheid aber auch materiell nicht rechtmäßig. Auch das angefochtene Urteil lege nicht dar, dass und in welcher Weise gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit verstoßen worden sei. Die Forderung des Bundessozialgerichts, dass es durch das Verhalten des Berechtigten zu einer Beeinträchtigung der durch die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit geschützten Rechtsgüter gekommen sein müsse, sei nicht erfüllt.
Die vom SG weiter angesprochene Werbung von IM stelle eine in allen Staaten übliche Methode der Geheimdienste dar. Zu beachten sei, dass die in der Dienstanweisung des MfS angesprochenen IM – nach dem Recht der DDR – strafbares Verhalten aufdecken sollten.
Allein die Erteilung einer Anweisung zur Beobachtung der beschriebenen Verhaltensweisen stelle keine Verletzung der genannten Grundsätze dar. Zu beachten sei im Übrigen auch die damalige Situation; es habe der Kalte Krieg geherrscht.
Das Verfahren sei auch insofern zu beanstanden, als es nicht in einer angemessenen Frist zu einer Entscheidung gekommen sei. Abzustellen sei insofern auf die erstmalige Aberkennung der Entschädigungsrente.
Schließlich verstoße § 5 Abs. 1 ERG, wenigstens in der Auslegung des Bundessozialgerichts(Hinweis auf Urteil vom 30. Januar 1997 – 4 RA 23/96 – in SozR 3-8850 § 5 Nr. 1), gegen Art. 3, 14 und 20 des Grundgesetzes (GG) und gegen Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie gegen Art. 14 EMRK. Die in § 5 Abs. 1 ERG als Voraussetzung für die Aberkennung der Ehrenrente genannten Verstöße gegen „Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit“ seien als gesetzliche Grundlage für den Eingriff in grundgesetzlich und durch die EMRK geschützte Eigentumsrechte zu unbestimmt. Entgegen der Auffassung des Bundessozialgerichts stehe der Anspruch auf eine Entschädigungsrente unter dem Schutz des Art. 14 GG. Die Begriffe Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit seien zu unbestimmt; diese Unbestimmtheit werde noch durch den weiteren Begriff „Grundsätze“ erhöht. Wegen dieser Unbestimmtheit sei § 5 Abs. 1 ERG als Ermächtigung zum Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Eigentumsrecht ungeeignet und verstoße somit gegen Art. 14 Abs. 1 und 20 Abs. 3 GG.
§ 5 Abs. 1 ERG verstoße auch gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, in dem es als einseitig gegen Bürger der DDR angewandtes Gesetz diesen wegen ihrer Amtstätigkeit in der DDR Eigentum entziehe.
Schließlich hat die Berufungsklägerin noch gerügt, dass die Anhörung durch die Kommission fehlerhaft gewesen sei, weil sie nicht von einem Kommissionsmitglied, sondern von einem Mitarbeiter durchgeführt worden sei. Der Aberkennungsvorschlag sei dann im Umlaufverfahren zustande gekommen, dies stelle keinen Beschluss dar. Wer aktuell – außer der ihr bekannten Vorsitzenden – der Kommission angehöre, habe sie nach Internetrecherche am Vorabend der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2011 nicht feststellen können.
Die Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. März 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Urteil nehme eine zutreffende Wertung der Sach- und Rechtslage vor.
Die Beigeladene zu 1. beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie hat das Verfahren bei der Beschlussfassung erläutert und die Mitglieder der Kommission benannt.
Die Beigeladene zu 2. stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte, ferner auf die vorgelegten Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände), der Beigeladenen zu 1. (3 Bände) und der Beigeladenen zu 2. (3 Bände), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das SG hat zu Recht die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2003 abgewiesen. Die Entscheidung der Beklagten ist weder aus verfahrensrechtlicher noch aus materiell-rechtlicher Sicht zu beanstanden.
Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist allein noch der gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gewordene Bescheid vom 7. Januar 2003, mit dem dem Kläger der Anspruch auf Entschädigungsrente abweichend von dem zunächst erlassenen Aberkennungsbescheid vom 12. Mai 1997 aberkannt worden ist. Nicht mehr Streitgegenstand ist die frühere Aberkennung mit Bescheid vom 12. Mai 1997; denn dieser Bescheid ist, wie die Beklagte klarstellend erklärt hat (Schriftsatz vom 2. September 2003), aufgehoben worden. Streitig sind damit „nur noch“ Leistungsansprüche des (verstorbenen) Klägers für die Zeit von Februar 2003 bis November 2006 (dem Monat des Todes des Klägers). Die Aberkennung „mit sofortiger Wirkung“ durch den Bescheid vom 7. Januar 2003 konnte erst mit Ablauf des Monats Januar 2003 Rechtswirkungen erzeugen (vgl. dazu Urteil des BSG vom 23. Oktober 2003 – B 4 RA 52/02 R – in SozR 4-8850 § 5 Nr. 1); dem entspricht auch die Zahlung der Entschädigungsrente durch die Beigeladene zu 2) bis einschließlich Januar 2003.
Rechtsgrundlage der dem Kläger gezahlten Entschädigungsrente und der streitigen Aberkennung derselben sind die Vorschriften des ERG vom 22. April 1992 (BGBl. I. S. 906) Die Befugnis der Berufungsklägerin, den Rechtsstreit als Sonderrechtsnachfolgerin des Klägers weiterzuführen, ergibt sich aus § 6 Abs. 3 ERG i. V. m. § 56 Abs. Nr. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I).
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2003 ist entgegen der klägerischen Auffassung in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden, wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat.
Mit der Anhörung vor der Beschlussfassung der beigeladenen Kommission und der weiteren Anhörung vor Erlass des angefochtenen Bescheides durch die Beklagte ist dem in § 5 Abs. 2 und 3 ERG i. V. m. § 2 des Gesetzes über das Ruhen von Ansprüchen aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen (Versorgungsruhensgesetz [VRG]) vom 25. Juli 1991 (BGBl. I S. 1606, 1684) und § 24 SGB X geregelten Verfahren entsprochen worden. Dem Kläger ist sowohl im Rahmen des Verfahrens vor der Beigeladenen zu 1) als auch im Verfahren der auf Vorschlag der Beigeladenen zu 1) tätig werdenden Beklagten Gelegenheit gegeben worden, sich zu den für den Vorschlag bzw. für die Entscheidung der Aberkennung der Entschädigungsrente erheblichen Tatsachen zu äußern. Von dieser Möglichkeit hat der Kläger mit Schriftsatz vom 7. Mai 2002 an die Beigeladene zu 1) bzw. vom 17. Dezember 2002 an die Beklagte Gebrauch gemacht; die ihm gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 ERG eröffnete Möglichkeit des Antrags auf Anhörung einer von ihm benannten Verfolgtenorganisation hat er hingegen nicht wahrgenommen.
