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Grundsteuer 1996


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 22.08.2012
Aktenzeichen 3 K 3318/07 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Beklagte wird verpflichtet, die Grundsteuer für 1996 für das Grundstück B… in C… unter Aufhebung der Ablehnungsverfügung vom 13. Januar 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Mai 1999 in Höhe eines Teilbetrages von   91.255 € (178.480 DM) zu erlassen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Klageverfahrens 2 K 2306/99 beim Finanzgericht Berlin und der Verfahren II B 56/03 und II R 6/05 beim Bundesfinanzhof haben die Beteiligten wie folgt zu tragen: Die bis zum 18. Februar 2008 entstandenen Kosten werden der Klägerin zu 12 vom Hundert und dem Beklagten zu 88 vom Hundert auferlegt; die danach entstandenen Kosten haben die Klägerin zu 2 vom Hundert und der Beklagte zu 98 vom Hundert zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für die Zeit bis zum 18. Februar 2008 auf 106.232 € (207.772 DM) und danach auf 93.950 € (182.381 DM) festgesetzt.

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Die Klägerin ist eine vermögensverwaltende KG. Im Jahre 1995 errichtete sie auf eigenem Grundstück B… in C… einen Gebäudekomplex („…“), der ein an drei Straßen angrenzendes Karree bildet und - verteilt auf eine Geschäftslage und Lagen an den Nebenstraßen sowie an einer Passage mit Innenhof - eine Bürofläche von 30.173 m², Wohnflächen von 7.996,50 m², Einzelhandelsflächen von (rund) 5.585 m², Büronebenflächen von 775 m², ein Hotel mit 5.600 m² und eine zweigeschossige Tiefgarage mit 796 Stellplätzen für Mieter und Besucher des Objekts aufweist. Das Streitgrundstück ist auf den auf die Fertigstellung des Objekts im Jahre 1995 folgenden Stichtag des 1. Januar 1996 als gemischtgenutztes Grundstück im Ertragswertverfahren mit einem Einheitswert (nach den Wertverhältnissen auf den 1. Januar 1935) von 10.980.700 DM bewertet und dem Grundvermögen zugeordnet worden. Der Grundsteuermessbetrag ist auf 65.884,20 DM und die Grundsteuer für das Streitjahr 1996 auf 395.305,20 DM (202.116,33 €) festgesetzt worden.

Mit der Vermietung des Objekts im Streitzeitraum war die D… GmbH aufgrund eines mit der Klägerin am 1. Juni 1993 geschlossenen Vertragsverhältnisses beauftragt (Hinweis auf Bl. 246 f Streitakte). Die D… GmbH war insoweit berechtigt, sich auf eigene Rechnung Dritter zur Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten zu bedienen (§ 2 Ziff. 3). Ausweislich § 2 Ziff. 2 der Vereinbarung handelte es sich dabei um einen  „Auftrag als Alleinauftrag“.  § 2 Ziff. 4 vermittelte der D… GmbH für die von ihr zu erbringenden Leistungen der „Mieterbeschaffung und Mietvertragsbearbeitung“ im Gegenzug einen Vergütungsanspruch gegen die Klägerin in Höhe von 5.000.000 DM.

§ 3 des Vertrages, der mit „Chancen – und Risikenteilung bei Über – und Unterschreiten der Zielmieten“ überschrieben ist, enthält folgenden Passus (auszugsweise):

Die Zielmiete (ohne Umsatzsteuer und Nebenkosten) für Büro– und Lagerflächen für das Jahr 1996 ist DM 19.185.000,00, so dass sich für die Zeit vom 01.01.1996 bis 31.12.2000 eine Zielmiete in Höhe des fünffachen Betrages der Jahreszielmiete 1996 ergibt, mithin DM 92.925.000,00. Weicht die Summe der Mieterträge p. a. aus abgeschlossenen Mietverträgen ohne Berücksichtigung … von dieser Zielmiete ab, wird der Differenzbetrag (Überschreitung oder Unterschreitung) zu gleichen Teilen zwischen KG (Anmerkung: Klägerin) und D… GmbH geteilt. D… GmbH verpflichtet sich demzufolge, die Hälfte einer Unterschreitung an die KG zu zahlen. Überschreitet die Summe der Mieterträge p. a. aus abgeschlossenen Mietverträgen für diesen Zeitraum diese Zielmiete, zahlt die KG an D… GmbH die Hälfte der Mehreinnahmen….

Durch einen mit der D… GmbH am 4. Februar 2002 geschlossenen Vergleich – auf den ergänzend Bezug genommen wird - ist der Klägerin wegen Unterschreitens der in § 3 der Vereinbarung vom 1. Juni 1993 genannten Zielmieten im Nachhinein für das Streitjahr lediglich die Hälfte des im Geschäftsbericht des Fonds für 1996 genannten Betrages von 7.735.000 DM (siehe Bl. 76 Streitakte 2 K 2306/99) – nämlich ein Betrag von 3.617.500 DM - als Mietausgleichszahlung zugeflossen (Hinweis auf Bl. 256 f Streitakte).

Im März 1997 beantragte die Klägerin, die Grundsteuer 1996 gemäß § 33 Abs. 1 des Grundsteuergesetzes – GrStG – in Höhe von - i.H.v. - 52,56 %, nämlich einen Teilbetrag von 207.772,41 DM zu erlassen, da die Büroflächen bis Ende 1996 weitgehend nicht hätten vermietet werden können. Ursächlich für die von der Klägerin berechnete Ertragsminderung i.H.v. 61,69 % war im Wesentlichen, dass die Büroflächen in den Nebenlagen überhaupt nicht und an der Passage mit Innenhof nur weit unterhalb der kalkulierten Miete hatten vermietet werden können. Kalkuliert waren insoweit Mieten von monatlich 45 DM/m². Aber auch bei den Einzelhandelsflächen hatten sich die kalkulierten Mieten nicht durchgängig erzielen lassen. Auch die Stellplätze waren überwiegend nicht zu vermieten gewesen. Von den insgesamt 796 Stellplätzen konnten zum 1. Januar 1996 lediglich 96 vermietet werden.

