Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 05.06.2020 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 13 WF 100/20 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2020:0605.13WF100.20.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 8. April 2020 in der Gestalt des Beschlusses vom 26. Mai 2020 dahin abgeändert, dass ein Ordnungsgeld in Höhe von 200 € und ersatzweise, für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von 2 Tagen festgesetzt wird.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Gerichtliche Kosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Die Antragstellerin hat die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Antragstellerin wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für ihr Rechtsmittel bewilligt und Rechtsanwalt Nager in Berlin beigeordnet.
I.
Durch am 27. März 2018 (Bl. 121 f. HA) gerichtlich gebilligte Umgangsvereinbarung hat sich die Antragstellerin verpflichtet, dem Antragsgegner Umgang mit dem gemeinsamen Kind … zu gewähren. Wegen der Einzelheiten wird auf die Umgangsvereinbarung Bezug genommen.
Die Antragstellerin hat das Kind dem Antragsgegner ab dem 19. März 2020 aufgrund befürchteter Infektionsgefahren im Hinblick auf die SARS-CoV-2- und COVID-19-Pandemie und der Besorgnis, das Kind sei aufgrund einer im Februar 2020 diagnostizierten Asthmaerkrankung einer Risikogruppe zugehörig, nicht zum Umgang übergeben. Am 20. März 2020 hat der Antragsgegner die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen die Antragstellerin wegen Verstoßes gegen den Umgangsvergleich beantragt.
Das Amtsgericht hat gegen die Antragstellerin ein Ordnungsgeld von 700 € wegen Verstoßes gegen den Umgangsvergleich in der Zeit vom 20. bis 23. März 2020, vom 26. bis 27. März sowie an einem Tag in der Woche vom 1. bis 4. April 2020 festgesetzt. Der hiergegen gerichteten Beschwerde der Antragstellerin hat es teilweise abgeholfen, indem es die Höhe des Ordnungsgeldes im Hinblick auf einen Irrtum über die Anzahl der entfallenen Umgangstage auf 500 € reduziert hat.
II.
Die Beschwerde ist teilweise begründet.
1. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen sind gegeben. Vollstreckt wird aus einem in einer Kindschaftssache und damit einer Familiensache (§§ 151 Nr. 2, 111 Nr. 2 FamFG) ergangenen gerichtlichen Beschluss (§ 86 I Nr. 1 FamFG), nämlich dem Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 27. März 2018 (Bl. 121 f. HA), mit dem es die Umgangsvereinbarung der beteiligten Eltern gebilligt hat. Der Titel ist der Antragstellerin zugestellt worden (Bl. 127) und damit wirksam (§ 40 I FamFG) und vollstreckbar (§ 86 II FamFG) geworden.
Auf die Möglichkeit der Festsetzung von Ordnungsmitteln ist mit dem zu vollstreckenden Beschluss hingewiesen worden (§§ 89 II FamFG).
2. Die Antragstellerin hat gegen die Anordnungen der durch Beschluss gebilligten Umgangsvereinbarung schuldhaft verstoßen, indem sie Vater und Kind an den vom Amtsgericht in seiner Teilabhilfeentscheidung genannten Tagen die Ausübung ihres Umgangsrechtes nicht ermöglicht hat.
Soweit sie sich zur Begründung ihrer Umgangsaussetzung auf Sorgen um den effektiven Infektionsschutz des gemeinsamen Kindes, das an Asthma leide, im Hinblick auf das neuartige Corona-Virus beruft, entlastet dies die Antragstellerin nicht. Die Umgangsvereinbarung gestattete ihr nicht, den Umgang des Kindes mit seinem Vater einfach ausfallen zu lassen. Hierauf hatte das Amtsgericht durch Verfügung vom 30. März 2020 (Bl. 5R OG) auch hingewiesen. Die Umgangsvereinbarung dient gerade auch dem Zweck, die Eltern des Streits über die Frage zu entheben, ob in jedem Einzelfall ein von einem Elternteil als wichtiger empfundener Grund oder Anlass Vorrang haben und dem Umgang deshalb entgegenstehen soll. Sie soll den Umgang verlässlich gestalten. Die Beteiligten sind deshalb nicht gezwungen, in jedem Fall starr an der Vereinbarung festzuhalten. Vielmehr sind sie frei, in jedem Einzelfall gemeinsam eine den Interessen und Rechten aller Beteiligten besser gerecht werdende abweichende Vereinbarung zu finden. Die Umgangsvereinbarung bleibt indes verbindlich, solange die Beteiligten nicht einvernehmlich von ihr abweichen oder, worauf das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat, die Möglichkeit einer - gegebenenfalls einstweiligen - Abänderung der Umgangsregelung durch das Familiengericht nutzen.