Bereits die Kommission hat – letztlich in Ergänzung schon der bisherigen Anhörung – dargelegt, auf welche Tatsachen sie sich für ihre erneute Empfehlung stützen würde, dem Kläger die Entschädigungsrente abzuerkennen: Sie hat die berufliche Entwicklung des Klägers und seine große Bedeutung innerhalb des MfS, seine Teilnahme an näher bezeichneten Sitzungen des Kollegiums des MfS und die dabei gefassten Beschlüsse sowie die Mitwirkung an durch das OLG Düsseldorf abgeurteilten Straftaten dargestellt. Dass das Anhörungsschreiben vom 15. April 2002 nicht von einem Kommissionsmitglied unterzeichnet worden ist, macht die Anhörung entgegen der Auffassung der Berufungsklägerin nicht fehlerhaft. Das Schreiben ist unter dem Briefkopf der Kommission mit dem Zusatz „Geschäftsstelle“ (vgl. zu deren Einrichtung § 5 Abs. 3 VRG) erstellt und „im Auftrag“ von einem wissenschaftlichen Mitarbeiter unterzeichnet worden, mithin inhaltlich der Kommission zuzurechnen. Die in dem Anhörungsschreiben genannten Umstände waren anschließend für die im Beschluss vom 1. November 2002 ausgesprochene Empfehlung maßgebend, wobei sich die Kommission ausführlich mit dem Vorbringen des Klägers auseinandergesetzt hat; dieser Beschluss ist auch dem Kläger bekannt gegeben worden (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 VRG). Der Kläger ist mithin von der Beigeladenen zu 1) ordnungsgemäß angehört worden.
Ein Beschluss im Umlaufverfahren ist weder nach den Vorschriften des ERG und des VRG noch nach den gemäß § 5 Abs. 1 VRG entsprechend anzuwenden §§ 8 bis 25 SGB X ausgeschlossen. Das von allen drei Kommissionsmitgliedern Dr. K, E und Prof. Dr. K unterzeichnete Original befindet sich in den Akten der Beigeladenen zu 1). Die Berufung des Letztgenannten anstelle des ausgeschiedenen Prof. Dr. P hat die Beigeladene im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens mit Schriftsatz vom 13. Mai 1998 mitgeteilt. Der erkennende Senat hat keine Zweifel daran, dass die genannten Mitglieder nach Maßgabe des § 3 VRG berufen worden sind und der Kommission auch aktuell angehören, wie Dr. K als deren Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung versichert hat. Dass die Prozessbevollmächtigte der Berufungsklägerin bei einer Internet-Recherche am Vorabend der Sitzung keine Information über die Besetzung der Kommission finden konnte, bietet keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.
Auch der weitere Verfahrensgang lässt keinen rechtlich beachtlichen Mangel hinsichtlich der Anhörung oder sonstiger Umstände erkennen.
Die Beklagte hat den Kläger in der gebotenen Weise darauf hingewiesen, dass sie der Empfehlung der Kommission unter Zugrundelegung der von dieser dargelegten Tatsachen und deren Bewertung folgen wolle und deshalb beabsichtige, den Anspruch auf die Entschädigungsrente abzuerkennen. Die anschließende Stellungnahme des Klägers hat die Beklagte zur Kenntnis genommen und gewürdigt, wie dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen ist. Soweit der Kläger dennoch meint, es liege hier keine – rechtlich abergebotene – eigene Entscheidung der Beklagten vor, und die zuvor erfolgte Anhörung durch die Beklagte stelle eine bloße Formalie ohne rechtliche Wirkung dar, beachtet er nicht das durch § 5 Abs. 2 und 3 ERG i. V. m. § 2 Abs. 1 und 2 VRG festgelegte Verfahren. Danach liegt die Ermittlung und Feststellung der bedeutsamen Tatsachen und deren Wertung zunächst in der Hand der Kommission, und die von dieser veranlasste Anhörung und Einbeziehung des Betroffenen soll ersichtlich sicherstellen, dass ein auch aus dessen Sicht hinreichend geklärter Sachverhalt im weiteren Verfahren zugrunde gelegt wird.
Auf dieser Grundlage hat das Bundesversicherungsamt als für die beklagte Bundesrepublik handelnde Behörde regelmäßig zu entscheiden, wie § 2 Abs. 2 Satz 2 VRG deutlich macht, wonach das Bundesversicherungsamt, wenn es in besonders begründeten Fällen von dem Vorschlag der Kommission abweichen will, dieses zu begründen hat. In diesem Zusammenhang ist dem klägerischen Vortrag deshalb nur insoweit zu folgen, als die Beklagte nicht zwingend der Empfehlung der Kommission folgen muss. Das Bundesversicherungsamt darf zwar über deren Vorschlag nicht zu Lasten des Betroffenen hinausgehen (keine Verböserung); es muss aber die Bundesrechtskonformität des Vorschlags der Kommission prüfen und darf – aber nur – aus besonderen Gründen, insbesondere wenn dies auf Grund besonderer Umstände des Einzelfallesgeboten ist, auch dem Vorschlag nicht folgen oder einen minderschweren Eingriff vornehmen (Urteil des BSG vom 31.Oktober 2002 – B 4 RA 43/01 R Rz. 19, zitiert nach juris). Dessen war sich die Beklagte auch bewusst, wie dem Bescheid zu entnehmen ist. So können z. B. ein neuer Sachvortrag oder rechtliche Gesichtspunkte eine abweichende oder andere Entscheidung begründen. Dass bei angemessener Wahrnehmung des Anhörungsrechts durch den Betroffenen bereits im Verfahren vor der Kommission eine solche Situation eher nicht zu erwarten ist, macht die – erneute – Anhörung nicht überflüssig und ist deshalb nicht geeignet, die klägerseitigen Bedenken gegen ein ordnungsgemäßes Verwaltungsverfahren durchgreifen zu lassen.