Das ehemalige Finanzamt, dessen Rechtsnachfolger aufgrund der zum 1. November 2008 erfolgten Neuorganisation der C… Finanzämter nunmehr das Finanzamt ist (fortan: Beklagter), lehnte den Erlass mit Verfügung vom 13. Januar 1998 und Einspruchsentscheidung vom 21. Mai 1999 ab, da Anfangsverluste bei Neubauten unter das Unternehmerrisiko fielen und vom Grundstückseigentümer zu vertreten seien. Außerdem habe der tatsächlich erzielte Rohertrag die Vermutung der Normalität für sich.

Die Klage, mit der die Klägerin vorgetragen hatte, angesichts der schwierigen Marktlage für Büroräume in C… habe sie ihre Mietforderungen von 45 DM/m² auf die übliche Miete von 25 DM/m² heruntergeschraubt und dennoch seien die Büros nicht zu vermieten gewesen, blieb erfolglos.

Das ehemalige Finanzgericht (FG) Berlin vertrat in seinem Urteil vom 26. Februar 2003 (2 K 2306/99) die Ansicht, die Klägerin sei von dem gerichtsbekannten Preisverfall auf dem Vermietungsmarkt für Büroräume infolge eines strukturell bedingten Überangebots nicht in größerem Maße betroffen als andere. Die Versagung des Erlasses stelle keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG -) dar. Die Beschränkung eines Erlasses nach § 33 Abs. 1 GrStG auf atypische Fallgestaltungen diene vielmehr der Wahrung des Gleichbehandlungsgebots. Strukturell bedingte Ertragsminderungen seien nämlich Ausdruck der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse und von allen Grundeigentümern solange hinzunehmen, wie ihnen nicht durch eine neue Hauptfeststellung Rechnung getragen werden könne. Im Übrigen habe die Klägerin die Ertragsminderung zu vertreten. Sie habe ihre Büroräume zu einem überhöhten Mietpreis von 25 DM/m² angeboten und damit den Leerstand selbst verursacht. Angesichts der Aussichtslosigkeit einer Vollvermietung zu diesem Mietpreis sei es der Klägerin zuzumuten gewesen, die Mietforderungen auf den Betrag herunterzuschrauben, den die Mietinteressenten bereit gewesen wären zu zahlen. Feststellungen zur Höhe der üblichen Miete anhand vergleichbarer Objekte traf das FG Berlin wegen der aus anderen Gründen scheiternden Erlassvoraussetzungen nicht.

Auf die vom Bundesfinanzhof – BFH – durch Beschluss vom 13. Januar 2005 (II B 56/03) zugelassene Revision der Klägerin hob dieser das erstinstanzliche Urteil des FG Berlin vom 26. Februar 2003 mit Urteil vom 24. Oktober 2007 (II R 6/05) auf und verwies die Sache an das nunmehr zuständige (seit dem 1. Januar 2007 fusionierte) FG Berlin-Brandenburg zurück.

Zur Begründung hat der BFH ausgeführt, die Revision sei begründet. Das Bundesverwaltungsgericht – BVerwG - habe seine Rechtsprechung, wonach in Fällen strukturell bedingter Ertragsminderungen von gewisser Dauer ein Grundsteuererlass gemäß § 33 Absatz 1 GrStG nicht in Betracht komme, durch Beschluss vom 24. April 2007 (BVerwG GmS-OGB 1/07, Zeitschrift für Kommunalfinanzen – ZKF - 2007, 211) aufgegeben und sich seiner (des BFH) Auffassung angeschlossen. Damit seien alle Differenzierungen nach typischen oder atypischen, nach strukturell bedingten oder nicht strukturell bedingten, nach vorübergehenden oder nicht vorübergehenden Ertragsminderungen und nach den verschiedenen Möglichkeiten, diese Merkmale zu kombinieren, hinfällig. Bei der Berechnung des normalen Rohertrages bei bebauten Grundstücken sei für die zu Beginn des Erlasszeitraums leerstehenden Räume die übliche Miete und für die zu diesem Zeitpunkt vermieteten Räumlichkeiten die tatsächliche Miete anzusetzen, es sei denn, die tatsächliche Miete weiche um mehr als 20 % von der üblichen Miete ab. Der Steuerpflichtige habe die Ertragsminderung, soweit sie durch einen Leerstand zu Beginn des Erlasszeitraums bedingt ist, dann nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung der Räumlichkeiten zu einem marktgerechten Zins bemüht habe. Vom Steuerpflichtigen könne nicht verlangt werden, sich stets den unteren Rand der Mietpreisspanne zu Eigen zu machen. Es reiche vielmehr aus, dass der Steuerpflichtige die Räumlichkeiten dem Markt zur Verfügung stelle und sich nachhaltig um die Erzielung einer Miete innerhalb der Spanne eines marktgerechten Mietzinses bemühe. Mehr könne von ihm nicht verlangt werden. Es sei ohne Bedeutung, ob und wie lange bei Neubauten mit Anlaufschwierigkeiten zu rechnen sei und was zum Unternehmerrisiko eines Vermieters gehöre. Da das Finanzgericht Feststellungen zur üblichen Miete sowie zu den von der Klägerin ergriffenen Maßnahmen, die Räumlichkeiten zu einem marktgerechten Mietzins zu vermieten, nicht getroffen habe, sei die Sache nicht spruchreif und müsse deshalb an das FG zur Nachholung dieser Feststellungen zurückverwiesen werden.