3. Die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes begegnet allerdings Bedenken. Art. 6 Abs. 1 EGStGB und § 89 III FamFG geben insoweit einen Rahmen von 5 € bis 25.000 € vor (Keidel/Giers, FamFG, 18. A., § 89, Rn. 14a), innerhalb dessen das Ordnungsgeld festgesetzt werden kann. Die Antragstellerin ist mit dem Billigungsbeschluss vom 27. März 2018 darauf hingewiesen worden, dass Zuwiderhandlungen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von bis zu 1.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, zur Folge haben können.
Die Ausübung des Ermessens, in welcher Höhe ein Ordnungsmittel festzusetzen ist, hat sich am Kindeswohl (vgl. Kroiß/Siede/Braun, FamFG, Kommentiertes Verfahrensformularbuch, 2. A., § 89 Rn. 13) sowie am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. Bahrenfuss/Hentschel, FamFG, 3. A., § 89 Rn. Rn. 10) zu orientieren. Folglich ist stets zu prüfen, ob mildere Maßnahmen in Betracht kommen. Hinsichtlich der Höhe des Ordnungsgeldes oder der Dauer der Ordnungshaft sind neben der Art, dem Umfang und der Dauer des Verstoßes, dem Verschuldensgrad, der Intensität des Verstoßes und dessen Auswirkungen, dem Vorteil des Verpflichteten aus der Verletzungshandlung, der Eingriffstiefe der begangenen und möglicher künftiger Verletzungshandlungen und gegebenenfalls des Verhaltens des Verpflichteten nach dem Verstoß, die individuelle Ordnungsmittelempfindlichkeit des Adressaten, also seine persönliche und wirtschaftliche Lage und die Auswirkung des Ordnungsmittels hierauf sowie gegebenenfalls seine Haftempfindlichkeit (Alter, Gesundheitszustand, familiäre, berufliche, soziale Bindungen) zu berücksichtigen (vgl. BGH NJW 2004, 506; GRUR 2017, 318; vgl. Kroiß/Siede/Braun, a. a. O., § 89 Rn. 15). Die Mittellosigkeit des Vollstreckungsschuldners steht einem Ordnungsgeld zwar nicht entgegen, aber die finanziellen Verhältnisse des Schuldners sind bei der Bemessung zu berücksichtigen (MüKoFamFG/Zimmermann, 3. Aufl. 2018, FamFG § 89 Rn. 17). Bei der Ermessensausübung hinsichtlich der Bemessung des Ordnungsmittels sind schließlich auch mögliche Auswirkungen der durch ein Ordnungsgeld entstehenden finanziellen Einbußen der Familie bzw. der durch Haft entstehenden Folgen auf im Haushalt lebende Kinder zu berücksichtigen.
Die Antragstellerin hat sich aus - rückblickend mit gewisser Wahrscheinlichkeit übertriebener, unangemessener - Sorge um das gesundheitliche Wohl des gemeinsamen Kindes entschieden, die Umgangsvereinbarung eigenmächtig auszusetzen. Damit hat sie die Ausübung des persönlichen Umgangsrechts von Vater und Kind zumindest an den entsprechenden Terminen praktisch nicht nachholbar zu verhindert. Hierin liegt ein bedeutsamer Pflichtverstoß. Im Hinblick auf den Verschuldensgrad und das Maß der Vorwerfbarkeit, kann der Antragstellerin allerdings zugutegehalten werden, dass ihre Handlungsmotivation in der durch eine im Hinblick auf die beginnende Pandemie äußerst unsichere Faktenlage geprägten Situation jedenfalls auch von der Sorge um die Gesundheit und damit einen grundsätzlich beachtlichen Belang des Kindes getragen war.
Die Einkommensverhältnisse der Antragstellerin geben Anlass, das Ordnungsgeld weiter herabzusetzen. Die Antragstellerin verfügt über eher bescheidene Einkünfte und ist mit verhältnismäßig hohen Verbindlichkeiten belastet, so dass ihr monatlich nach Abzug der fixen Kosten ein Betrag von einigen Hundert Euro für ihren und der Kinder Unterhalt verbleibt. Bei dieser Sachlage hält das Beschwerdegericht ein Ordnungsgeld in Höhe von 200 Euro für angemessen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 81 FamFG, 20 Abs. 1 S. 1 FamGKG.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 87 IV FamFG, 574 II, III ZPO), besteht nicht.