Die aus der Sicht der Beklagten erheblichen Tatsachen sind dem Klägerin ausreichendem Maße mitgeteilt worden (vgl. zur Anhörung, wenn das Bundesversicherungsamt auf derselben Tatsachengrundlage entscheiden will, die die Kommission ihrem Beschluss zugrunde gelegt hat, Urteil des BSG vom 31. Oktober 2002 – B 4 RA 15/01 R, Rz. 32 f, zitiert nach juris), und das klägerische Schreiben vom 17. Dezember 2002 hat ausweislich des angegriffenen Bescheides Eingang in die Entscheidung der Beklagten gefunden, ohne allerdings nach deren Auffassung eine von der Empfehlung abweichende Beurteilung bewirken zu können. Das SG hat dazu zutreffend dargelegt, dass die Beklagte damit auch nach dem Maßstab der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteil des BSG vom 31. Oktober 2002 – B 4 RA 43/01 R, zitiert nach juris) die ihr eingeräumte Entscheidungsbefugnis in der gebotenen Weise wahrgenommen hat.
Der angegriffene Bescheid ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist § 5 Abs. 1 ERG, der die Beklagte u. a. ermächtigt, einen zuerkannten Anspruch auf Entschädigungsrente abzuerkennen mit der Folge, dass die Beigeladene zu 2) als Rechtsnachfolgerin der BfA über den 31. Januar 2003 hinaus Entschädigungsrente nicht mehr zu zahlen hat. Nach dieser Vorschrift sind Entschädigungsrenten nicht zu bewilligen, zu kürzen oder abzuerkennen, wenn der Berechtigte oder derjenige, von dem sich die Berechtigung ableitet, gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit verstoßen oder in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht hat.
Der Ermächtigungstatbestand des Verstoßes gegen die Menschlichkeit oder gegen die Rechtsstaatlichkeit, auf den die Beklagte ihren Eingriffsakt gestützt hat, ist erfüllt, wenn der Inhaber eines Rechts auf Entschädigungsrente nach dem ERG durch sein Verhalten (Handeln oder Unterlassen) in Ausübung ihm übertragener oder eingeräumter Gewalt den Unrechtserfolg des Verstoßes gegen einen der genannten Grundsätze herbeigeführt oder einen nicht unerheblichen Beitrag dazu geleistet hat, dass andere diesen Erfolg herbeiführen; ferner muss er zurechnungsfähig (im Sinne von §§ 104 Nr. 2, 827 des Bürgerlichen Gesetzbuches) gewesen sein und die Tatsachen gekannt haben, aus denen sich die Unvereinbarkeit seines Verhaltens mit den Grundsätzen der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit ergab (so u. a. Urteil des BSG vom 30. Januar 1997 – 4 RA 99/95, Rz.60, zitiert nach juris).
Der Grundsatz der Menschlichkeit schützt die (Ansehens-) Würde (Art. 1 Abs. 1 GG ) und die unveräußerlichen Menschenrechte (Art. 1 Abs. 2 GG) eines jeden, der in einem Gemeinwesen dem jeweiligen Inhaber der Macht sowie den Menschen unterworfen ist, denen jener Herrschaftsmacht verliehen oder faktisch eingeräumt hat. Es ist also aus der absoluten und universalen Geltungsordnung des Art. 1 GG jedem Machtinhaber sowie dem Machtsystem, dem er angehört, schlechthin untersagt, die Würde des Menschen zu missachten oder seine Rechtsgüter Leben, Körper, Gesundheit oder Freiheit anderen „Werten“ soweit unterzuordnen, dass sie im Kern vernichtet werden. Schutzgut des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit (Art. 1 Abs. 3, 3 Abs. 1-3, 20 Abs. 3 GG) ist, dass jeder Gewaltinhaber sich um eine den jeweiligen Lebensverhältnissen angemessene Sachbehandlung, vor allem unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, bemühen muss und insbesondere nicht willkürlich handeln darf; keinesfalls darf jemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat, seiner Herkunft, seines Glaubens oder seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Die Grundsätze der Menschlichkeit und der Rechtsstaatlichkeit gebieten den Machtinhabern also nur, aber unter allen Umständen, eine elementare Rechtsorientierung. Ein Unrechts- und Willkürsystem gibt sich gerade dadurch zu erkennen, dass es diese elementaren Grundsätze anderen – z. B. ideologischen – Zielsetzungen, etwa dem Sieg im „Rassen- oder Klassenkampf“, unterordnet, nach dem Motto, der Zweck „heilige“ die Mittel (Urteil des BSG vom 24. März 1998 – B 4 RA 78/96 R – in SozR 3-8850 § 5 Nr. 3 mit weiteren Nachweisen). Mit diesem Verständnis des Begriffes eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit wie es auch in vergleichbaren Normen in anderen Rechtsgebieten und der dazu ergangenen Rechtsprechung zum Ausdruck kommt (vgl. dazu ausführlich Urteil des BSG vom 24. November 2005 – B 9a/9 V 8/03 R – in SozR 4-3100 § 1 a Nr. 1), wird auch dem Bestimmtheitsgebot genügt, so dass unter dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit nicht zu beanstanden ist, dass dieser Begriff auch Eingang in den Ermächtigungstatbestand des § 5 ERG gefunden hat (ständige Rechtsprechung des BSG, siehe etwa Urteil vom 24.März 1998 a.a.O. m. w. N.).