Im zweiten Rechtsgang legte die Klägerin dem erkennenden Senat mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 18. Februar 2008 (Bl. 10 Streitakte) eine korrigierte Berechnung zum normalen Rohertrag sowie zur Höhe der Ertragsminderung vor, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 14 Streitakte). Auf der Grundlage dieser Berechnung begehrte sie, die Grundsteuer für 1996 gemäß § 33 Absatz 1 GrStG i.H.v. 46,14 % zu erlassen.

Ihre Berechnung erläuterte die Klägerin wie folgt: Die übliche Miete für die zum 1. Januar 1996 leer stehenden Einzelhandelsflächen von 157 m² habe sie aus Gründen der Vereinfachung auf der Basis der übrigen vermieteten Ladenlokale – die vergleichbar seien - mit einer üblichen Miete von 40 €/m² (78,23 DM/m²) geschätzt. In gleicher Weise habe sie auch die Nebenflächen (Einzelhandel) mit 7,67 €/m² (15 DM/m²) geschätzt. Hinsichtlich der Hotelflächen, der Wohnungen sowie der Stellplätze habe sie sich ebenso an den tatsächlich vereinbarten Mieten orientiert. Die Büroflächen habe sie auf der Grundlage des vom Bezirksamt C… geschätzten Mietniveaus für Büroflächen in Spitzenlagen mit dem unteren Wert der Spannbreite i.H.v. 15,34 €/m² (30 DM/m²) angesetzt. Der tatsächliche Rohertrag beruhe auf ihrem geprüften und testierten Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 1996. Ausgehend von einem normalen Rohertrag von 9.361.550,04 €, dem ein tatsächlicher Rohertrag i.H.v. 3.962.656,41 €  gegenüberstehe, berechnete die Klägerin eine Rohertragsminderung von 5.398.893,63 € (57,67 %) und davon ausgehend einen Grundsteuererlassanspruch (4/5 x 57,67 %) von 46,14 % und mithin – ausgehend von einer Jahresgrundsteuer für 1996 von 395.002,20 DM - einen Erlassbetrag von 182.241,18 DM bzw. 93.178,43 € (395.002,20 DM bzw. 201.961,42 € x 46,14 %). Da die Jahresgrundsteuer tatsächlich jedoch auf 395.305,20 DM festgesetzt war (Bl. 14 der EW- und Grundsteuer-Akte Band II) betrug der begehrte Erlass rechnerisch zutreffend 182.393,81 DM bzw. 93.256,47 €. In ihrer Antragsschrift vom 18. Februar 2008 hat die Klägerin demgegenüber ausdrücklich einen Grundsteuererlass von 182.381 DM bzw. 93.249,91 € geltend gemacht.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

unter Aufhebung der Ablehnungsverfügung vom 13. Januar 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Mai 1999 den Beklagten zu verpflichten, die Grundsteuer für 1996 in der Höhe zu erlassen, die sich unter Zugrundelegung der üblichen Mietansätze, auf die sich die Beteiligten tatsächlich verständig haben, und unter Ansatz eines tatsächlichen Rohertrages in Höhe von 3.962.656,41 € ergibt;

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält die Voraussetzungen für einen Grundsteuererlass nach 33 Abs. 1 GrStG nunmehr mit einer anderen Begründung als derjenigen, die er noch im Ausgangsverfahren vertreten hat, nach wie vor für nicht gegeben und führt insoweit aus: Nach erneuter Prüfung des Streitfalles sei er zu der Erkenntnis gelangt, dass die geltend gemachte Ertragsminderung nicht strukturell bedingt, sondern die typische Folge einer Fehlinvestitionsmaßnahme sei. Das Objekt sei deplaziert, weil es sich nicht in das einfach strukturierte Wohn- und Einzelhandelsgebiet einfüge. Das Streitobjekt verfüge außerdem über eine ungünstige Grundrissgestaltung. Zudem bestehe eine latente Vorsteuerberichtigungspflicht. Der Leerstand beruhe darüber hinaus auf den typischen Anlaufschwierigkeiten bei Neubauten, die erstmals am Markt zur Miete angeboten werden. Es handele sich um eine gewöhnliche Fehlmaßnahme, wie sie häufig vorkomme. Bei den daraus resultierenden Mietausfällen handele es sich um typische Ertragsminderungen von Dauer, die einen Grundsteuererlass nach § 33 Abs. 1 GrStG nicht begründen könnten.

Eine andere Beurteilung folge auch nicht aus der neueren Rechtsprechung des BVerwG (Beschluss vom 24. April 2007, a.a.O.). Nur in Fällen strukturell bedingten Leerstands von nicht nur vorübergehender Natur habe sich das BVerwG der Auffassung des BFH angeschlossen. Anders als der BFH habe das BVerwG nicht entschieden, dass es generell nicht mehr auf darauf ankomme, ob die Ertragsminderungen atypisch seien. Eine Bindung des erkennenden Finanzgerichts an die Rechtsausführungen des BFH im Revisionsurteil vom 24. Oktober 2007 (II R 6/05) bestehe nicht. Im Kern habe der BFH nur zu den Fällen strukturell bedingten Leerstands von nicht nur vorübergehender Natur zu entscheiden gehabt, seine weiteren Ausführungen zum Erfordernis der Atypizität seien als beiläufige Bemerkungen (obiter dictum) zu qualifizieren, denen eine Bindungswirkung für den hiesigen Rechtsstreit gemäß § 126 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung – FGO -  nicht zukommen könne.