Ob der Kläger gegen die genannten Grundsätze der Menschlichkeit oder/und Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat, ist nur anhand der von der Beklagten im angefochtenen Bescheid geltend gemachten Gründe zu prüfen. Umstände, die bei natürlicher Betrachtung in keinem Zusammenhang mit den von der Beklagten angeführten Eingriffstatbeständen stehen, sind im Gerichtsverfahren weder von Amts wegen noch aufgrund eines Nachschiebens von Gründen beachtlich (Urteil des BSG vom 23. Oktober 2003 – B 4 RA 52/02 R, zitiert nach juris, unter Hinweis auf Urteil vom 30. Januar 1997 – 4 RA 23/96, zitiert nach juris). Dabei ist zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (u. a. Urteil vom 23. Oktober 2003 – B 4 RA 52/02 R, a.a.O. m. w. N.) die Anwendung der Ermächtigungsnorm des § 5 ERG den Nachweis (mindestens) einer konkreten Handlung erfordert, durch die in Ausübung staatlicher oder staatlich verliehener Macht unmittelbar oder mittelbar in den Kerngehalt eines die Menschenwürde schützenden Menschenrechts eingegriffen wird oder durch die elementare Rechtsstaatsprinzipien verletzt worden sind. Der Eingriffstatbestand setzt somit einen konkreten, sachlichen und zeitlich eingegrenzten und dem Beweis zugänglichen Lebensdachverhalt voraus, dem die zum Verstoß gegen die genannten Grundsätze führende Handlung, die ggf. darauf basierende Verletzungshandlung und der Verletzungserfolg zu entnehmen sind.
Die Darlegungen der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid vom 7. Januar 2003 rechtfertigen den Vorwurf eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit wie auch der Rechtsstaatlichkeit.
Der Kläger hat, wie das SG zutreffend im Einzelnen dargelegt hat, durch seine Teilnahme an den Sitzungen des Kollegiums des MfS am 25. April 1966 und 11. November 1966 und die erklärte Zustimmung zu den in diesen Sitzungen gefassten Beschlüssen betreffend die „Maßnahmen zur politisch-operativen Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen…“ einen Verstoß gegen die dargelegten Grundsätze begangen. Für die Verwirklichung dieses Tatbestandes ist eine eigenhändige Verletzung der geschützten Rechtsgüter nicht erforderlich; es reicht, wenn ein nicht unerheblicher Beitrag dazu geleistet wurde, dass andere diesen Erfolg herbeigeführt haben. Es reicht also eine Mitwirkung an den Verstößen anderer Gewaltinhaber, die nicht auf die strafrechtrechtlichen Teilnahmeformen begrenzt ist. Daher ist es ausreichend, wenn der Betreffende durch Rat oder Tat oder durch Organisations- oder Schulungsmaßnahmen oder in anderer Weise im Rahmen der ihm eingeräumten Gewalt den Verstoß gefördert hat. Dieser ist ihm insbesondere dann zuzurechnen, wenn er den Befehl hierzu gegeben oder einen ihm erteilten Befehl näher ausgeformt oder wenn er Anordnungen zu Verstößen gegen diese Grundsätze mitbeschlossen oder öffentlich unterstützt hat (so ausdrücklich BSG im Urteil vom 30. Januar 1997 – 4 RA 23/96, a.a.O. Rz. 50). Die Zustimmung des Klägers zu den gefassten Beschlüssen ist ausweislich der entsprechenden Protokolle und insbesondere nach den Äußerungen bei seiner persönlichen Anhörung nicht zweifelhaft. Er behauptet auch nicht einmal, die Beschlüsse nicht mitgetragen, sondern dagegen protestiert oder wenigstens sich der Stimme enthalten oder eine sich persönlich distanzierende Haltung eingenommen zu haben (vgl. dazu die bereits zitierten Urteile des BSG vom 30. Januar 1997 – B 4 RA 99/95, Rz. 75 sowie vom 24. März 1998 – B 4 RA 78/96 R, Rz. 48), obwohl es nach den Äußerungen bei seiner erstinstanzlichen Anhörung „sicher“ möglich war, Widerspruch zu erheben. Das SG hat dazu zutreffend dargelegt, dass die umfassende Beobachtung und Bespitzelung der Jugendlichen und jungen Menschen unter Einbeziehung der diese betreuenden Erzieher, Lehrer und Ausbilder einen Eingriff in den Kernbereich der einem Bürger zustehenden Rechte seitens des Staates bzw. der Machtinhaber darstellt. Darin wird eine Herabwürdigung der Betroffenen zum bloßen Objekt staatlichen Handelns und damit eine grundsätzliche Missachtung und Verletzung selbst eines auch nur eingeschränkten persönlichen Bereichs, der eigentlich auch unter dem Schutz der Verfassung der DDR stand, deutlich. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend gemacht hat, es habe sich insoweit nur um die Vermeidung bzw. Verfolgung von Straftaten gehandelt, geht diese Sichtweise an den beschlossenen Anordnungen vorbei, denn der Beschluss bezüglich der zu observierenden Jugendlichen und jungen Menschen lässt nicht erkennen, dass ein größerer Teil der ins Auge gefassten Personen nicht observiert und bespitzelt werden sollte. Vielmehr stand die fragliche Altersgruppe aus Sicht der Machthaber offensichtlich im Generalverdacht, Straftäter zu sein oder zu werden, wobei die befürchteten Straftaten im wesentlichen nur einer ideologischen Betrachtungsweise entspringen konnten. Dabei trägt auch nicht der Hinweis des Klägers auf die damalige Zeit des Kalten Krieges. Denn selbst wenn dies zu einer erhöhten „Empfindlichkeit“ der Nachrichtendienste sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik geführt haben mag, so führt dies noch nicht dazu, dass die eingesetzten Mittel rechtlich gleichgesetzt werden könnten. Es entspricht einer allgemein bekannten zeitgeschichtlichen Tatsache, dass in der DDR selbst keine Möglichkeit bestand, sich gegen eine Maßnahme des MfS effektiv zur Wehr zu setzen und eine ideologisch begründete „Bespitzelung“ aufzudecken oder zu beenden bzw. dann, wenn kein Einverständnis mit den gesellschaftlichen Verhältnissen dort bestand, das Land legal zu verlassen (s. zum Aspekt der „Alternativlosigkeit“ Urteil des BSG vom 24. März 1998 – B 4 RA 78/96 R – in SozR 3-8850 § 5 Nr. 3; zur grundrechtlichen Absicherung der Ausreisefreiheit ergänzend BVerfG, Urteil vom 16. Januar 1957 – 1 BvR 253/56 – BVerfGE 6, 32).
Dem Kläger ist insofern auch ein persönlich schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen. Erforderlich aber auch ausreichend ist für einen solchen Vorwurf, dass der Betreffende Kenntnis der Tatsachen hat, aus denen sich das unmenschliche und rechtsstaatswidrige Verhalten ergibt und ihm die Unmenschlichkeit oder Rechtsstaatswidrigkeit bewusst war oder bei zumutbarer Gewissensanspannung hätte bewusst sein müssen (vgl. Urteile des BSG vom 24. März 1998 – B 4 RA 78/96 R, Rz. 52 sowie vom 24. November 2005 – B 9a/9 V 8/03 R, Rz. 64 ff). Diese Voraussetzungen erfüllte der Kläger, denn aufgrund seiner langjährigen Mitarbeit und herausgehobenen Stellung im MfS waren ihm die in den angesprochen Beschlüssen erörterten und angeordneten Maßnahmen und ihre Auswirkungen hinreichend bekannt, und zumindest hätte er bei gehöriger Gewissensanspannung um den mit diesen Maßnahmen verbundenen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und der Rechtsstaatlichkeit wissen müssen, wollte man ihm entsprechend seinem Vorbringen zugestehen, dass ihm der Verstoß nicht sogar bewusst war. Es deutet jedenfalls unter Berücksichtigung seines Bildungs- und Berufsweges nichts darauf hin, dass er zu einer solchen Gewissensanspannung nicht in der Lage gewesen wäre. Ihm hätte daher klar sein müssen, dass es einen Verstoß gegen elementare Rechtspositionen der in dieser Weise umfassend bespitzelten jungen Menschen darstellt, diese kraft innegehabter Machtposition eigenen politisch-ideologischen Auffassungen unterzuordnen (zur Annahme eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit als Ausschlussgrund im Sinne des § 2 Abs. Nr. 2 Häftlingshilfegesetz durch Tätigkeit als IM für das MfS vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 2006 – 3 C 11/05, zitiert nach juris).
Es sind auch keine sonstigen Gründe ersichtlich, die seine Zurechnungsfähigkeit und seine Schuld ausschließen könnten.
Soweit der Kläger zu den Sitzungen und seinem Stimmverhalten eine konkrete Erinnerung verneint und eine denkbare geistige oder körperliche Abwesenheit in den Raum gestellt hat (vgl. dazu den entsprechenden Vortrag im bereits zitierten Verfahren des BSG – B 4 RA 78/96 R: Dort waren die hiesigen Prozessbevollmächtigten jedenfalls zweitinstanzlich ebenfalls Prozessvertreter), handelt es sich um Spekulationen, die aus den vorliegenden Protokollen nicht ansatzweise herleitbar sind. Die Teilnahme des Klägers an den genannten Sitzungen ergibt sich eindeutig aus den Anwesenheitslisten. Eine ggf. vorübergehende Abwesenheit ist darin zwar nicht vermerkt, im hier entscheidungserheblichen Zusammenhang aber auch unbeachtlich. Denn der Kläger hat bei seiner persönlichen Anhörung durch das SG erklärt, dass die Protokolle nachträglich, also nach der Beratung und Beschlussfassung, abgefasst und dann von den Mitgliedern des Kollegiums gegengezeichnet worden seien; durch ihre Unterschrift hätten sie dem Inhalt des Protokolls zugestimmt. Danach steht eine Zustimmung des Klägers zu den gefassten Beschlüssen nicht in Frage.
Der Kläger kann sich auch nicht unter Hinweis auf einen eher unverbindlichen beratenden Charakter des Kollegiums entlasten. Dies hat bereits das SG überzeugend dargelegt. Die Verordnung über die Bildung von Kollegien vom 17. Juli 1952 (Ministerialblatt der DDR, Nr. 32 vom 23. Juli 1952) weist den Kollegien durchaus einen erheblichen sachlichen Einfluss zu: Sie waren gemäß § 1 der Verordnung bei den Ministerien und Staatssekretariaten zu bilden, die sie nach Maßgabe des § 2 in allen wichtigen Fragen zu beraten hatten, wobei die Beschlüsse des Kollegiums durch Anweisungen des Ministers oder Staatssekretärs zu verwirklichen waren. Nach § 6 der Verordnung musste der Minister oder Staatssekretär in den – jeweils zu protokollierenden – Sitzungen zu den zu besprechenden Fragen die Meinung aller Mitglieder des Kollegiums hören; über wichtige Fragen war abzustimmen. Über Meinungsverschiedenheiten war der Ministerrat in Kenntnis zu setzen. Dass die Kollegien auch in der Folgezeit nicht bedeutungslos geworden sind, lässt sich den Ausführungen im von der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR herausgegebenen Lehrbuch Verwaltungsrecht (2. Auflage 1988) unter Ziffer 2.3.4 S. 64 entnehmen, auf das der Kläger selbst verwiesen hat.
Die Beigeladene zu 1) und die Beklagte haben zu Recht angenommen, dass ein weiterer im Rahmen des § 5 Abs. 1 ERG beachtlicher Verstoß gegen die dort genannten Grundsätze aus den mit Urteil des OLG Düsseldorf vom 27. Mai 1997 abgeurteilten Taten folgt. Wie sich aus den Feststellungen in diesem allen Beteiligten bekannten Urteil ergibt, sind in den dort näher dargestellten vier Fällen auf Veranlassung bzw. mit Billigung des Klägers den Betreffenden zustehende und durch den Grundsatz der Menschlichkeit geschützte Rechtsgüter der Freiheit und körperlichen Unversehrtheit im Kernbereichverletzt worden. Die Verletzung der Rechtsgüter der betroffenen vier Personen im Wege der Freiheitsberaubung durch Entführung bzw. Inhaftierung, in zwei Fällen verbunden mit vorsätzlicher Körperverletzung, hat der Kläger mit seinem Vorbringen im Grunde auch eingeräumt, indem er zur Rechtfertigung (vgl. Urteil des BSG vom 30. Januar 1997 – 4 RA 23/96, Rz. 55, wonach nur im Licht der grund-gesetzlichen Ordnung anerkannte Gründe, nicht aber der durch Vorschriften der DDR oder durch Anordnungen der diese beherrschenden marxistisch-leninistischen Partei gedeckte Verstoß rechtfertigend wirken) auf die damalige Interessenlage der DDR und die seinerzeitigen Gegebenheiten des Kalten Krieges verwiesen hat. Dass diese Argumentation den Kläger ebenso wenig wie sein Hinweis auf das „Spionageprivileg“ entlastet, ist bereits in dem Urteil des OLG Düsseldorf ausführlich dargelegt worden mit der Folge seiner Verurteilung jeweils als Mittäter. Von Klägerseite wird weiterhin die Reichweite des geltend gemachten „Spionageprivilegs“ verkannt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem diesbezüglichen Beschluss vom 15. Mai 1995 (2 BvL 19/91 u. a., NJW 1995, 1811,1815) eine eingeschränkte Strafverfolgung der nachrichtendienstlichen Tätigkeit von Staatsbürgern der DDR für die Tatbestände des Landesverrats und der geheimdienstlichen Agententätigkeit bei DDR-Spionage angenommen, im übrigen aber ausdrücklich klargestellt, dass andere aus Anlass oder in Zusammenhang mit der Spionagetätigkeit verwirklichte Straftatbestände hiervon unberührt bleiben(vgl. dazu das instruktive, in Auswertung des Beschlusses des BVerfG vom 15. Mai 1995 ergangene und den Kläger betreffende Urteil des BGH vom 18. Oktober 1995 – 3 StR 324/94 – in BGHSt 41, 292ff).