Das architektonisch repräsentative Gebäude hebe sich mit seiner hochwertigen Ausstattung deutlich von seiner Umgebung ab, welche überwiegend durch unsanierte Bürogebäude, Zweck- und Plattenbauten und durch ein einfaches Wohn- und Arbeitsumfeld geprägt sei. Das Streitobjekt wirke in diesem Umfeld wie ein Fremdkörper und korrespondiere nicht mit dem Standort. Der potenzielle Mieterkreis sei nicht bereit, in einem solchen Gebiet Büroflächen zu dem von der Klägerin angebotenen Mietzins anzumieten.

Ein weiterer Grund für die Leerstände ergebe sich aus der ungünstigen Grundrissgestaltung des Gebäudes. Diese stehe einer Globalvermietung entgegen und erschwere dessen Vollvermietung erheblich. Die ungünstige Grundrissgestaltung berge zugleich die Gefahr einer latenten Vorsteuerberichtigungspflicht. Die Klägerin müsste im Fall einer steuerfreien Vermietung mit erheblichen Vorsteuerberichtigungsansprüchen der Finanzbehörde gemäß § 15a Umsatzsteuergesetz – UStG - rechnen. Dies würde bei ihr zu erheblichen finanziellen Belastungen führen. Eine Vermietung an übliche Großmieter, wie bspw. die öffentliche Verwaltung, sei deshalb von vornherein ausgeschlossen gewesen.

Angesichts der Fertigstellung des Objekts Mitte des Jahres 1995 müsse außerdem angenommen werden, dass der hier in Rede stehende Leerstand der Büroflächen zum 1. Januar 1996 auch anlaufbedingt sei. Aus der Tatsache, dass die Klägerin mit der D… GmbH einen auf „Chancen- und Risikenteilung“ gerichteten Vertrag geschlossen habe, der einen Ausgleichsanspruch der Klägerin auf die Hälfte der kalkulierten Mieten für Büro- und Einzelhandelsflächen begründe, sei zu schlussfolgern, dass die Klägerin schon im Planungsstadium des Investitionsprojekts selbst von einem erhöhten Risiko von Ertragsminderungen ausgegangen sei.

Ein Erlass scheitere außerdem an der fehlenden Erlasswürdigkeit bzw. Erlassbedürftigkeit der Klägerin. Aufgrund des von der D… GmbH partiell übernommenen Mietausfallrisikos bei den Büro- und Einzelhandelsflächen sei die Klägerin durch die leerstandbedingten Mietausfälle wirtschaftlich nicht beschwert und somit auf einen  Teilerlass der Grundsteuer nicht angewiesen. Der Erlasstatbestand des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG erfordere zwar anders als derjenige des § 33 Abs. 1 Satz 2 GrStG nicht ausdrücklich die Unbilligkeit der Einziehung der Grundsteuer. Als geschlossener Immobilienfonds stehe die Klägerin jedoch einem Unternehmer gleich, der sich aufgrund seines geschäftsmäßigen Vorgehens leichter gegen Risiken dieser Art absichern könne, als dies ein Einzelvermieter vermöge. Es sei deshalb geboten, die Merkmale der Erlasswürdigkeit und Erlassbedürftigkeit auch für Fallkonstellationen der vorliegenden Art für erforderlich zu erachten.

Der Beklagte vertritt des Weiteren die Auffassung, dass die von der Klägerin ermittelten Vergleichsmieten unzutreffend seien. Die zum 1. Januar 1996 leer stehenden Büroflächen von insgesamt 29.996 m² dürften nicht einheitlich mit 25 DM/m² angesetzt werden. Aufgrund der unterschiedlichen Größen der Büroeinheiten und unter Berücksichtigung der für Hauptzentren angegebenen Mietpreisspanne für vergleichbare Büroeinheiten von 10 bis 15 €/m² lt. Orientierungsrahmen für Gewerbemieten in C… seien 7.800 m² Büroflächen mit 25,20 DM/m² (23 DM/m² + 2,20 DM Nebenkosten ohne Heizkosten) und die übrigen Flächen von 22.197 m² mit 23,20 DM/m² anzusetzen. Für die Stellplätze dürften lediglich 50 DM pro Stellplatz (25,56 €) anstelle von 150 DM (76.69 €) sowie hinsichtlich der Lagerflächen 10 DM/m² als angemessene übliche Miete berücksichtigt werden.

Hierauf erwidert die Klägerin: Der vom Beklagten im zweiten Rechtsgang erstmals geltend gemachte Ablehnungsgrund einer Fehlmaßnahme liege nicht vor und werde bestritten. Aber selbst wenn man der Annahme des Beklagten darin folge, die Ertragsminderung beruhe auf einer Fehlmaßnahme, wäre ein Erlass nicht ausgeschlossen. Der BFH habe in seinem Urteil vom 24. Oktober 2007 unmissverständlich ausgeführt, dass Differenzierungen nach typischen oder atypischen, nach strukturell oder nicht strukturell bedingten, nach vorübergehenden oder nicht vorübergehenden Ertragsminderungen und nach Möglichkeiten, diese Merkmale zu kombinieren, hinfällig seien. Hierbei handele es sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nur um eine beiläufige Bemerkung („obiter dictum“), sondern um eine tragende Urteilsbegründung, an die das erkennende Gericht des zweiten Rechtsgangs nach § 126 Abs. 5 FGO gebunden sei. Diesen Rechtsausführungen des BFH sei auch das BVerwG gefolgt.