Ob über diese dem Kläger gemäß § 5 Abs. 1 ERG vorwerfbaren Verstöße hinaus auch bezüglich der im angefochtenen Bescheid von der Beklagten angeführten Mitwirkung des Klägers an dem in der Kollegiumssitzung vom 25. April 1966 gefassten Beschlusses 4/66 betreffend „Maßnahmen zur Verstärkung der operativen Sicherung der Staatsgrenze“ ein entsprechender Vorwurf gemacht werden kann (ein solcher Vorwurf ist zweifelsfrei aufgrund der Beschlüsse zum pionier- und signaltechnischen Ausbau der innerdeutschen Grenze vom 6. Juli 1971 und 23. Januar 1973 gerechtfertigt: Urteil des BSG vom 24. März 1998 – B 4 RA 78/96 R), könnte angesichts der eher beim Politbüro und beim Nationalen Verteidigungsrat (NVR) angesiedelten Entscheidungsbefugnis (vgl. dazu Urteil des BSG vom 24. März 1998 – B 4 RA 78/96 R) sowie der nicht näher erörterten genauen Verhältnisse an der innerdeutschen Grenze zu diesem Zeitpunkt und der geplanten Maßnahmen zweifelhaft sein; diese Frage kann im Ergebnis im Hinblick auf die zuvor angeführten erheblichen Verstöße gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit aber dahinstehen.
Die dem Kläger danach zweifelsfrei anzulastenden Verstöße rechtfertigen die vollständige Aberkennung der Entschädigungsrente. Das SG hat zu dieser Prüfung, bei der der Beklagten kein Ermessensspielraum eingeräumt ist (Urteil des BSG vom 24. März 1998 – B 4 RA 78/96 R a.a.O. Rz. 54), zutreffend auf die dazu zuletzt zusammenfassend im Urteil des Bundessozialgerichts vom 23. Oktober 2003 (B 4 RA 52/02, zitiert nach juris) dargelegten Grundsätze verwiesen. Danach ist für die individuelle Würdigung nicht nur die Feststellung eines Verstoßes an sich, sondern weitergehend die Schwere und Intensität der eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung, der Unwert der Verletzungshandlung und des individuellen Beitrags hierzu und der Grad der individuellen Vorwerfbarkeit zu berücksichtigen. Dabei ist das objektive Maß an Verantwortlichkeit und Gestaltungsmöglichkeiten im staatlichen System zu beachten; wer im „SED-System“ größeren Einfluss hatte, hat im Regelfall auch höhere Verantwortung für die begangenen Verstöße zu übernehmen.
Das BSG hat in dem genannten Urteil für Verletzer, die beruflich im Dienst des Staates DDR standen (Staatsrat, Regierung, Volkskammer, Verwaltung, Gerichte, sogenannte bewaffnete Organe etc.), je nach Ausbildung und Aufgabenkreis zwischen fünf Verantwortungsebenen unterschieden, bei denen im Regelfall folgende Kürzungen und ggf. auch die Aberkennung der Entschädigungsrente geboten sind:
1. Ebene: einfacher Dienst, Kürzung um 20 vH,
2. Ebene: mittlerer Dienst, Kürzung um 40 vH,
3. Ebene: gehobener Dienst, Kürzung um 60 vH,
4. Ebene: höherer Dienst, Kürzung um 80 vH,
5. Ebene: Leitende Funktionen im Ministerialdienst und höher, Kürzung um 100 vH,
damit sind zugleich die Voraussetzungen für die Aberkennung gegeben.
Bei einer Beschäftigung oder Tätigkeit des Verletzers in Parteien, staatlichen Einrichtungen oder gesellschaftlichen Organisationen ist entsprechend auf dieses Verantwortungsgefüge abzustellen.
Bei den sogenannten bewaffneten Organen der DDR ist, soweit dort wie beim MfS militärische Dienstgrade verwandt wurden, zwischen
Mannschaftsgraden (1. Ebene),
Unteroffiziersgraden (2. Ebene),
Offiziersgraden (3. Ebene),
Stabsoffizieren (4. Ebene) und der
Generalität sowie übergeordneten Stellen (5. Ebene)
zu unterscheiden und im Regelfall die oben angegebene Kürzung entsprechend vorzunehmen.
Die Verwendung dieses groben Rasters sichert eine Gleichbehandlung der Betroffenen, wobei letztlich der individuelle ethische Schuldvorwurf das Ausmaß des Eingriffs begründen muss und die Besonderheiten des Einzelfalles zu beachten sind. Um festzustellen, ob ein von der jeweiligen Verantwortungsebene eindeutig abweichender Verstoß vorliegt, muss geprüft werden, ob ein Unrechtsexzess geschah oder ob ein minder schwerer Verstoß gegeben ist, weil der Verletzer konkret zur Minderung des Unrechts beigetragen hat, z.B. durch einen Rücktritt von Unrechtshandlungen, durch tätige Reue, durch aktive Schadensbegrenzung oder Schadensminderung. Dabei trägt der Entschädigungsberechtigte die Darlegungs- und Beweislast für ihm günstige Umstände.
Dass das SG unter Beachtung dieser Maßstäbe in den vom Kläger mitgetragenen Beschlüssen vom 25. April und 11.November 1966zur umfassenden Bespitzelung des Großteils der „Jugendlichen“ eine schwerwiegende Beeinträchtigung von deren durch die Grundsätze der Menschlichkeit und der Rechtsstaatlichkeit geschützten Rechtsgüter gesehen hat, ist nicht zu beanstanden. Der Kläger als damaliger Stellvertreter des Ministers und Generalleutnant ist der obersten (5.) Ebene zuzuordnen, für die im Regelfall eine Kürzung um 100 vH und damit eine Aberkennung der Entschädigungsrente geboten ist. Ein Ansatz für eine vom Regelfall abweichende geringere Kürzung ist nicht gegeben, denn weder dem Vorbringen des Klägers noch dem Akteninhalt sind auch nur die geringsten Hinweise zu entnehmen, dass er in der Folge irgendetwas unternommen hätte, um die Schwere und Intensität der Rechtsbeeinträchtigung für die Betroffenen zu mildern oder einzuschränken.
Auch den vom OLG Düsseldorf rechtskräftig abgeurteilten Taten ist bereits für sich genommen eine erhebliche Rechtsbeeinträchtigung der Betroffenen in den existenziellen Bereichen ihrer Freiheit und körperlichen Unversehrtheit zu entnehmen, die die Aberkennung der Entschädigungsrente rechtfertigen. Zwar dauerte im Fall der im Juni 1955 mit Billigung des Klägers in den Ostteil Berlins entführten C. T. deren Freiheitsberaubung nur wenige Stunden, der dortige Anwerbeversuch war jedoch mit der Drohung verbunden, dass sie bei Ablehnung der Zusammenarbeit ihre gleichfalls entführte Mutter nie wiedersehen würde. Nach den Feststellungen des OLG war die von ihm als Zeugin vernommene C. T. durch die lange zurückliegenden Geschehnisse noch immer traumatisiert.
Im Fall der vom Kläger mit zu verantwortenden Inhaftierung des A. G. im Jahre 1959 fällt besonders die lange Dauer der Freiheitsberaubung und Nötigung ins Gewicht, denn er wurde nach den Feststellungen des OLG 200 Tage lang ohne Kontakte zur Außenwelt und unter dem Druck ständiger, langer Vernehmungen in Einzelhaft festgehalten. Beachtenswert ist außerdem, dass trotz des festgestellten Verfolgungshindernisses der Verjährung des ursprünglich angenommenen Deliktes eine Inhaftierung des A. G. aus politischem Kalkül erfolgte, um ihn zu verleumderischen Aussagen im Rahmen einer gegen Willy Brandt geplanten Diffamierungskampagne zu bewegen, und die Haft aus diesem Grunde – und zwar auf ausdrückliche Veranlassung des Klägers – auch dann noch aufrechterhalten blieb, nachdem sich der anfängliche Tatverdacht als wohl unberechtigt herausgestellt hatte. Der Betroffene wurde damit in Verantwortung des Klägers nicht nur fortgesetzt seiner Freiheit beraubt, sondern aus politisch-taktischen Überlegungen im Ergebnis als „Spielfigur“ betrachtet und zum bloßen Objekt staatlicher Machtausübung herabgewürdigt.
Bezüglich des MfS-Angehörigen W. T. und seiner Begleiterin U. S., die im August 1962 zusammen in den Westteil Berlins geflohen waren, stand zur Überzeugung des OLG nach Beweisaufnahme fest, dass der Kläger für die Ausführung der vom Minister für Staatssicherheit angeordneten Aktion ihrer Rückführung verantwortlich war, die darin bestand, die beiden unter Ausnutzung ihres Vertrauens zu „Freunden“ nach Österreich zu dirigieren und dort in einen nächtlichen Hinterhalt zu locken, wo sie hinterrücks überfallen, bewusstlos geschlagen und über die CSSR zurück in die DDR verschleppt worden sind. Dabei musste dem Kläger bewusst sein, dass die von dieser völkerrechtswidrigen, mit massiver Gewalt im neutralen Ausland konspirativ durchgeführten nächtlichen Festnahme Betroffenen in der DDR mit langjährigen Haftstrafen zu rechnen hatten.
Dies alles berücksichtigend lässt sich der Komplex der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers jeweils als Mittäter schwerlich als eher weniger schwerwiegend charakterisieren mit der Folge, dass jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt eine geringere Kürzung der Entschädigungsrente nicht geboten erscheint.
Die Zuordnung des Klägers bei diesen Verletzungshandlungen zu einer der fünf Verantwortungsebenen zwingt ebenfalls nicht zu einer geringeren Kürzung. Ob man den Kläger bereits zum Zeitpunkt der ersten Tat im Frühjahr 1955 nur aufgrund seiner Leitungsfunktion im MfS bzw. des SfS der obersten (5.) Ebene zuzuordnen hat, mag zwar zu seinen Gunsten als zweifelhaft eingeschätzt werden. Doch war er jedenfalls zum Zeitpunkt der ihm vorzuwerfenden noch schwerwiegenderen Verstöße gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit in den Jahren 1959 und 1962 als Stellvertreter des Ministers und Generalmajor dem dadurch umschriebenen Personenkreis zuzuordnen, was die Aberkennung der Entschädigungsrente nach sich zieht.
Entlastende Umstände, die zu einer anderen Entscheidung führen müssten, sind von Klägerseite nicht vorgetragen worden. Die dem Strafurteil zugrunde liegenden Unrechtshandlungen des Klägers haben in den Kernbereich der den betroffenen vier Personen zustehenden Rechte der Freiheit und körperlichen Unversehrtheit eingegriffen. Die relativ milde Verhängung einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren rechtfertigt keine für ihn günstige Entscheidung in Zusammenhang mit der Entschädigungsrente, denn für die Strafzumessung sind andere Gesichtspunkte maßgebend. Die Kürzung oder Aberkennung der Entschädigungsrente ist keine Strafe, sondern Korrektur eines ansonsten bestehenden Wertungswiderspruches (vgl. Urteil des BSG vom 24. März 1998 – B 4 RA 78/96 R, a.a.O. Rz. 76).