Davon abgesehen sei weiterhin davon auszugehen, dass die Ertragsminderung nicht auf eine falsche Standortwahl, sondern tatsächlich – wovon auch der Beklagte selbst bislang ausgegangen sei - auf einem strukturellen Leerstand, also auf einen Angebotsüberhang, insbesondere bei Büroflächen, zurückzuführen sei. Hinzu komme, dass die Vermarktung von Neubauten zumeist mit anfänglichen Vermietungsschwierigkeiten behaftet sei. Derartige Anlaufschwierigkeiten stünden dem Erlass nicht entgegen, wenn sich der Steuerpflichtige – wie hier – unter Einschaltung eines Fachunternehmens nachhaltig und ernsthaft um die Vermietung der Leerstandsflächen zu einem marktgerechten Mietzins bemühe. Angesichts der sukzessiven Erhöhung des Vermietungsstandes in den Folgejahren von 35 % im Jahre 1996 bis auf 86 % im Oktober 2008 zeige sich, dass die Immobilie nicht am falschen Standort stehe und das Konzept des Investors letztlich aufgegangen sei.

Der mit der D… GmbH abgeschlossene Vertrag, in dem u.a. eine „Chancen- und Risikenteilung“ vereinbart sei, stehe dem beantragten Erlass nicht entgegen, weil es sich dem Inhalt der Vereinbarung nach nicht um eine Mietgarantie, sondern um einen Vermietungsauftrag mit einer Erfolgskomponente handele. § 3 des Vertrages vom 1. Juni 1993 bestimme insoweit, dass Chancen und Risiken aus der Vermietung des Objekts zwischen ihr und der D… GmbH zu gleichen Teilen geteilt werden.

Auf Anraten des erkennenden Senats haben die Prozessbeteiligten sich in der mündlichen Verhandlung wegen der Unsicherheiten tatsächlicher Art über die Höhe der üblichen Mieten in dem Objekt im Streitjahr dahingehend verständigt, dass für Büroflächen 27,50 DM/m² und pro Stellplatz 100 DM (Bruttokaltmieten) berücksichtigt werden. Des Weiteren sind sich die Beteiligten darüber einig, dass für Wohnflächen, Ladenflächen, Hotelflächen und Nebenflächen unverändert die von der Klägerin in ihrer Berechnung zugrunde gelegten Beträge als übliche Mieten anzusetzen sind; insoweit wird auf das Verhandlungsprotokoll vom 22. August 2012 Bezug genommen. Auf der Grundlage dieser Wertansätze hat die Klägerin dem Gericht eine korrigierte Berechnung vorgelegt, auf die ebenfalls Bezug genommen wird  (Bl. 258 Streitakte).

Dem Senat haben bei seiner Entscheidung neben der Streitakte zum vorliegenden Verfahren je ein Band Streitakten des FG Berlin zum Aktenzeichen 2 K 2306/99 und des BFH zum Aktenzeichen II R 6/05 sowie zwei Bände Einheitswert- und Grundsteuerakten des Beklagten zur Steuernummer 7… vorgelegen, auf deren Inhalte ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und im zuletzt von der Klägerin begehrten Umfang auch begründet. Die Ablehnung des begehrten Grundsteuererlasses ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 FGO). Die Klägerin hat einen Anspruch auf den beantragten Grundsteuerlass.

Ist bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag um mehr als 20 % gemindert und hat der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten, so wird die Grundsteuer gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung - a. F.- in Höhe des Prozentsatzes erlassen, der vier Fünfteln des Prozentsatzes der Minderung entspricht.

Normaler Rohertrag eines bebauten Grundstücks, dessen Wert - wie hier - im Ertragswertverfahren zu ermitteln ist, ist gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG die Jahresrohmiete, die bei einer Hauptfeststellung auf den Beginn des Erlasszeitraums, das heißt vorliegend des Kalenderjahres 1996, maßgebend wäre. Unter Jahresrohmiete ist gemäß § 79 Abs. 1 Bewertungsgesetz – BewG - das Gesamtentgelt zu verstehen, das der Mieter (Pächter) für die Benutzung des Grundstücks aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Feststellungszeitpunkt für ein Jahr zu entrichten hat. Hierzu gehören auch die Umlagen (vgl. Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, 8. Aufl. 2004, § 33 Rn. 11) mit Ausnahme der Kosten des Betriebs einer zentralen Heizungs-, Warmwasser- und Brennstoffversorgungsanlage (Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 79 Rz. 1) sowie des Fahrstuhls (vgl. § 79 Abs. 1 Satz 4 BewG). Ist ein Grundstück ungenutzt, also beispielsweise leer stehend, gilt gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BewG als Jahresrohmiete die übliche Miete. Diese ist gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG auch dann maßgeblich, wenn Räume für eine um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichende Miete überlassen sind.

Für die vorliegenden Räumlichkeiten sind folglich zwei unterschiedliche Bezugsgrößen maßgebend, nämlich für die am 1. Januar leer stehenden Einheiten die übliche Miete und für die am 1. Januar vermieteten Einheiten die tatsächlich vereinbarte Jahresrohmiete, sofern diese die übliche Miete nicht um mehr als 20 % über- oder unterschreitet. Dabei ist unter der üblichen Miete zu Beginn des Erlasszeitraums allerdings nicht die Durchschnittsmiete, die für die vermieteten Teile vereinbart werden konnte, sondern eine in Anlehnung an die Miete für Räume gleicher Art, Lage und Ausstattung zu schätzende Miete zu verstehen (vgl. hierzu Urteile des BFH vom 24. Oktober 2007 II R 6/05, a.a.O., und II R 5/05, Bundessteuerblatt – BStBl - II 2008, 384).

Die Erlassvoraussetzungen sind vorliegend im zuletzt von der Klägerin begehrten Umfang erfüllt.

Die Klägerin beruft sich zu Recht darauf, dass der normale Rohertrag im Streitjahr um mehr als 20 % gemindert war. Die von der Klägerin vorgelegte (korrigierte) Berechnung (Hinweis auf Bl. 258 Streitakte), die dem Gericht lediglich zur Erleichterung der Errechnung des Betrages des Grundsteuererlasses dienen sollte, entspricht – mit Ausnahme eines Fehlers bei der Errechnung der Sollmiete für die Stellplätze, den das Gericht korrigiert hat – den genannten Vorgaben im Urteil des BFH, an die der erkennende Senat gemäß § 126 Abs 5 FGO gebunden ist.

Ausgehend von den am 1. Januar 1996 vermieteten sowie leer stehenden Flächen beträgt der Sollertrag für das Streitobjekt (rund) 9.097.046 €. Insoweit hat der Senat hinsichtlich der vermieteten Flächen die tatsächlichen Mieten (Bruttokaltmieten ohne Nebenkosten für Heizung, Warmwasserversorgung und Aufzugsanlage) mit den üblichen Mieten verglichen, über deren Höhe die Beteiligten sich tatsächlich verständigt haben. Soweit die tatsächlichen Mieten um mehr als 20 % von der üblichen Miete abwichen (vgl. § 79 Abs. 2 Nr. 2 BewG), ist letztere der Sollertragsermittlung zugrunde gelegt worden. Hinsichtlich der am 1. Januar 1996 leer stehenden (unvermieteten) Flächen hat der Senat die üblichen Mieten, über deren Höhe die Beteiligten sich tatsächlich verständigt haben, angesetzt. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat auf die nachstehende Aufstellung zur Ermittlung des Sollertrags Bezug. Von der Summe beider Bezugsgrößen sind die von der Klägerin mitgeteilten vom Senat für zutreffend befundenen tatsächlich erzielten Mieterlöse in Höhe von 3.962.656 € in Abzug gebracht worden. Daraus resultiert eine Ertragsminderung von rund 5.134.390 €, dies entspricht 56,44 % des normalen Rohertrages.

Bei der Berechnung der Ertragsminderung dürfen die von der D… GmbH an die Klägerin – jedenfalls nicht im Streitzeitraum sondern wohl 2002 - geleisteten Mietausgleichszahlungen (3.617.500 DM) nicht als die tatsächlich erzielte Miete erhöhend in Ansatz gebracht werden. Abgesehen davon, dass diese Ausgleichszahlung unstreitig im Erlasszeitraum 1996 der Klägerin nicht zugeflossen ist und somit die Mieterlöse tatsächlich nicht erhöht hat (Zufluss-/Abflussprinzip, vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz – EStG -), gehören die von der D… GmbH gezahlten Beträge nach Auffassung des erkennenden Senats auch dem Grunde nach nicht zur Jahresrohmiete. Die Jahresrohmiete umfasst nach der Legaldefinition des § 79 Abs. 1 BewG nur solche Beträge, die als Entgelt für die Benutzung des Grundstücks selbst anzusehen sind (vgl. Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 79 Anm. 6; Glier, Grundsteuer, § 33 Anm. 9). Hieran fehlt es. Bei den von der D… GmbH gezahlten Beträgen handelt es sich der Natur nach nicht um Mietzins als Bestandteil der zivilrechtlichen (Gegen-)Leistungsverpflichtung des Mieters für die Überlassung der Mietsache, sondern um Leistungen eines Dritten zur Abmilderung des Mietausfallrisikos bei der Klägerin. Derartige Leistungen Dritter gehören aber nicht zur Jahresrohmiete im Sinne von § 79 Abs. 1 BewG.

Anders als im Fall des Erlasses nach § 33 Abs. 1 Satz 2 GrStG kommt es im Streitfall nicht auf die persönliche Erlassbedürftigkeit der Klägerin an, denn bei dem hier vorliegenden Erlasstatbestand des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG handelt es sich nicht um einen Erlass wegen persönlicher sondern wegen sachlicher Unbilligkeit. In letztgenannten Fällen ist demgemäß der Erlass von der Wirtschaftslage des Grundeigentümers unabhängig (grundlegend: BFH, Urteil vom 28. Oktober 1958, VII 185/57 U, BStBl III 1958, 11; Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, 8. Aufl., § 33 Anm. 6, S. 441).

Dass die Klägerin das im Grundsatz bei ihr liegende Mietausfallrisiko (durch Leerstand oder Mietrückgang)  aus Gründen der besseren Vermarktbarkeit ihrer Fondsanteile während der Anlaufphase des neu auf den Markt gekommenen Fondsobjekts teilweise auf einen Dritten verlagert hat, tangiert deshalb die im Erlasstatbestand des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG in typisierender Form umschriebene sachliche Unbilligkeit nach Auffassung des erkennenden Senats nicht.

Hinsichtlich der am 1. Januar 1996 vermieteten Grundstücksflächen (Beginn des Erlasszeitraums) sind die folgenden Mieterträge (Bruttokaltmieten ohne Kosten der Aufzuganlage) im normalen Rohertrag zu erfassen. Hierbei handelt es sich überwiegend um die tatsächlichen Mieterträge, da sie nach den Feststellungen des Senats nicht um mehr als 20 % von den üblichen  Mieten abweichen. Davon abweichende tatsächliche Mieten sind in der nachfolgenden Aufstellung gesondert ausgewiesen. Die €- bzw. DM-Werte sind mathematisch gerundet.