Die „Verteidigung“ des Klägers im vorliegenden Verfahren besteht im wesentlichen darin, sich auf mangelnde Erinnerung, die allgemeinen Umstände zur Zeit des Kalten Krieges und tatsächlich oder vermeintlich entsprechende Handlungen „westlicher“ Geheimdienste zu berufen. Weder ist aber vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass der Kläger irgendetwas im Sinne der obigen Maßstäbe des Bundessozialgerichts zur Minderung des von ihm begangenen Unrechts getan hätte. Es ist in diesem Verfahren auch nicht einmal ansatzweise zu erkennen, dass er jedenfalls im Nachhinein zu einer selbstkritischen Bewertung der ihm von der Beklagten zu Recht zur Last gelegten Verstöße gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit gelangt ist und sich des Leides bewusst geworden ist, das er den Betroffenen angetan hat, und sei es nur bezüglich der vier ihm namentlich bekannten Opfer der abgeurteilten Straftaten. Auch im hiesigen Zusammenhang ist zur Persönlichkeit des Klägers sinngemäß anzumerken, was das Strafgericht hervorgehoben hat: Gegen ihn spricht vor allem, mit welcher Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Opfer er als Stütze und Nutznießer eines von ihm mitgeschaffenen totalitären Apparates für sich das Recht in Anspruch genommen hat, Menschen ihrer Freiheit zu berauben und unter Druck zu setzen, um die Ziele seines Dienstes zu fördern.
Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2003 steht nach alledem in Einklang mit der einfachgesetzlichen Rechtslage.
Die Ermächtigungsgrundlage des § 5 Abs. 1 ERG ist entgegen der klägerischen Auffassung auch mit dem Grundgesetz und dem Völkerrecht vereinbar (BSG, zuletzt Urteil vom 23. Oktober 2003 unter Bezugnahme auf die oben zitierten ausführlichen Urteile vom 30. Januar 1997 – 4 RA 99/95 – und vom 24. März 1998 – B 4 RA 78/96 R –; dies aufgreifend Urteil vom 24. November 2005 – B 9a/9 V 8/03 R ).
Insbesondere wird der Anspruch auf Entschädigungsrente nicht von der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG erfasst, denn dieses Recht stand bereits bei seiner Entstehung unter dem Vorbehalt der Entziehung nach § 5 Abs. 1 ERG. Auch aus den Bestimmungen des Einigungsvertrages (EV) lässt sich ein solcher Schutz nicht herleiten. Das Recht auf Entschädigungsrente ist nicht mit dem Recht auf Ehrenpension identisch. Mit dem 3. Oktober 1990 war das Recht auf Ehrenpension durch den EV von vornherein unter den Vorbehalt der Angleichung an die im bisherigen Bundesgebiet gültige Rechtslage gestellt, also gerade nicht in seiner besonderen DDR-ideologischen, u. a. (angebliche) Widerstandskämpfer honorierenden Ausgestaltung für dauerhaft erklärt worden (Urteil des BSG vom 30. Januar 1997 – 4 RA 23/96, Rz. 41). Der Anspruch auf die Ehrenpension nach der Anordnung vom 20. September 1976 bestand nur noch übergangsrechtlich und war zudem bereits ebenfalls mit einem noch vom DDR-Gesetzgeber versehenen Vorbehalt belastet. Da die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG nur bundesrechtlich begründete Eigentumspositionen erfasst, gilt sie für in der DDR begründete Rechtspositionen nicht (vgl. zu Vorstehendem Urteil des BSG vom 24. März 1998 – B 4 RA 78/96 R a.a.O.).
Entgegen der klägerischen Auffassung verstößt § 5 ERG auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs.1 GG. Dass sich die Regelung nur an ehemalige Bürger der DDR und im Ergebnis vor allem an Bezieher von Ehrenpensionen wendet, ergibt sich aus der Natur der Sache und stellt keinen Gleichheitsverstoß dar. Denn die Unwürdigkeitsklausel stellt gerade die Gleichheit zwischen allen NS-Opfern in Deutschland wieder her, indem im Ergebnis diejenigen von einer Wiedergutmachung des ihnen durch die Nationalsozialisten zugefügten Unrechts ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, die selbst, als ihnen die Macht hierfür übertragen oder eingeräumt wurde, die elementaren Rechte anderer verletzt haben (Urteil des BSG vom 30. Januar 1997 – 4 RA 23/96, Rz. 42 m. w. N.). Soweit in diesem Zusammenhang vorgetragen wird, die Ehrenpension bzw. die Entschädigungsrente stelle einen Schadensersatz für erlittene Schädigungen durch den NS-Staat dar, der nicht im Hinblick auf andere Ansprüche wegfalle, verkennt die Klägerseite den Charakter dieser staatlichen Wiedergutmachungsleistung. Denn diese will nicht in einem zivilrechtlichen Verständnis einen Schaden ausgleichen, sondern in Anerkennung eines durch staatliche Maßnahmen erlittenen Unrechts einen gewissen Ausgleich in Form öffentlicher Leistungen gewähren. Deshalb sollen aber auch diejenigen ausgeschieden werden, die vom Boden einer rechtsstaatlichen Verfassungsordnung aus unwürdig sind, wegen Verletzung der Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu erhalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 1967 zu § 3 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen in BVerfGE 22, 387,419 ff). Daher bedarf es auch keiner weiteren Erörterung, dass der Kläger mit seiner Familie früh- und rechtzeitig Deutschland verlassen hat und damit denkbaren Verfolgungsmaßnahmen ausgewichen ist.
Schließlich ist auch der klägerseitige Hinweis auf die Dauer des Verwaltungsverfahrens undder gerichtlichen Prüfung ungeeignet, das dargelegte Ergebnis der rechtlichen Prüfung und damit die festgestellte Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides zu verneinen. Dieser Gesichtspunkt stellt keine Grundlage dafür dar, nach der maßgeblichen Rechtslage nicht zustehende Ansprüche auf öffentliche Leistungen unter Verstoß gegen diese Bestimmungen zuzugestehen. Im übrigen ist in diesem Zusammenhang bereits richtig darauf hingewiesen worden, dass dem Kläger im Verlauf des langjährigen Rechtsstreits aus verfahrensrechtlichen Gründen entgegen der materiellen Rechtslage in erheblichem Umfang Leistungen zugesprochen bzw. verblieben sind und Streitgegenstand des Verfahrens deshalb nur noch ein relativ geringer Leistungszeitraum ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.