Sollertrag vermietete Flächen

                

       Mietfläche/m²

        

Monatsmiete/€

        

Jahresbetrag/€

Einzelhandel

        

5.168,62

        

    159.872

        

     1.918.467

Einzelhandel/Nebenflächen

        

   249,39

        

        1.906

        

          22.867

(darin enthalten: 18 m² mit üblicher Miete von 7,67 €/m²)

                

Büro (übliche Miete)

        

   177,00

        

        2.488

        

          29.863

Hotel 

        

5.600,00

        

      63.896

        

        766.752

Wohnungen

        

6.443,32

        

      44.459

        

        533.507

                

Anzahl

                                

Stellplätze

        

     96

        

                     4.908

        

          58.902

Summe Sollertrag/Jahr (vermietete Flächen):

     3.330.358 €

Die am 1. Januar 1996 leer stehenden Flächen sind jeweils mit den nachfolgend ausgewiesenen üblichen Mieten für nach Lage und Ausstattung vergleichbare Flächen angesetzt worden und beruhen ebenso auf den Feststellungen des erkennenden Senats.

Sollertrag Leerstandsflächen

                

Mietfläche/m²

        

 Übliche Monatsmiete/€/m²

        

Jahresbetrag/€

Einzelhandel

        

      157,00

        

40,00 

        

          75.360

Einzelhandel/Nebenflächen

        

       10,61

        

  7,67

        

               977

Büro   

        

29.996,00

        

14,06 

        

     5.060.925

Büro/Nebenflächen

        

     775,00

        

  7,67

        

          71.331

Wohnungen

        

   1.553,18

        

  6,90

        

        128.603

                

  Anzahl

                                

Stellplätze

        

     700

        

51,13 

        

        429.492

Summe Sollertrag/Jahr (Leerstandsflächen):

     5.766.688 €

Gesamtsumme Sollertrag:

        

3.330.358 €

        

+ 5.766.688 €  =

        

     9.097.046 €.

Hieraus ergibt sich folgender zu erlassender Teilbetrag der Grundsteuer:

Sollertrag

        

9.097.046 €

        

Ist-Ertrag

        

- 3.962.656 €

        

Rohertragsminderung

        

5.134.390 €

        

Rohertragsminderung in %:

        

5.134.390 x 100
9.097.046

= 56,44 %

                                

 56,44 % x 4/5

        

 = 45,15 %     

        

395.305,20 DM (festgesetzte Grundsteuer) x 45,15 % = 178.480 DM (91.256 €)

Auch die weitere Voraussetzung für einen Grundsteuererlass gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG a.F., dass der Grundsteuerpflichtige die Minderung der Jahresrohmiete nicht zu vertreten haben darf, ist nach den Feststellungen des erkennenden Senats erfüllt. Im Falle des hier im Wesentlichen geltend gemachten Leerstandes hat der BFH mit einer den Senat bindenden Wirkung (§ 126 Abs. 5 FGO) im Revisionsverfahren des ersten Rechtszugs ausgeführt, dass die Klägerin die Ertragsminderung dann nicht zu vertreten habe, wenn sie sich nachhaltig um eine Vermietung der Räumlichkeiten zu einem marktüblichen Konditionen bemüht hat. Dabei sei sie nicht verpflichtet, sich den unteren Rand der Mietpreisspanne zu Eigen zu machen; es reiche vielmehr aus, dass die Räumlichkeiten dem Markt zur Verfügung stehen und nachhaltig zu einer Miete innerhalb der Spanne eines marktgerechten Mietzinses angeboten würden.

Diese Voraussetzungen sind unter Berücksichtigung der von der Klägerin dargelegten Vermietungsbemühungen und der vorgelegten Unterlagen erfüllt.

Die Klägerin hat für den Senat nachvollziehbar - und vom Beklagten unbestritten - dargelegt, dass sie sich seit Fertigstellung des Objekts ernsthaft um eine Vermietung der betroffenen Flächen bemüht hat. Hierzu hat sie die D… GmbH als Fachunternehmen eingeschaltet, das aufgrund der im Geschäftsbesorgungsvertrag vom 1. Juni 1993 niedergelegten Provisionsansprüche und  Vergütungsregelungen  ein erhebliches Eigeninteresse gehabt haben dürfte, das Fondsobjekt zügig und aus Sicht der Klägerin zu optimalen Bedingungen zu vermieten. Die umfangreichen Vermietungsbemühungen werden zudem durch die von der Klägerin im zweiten Rechtsgang vorgelegten Unterlagen, insbesondere die Kundenschutzgesuche (Bl. 139 ff Streitakte) sowie die Darlegung der von ihr im Streitjahr unternommenen Vermietungsaktivitäten lt. Bestätigung der D… GmbH vom 6. März 1997 (Bl. 146 f Streitakte) zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Angesichts der zu einem Mietzins von 25 DM/m² angebotenen Büro-Leerstandsflächen kommen auch keine Zweifel daran auf, dass die Klägerin bemüht war, die Flächen zum Tel unterhalb der seinerzeit geltenden Mietmarktverhältnisse zu vermieten, denn die übliche Miete für vergleichbare Büroflächen lag nach den Feststellungen des erkennenden Senats bei etwa 27,50 DM/m², also bei dem Wert, auf den sich die Beteiligten im Verhandlungstermin tatsächlich verständigt haben. Weitere Anforderungen hatte die Klägerin nicht zu erfüllen, letztlich hat auch der Beklagte nicht in Abrede gestellt, dass die Klägerin sich nachhaltig und ernsthaft um eine Vermietung des Streitobjekts unter Einschaltung eines Fachunternehmens bemüht hat.

Nach den bindenden Ausführungen des BFH – die der Senat für zutreffend erachtet - sind Differenzierungen nach typischen oder atypischen, strukturell bedingten oder nicht strukturell bedingten, nach vorübergehenden oder nicht vorübergehenden Ertragsminderungen und nach den verschiedenen Möglichkeiten, diese Merkmale zu kombinieren, nicht mehr von Bedeutung. Für den Streitfall nicht von Bedeutung ist deshalb, ob der in Rede stehende Leerstand auf einem strukturell bedingten nicht nur vorübergehenden Angebotsüberhang oder auf einer Fehlmaßnahme basiert. Nach Ansicht des erkennenden Senats handelt es sich insoweit nicht – wie der Beklagte meint – um eine beiläufige Bemerkung des BFH (obiter dictum), sondern um eine das Revisionsurteil tragende Rechtsauffassung, die unmittelbar zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des FG geführt hat (vgl. Ruban in Gräber, FGO, 7. Aufl., § 126 Rn. 21 m.w.N. zur höchstrichterlichen Rechtsprechung). Für diese Beurteilung spricht, dass der BFH der vom BVerwG befürworteten teleologischen Reduktion des Erlasstatbestands auf atypische Ertragsminderungen von vorübergehender Natur eine Absage erteilt hat. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 2. Dezember 2010, 2 S 1729/10 (juris) insoweit – nach Ansicht des erkennenden Senats zutreffend - ausgeführt:

„… Diese Auslegung des § 33 Abs. 1 GrStG erscheint dem Senat im Übrigen aus dem vom Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 13.9.2006 (Hinweis: II R 5/05, BStBl II 2006, 921) angeführten Gründen auch allein sachgerecht. Sie entspricht zudem offensichtlich dem Willen des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber knüpft den Erlass der Grundsteuer außer an ein bestimmtes Maß der Minderung des Rohertrags des Grundstücks zum einen an die Voraussetzung, dass der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat, und zum anderen daran, dass die Ertragsminderung für den Erlasszeitraum weder durch Fortschreibung des Einheitswerts berücksichtigt werden kann noch bei rechtzeitiger Stellung des Antrags auf Fortschreibung hätte berücksichtigt werden können. Dafür, dass der Gesetzgeber eine darüberhinausgehende Einschränkung des Anwendungsbereichs der Norm durch weitere ungeschriebene Tatbestandsmerkmale beabsichtigt hätte, ist nichts zu erkennen. …“ (so auch: FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Juni 2011, 3 K 3326/07, Revision anhängig: II R 8/12; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Juni 2011, 9 B 16/10; Sächsisches OVG, Beschluss vom 23. Dezember 2009, 5 B 449/06, juris, entgegen: Verwaltungsgericht – VG - Gelsenkirchen, Urteil vom 7. Juli 2011,  5 K 4418/09; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 31. Oktober 2008, 14 A 1420/07, vom 26. März 2009, 14 A 3168/07, vom 28. Februar 2011, 14 A 1711/08 und vom 24. Mai 2011 14 A 1498/09, juris sowie zuletzt: BVerwG, Beschluss vom 3. März 2010, 9 B 77/09, das ausführt, dass eine abschließende Entscheidung darüber, ob auf das Merkmal der Atypizität generell verzichtet wird, noch nicht getroffen sei).

Abgesehen davon hält der erkennende Senat dem vom Beklagten im zweiten Rechtsgang erstmals eingeführten Sachvortrag, wonach der vorliegende Leerstand auf der Fehlplatzierung einer hochwertigen Immobilie in einem „einfachen Wohn- und Arbeitsumfeld“ beruhe, für unzutreffend und widerlegt. Gegen die Mutmaßungen des Beklagten spricht, dass seit Fertigstellung die Leerstände (65 %) sukzessive zurückgeführt werden konnten. So waren im Jahr 2008 bereits 86 % der Flächen vermietet. Lt. Angaben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Termin beträgt der Leerstand im Streitobjekt aktuell nur noch etwa 5 % der Flächen. Der Senat hält deshalb daran fest, dass die anfänglichen Vermietungsschwierigkeiten der Klägerin strukturell bedingt waren. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass auch ein anfänglicher Leerstand von vorübergehender Natur einem Erlass nach der Rechtsprechung des BFH, der der erkennende Senat folgt, nicht entgegensteht.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO vorliegt. Insbesondere handelt es sich nicht um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, zumal die vorliegend anzuwendende Fassung des § 33 GrStG „ausgelaufenes Recht“ darstellt und somit in der aktuellen Rechtsanwendungspraxis keine Rolle mehr spielt.

Die Kostenentscheidung, die der BFH dem erkennenden Senat auch hinsichtlich des Ausgangsverfahrens sowie der BFH-Verfahren übertragen hat, beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Bei den Kostenquoten wurden die unterschiedlichen Anträge der Klägerin in den verschiedenen Verfahrensabschnitten berücksichtigt. Die Sach- und Rechtslage war nicht so einfach, als dass die Klägerin sich selbst hätte vertreten können, daher war die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

Den Wert des Streitgegenstandes hat das Gericht gemäß den §§ 13 Abs. 2, 25 des Gerichtskostengesetzes – GKG – (in der in Fällen der Klageerhebung vor dem 1. Juli 2004 anzuwendenden alten Fassung) ermittelt.